Anspruch auf Arbeitslosengeld II, rückwirkende Leistungsgewährung bei sog. Nachholbedarf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten
ist, dem Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren.
Der Antragsteller bezog bis 25.04.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Antragsgegnerin. Vom 26.04.2009
bis 19.07.2009 leistete diese zunächst keine Zahlungen mehr.
Mit Schreiben vom 27.07.2009 (Eingang 06.08.2009) stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Seine Leistungen auf ALG II seien in den letzten drei Monaten nicht gezahlt worden.
Mit Bescheid vom 04.08.2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen in Höhe 81,90 Euro für die Zeit vom
24.06.2009 bis 30.06.2009 und für die Zeit vom 01.07.2009 bis 19.07.2009 in Höhe von 227,37 Euro. Der Gesamtbetrag von 309,27
Euro wurde dem Antragsteller am 05.08.2009 überwiesen. Für die Zeit ab 20.07.2009 bezieht der Antragsteller Leistungen der
seitdem wegen Umzugs in das Stadtgebiet A-Stadt örtlich zuständigen ARGE A-Stadt GmbH. Die gerichtliche Anfrage vom 13.08.2009
mit der Bitte, bis 18.08.2009 mitzuteilen, ob sich der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erledigt habe, blieb
unbeantwortet.
Mit Beschluss vom 18.08.2009 hat das SG den Eilantrag abgelehnt und ausgeführt, der Eilantrag habe keinen Erfolg, weil der Antragsteller lediglich Leistungen für
die Vergangenheit (Mai, Juni, Juli), d.h. für die Zeit vor Eingang des Eilantrags am 06.08.2009 begehre, zum anderen deshalb,
weil die Antragsgegnerin bereits mit Bescheid vom 05.08.2009 Leistungen bewilligt habe. Darüber hinaus bestünden erhebliche
Zweifel an der für einen positiven Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Eilbedürftigkeit. Dagegen hat der
Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es seien einfach 1,5 Monate im jüngsten Bescheid nicht
aufgeführt. Er habe laufende Rechnungen und Kosten aus dieser Zeit. Alleine die offenen Kosten für die Krankenkasse würden
326,16 Euro betragen. Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18. August 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihm die noch ausstehenden Leistungen für die Monate Mai, Juni und Juli 2009 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II. Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller hat weder einen aus Artikel
19 Abs.4
Grundgesetz noch aus §
86b Abs.2 Satz 2
SGG abgeleiteten Anspruch auf vorläufige Gewährung der Leistungen für die Monate Mai, Juni und Juli 2009.
Der von der einstweiligen Anordnung erfasste Regelungszeitraum reicht grundsätzlich vom Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags
bei Gericht längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Die tatbestandliche Herleitung des Beginns der
vorläufigen Leistung folgt für die Regelungsanordnung des §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG aus dem Tatbestandsmerkmal der "Abwendung" eines wesentlichen Nachteils. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf den Zeitpunkt
des Eingangs des Eilantrags bei Gericht (vgl. Senatsbeschluss vom 19.02.2008, L 8 B 499/07 B ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.01.2007, L 28 B 53/07 AS ER; LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.09.2006, L 20 B 105/06 SO ER juris Rn 13; LSG Berlin-Brandenburg v 05.04.2006, L 23 B 19/06 SO ER; LSG Hessen vom 24.04.2006, L 9 AS 39/06 ER; vom 20.06.2005, L 7 AL 100/05 ER; LSG Hessen Breithaupt 2006, 56, 63; LSG Sachsen vom 19.9.2005, L 3 B 155/05 AS-ER; LSG LSG Baden-Württemberg vom 17.8.2005, L 7 SO 2117/05 ER-B; LSG Bayern vom 14.6.2005, L 11 B 206/05 SO ER, Breithaupt 2005, 774, 775; LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.4.2005, L 8 AS 57/05 ER, FEVS 2005, 503, 508; LSG Hamburg vom 02.03.2005, L 3 B 43/05 ER SO). Im Hinblick auf in diesem Sinn in der Vergangenheit liegende Rechtsbeeinträchtigungen ist eine Leistungsanordnung
damit grundsätzlich ausgeschlossen (LSG Hamburg vom 02.03.2005, L 3 B 43/05 ER SO; LSG Bayern vom 14.06.2005, L 11 B 206/05 SO ER, Breithaupt 2005, 774, 775; LSG Sachsen vom 19.09.2005, L 3 B 155/05 AS-ER, LS 4; LSG Bayern vom 07.04.2005, L 11 B 117/05 SO ER, Breithaupt 2005, 779 und vom 14.06.2005, L 11 B 218/05 AS ER, Breithaupt 2005, 786; LSG Hessen vom 26.10.2005, L 7 AS 65/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 07.06.2007, L 28 B 743/07 AS ER juris Rn 9: kein Anordnungsgrund für bereits abgelaufenen Zeitraum). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellen die
Fälle dar, in denen ein sog. Nachholbedarf besteht. Nachholbedarf ist gegeben, wenn bei nicht rückwirkender Leistungsgewährung,
also bei "Nichtnachholung" der in der Vergangenheit liegenden Leistungen, erhebliche Rechtsverletzungen für die Zukunft drohen
(Vgl. LSG Hessen vom 20.06.2005, L 7 AL 100/05 ER; LSG Baden-Württemberg vom 13.10.2005, L 7 SO 3804/05 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg vom 05.04.2006, L 23 B 19/06 SO ER).
Der Eilantrag des Antragstellers bezieht sich auf Zeiträume vor dem Eingang des Antrags beim SG. Dies gilt auch für die vom Antragsteller in Bezug genommenen offenen Kosten für die Krankenkasse. Umstände, die eine rückwirkende
Leistungsgewährung im vorbezeichneten Sinne gebieten, werden vom Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht
ersichtlich. Insbesondere ist der Krankenversicherungsschutz des Antragstellers aufgrund des Leistungsbezugs nach dem SGB
II gewährleistet (§
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V). Aus dem Schreiben der B. vom 20.07.2009 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar wurde dort ein Ruhen des Leistungsanspruchs
angekündigt, falls rückständige Beiträge in Höhe von 326,19 Euro nicht gezahlt würden. Jedoch enthielt auch dieses Schreiben
den Hinweis, dass das Ruhen ende, wenn - was vorliegend der Fall ist - der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des SGB II
werde. Nach alledem ist es dem Antragsteller zuzumuten, seine Ansprüche aus der Zeit vor der Stellung des Eilantrags gegebenenfalls
in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen.
Das SG hat den Eilantrag daher zu Recht abgewiesen. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß §
142 Abs.2 Satz 3
SGG auf die Ausführungen des angegriffenen Beschlusses des SG Bezug.
Da der Eilantrag in beiden Instanzen ohne Erfolg blieb, waren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, §
193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.