Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Zeit von 14.12.2005 bis 31.05.2007 zu
gewähren hat. Der Beklagte lehnt die Leistungsgewährung ab, weil der Kläger aus der zusammen mit seinem Vater bewohnten Wohnung
in eine andere Wohnung seines Vaters umgezogen war.
Der im Mai 1985 geborene Kläger steht wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung. Bis Mai 2008 oblag die Betreuung
seinem Vater. Nach der Beendigung einer Lehre bezog der Kläger ab August 2005 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB III) von monatlich 266,40 Euro. Der Kläger wohnt im Haus seines Vaters. Bis 31.10.2005 wohnte er zusammen mit seinem Vater in
einer Wohnung, die Großmutter des Klägers wohnte in der abgetrennten Wohnung im Obergeschoss. Nachdem die Großmutter des Klägers
ins Altersheim gezogen war, übernahm der Kläger zum 01.11.2005 die Wohnung im Obergeschoss.
Der Kläger beantragte erstmals am 14.12.2005 Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Miete
seiner Dreizimmerwohnung betrage 200,- Euro zuzüglich 50,- Euro für Heizkosten. Der Mietvertrag vom 01.11.2005 mit Mietbeginn
01.11.2005 und einer ausgewiesenen Warmmiete von 250,- Euro wurde vorgelegt.
Mit Bescheid vom 20.02.2006 wurde Arbeitslosengeld II für die Zeit von 14.12.2005 bis 31.05.2006 in Höhe von monatlich 78,60
Euro bewilligt. Es wurde nur die Regelleistung abzüglich Arbeitslosengeld nach
SGB III gewährt. Ein Widerspruch wurde nicht erhoben. Bei einem Hausbesuch im Mai 2006 wurde bestätigt, dass der Kläger in einer
eigenen Wohnung im Obergeschoss wohnte.
Mit Bescheid vom 01.06.2006 wurde Arbeitslosengeld II für die Zeit von Juni bis einschließlich November 2006 von monatlich
78,60 Euro bewilligt. Dagegen wurde Widerspruch erhoben. Laut einer Bestätigung des sozialpsychiatrischen Dienstes sei die
eigene Wohnung erforderlich. Der Vater erklärte, dass er seinem Sohn laufend zur Seite stehe, dieser aber eine eigene Wohnung
brauche. Die Großmutter habe eine Kaltmiete von 204,- Euro bezahlt, was durch Kontoauszüge belegt wurde.
Im Widerspruchsverfahren wurde festgestellt, dass die 30-Euro-Versicherungspauschale und die Riesterrente nicht vom Einkommen
abgezogen worden waren. Außerdem war das Auslaufen des Arbeitslosengelds nach
SGB III am 05.09.2006 nicht berücksichtigt worden. Mit Änderungsbescheid vom 23.01.2007 wurde die Bewilligung für Juni bis einschließlich
November 2006 neu festgesetzt. Dabei wurde ab dem Auslaufen des Arbeitslosengelds nach
SGB III ein monatlicher Zuschlag von 92,- Euro gewährt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2006 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.06.2006 in Gestalt des Änderungsbescheids
vom 23.01.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Der Mietvertrag sei nur zur Herstellung höherer Bedürftigkeit abgeschlossen
worden. Davor habe der Kläger im Rahmen der elterlichen Fürsorge- und Obhutsverpflichtung kostenlos bei seinem Vater gewohnt.
Beim Abschluss des Mietvertrags habe dem Kläger und seinem Vater klar sein müssen, dass er die Miete mit 266,40 Euro Arbeitslosengeld
nicht bezahlen konnte - es handle sich daher um ein nichtiges Scheingeschäft. Der Vertrag entspreche auch nicht dem Drittvergleich,
weil das Fehlen der Mietzahlung toleriert worden sei.
Mit Änderungsbescheid vom 22.01.2007 wurde auch die Bewilligung für die Zeit von 14.12.2005 bis 31.05.2006 entsprechend auf
monatlich 128,60 Euro heraufgesetzt. Dagegen wurde wegen fehlender Kosten der Unterkunft Widerspruch erhoben, der mit Widerspruchsbescheid
vom 07.03.2007 mit gleichlautender Begründung als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Mit Bescheid vom 23.01.2007 wurden Leistungen für die Zeit von 01.12.2006 bis 31.05.2007 in Höhe von monatlich 437,- Euro
(345,- Euro Regelleistung und 92,- Euro Zuschlag) bewilligt. Der wegen fehlender Kosten der Unterkunft erhobene Widerspruch
wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2007 zurückgewiesen.
Am 05.04.2007 wurden für die drei Bewilligungszeiträume drei Klagen erhoben (Az. S 13 AS 151/07, S 13 AS 152/07 und S 13 AS 153/07). Die Klagen wurden verbunden und mit Urteil vom 26.11.2008 abgewiesen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Gültigkeit
des Mietvertrags. Der Kläger habe wegen seinen erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht ohne Unterstützung seiner
nächsten Angehörigen leben können. Ein völlig unabhängiges Leben sei auch nach dem Umzug in das Obergeschoss nicht ersichtlich.
Eine Haushaltsgemeinschaft oder Bedarfsgemeinschaft verlange eine Prüfung der Einkommensverhältnisse des Vaters. Der Mietvertrag
sei ein Scheingeschäft gemäß §
117 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Dem Kläger und seinem Vater habe klar sein müssen, dass der Kläger die Miete nicht bezahlen könne. Der Mietvertrag sei
nicht vollzogen worden. Das Urteil wurde dem Kläger am 06.03.2009 zugestellt.
Am 02.04.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Unter anderem wurde ausgeführt, dass der Kläger bei Abschluss des Mietvertrags
davon ausgegangen sei, alsbald Arbeit zu finden und die Miete sehr wohl bezahlen zu können. Der Kläger habe bei vorhandenem
Einkommen auch die Mieten für Juni, Juli, August und Oktober 2007 bezahlt; hierzu hat der Kläger Kontoauszüge übermittelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26. November 2008 aufzuheben und den Bescheid vom 01.06.2006 in Gestalt des Änderungsbescheids
vom 23.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2007, den Änderungsbescheid vom 22.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 07.03.2007 und den Bescheid vom 23.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2007 abzuändern und den Beklagten
zu verpflichten, dem Kläger in der Zeit von 14.12.2005 bis 31.05.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich
250,- Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte führt aus, dass der Kläger keinen ernsthaften Mietzinsforderungen ausgesetzt gewesen sei. Der erste Bewilligungsbescheid
sei nicht angefochten worden, obwohl dort keine Unterkunftskosten gewährt wurden. Der Kläger hätte die Miete nur bezahlen
können, wenn er dafür Leistungen bekommen hätte. Der Mietvertrag sei ein Scheingeschäft nach §
117 BGB. Die Mietobergrenze für Einzelpersonen am Wohnort des Klägers betrage monatlich 210,- Euro Kaltmiete.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und weit überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft
und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II.
Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen für die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für die Zeit von 14.12.2005 bis 31.05.2007.
Der Kläger ist im strittigen Zeitraum leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 SGB II. Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet, war
angesichts seiner abgeschlossenen Lehre trotz der Betreuung erwerbsfähig, mangels eigenem Einkommen oder Vermögen hilfebedürftig
und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD. Er hat Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im tenorierten
Umfang.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 37/08 R, Rn. 24) findet ein Fremdvergleich bei Mietverträgen zwischen Verwandten nicht statt. Entscheidend ist vielmehr, ob der
Kläger einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt ist. Dies ist hier der Fall. Ein Scheingeschäft
nach §
117 BGB liegt nicht vor. Vom Kläger und seinem Vater wurde ein wirksamer Mietvertrag vereinbart und nicht nur Scheinerklärungen dazu
abgegeben. Es kommt nicht darauf an, ob ein Hilfebedürftiger den Mietzins aus eigenen Mitteln wird bezahlen können. Im Gegenteil:
Der Betroffene stellt einen Antrag auf Leistungen, weil er hilfebedürftig ist und sein Existenzminimum, also auch die Miete,
nicht selbst sicherstellen kann (BSG aaO.). Die Gedankenfolge "Die Behörde zahlt nicht, dann kann auch der hilfebedürftige
Kläger die Miete nicht zahlen, dann ist es ein Scheingeschäft und dann zahlt die Behörde nicht" ist ein vollständiger Zirkelschluss.
Der Kläger hat unstrittig nach dem Auszug der Großmutter zum 01.11.2005 deren abgetrennte Wohnung im Obergeschoss des Hauses
bezogen. Die Großmutter hatte dafür erwiesenermaßen 204,- Euro Miete bezahlt. Dass der Kläger anschließend die Miete nicht
bezahlte, beruht auf der rechtswidrigen Leistungsverweigerung durch den Beklagten. Der Kläger hatte auch die Miete im Jahr
2007 bezahlt, sobald er über Erwerbseinkommen verfügte. Es kann nicht ernsthaft angeführt werden, der Vater des Klägers hätte
seinen unter seiner Betreuung stehenden psychisch kranken Sohn auf die Straße setzen müssen, um die Wirksamkeit seiner Mietforderung
zu belegen. Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass der erste Bewilligungsbescheid vom 20.02.2006 nicht angefochten wurde,
obwohl dort keine Kosten der Unterkunft bewilligt wurden, ist anzumerken, dass der Bescheid an den unter Betreuung stehende
Kläger adressiert war, dieser mit der Prüfung eines Bescheids aber überfordert war.
Es bestand auch keinerlei Veranlassung, dem Kläger vorzuhalten, er hätte noch weiter in seinem bisherigen Zimmer in der Wohnung
des Vaters wohnen können. §§ 22 Abs. 2a SGB II ist erst zum 01.06.2006 in Kraft getreten, also lange nach dem Umzug des Klägers.
Zudem hat der sozialpsychiatrische Dienst bestätigt, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung in einer eigenen
Wohnung wohnen soll. Im Übrigen bestand auch keine Verpflichtung des Vaters, seinem volljährigen Sohn unentgeltlich in seiner
oder in einer anderen Wohnung wohnen zu lassen.
Dem Kläger sind Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 250,- Euro entstanden. Davon entfallen 50,- Euro auf Heizkosten.
Die Kosten der zentralen Warmwasserbereitung sind aus der Regelleistung zu bezahlen. Bei der Regelleistung von 345,- Euro
sind hierfür monatlich 6,22 Euro anzusetzen. Vom Beklagten sind monatlich 243,78 Euro als angemessene Bedarfe für Unterkunft
und Heizung anzuerkennen und zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht ersichtlich sind.