Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung
Gründe:
I. Streitig ist die Bewilligung von Insolvenzgeld.
Der in Polen wohnhafte Kläger beantragte am 28.10.2007 bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld für den Monat Juli
2004. Unter Hinweis auf Unterlagen aus dem arbeitgerichtlichen Verfahren gegen seinen vormaligen Arbeitgeber machte er geltend,
er habe bis 29.07.2004 bei der Fa. K. G. als Bauarbeiter gearbeitet. Arbeitentgelt sei ihm unregelmäßig gezahlt worden und
für die Zeit ab Juli 2004 habe er beim Arbeitsgericht B. (89 Ca 27695/04) rückständigen Bruttolohn in Höhe von 1.330,08 EUR eingeklagt. Mit Beschluss vom 16.08.2005 hatte das Arbeitsgericht B. das
Zustandekommen eines Vergleiches festgestellt, in dem u.a. geregelt war, dass der Arbeitgeber des Klägers zur Abgeltung sämtlicher
Ansprüche aus dem Arbeitverhältnis an diesen einen Betrag von 168,46 EUR zahlen werde.
Mit Bescheid vom 27.05.2008 lehnte die Beklagte die Zahlung von Insolvenzgeld ab, weil ein Insolvenzereignis iSd §
183 Abs
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) nicht vorliege. Den nicht begründeten Widerspruch, wies die Beklagte diesen mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und vorgetragen, ein Insolvenzereignis liege vor, denn der Arbeitgeber, die Fa. G., habe ihren Geschäftsbetrieb
vollständig eingestellt und sei aus dem Gewerberegister gelöscht. Bereits vor dem Wegzug des Firmeninhabers aus B. sei dieser
masselos gewesen, denn Vollstreckungsversuche aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen seien, wie in Fällen mehrerer Arbeitskollegen,
ausnahmslos erfolglos geblieben. Zudem habe sein Arbeitgeber die ausgebliebenen Lohnzahlungen damit begründet, er selbst habe
noch Geld von Auftraggebern zu erhalten und könne erst nach Durchsetzung seiner Forderungen die ausstehenden Löhne begleichen.
Die Voraussetzungen des §
183 Abs.1 Nr. 3
SGB III seien somit erfüllt.
Das SG hat die Klage mit Urteil 16.06.2009 abgewiesen, denn es sei nicht zu belegen, dass die Masselosigkeit des Arbeitgebers vor
oder spätestens mit der Einstellung des Geschäftsbetriebes vorgelegen habe. Es gebe keine Hinweise, dass die Lohnzahlungen
seitens des Arbeitgebers wegen Zahlungsunfähigkeit abgelehnt worden seien. Auch seien keine weitergehenden Zahlungsrückstände
des Arbeitgebers bei Sozialversicherungsträgern und Finanzbehörden bekannt geworden. Zudem sei der Betrieb bis ins Jahr 2006
weitergeführt worden. Soweit sich keine Feststellung treffen ließe, ob nicht gezahltes Arbeitsentgelt auf Zahlungsunwilligkeit
oder Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zurückzuführen sei, gehe diese Ungewissheit zu Lasten des Klägers. Auch habe er
mit dem Vergleich vor dem Arbeitgericht B. weitgehend auf Arbeitsentgeltansprüche verzichtet, so dass nur noch ein Betrag
in Höhe von 168,46 EUR zu beanspruchen gewesen wäre. Zuletzt habe sich der Kläger auch nicht hinreichend um die Durchsetzung
seiner Ansprüche bemüht, so dass ein Insolvenzgeldanspruch auch an einer verspäteten Antragsstellung scheitere.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht hat der Kläger nicht begründet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 16.Juni 2009, Az: S 5 AL 532/08, zugestellt am 25.Juni 2009, aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 04.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld antragsgemäß zu bewilligen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat den Kläger erfolglos mit gerichtlichem Schreiben vom 14.09.2009, 27.10.2009 und 05.03.2010 auf die prozessuale
Problematik hingewiesen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Die Berufung ist nicht statthaft und damit als unzulässig zu verwerfen, denn es stehen keine laufenden Leistungen für mehr
als ein Jahr im Streit, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 750,00 EUR nicht und das SG hat die Berufung im Urteil vom 16.06.2009 nicht zugelassen.
Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft ist oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht
schriftlich oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wurde. Die Entscheidung kann durch
Beschluss ergehen (§
158 Satz 1 und
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften
der §§
143 bis
159 nichts anderes ergibt (§
143 SGG). Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die
eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt
(§
144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1
SGG). Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.1 Satz 2
SGG).
Vorliegend stehen lediglich Leistungen der Insolvenzsicherung für den Monat Juli 2004 im Streit. Der Wert des Beschwerdegegenstandes
für die Zahlung des beantragten Insolvenzgeldes beträgt 168,46 EUR. Der Kläger hatte im Rahmen seines damit in Zusammenhang
stehenden Rechtsstreites vor dem Arbeitsgericht B. (89 Ca 27695/04) gegenüber seinem vormaligen Arbeitgeber zwar einen Bruttoarbeitslohn von 1.330,08 EUR geltend gemacht, so dass der ursprüngliche
Arbeitsentgeltanspruch bzw. der daraus folgende Insolvenzgeldanspruch - nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen
- den für eine zulassungsfreie Berufung maßgeblichen Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR möglicherweise überschritten
hätte. Dies kann jedoch offen bleiben, denn der Kläger hat mit dem arbeitsgerichtlichem Vergleich vom 16.08.2005 seine Forderung
bezüglich des Arbeitsentgeltes auf 168,46 EUR beschränkt und somit auf weitergehende Ansprüche verzichtet. Insoweit ist nicht
ersichtlich, dass er gegenüber der Beklagten - im Rahmen des Insolvenzgeldantrages - einen höheren Anspruch als diese 168,46
EUR geltend gemacht hätte.
Zwar hat der Kläger mit seinem Antrag vom 28.10.2007 Unterlagen in Bezug auf das arbeitgerichtliche Verfahren vorgelegt, aus
dem sich seine ursprüngliche Forderung ergeben hat. Der Hinweis auf das Verfahren vor dem Arbeitsgericht B. und die Beiziehung
des hieraus resultierenden arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 16.08.2005 durfte bei der Beklagten - aus der Sicht eines
verständigen Empfängers - jedoch den Schluss nahe legen, dass der Kläger die (ursprüngliche) Forderung lediglich im titulierten
Umfang weiterverfolgt und nunmehr im Rahmen des Insolvenzgeldantrages geltend gemacht hat, sodass sich auch die ablehnende
Entscheidung vom 27.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2008 lediglich auf den mit Vergleich vom 16.08.2005
vereinbarten Betrag von 168,46 EUR bezogen hat. Dies bestätigt sich auch durch die vom Kläger im Verfahren vor dem SG vorgetragene Begründung, denn dort hat der darauf hingewiesen, (allein) die titulierte, d.h. die im Rahmen des Vergleiches
festgestellte Forderung, sei ordnungsgemäß weiterverfolgt worden, womit er darlegen wollte, er habe sich mit hinreichender
Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche (§
324 Abs.3 Satz 3
SGB III) bemüht. Im Ergebnis stützen diese Angaben jedoch die Einschätzung, der Kläger habe lediglich den Betrag aus dem arbeitgerichtlichen
Vergleich gegenüber der Beklagten geltend machen wollen. Zuletzt wurde der Kläger auch seitens des Senates darauf hingewiesen,
dass die streitgegenständliche Forderung lediglich 168,46 EUR betrage. Weitergehende Erklärungen hierzu hat der Kläger - trotz
mehrfacher gerichtlicher Hinweise - nicht mehr abgegeben, so dass keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen sind, der Wert des Beschwerdegegenstandes
würde 750,00 EUR überschreiten.
Zuletzt hat das SG die Berufung auch nicht ausdrücklich zugelassen. Die Erteilung einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung genügt nicht, um
eine Zulassung der Berufung annehmen zu können, denn diese muss sich aus dem Wortlaut des Urteils ergeben, wobei die Zulassung
zweckmäßigerweise im Tenor auszusprechen wäre, jedoch auch wirksam ist, soweit sie sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen
entnehmen lässt (vgl. Meyer- Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
144 Rn. 39 unter Hinweis auf die st. Rspr.). Allein die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung durch das SG führt jedoch nicht zu einer Zulässigkeit der Berufung (vgl. Meyer-Ladewig aaO. 160 Rn.24b, § 144 Rn. 40 mwN), sodass die
Berufung mangels Statthaftigkeit zu verwerfen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Absatz
2 Nr.1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.