Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten war im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Landshut - SG -, Az.: S 6 AL 246/04, ein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld streitig. Vorliegend geht es um Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren.
Die Beklagte hatte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 25.03.2004 abgelehnt mit der Begründung, seit dem Erwerb des Anspruchs
auf Arbeitslosengeld habe der Kläger nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher
keine neue Anwartschaft erworben. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.05.2004).
Die gegen diese Bescheide am 01.06.2004 zum Sozialgericht Landshut erhobene Klage wies das SG mit Urteil vom 28.09.2006 ab. In der mündlichen Verhandlung vom selben Tage vernahm das SG eine Zeugin zu der Frage der "Tätigkeit des Klägers in den Jahren 2002/2003 in ihrer Firma". Die gegen das Urteil des SG eingelegte Berufung nahm der Kläger auf gerichtliche Anregung im Erörterungstermin vom 20.09.2007 zurück.
Mit Schreiben vom 14.07.2004 hatte der Kläger für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe - PKH - unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. beantragt. Mit Beschluss vom 27.03.2008 hat das SG diesen Antrag abgelehnt und ausgeführt, nur um dem Amtsermittlungsgrundsatz zu genügen habe die Kammer im Hauptsacheverfahren
Beweis zur tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers erhoben. Allein aufgrund der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
gemachten unterschiedlichen Angaben zum Umfang der Tätigkeit habe die Klage nach Auffassung der Kammer keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg gehabt. In der Sache selbst habe die Kammer die Klage nach der durchgeführten Beweisaufnahme, die letztlich
das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen voll inhaltlich bestätigt habe, abgewiesen.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegt und ausgeführt, für die Einschätzung
der Erfolgsaussichten komme es auf die Betrachtung zum Zeitpunkt an, als die Prozesskostenhilfe beantragt worden sei. Hinreichende
Erfolgsaussichten seien bereits dann anzunehmen, wenn - wie hier - von Amts wegen eine Beweisaufnahme durchgeführt werde.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 27.03.2008 aufzuheben und dem Kläger für das Verfahren vor dem Sozialgericht
Landshut, Az.: S 6 AL 246/04 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt S., B-Stadt, zu bewilligen.
II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
Nach §
73a Abs.
1 SGG (i.V.m. §
114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der
Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich
erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
121 Abs.
2 Satz 1
ZPO).
Hinreichende Erfolgsaussichten lagen bei der gebotenen summarischen Prüfung entgegen der Auffassung des SG zum hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt vor.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist zwar grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts,
auch des Beschwerdegerichts (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl. 2005, §
73a Rn 7c). Ein früherer Zeitpunkt ist aber dann maßgeblich, wenn sich - wie hier - die Entscheidung über den Antrag verzögert
hat und eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (LSG Nordrhein-Westfalen Breithaupt 1990, 512; OVG Mecklenburg-Vorpommern,
NVwZ-RR 96, 621; OLG Karlsruhe FamRZ 94, 1123; LSG Schleswig-Holstein Breithaupt 2002, 663). Bei rückwirkender Bewilligung
ist dann der Sachverhalt im Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgebend (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., Rn. 13 d; OVG
Bremen NVwZ-RR 89,
585). Hat das Gericht - wie hier das SG - zu spät, nämlich erst nach Beweiserhebung, entschieden, ist der Erkenntnisstand bei Entscheidungsreife zugrunde zu legen
(BayVGH NVwZ-RR 97, 501); die Beweisergebnisse sind dann gegebenenfalls für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Sinne
des §
114 ZPO nicht zu verwerten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., Rn. 13 d; LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 2002, 663; OVG Rheinland-Pfalz,
NVwZ 91, 595; VGH Baden-Württemberg, NVwZ 98, 1198; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, VI 71).
Erfolgsaussichten im Sinne des §
114 ZPO sind zu bejahen. Es stand zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht mit dem für eine PKH-Ablehnung zu fordernden Überzeugungsgrad
fest, dass die Klage unzulässig oder unbegründet ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Verhalten des SG, das eine Beweisaufnahme anordnete.
Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der
verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art.
3 Abs.
1, 20 Abs.
3, 19 Abs.
4 Grundgesetz) zu beachten. Deshalb dürfen keine allzu überspannten Anforderungen gestellt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000,1936). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund
der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher
Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig,
SGG, Kommentar, 8.Aufl., Rn. 7, 7a zu § 73a). Denn der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang
zu Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet lediglich, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten
vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko mitberücksichtigt (BVerfGE 81, 347, 356 ff. = NJW 1991, 413 f.; BVerfG FamRZ 1993, 664, 665).
Mit der Anordnung der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der Beweisfrage und der in der mündlichen Verhandlung gestellten
Fragen gab das Gericht zu erkennen, dass es den Rechtsstandpunkt des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hielt und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung
ausging. So befragte das Gericht im Rahmen der Beweiserhebung die Zeugin nach deren Schilderung zum Nebenerwerb durch Weinverkauf
ausweislich der Sitzungsniederschrift zu einem Gewinn im ersten Quartal 2002, zum bezahlten Arbeitsentgelt und zu den Modalitäten
der Auszahlung, zur Arbeitszeit, zum Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages, zur Urlaubsregelung, zum Wohnsitz des
Klägers und zur Frage der Mietzahlung sowie zur Beteiligung an den Kosten der Lebensführung. Vor diesem Hintergrund erscheint
die Begründung in dem angegriffenen PKH Beschluss des SG, wonach die Klage allein aufgrund der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren gemachten unterschiedlichen Angaben zum Umfang
der Tätigkeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, als nicht überzeugend. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat
auch die Überlegung, das SG habe nur, um dem Amtsermittlungsgrundsatz zu genügen, im Hauptsacheverfahren Beweis zur tatsächlich ausgeübten Tätigkeit
des Klägers erhoben. Eben dieser Umstand spricht gerade für eine Erfolgsaussicht der Klage. Das SG hätte mit dieser Begründung den PKH-Antrag nur ablehnen können, wenn es den zu fordernden, im PKH-Verfahren erheblich herabgesetzten
(siehe dazu oben) Überzeugungsgrad verneint hätte. Diesbezügliche Ausführungen fehlen in dem angefochtenen Beschluss jedoch.
Dass die Hauptsache zum Zeitpunkt der (verspäteten) Entscheidung über den PKH-Antrag bereits erledigt war, steht der Zuerkennung
der PKH nicht entgegen. Denn ausnahmsweise ist eine Entscheidung über den PKH-Antrag auch noch nach Erledigung der Hauptsache
(BayVGH NVwZ-RR 97, 500) oder sonstigem Wegfall der Rechtshängigkeit möglich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., Rn. 11
a m.w.N.; vgl. auch § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 idF des 1. Justizmodernisierungsgesetzes, s bei § 155 Rn. 1, 9 a, b).
Dies ergibt sich vorliegend daraus, dass der Antragsteller alles Zumutbare getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit
eine Entscheidung über die PKH zu erwirken, und das Gericht versäumt hat, rechtzeitig zu entscheiden (dazu LSG Schleswig Holstein,
Breithaupt 1984, 820).
Da die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) vorliegen und der Kläger im Sinne der
insoweit maßgeblichen Vorschriften über die PKH (§§ 73a
SGG, 115 ff.
ZPO) bedürftig ist, war der Beschluss des SG auf die Beschwerde der Klägerin hin aufzuheben und PKH zu bewilligen.
Dieser Beschluss ist nicht mehr anfechtbar und kostenfrei (§§177, 183
SGG).