Keine Fortsetzbarkeit oder Wiederaufnahme des sozialgerichtlichen Verfahrens nach einem Vergleich; Wirksamkeit eines im Termin
geschlossenen Vergleichs
Tatbestand
Streitig ist die Fortsetzung des Verfahrens L 7 AS 393/11, bei dem es ursprünglich um die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 991,53 EUR ging.
Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 28.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2010 forderte der
Beklagte vom Kläger für den Zeitraum vom 10.07.2010 bis 31.08.2010 bewilligte und ausgezahlte Leistungen in Höhe von insgesamt
991,53 EUR zurück. Der Kläger habe ab dem 10.07.2010 seinen ständigen Aufenthalt in England gehabt.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2011, Az.: S 11 AS 1129/10, als unbegründet zurück.
Nachdem der Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt hatte (Az.: L 7 AS 339/11), schlossen die Beteiligten im Erörterungstermin am 17.04.2012 vor dem Bayer. Landessozialgericht folgenden "Vergleich: 1.
Der Kläger zahlt einen Betrag von 583,25 EUR in monatlichen Raten zu je 50 EUR an den Beklagten zurück. 2. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Beteiligten erklären mit Abschluss dieses Vergleichs den Rechtsstreit in vollem Umfang
für erledigt."
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 erhob der Bevollmächtigte des Klägers gegen den Vergleich "Klage wegen Nichtigkeit und
Wiederaufnahme". Der Vergleich sei nichtig, da die Richterunterschrift unter dem Vergleich fehle, ebenso das Amtssiegel eines
Notars und ein "Beglaubigungsvermerk". Er habe nur eine Abschrift des Vergleichs erhalten, die zudem nur mit einer Paraphe
der Urkundsbeamtin versehen gewesen sei. Auch könne eine "beglaubigte Urteilsabschrift" die "Zustellungswirkung des §
517 ZPO nicht begründen", die "Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist" sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Verfahren L 7 AS 393/11 fortzusetzen,
hilfsweise
das Verfahren wieder aufzunehmen, und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Mai. 2011 sowie den Bescheid
des Beklagten vom 28.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt festzustellen,
dass das Verfahren L 7 AS 393/11 durch den Vergleich vom 17.04.2012 beendet wurde.
Der Beklagte hält den Vergleich für wirksam.
Entscheidungsgründe
Die "Klage wegen Nichtigkeit und Wiederaufnahme" wird dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Fortsetzung bzw. die Wiederaufnahme
des Verfahrens L 7 AS 393/11 begehrt.
Der Antrag, das Verfahren L 7 AS 393/11 fortzuführen, bleibt erfolglos, weil dieses Verfahren durch den Vergleich vom 17.04.2012 erledigt worden ist. Zweifel an
der Wirksamkeit des Vergleichs bestehen nicht. Der Vergleich wurde dem Kläger ordnungsgemäß zugestellt. Dabei genügt es, dass
dem Bevollmächtigten des Klägers eine beglaubigte Abschrift zugestellt wurde.
Der Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens ist als unzulässig zu verwerfen.
Nach §
179 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des
Vierten Buches der
Zivilprozessordnung (§§
578 ff.
Zivilprozessordnung -
ZPO -) wieder aufgenommen werden. Zuständig ist gemäß §
584 Abs.
1 ZPO das Gericht, das im ursprünglichen Verfahren, das nunmehr wieder aufgenommen werden soll, abschließend erkannt hat, mithin
der 7. Senat des Bay. Landessozialgerichts, der den Vergleich am 17.04.2012 geschlossen hat.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist als unzulässig zu verwerfen, weil es an einer schlüssigen Behauptung eines Nichtigkeits-
bzw. Anfechtungsgrundes fehlt. Ein solcher schlüssiger Vortrag ist nach allgemeiner Auffassung eine Zulässigkeitsvoraussetzung
für eine Wiederaufnahmeklage (vgl. Urteil des Senats vom 27.02.2014, L 7 AS 825/13 WA mit weiteren Nachweisen).
Die vom Kläger vorgebrachten formalen Argumente betreffen allesamt nicht das Zustandekommen des Vergleichs, sondern lediglich
die anschließende Übermittlung der Abschrift des Vergleichs. Die vorgebrachten Argumente führen - selbst wenn sie alle zuträfen
- nicht zur Nichtigkeit des Vergleichs.
Der Vortrag, den Vergleich fehle es an den Originalunterschriften, ist auch kein in §§
579,
580 ZPO oder §
179 Abs.
1,
2 SGG genannter Anfechtungsgrund. Auf die Zustellung der Abschrift des Vergleichs kommt es ohnehin nicht an. Denn die Urschrift
des Vergleichs mit den Unterschriften des Richters befindet sich in den Originalakten des Gerichts. Die Beteiligten erhalten
lediglich eine Ausfertigung des Vergleichs, die gemäß §
137 Satz 1
SGG vom Urkundsbeamten unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel versehen sein muss (BayLSG a.a.O.), wie es bei der den Bevollmächtigten
des Klägers übermittelten Abschrift der Fall war.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist ferner unzulässig, weil dieser Antrag nicht binnen der einmonatigen Notfrist nach §
586 Abs.
1 ZPO erhoben wurde. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund
(hier der angeblich fehlenden Unterschrift und die fehlende Kopie) Kenntnis erhält, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft
des Urteils.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.