Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren;
sicherungsfähiges Recht bei Geringfügigkeit der geltend gemachten Leistungen
Gründe:
I. Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten
ist, den Antragstellern für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe
von 829,00 EUR monatlich (anstatt der bewilligten 749,02 EUR bzw. 769.- EUR) sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe
von 312,36 EUR monatlich (anstatt der bewilligten 224,85 EUR) vorläufig auszuzahlen.
Die vom Antragsteller zu 1 vertretene Bedarfsgemeinschaft bezieht laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II). Mit Bescheid vom 19.05.2009 (bzw. mit Änderungsbescheid vom 06.06.2009 ab 01.07.2009 angepasst) wurden der Bedarfsgemeinschaft
Leistungen für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2009 in Höhe von monatlich 749,00 EUR (angepasst: 769,00 EUR) zuzüglich Unterkunftskosten
von 224,87 EUR (1 x 74,95 + 2 x 74,96 EUR Unterkunftskosten = 224,87 EUR), also insgesamt 973,87 EUR (angepasst: 993,87 EUR)
bewilligt.
Dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein. Es stünden Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 312,36 EUR zu.
Am 24.06.2009 beantragten die Antragsteller beim Sozialgericht Regensburg (SG) einstweiligen Rechtsschutz. Der Bescheid vom 19.05.2009 wäre rechtsfehlerhaft, da bei dem Antragsteller zu 1 eine Einkommensbereinigung
in Höhe von 64,11 EUR vorgenommen worden wäre, obwohl dieser kein tatsächliches Einkommen habe. Ferner wären als Kosten der
Unterkunft und Heizung insgesamt (monatlich) 312,36 EUR zu bewilligen. Die Antragsteller zu 1 und 2 wären auch dadurch in
ihren Grundrechten verletzt, dass gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II für Ehepartner lediglich jeweils nur 90% der Regelleistung
vorgesehen wären.
Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 06.07.2009 abgelehnt und ausgeführt, soweit Leistungen für die Vergangenheit (hier: ab
Juni 2009) begehrt würden, komme eine Verpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung von vorneherein nicht in Betracht.
Es könne nur um die Behebung einer gegenwärtigen Notlage gehen. Für die Gegenwart und Zukunft scheitere das Begehren am Fehlen
eines Anordnungsgrundes bzw. eines Anordnungsanspruches. Die vollständige Regelleistung sei im Änderungsbescheid vom 06.06.2009
enthalten. Soweit die Antragsteller höhere Kosten der Unterkunft geltend machen, bestehe kein Anordnungsgrund. Die Antragsgegnerin
habe die ursprünglich nachgewiesenen Darlehenszinsen für das Eigenheim anerkannt und entsprechend dem Anteil der gewerblichen
Räume im Eigenheim gekürzt. Soweit die Antragsteller weitere höhere Nebenkosten geltend machen, als diese bereits gegenüber
der Antragsgegnerin nachgewiesen wurden, fehle auch das für das einstweilige Rechtsschutzverfahren notwendige Rechtsschutzinteresse.
Bei Nachweis höherer tatsächlicher Nebenkosten (ausgenommen Strom sowie Zinsen für Heizung) werde die Antragsgegnerin einen
entsprechenden Änderungsbescheid erlassen.
Dagegen haben die Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Ein Anordnungsgrund bestehe darin,
dass die begehrten Leistungen für die Antragsteller das Existenzminimum darstellen würden und sie sich somit durch die Versagung
in der begehrten Höhe in einer augenblicklichen sozialen Notlage befänden.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 6. Juli 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern für den Zeitraum 01.06.2009 bis 30.11.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
in Höhe von 829,00 EUR monatlich sowie angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 312,36 EUR monatlich zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug
genommen.
II. Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Die Antragsteller haben weder einen aus Artikel
19 Abs.4
Grundgesetz -
GG - noch aus §
86b Abs.2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG - abgeleiteten Anspruch auf vorläufige Übernahme der begehrten Kosten. Die Abweisung des Eilantrags durch das SG erfolgte zu Recht, weil es zum Teil schon an einem im Wege des Eilrechtsschutzes sicherungsfähigen Recht und damit an einem
Anordnungsanspruch im Sinne des § 86b Abs.2 Satz 2, Satz 4 i.V.m. §
920 Abs.2
Zivilprozessordnung -
ZPO -, im Übrigen jedenfalls an einem Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) fehlt.
Soweit es um die Regelleistung und um das Begehren der Antragsteller auf Übernahme von Stromkosten geht, fehlt es an einem
sicherungsfähigen Recht.
Die Gewährung von Eilrechtsschutz setzt ein sicherungsfähiges Recht des Antragstellers voraus. Liegt kein sicherungsfähiges
Recht vor, geht der Eilantrag ins Leere. Aus der aus Art.
19 IV
GG abgeleiteten Sicherungsfunktion und in Vornahmesachen (wie der vorliegenden) zusätzlich aus der Bindung des Gerichts an §
86 b Abs.
2 SGG, wo der Hauptsacheanspruch tatbestandlich verankert ist (vgl. §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG: "streitiges Rechtsverhältnis"), ergibt sich von Verfassungs wegen zwingend das Gebot, die Rechtsfragen der Hauptsache im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu prüfen und der Entscheidung (neben anderen Belangen) zugrunde zu legen. Die
materielle Rechtslage ist als obligatorisches Prüfungs- und Entscheidungskriterium für das sozialgerichtliche Eilverfahren
verfassungsrechtlich und einfach-gesetzlich vorgegeben (dazu Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn.
255, 291 ff m.w.N.). Ein solches zu sicherndes Recht ist hier jedenfalls in Bezug auf die Regelleistung nicht gegeben. Wie
das SG zutreffend ausführt, besteht kein Anspruch der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin auf höhere als die bereits bewilligten
Leistungen für den hier fraglichen Zeitraum vom 01.06. bis 30.11.2009.
Die Regelleistung beträgt nach § 20 SGB II ab 01.07.2009 für beide Antragsteller jeweils monatlich 323,00 EUR. Diese Leistung
wurde von der Antragsgegnerin bewilligt (Bescheid vom 19.05.2009; Änderungsbescheid vom 06.06.2009). Ein darüber hinausgehender
Anspruch besteht nicht. Der von den Antragstellern geltend gemachte Betrag für monatliche Regelleistungen in Höhe von 829,00
EUR findet keine gesetzliche Grundlage. Auch hinsichtlich des Begehrens der Antragsteller auf Übernahme von Stromkosten (Stromabschlag)
in Höhe von monatlich 39,54 EUR ist kein sicherungsfähiges Recht gegeben. Denn diese Kosten sind in der bewilligten Regelleistung
nach § 20 SGB II bereits enthalten (LSG NRW, Beschluss vom 26.07.2005, L 9 D 44/07 AS ER; Beschluss vom 29.06.2007, L 19 B 23/07 AS; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.08.2005, L 12 AS 2023/05, Urteil vom 24.05.2007, L 7 AS 3135/07).
Ferner besteht, soweit eine volle Überzeugung des Nichtbestehens eines Anspruchs im Eilverfahren nicht herbeigeführt werden
kann, jedenfalls kein Anordnungsgrund. Dies ergibt sich aus den vom SG genannten Gründen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt (§
142 Abs.
2 S. 3
SGG). Darüber hinaus fehlt es auch im Hinblick auf die von den Antragstellern geltend gemachte Höhe weiterer Leistungen an einem
Anordnungsgrund. Sie vertreten die Auffassung, ihnen stünden 1141,36 EUR an Stelle der bewilligten und ausgezahlten 993,87
EUR, also ca. 15 % mehr als dieser Betrag, zu. Nur ein Bruchteil des Differenzbetragsbetrags (nämlich die geltend gemachten
weiteren Kosten der Unterkunft in Höhe von ca. 90.- Euro und damit ca. 10 % mehr als der bewilligte und ausgezahlte Betrag)
kommt - wie sich aus dem oben Gesagten ergibt - als per Eilbeschluss sicherungsfähiges Recht in Betracht. Im Hinblick auf
die Höhe der geltend gemachten weiteren Leistungen und unter Berücksichtigung des Zwecks des Eilverfahrens, ist die für eine
Eilentscheidung zu fordernde Dringlichkeit nicht gegeben. Den Antragstellern ist es vielmehr zuzumuten, ihr Anliegen in einem
Hauptsacheverfahren geltend zu machen.
Zweck des Eilverfahrens ist es, den Eintritt erheblicher Rechtsverletzungen, die im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung
drohen, zu verhindern (vgl. §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG: "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint"). Denn Nachteile sind dann nicht wesentlich im Sinne dieser Vorschrift,
wenn dem Antragsteller ohne einstweiligen Rechtsschutz keine erhebliche Verletzung in seinen Grundrechten oder sonstigen Rechten
droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. aus verfassungsrechtlicher
Sicht BVerfG, NJW 1995, 950, 951; vgl. auch NJW 1995, 2477; 1989, 827). In diesem Sinne wurde die aufgrund einer gerichtlichen Eilentscheidung zu erbringende Leistung - und zwar mit ausdrücklicher
Billigung des BVerfG (Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 juris Rn 26 a.E.; SG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2005, S 35 SO 28/05 ER juris Rn 26) - auf 80 % der nach dem SGB II zu
erbringenden Leistung begrenzt, etwa als "das zum Lebensunterhalt Unerlässliche in analoger Anwendung des § 26 I SGB XII"
(so LSG Baden-Württemberg vom 29.01.2007, L 7 SO 5672/06 ER-B juris Rn 5). Wegen bestehender Zweifel an der Hilfebedürftigkeit
wurden auch nur 70 % der Regelleistung ab Antragstellung zuerkannt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.02.2006, L 14 B 1157/05 AS ER). In diesem Sinne wurde ein Anordnungsgrund erst bei einer Differenz von mehr als 30 % zum Regelsatz bejaht (LSG Berlin-Brandenburg
vom 11.09.2006, L 19 B 698/06 AS ER). Für die Möglichkeit einer vom Regelsatz abweichenden Gewährung spricht auch, dass in den Grundsicherungsleistungen
Ansparbeträge enthalten sind, die vom Hilfebedürftigen für anzuschaffende einmalige Bedarfe zurückzulegen sind; diese Beträge
sind nicht notwendig, um Rechtsverletzungen im Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung zu vermeiden. Für einen prozentualen
Abschlag spricht ferner die in § 31 SGB II vorgesehene Kürzungsmöglichkeit, die zeigt, dass der Gesetzgeber die Gewährung
eines vom Regelsatz abweichenden Betrages für mit Art.
1 GG vereinbar hält.
Wo die Grenze verläuft, ab deren Überschreitung ein Anordnungsgrund zu bejahen ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn im Hinblick
auf die bewilligte Höhe der Sozialleistungen (983,85 EUR) und das prozentuale Verhältnis zu den weiterhin geltend gemachten
und sicherungsfähigen Ansprüchen (ca. 90.- EUR) ist es vorliegend den Antragstellern offensichtlich zuzumuten, die von ihnen
aufgeworfenen Fragen in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen.
Die auf §
193 SGG analog beruhende Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eilantrag in beiden Instanzen ohne Erfolg blieb.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.