Rückforderung einer Vergütung aus einem Vermittlungsgutschein im Sinne des § 421g SGB III
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung einer Vergütung aus einem Vermittlungsgutschein iSd § 421g Drittes Buch Soziagesetzbuch (
SGB III).
Die Klägerin betrieb seit 15.12.2006 als Einzelkauffrau eine private Arbeitsvermittlung. Am 10.08.2007 beantragte sie bei
der Beklagten die Auszahlung einer Vermittlungsprovision, die sie anlässlich der Vermittlung des Arbeitnehmers W. B. (B.)
an die Fa. A. & W. GbR Sicherheitsdienst (Fa. A & W.) zu beanspruchen habe (Vermittlungsvertrag vom 29.06.2007). Sie legte
der Beklagten den gemäß § 421g
SGB III für B. am 26.06.2007 ausgestellten Vermittlungsgutschein (Gültigkeitsdauer 26.06.2007 bis 25.09.2007) sowie eine Bescheinigung
der Fa. A & W vom 10.08.2007 vor, ausweislich derer B. seit dem 29.06.2007 ohne Unterbrechung bei diesem Arbeitgeber beschäftigt
sei. Hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11.09.2007 die Auszahlung von 1.000.- EUR zur Erfüllung
der Vermittlungsvergütung, die die Klägerin gegenüber B. zu beanspruchen habe.
Am 02.01.2008 beantragte die Klägerin die Auszahlung der zweiten Rate. Ausweislich der Bescheinigung des Arbeitgebers vom
28.12.2007 sei B. dort seit 29.06.2007 ohne Unterbrechung beschäftigt. Hierauf bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 17.01.2008
die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von 1.000.- EUR. Am 21.01.2008 teilte B. der Beklagten mit, er sei nur bis 04.12.2007
bei der Fa. A. & W. beschäftigt gewesen. Er legte der Beklagten seine Eigenkündigung vom 05.12.2007, eine Arbeitgeberabmeldung
an die Einzugsstelle vom 10.01.2008 (Abmeldung zum 04.12.2007) und ein Schreiben des Arbeitgebers über eine fristlose Kündigung
vom 31.12.2007 vor, laut der der Arbeitgeber am 16.12.2007 von dem anderweitigen Arbeitsverhältnis erfahren habe. Ohne Anhörung
der Klägerin nahm die Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2008 den Bescheid vom 17.01.2008 zurück. Das Beschäftigungsverhältnis
des B. bei der Fa. A. & W. habe bereits am 04.12.2007 geendet. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft
gewesen sei. Zudem habe sie grob fahrlässig falsche Angaben gemacht.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, nach Angaben der Fa. A. & W. seien zwei Abmeldebescheinigungen
ausgestellt worden. Die erste Bescheinigung mit der Abmeldung zum 04.12.2007 sei zurückgezogen worden, weil eine Kündigung
des Arbeitgebers nicht wirksam gewesen sei. Nachfolgend habe der Arbeitgeber eine neue Abmeldebescheinigung zum 31.12.2007
gegenüber der Einzugsstelle abgegeben. Im Rahmen weitergehender Ermittlungen stellte die Beklagte fest, dass der Mitinhaber
der Fa. A. & W., O. A. (A.), bis 12.06.2008 unter der gleichen Wohnanschrift wie die Klägerin gemeldet gewesen sei. Zudem
sei dessen PKW oft dort gesehen worden und ehemalige Mitarbeiter der Fa. A. & W. hätten gehört, dass A. mit der Klägerin "liiert"
sei. Ohne die Klägerin zu diesen Ermittlungen gehört zu haben, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 05.08.2008 zurück. Das Beschäftigungsverhältnis des B. habe nur bis 04.12.2007 bestanden. Insoweit beruhe die unzutreffende
Bewilligung auf der Vortäuschung falscher Tatsachen. Hiervon habe die Klägerin gewusst, nachdem sie mit dem Mitinhaber des
Arbeitgebers bis Juni 2008 liiert gewesen sei und in einer gemeinschaftlichen Wohnung gelebt habe.
Mit der zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Fa. A. & W. habe ihren Arbeitnehmer B. erst am 31.12.2007 fristlos gekündigt.
Eine Kündigung des B. vom 04.12.2007 sei dort erst im Januar 2008 per Einschreiben eingegangen, so dass der Arbeitgeber am
28.12.2007 zutreffend von der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses ausgehen durfte. Der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses
sei nicht vorgetäuscht worden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin angeben bis Mitte September 2007 eine Beziehung zu A. gehabt zu haben. Danach sei dieser in sein Haus nach
A-Stadt gezogen. Der uneidlich vernommene A. hat ausgesagt, er habe immer wieder einmal private Kontakte zur Klägerin gehabt.
Private und geschäftliche Dinge seien jedoch strikt getrennt gehalten worden. Den Unterschied zwischen Arbeitsverhältnis und
Beschäftigungsverhältnis könne er nicht erklären. Das SG hat mit Urteil vom 10.11.2010 den Bescheid vom 07.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2008 aufgehoben.
Die Beklagte habe der Klägerin die außergerichtliche Kosten zu erstatten. Nach Aussage des A. kenne dieser selbst den Unterschied
zwischen Arbeitsverhältnis und Beschäftigungsverhältnis nicht. Zudem habe er nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt davon
ausgehen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis trotz der anderweitigen Beschäftigung des B. weiter fortbestehe. Am 28.12.2007
seien daher keine bewusst falschen Angaben gemacht worden, so dass die fehlerhafte Erklärung der Klägerin nicht grob fahrlässig
gewesen sei. Zudem gebe es - die Angaben der Klägerin zugrunde gelegt - keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin im Dezember
2007 noch eine Beziehung mit A. gehabt habe. Mit Beschluss vom 07.02.2011 hat das SG entschieden, die Beklagte habe die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gegen das Urteil hat die Beklagte am 23.02.2011 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das SG habe nicht geprüft, dass die Voraussetzungen für die Auszahlung der Vermittlungsvergütung nicht vorgelegen haben, weil eine
Vermittlung nicht erfolgt sei. Die Klägerin habe mit A. eine eheähnliche Beziehung gehabt. In einem Parallelverfahren habe
das SG das Vorliegen der eheähnlichen Beziehung zum Anlass genommen, die Klage abzuweisen, weil die Klägerin aufgrund des Zusammenlebens
mit A. gewusst habe, das Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitnehmer habe nicht die Mindestbeschäftigungsdauer erfüllt.
Außerdem habe im Hinblick auf die eheähnliche Beziehung zwischen der Klägerin und A. eine Vermittlung nicht stattgefunden,
so dass ein Vergütungsanspruch nie bestanden habe. Diesbezüglich habe die Klägerin zumindest bei der Auszahlung der ersten
Rate falsche Angaben gemacht, die auf die Auszahlung der zweiten Rate fortwirkte, denn ohne einen Anspruch auf die erste Rate
bestehe kein Anspruch auf die Auszahlung der zweiten Rate. Zuletzt sei weiterhin davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund
ihrer Beziehung zu A. gewusst habe, dass das Beschäftigungsverhältnis zwischen B. und der Fa. A. & W. beendet war.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.11.2010 und dessen Beschluss vom 07.02.2011 (Kostenentscheidung) aufzuheben
und die Klage gegen Bescheid den vom 07.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2008 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtgesetz -
SGG) ist unbegründet.
Das SG hat den Bescheid vom 07.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 05.08.2008 zu Recht aufgehoben. Der Bescheid ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§
54 Abs
2 Satz 1
SGG). Die Klägerin hat weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unzutreffende Angaben gemacht, die zur rechtswidrigen Auszahlung
der Vermittlungsvergütung am 17.01.2008 geführt haben.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt ist zurückzunehmen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der
Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §
330 Abs
2 SGB III). Arbeitnehmer mit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld haben unter den in § 421g Abs 1 Satz 1
SGB III genannten Voraussetzungen Anspruch auf die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins. Mit dem Vermittlungsgutschein verpflichtet
sich die Agentur für Arbeit, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer
in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt
hat, ( ...) zu erfüllen (§ 421g Abs 1 Satz 3
SGB III). Die Leistung wird unmittelbar an den Vermittler gezahlt (§ 421g Abs 2 Satz 4
SGB III).
Vorliegend ist der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 17.01.2008 nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin
mit einem der Mitinhaber der Fa. A. & W., dem A., zu dem Zeitpunkt, als der Vermittlungsvertrag vom 29.06.2007 geschlossen
worden war, eine eheähnliche Beziehung hatte. In diesem Zusammenhang ist die Behauptung der Beklagten nicht zu belegen, anlässlich
der Anstellung des B. in der Fa. A. & W. habe keine Vermittlung stattgefunden. § 421g Abs 1 Satz 2
SGB III setzt dem Grunde nach einen Vergütungsanspruch des vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers gegen den Arbeitnehmer voraus,
wobei sich dieser Vergütungsanspruch aus einem zivilrechtlichen Vertrag ergibt, dessen Wirksamkeit und nähere Ausgestaltung
sich nach den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) richtet, die überlagert werden von öffentlich-rechtlichen Normen, insbesondere denen des §
296 SGB III. Insoweit handelt es sich um einen durch öffentlich-rechtliche Normen modifizierten Maklervertrag iS des §
652 BGB, wobei der Vermittler selbst Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs wird (vgl. im Einzelnen hierzu BSG, Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 56/05 R - [...] Rn.13 bis 15 = BSGE 99, 190ff unter Hinweis auf die allgemeine Literaturmeinung).
Ob ein Anspruch der Klägerin auf Maklerlohn gegen B. bestanden hat, ist daher nach zivilrechtlichen Kriterien zu beurteilen,
wobei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) anerkannt ist, dass dem Makler kein Vergütungsanspruch zusteht, wenn
durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person zu Stande kommt, mit der er gesellschaftlich oder auf andere Weise
"verflochten" ist (vgl. dazu Dehner in NJW 1991, 3254, 3259 f mwN). Unterschieden wird hierbei zwischen der so genannten echten und unechten Verflechtung, wobei erstere vorliegt,
wenn zwischen dem Makler und den vorgesehenen Vertragspartnern eine so enge Verbindung besteht, dass entweder der Wille des
einen von dem des anderen oder der Wille beider von einem Dritten bestimmt wird. Die zivilrechtliche Rechtsprechung hierzu
wurde anhand von Fällen entwickelt, in denen der Makler die als Vertragspartner seines Auftraggebers auftretende Gesellschaft
so weitgehend beherrschte, dass von wirtschaftlicher Identität gesprochen werden musste. Bei der unechten Verflechtung fehlt
es an einem solchen Beherrschungsverhältnis, so dass die zivilrechtliche Rechtsprechung auf die Fälle ausgedehnt wurde, in
denen der Makler Handelsvertreter des Dritten war oder in denen er an der Gesellschaft des Auftraggebers in nicht unbedeutendem
Maß beteiligt war. Derartigen Konstellationen liegt zugrunde, dass im Verhältnis zwischen Auftraggeber, Makler und Vertragsgegner
regelmäßig eine institutionelle Ausgestaltung der Interessenlage vorliegt, die in einem Streitfall zwischen dem Auftraggeber
einerseits und dem Vertragsgegner andererseits regelmäßig dazu führt, dass sich der Makler auf die Seite des Vertragsgegners
stellen wird (vgl. Roth in MünchKomm, 5. Aufl., § 652 Rn. 119). Die Unparteilichkeit eines Maklers wird in diesem Zusammenhang
allerdings nicht bereits dadurch in Frage gestellt, dass er einseitig tätig wird (vgl. Wank in NJW 1979, 190f), sondern es
bedarf regelmäßig einer vertraglichen Konstellation, die eine auf der Hand liegende Interessenkollision des Maklers institutionalisiert
(vgl. BGH, Urteil vom 12.03.1998 - II ZR 14/97 - [...] Rn. 14 = BGHZ 138, 170ff mwN). Ein Maklerlohnanspruch kann dann nicht entstehen, wenn eine deutliche Interessenkollision
vorhanden ist, die eine sachgemäße Wahrung der Interessen des Auftraggebers schon grundsätzlich nicht möglich erscheinen lässt
und diese Interessenkollision nicht offen gelegt wird. Eine derartige Interessenkollision liegt jedoch nicht grundsätzlich
vor, wenn lediglich persönliche Beziehungen zwischen Makler und Vertragsgegner bestehen. Der Schutz ist in diesem Zusammenhang
auf die Fälle zu beschränken, in denen wirtschaftliche Gründe die Interessenkollision bedingen, in denen - mehr oder weniger
deutlich institutionalisiert - der Makler und der Vertragsgegners einen Gewinn aufteilen (vgl. BGH Urteil vom 24.06.1981 -
IVa ZR 159/80 - [...] Rn. 17 = NJW 1981, 2293ff). Für die Bewertung eines Interessenkonflikts ist hierbei dem Umstand wesentliches Gewicht
beizumessen, dass ein Makler die wirtschaftlichen Interessen seines Auftraggebers wahrzunehmen hat, so dass ein eigenes -
möglicherweise entgegenstehendes - wirtschaftliches Interesse generell zu einem Provisionsausschluss führt. Bei einer persönlichen
Beziehung des Maklers zum Vertragsgegner seines Auftraggebers ist dies allerdings anders zu betrachten, denn die (wirtschaftliche)
Interessenlage ist regelmäßig nicht so deutlich strukturiert, wie bei der wirtschaftlichen Beteiligung, und persönliche Beziehungen
sind wesentlich individueller geprägt, damit vielfältiger und in ihrer jeweiligen Intensität in einer unterschiedlichen Art,
die es nicht gerechtfertigt erscheinen lassen, einen generellen Provisionsausschluss anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1981
aaO Rn. 21f). Soweit persönliche Beziehungen zwischen dem Makler und dem Vertragsgegners des Auftraggebers bestehen, ist daher
im Einzelfall unter Beachtung der Gesamtumstände zu prüfen, ob eine (wirtschaftliche) Verflechtung vorliegt.
Diese rechtlichen Maßstäbe zugrunde gelegt war der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht bereits auf der Grundlage genereller
Überlegungen deshalb ausgeschlossen, weil aufgrund ihrer persönlichen Beziehung zu A. eine Vermittlung iSd § 421g
SGB III nicht stattgefunden habe. Unmaßgeblich für die Frage der Verflechtung - und damit dem Ausschluss einer Vermittlungsprovision
- ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Kontakte zur Fa. A. & W. zweifelsfrei einen einfachen
Zugang zum Arbeitsmarkt hatte, der die Vermittlung von Arbeitsplatzangeboten nahezu unaufwändig erscheinen lässt. Dies betrifft
jedoch allein die Kausalität, ob ein Vergütungsanspruch aufgrund einer Vermittlungstätigkeit entstanden ist (vgl. hierzu Rademacker
in Hauck/Noffz,
SGB III, Stand Sep 2009, § 421g Rn.41), wobei die Beklagte dies nicht in Abrede stellt, und auch der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit
der Klägerin für das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zum 29.06.2007 nicht kausal gewesen wäre. Mit ihrem Hinweis
auf die personelle und wirtschaftliche Verflechtung problematisiert die Beklagte allein die Frage, ob ein Vergütungsanspruch
deshalb nicht besteht, weil die Klägerin und die Fa. A. & W. als Arbeitgeber gleichlaufende Interessen verfolgen. Entscheidend
für die Frage der Verflechtung ist insoweit allein die wirtschaftliche Interessenlage der Klägerin bzw. des A., von der die
Beklagte nicht ermittelt hat, ob und in welcher Weise diese institutionalisiert war, so dass A. als Mitinhaber der Fa. A.
& W. und die Klägerin in einer Weise wirtschaftlich verbunden seien, die den Schluss auf ein gleichgerichtetes Interesse zuließen.
Vorliegend gibt es insbesondere keinen Hinweis darauf, dass A. direkt oder indirekt am Gewinn der Klägerin partizipiert hat.
Allein die persönliche Verbindung zwischen A. und der Klägerin lässt einen solchen (generellen) Schluss nicht zu, und die
Beklagte hat - in Kenntnis der zivilrechtlichen Verflechtungsrechtsprechung - jegliche Ermittlung dazu unterlassen, ob eine
wirtschaftliche Verflechtung zwischen A. und der Klägerin im oben dargestellten Sinne institutionalisiert war. Die Beklagte
kann daher nicht beweisen, dass der Vergütungsanspruch mangels Vermittlung bereits nicht entstanden ist. Insoweit bedarf es
daher auch keiner Ausführungen dazu, dass der von der Beklagten verwendete Vordruck, der einen Vermittler nach der wirtschaftlichen
oder personellen Verflechtung mit dem Arbeitgeber befragt, völlig ungeeignet erscheint und keine nach nachvollziehbare Fragestellung
enthält, auf deren Grundlage einem privaten Arbeitsvermittler eine (iSd § 45 Abs 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) zumindest grob fahrlässig falsche Angabe von Tatsachen entgegengehalten werden könnte. Ebenfalls nicht zu problematisieren
ist, dass die Beklagte den Bescheid vom 11.09.2007 über die Auszahlung der ersten Rate nicht aufgehoben hat, und dieser bestandskräftige
Bescheid als "Grundlagenbescheid" einer Rücknahme der zweiten Ratenauszahlung insoweit entgegenstehen könnte, als mit der
Bewilligung der zweiten Rate lediglich über die Frage der Beschäftigungsdauer nicht jedoch über das Bestehen des Vergütungsanspruches
dem Grunde nach entschieden wird. Diese Überlegung legt zumindest das Prüfungsschema der Beklagten nahe.
Rechtswidrig ist der Bewilligungsbescheid vom 17.01.2008 jedoch, nachdem zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe die Anspruchsvoraussetzungen
nicht vorgelegen haben, weil das Beschäftigungsverhältnis des B. bereits mit Ablauf des 04.12.2007 geendet hatte. Eine Zurücknahme
dieses Bescheides scheidet jedoch aus, denn es gibt keinen Nachweis dafür, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang (zumindest)
grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat. Die gemäß § 421g Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 4
SGB III vom privaten Arbeitsvermittler zu beanspruchende Vergütung wird in Höhe von 1.000 EUR nach einer sechswöchigen und der Restbetrag
nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt (§ 421g Abs 2 Satz 3
SGB III). Nachdem das Beschäftigungsverhältnis des B. am 29.06.2007 begonnen und am 04.12.2007 geendet hat, war die Voraussetzung
einer Mindestbeschäftigungsdauer von sechs Monaten für die Auszahlung der zweiten Rate nicht erfüllt. Abzustellen ist diesem
Zusammenhang allein auf das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinn (vgl. auch Urmersbach in Eicher/Schlegel,
SGB III, Stand Nov 2011, § 421g Rn.54), d.h. die tatsächliche Beschäftigung, die u.a. geprägt ist durch die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers sowie die
Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers. Der aus dem Vermittlungsgutschein abgeleitete Vergütungsanspruch erfordert die Beendigung
der Arbeitslosigkeit des Vermittelten (§ 421g Abs 1 Satz 4
SGB III), die nur durch die Aufnahme einer (mindestens 15 Wochenstunden umfassenden) Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne
und nicht allein durch das Begründen eines Arbeitsverhältnisses (bzw. eines Beschäftigungsverhältnisses im versicherungsrechtlichen
Sinne) erfolgen kann. Hieraus ist unter Beachtung des Gesetzzweckes, Leistungsempfänger in den Arbeitsmarkt einzugliedern
und von Transferleistungen unabhängig zu machen, abzuleiten, dass zum Zeitpunkt der Vergütungsauszahlung Arbeitslosigkeit
in Bezug auf das geförderte Beschäftigungsverhältnis nicht wieder eingetreten sein darf, mithin das geförderte Beschäftigungsverhältnis
(im leistungsrechtliche Sinne) noch besteht, unabhängig davon, ob Versicherungspflichtbeiträge bis zum Ende eines Arbeitsverhältnisses
durch den Arbeitgeber zu tragen sind. Nach den Angaben des B. gegenüber der Beklagten bestehen keine Zweifel, dass das (leistungsrechtliche)
Beschäftigungsverhältnis mit der Fa. A. & W. mit Ablauf des 04.12.2007 geendet hat, denn mit seiner Eigenkündigung vom 05.12.2007
hat B. zum Ausdruck gebracht, sich nicht mehr für die Fa. A. & W. dienstbereit zu halten und sich deren Verfügungsbefugnis
zu entziehen.
Die Klägerin hat am 02.01.2008 mit der Vorlage der Arbeitgeberbescheinigung vom 28.12.2007, ausweislich derer B. an diesem
Tag seit dem 29.06.2007 (d.h. seit genau sechs Monaten) ununterbrochen beschäftigt gewesen sei, in wesentlicher Beziehung
unrichtige Angaben gemacht, die ausschlaggebende Ursache für die Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 17.01.2008 waren, denn
B. war bei der Fa. A. & W am 28.12.2007 bereits seit mehr als drei Wochen nicht mehr beschäftigt; dass die Klägerin insoweit
grob fahrlässig - oder gar vorsätzlich - gehandelt hat, hat die Beklagte allerdings nicht belegt, und auch für den Senat sind
keine Anhaltspunkte für ein (zumindest) grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin zu erkennen. Grobe Fahrlässigkeit ist in
§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr.3 SGB X gesetzlich definiert. Sie liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt
hat. Erforderlich ist die der jeweiligen Sachlage angemessene Sorgfalt, die nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Person des Begünstigten erwartet werden durfte (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff).
Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang im Rahmen des Bescheides vom 07.02.2008 floskelhaft mitgeteilt, dass nach ihren Erkenntnissen
die Klägerin von der Fehlerhaftigkeit der Bewilligung gewusst habe. Welche Erkenntnisse dies waren und auf welchen Tatsachenfeststellungen
diese Erkenntnisse beruhten, ist weder dem Bescheid vom 07.02.2008 noch der Aktenlage zu entnehmen. Soweit die Beklagte im
Rahmen des Widerspruchsbescheides allein aus dem Zusammenleben der Klägerin mit A. - zu dem die Klägerin ohnehin nicht angehört
wurde - herleitet, diese habe vom Ende des Beschäftigungsverhältnisses zwischen B. und der Fa. A. & W. gewusst, entbehrt diese
Behauptung ebenfalls jeder tatsächlichen Grundlage. Die Beklagte hat hierzu keinerlei Ermittlungen angestellt, die diese Auffassung
stützen können, und sie kann nicht für sich in Anspruch nehmen, nach allgemeiner Lebenserfahrung würden sich (eheähnlich zusammenlebende)
Partner allumfassend und detailliert - möglicherweise unter Missachtung von Datenschutzvorschriften - über jeden einzelnen
Geschäftsvorgang im Rahmen der jeweiligen beruflichen Tätigkeit informieren. Gegen eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis
der Klägerin in Bezug auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des B. spricht darüber hinaus die Aussage des A.
in der mündlichen Verhandlung vor dem SG. Dort hat er angegeben, dass er und die Klägerin privates und geschäftliches stets strikt getrennt gehalten haben, so dass
bereits hieraus abzuleiten ist, die Klägerin habe - unabhängig davon das A. nicht zwischen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis
differenzieren konnte - von der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen B. und der Fa. A & W. nichts gewusst.
Soweit in diesem Zusammenhang die Fa. A & W. die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses am 28.12.2007 bescheinigt hat,
muss sich die Klägerin die Fehlerhaftigkeit dieser Bescheinigung in keiner Weise entgegenhalten lassen, denn es ist keine
Rechtsgrundlage ersichtlich, aufgrund derer die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Angaben des Arbeitgebers kritisch
zu hinterfragen, und dass eine Säumnis diesbezüglich, als besonders schwere Verletzung bestehender Sorgfaltspflichten zu qualifizieren
wäre. Zwar haben Leistungsträger regelmäßig die Möglichkeit, Begünstigte durch entsprechende Ausgestaltung von Antragsformularen,
Merkblättern uä auf wesentlichen Elemente und Mitteilungspflichten in Bezug auf eine bewilligende Entscheidung hinzuweisen,
so dass beim Leistungsempfänger das Bewusstsein geschärft werden kann, welche Pflichten bestehen, deren Erfüllung seitens
des Leistungsträgers erwartet wird. Aber es gibt es keinerlei Hinweise dazu, dass die Beklagte umfassend und nachvollziehbar
darüber aufgeklärt hätte, welche Prüfpflichten die Klägerin in Bezug auf die abgegebene Arbeitgeberbescheinigung - aus der
Sicht der Beklagten - zu erfüllen habe. Ohne einen solchen Hinweis kann das Verhalten der Klägerin, die Arbeitgeberbescheinigung
ohne kritische Prüfung, z.B. durch Nachfrage beim Arbeitnehmer, ob das Beschäftigungsverhältnis noch bestehe, an die Beklagte
weiterzureichen, nicht ansatzweise als grob fahrlässig angesehen werden. Es kann daher dahinstehen, dass bereits mehr als
fraglich erscheint, ob die Klägerin im Hinblick auf §
65 Abs
1 Nr.
3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) überhaupt verpflichtet war, die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses mitzuteilen, denn insoweit ist eine rechtliche
Beurteilung erforderlich, die Rechtsunkundigen nicht immer zweifelsfrei gelingt, so dass insoweit die Ermittlung dieses Sachverhaltes
und die Prüfung der Auszahlungsvoraussetzungen von Amts wegen angezeigt erscheint.
Eine notwendige Beiladung des B. gemäß §
75 Abs
2 SGG war aus Sicht des Senates nicht geboten. Vorliegend steht nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin gegen B. im Streit, so
dass nur eine einheitliche Entscheidung ergehen könnte (vgl. zur Notwendigkeit einer Beiladung in diesen Fällen BSG, Urteil vom 06.04.2006 Rn. 20 aaO), denn dieser Anspruch ist mit Erfüllung durch die Beklagte gemäß §
362 BGB erloschen. Streitgegenständlich ist allein die Rückabwicklung des (eigenständigen) öffentlich- rechtlichen Zahlungsanspruches
der Klägerin, der nicht inhaltsgleich sein kann mit (Ersatz-)Ansprüchen, die ihr wegen der unzutreffenden Arbeitgeberbescheinigung
gegenüber B. oder der Fa. A. & W. nach einer eventuellen Rückabwicklung des öffentlich- rechtlichen Zahlungsanspruches entstehen
können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), denn der Vermittler ist kein Leistungsempfänger iS des §
183 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2006 Rn. 21 aaO). Hierbei umfassen die Kosten des Verfahrens auch die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten
(§
162 Abs
1 VwGO).
In diesem Zusammenhang war der Beschluss des SG vom 07.02.2011 in Bezug auf die Kostenentscheidung aufzuheben, denn das SG hat mit diesem Beschluss die unvollständige Kostenentscheidung im Urteil vom 10.11.2010 (in Bezug auf die Tragung der gerichtlichen
Verfahrenskosten) in fehlerhafter Weise nachgeholt. Vorliegend hat das SG mit Urteil vom 10.11.2010 in Punkt II des Tenors lediglich über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten entschieden,
so dass im Urteil selbst, über den Kostenpunkt teilweise, nämlich hinsichtlich der gerichtlichen Verfahrenskosten nicht entschieden
worden ist. Damit liegen zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Urteilsergänzung im Sinne des §
140 Abs
1 Satz 1
SGG vor, so dass das SG durch (berufungsfähiges) Ergänzungsurteil über die Kostentragung in Bezug auf die Kosten des gerichtlichen Verfahrens hätte
entscheiden können, und dies - allerdings fehlerhaft durch Beschluss und darüber hinaus nochmals in Bezug auf die außergerichtlichen
Kosten - auch dem Grunde nach geschehen ist. In diesem Zusammenhang hat das SG jedoch übersehen, dass eine Entscheidung, wie die vom 07.02.2011, lediglich auf Antrag erfolgen darf (§
140 Abs
1 Satz 2
SGG). Ein solcher Antrag war jedoch von keinem der Beteiligten gestellt, so dass auf das Rechtsmittel der Beklagten der Beschluss
vom 07.02.2012 über die Kostenentscheidung aufzuheben ist, nachdem sich ihre Berufung - den Umständen zufolge - auf die Instanz
abschließenden Entscheidungen des SG insgesamt bezieht. Der Senat hatte hierbei als Rechtsmittelgericht - im Rahmen seiner Berufungsentscheidung - in der zutreffenden
Form (vgl. Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10.Aufl., vor §
143 Rn. 14, 14a), d.h. durch Urteil, zu entscheiden.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Absatz
2 Nr.1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.