Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren, Mutwilligkeit der Klageerhebung nach unterlassener Mitwirkung
im Widerspruchsverfahren
Gründe:
I. Der 1959 geborene Kläger, der ohne Schulabschuss ist und Arbeitslosengeld II bezieht, beantragte am 21.02.2005 Leistungen
der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er legte eine gutachterliche Äußerung des Ärztlichen Dienstes der Agentur
für Arbeit vom 04.02.2005 vor, wonach er erwerbsunfähig sei. Gestützt auf ein Gutachten der Agentur für Arbeit mit Untersuchung
vom 09.01.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen bestehender Erwerbsfähigkeit ab (Bescheid vom 18.9.2007).
Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein ärztliches Attest vom 04.10.2007 über vollständige Arbeitsunfähigkeit vor. Zu
einem Vorladungstermin beim Stadtärztlichen Dienst der Beklagten erschien der Kläger nicht, woraufhin der Widerspruch am 28.02.2008
zurückgewiesen wurde.
Mit seiner am 02.04.2008 eingegangenen Klage hat der Klägerbevollmächtigte gleichzeitig Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH)
gestellt und auf Nachfrage mitgeteilt, der Kläger sei sicher aufgrund seiner psychischen Verfassung nicht in der Lage gewesen,
den Untersuchungstermin wahrzunehmen. Für den Kläger stehe fest, dass er erwerbsunfähig sei und der Klägerbevollmächtigte
habe von dem Untersuchungstermin erst mit Abschluss des Widerspruchsverfahrens erfahren.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf PKH mit Beschluss vom 13.01.2009 abgelehnt, weil die Klage mutwillig erscheine. Der Kläger
habe auch einen von der ARGE A-Stadt veranlassten Untersuchungstermin am 20.12.2007 zur fachpsychiatrischen Untersuchung ohne
Entschuldigung versäumt und am 12.10.2007 gegenüber der ARGE seine Bereitschaft zur Untersuchung verneint. Ein verständiger
Beteiligter, der für die Prozesskosten selbst aufkommen müsse, würde zunächst alle Möglichkeiten im Verwaltungsverfahren ausschöpfen,
bevor er ein Klageverfahren einleite. Im Übrigen seien auch wegen der fehlenden Untersuchungsbereitschaft die Erfolgsaussichten
zweifelhaft.
Gegen den am 16.01.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 22.01.2009 Beschwerde eingelegt. Der Klägerbevollmächtigte
sei zu Unrecht nicht von der Einladung zur Begutachtung informiert worden und die Klage sei angesichts der seit vier Jahren
strittigen Frage der Erwerbsunfähigkeit die einzige Möglichkeit, eine endgültige Klärung herbeizuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts
und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen.
II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf PKH.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Voraussetzungen dargestellt, unter denen PKH beansprucht werden kann. Danach ist neben
der Bedürftigkeit (§73a
SGG, §§
114,115
ZPO) eine hinreichende Erfolgsaussicht zu fordern und die Rechtsverfolgung darf nicht mutwillig erscheinen (§
73a SGG,§
114 ZPO).
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts erscheint die Rechtsverfolgung von Seiten des Klägers nicht mutwillig. Zwar ist Mutwilligkeit
im Sinne des §
114 ZPO dann anzunehmen, wenn das rechtliche Begehren auf andere Weise mit geringerem Kostenaufwand erreicht werden könnte. Tatsächlich
hat der Kläger die Möglichkeit, erneut ein Verwaltungsverfahren einzuleiten und dies mit seiner Bereitschaft zur ärztlichen
Untersuchung auf eine aktuelle Grundlage zu stellen. Abgesehen davon, dass die Überprüfung einer ablehnenden Verwaltungsentscheidung
durch das Gericht eine andere Qualität hat als die durch die beteiligte Behörde selber, kann jedoch eine Rückverweisung des
Betroffenen auf den Verwaltungsweg allenfalls erfolgen, wenn ihn ein Verschulden an der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung
träfe. Andernfalls wäre die grundgesetzlich verankerte Rechtsschutzgarantie wertlos.
Es ist nach Aktenlage jedoch nicht erkennbar, dass der Kläger jegliche Aufklärung von Seiten der Beklagten vereiteln wollte,
zumal er bereits im Januar 2007 einen von der Beklagten veranlassten Untersuchungstermin wahrgenommen hatte. Bei der persönlichen
Vorsprache bei der am Verfahren nicht beteiligten ARGE A-Stadt ist auch lediglich deutlich geworden, dass er ohne Rücksprache
mit seinem Anwalt keine Erklärungen abgeben wollte. Dieser ist aber über die Notwendigkeit der Untersuchung nicht informiert
gewesen und hat daher nach eigener Einlassung nicht Sorge dafür tragen können, dass der 2. von der Beklagten verfügte Untersuchungstermin
stattfand. Darüber hinaus erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die vom Hausarzt diagnostizierte Depression mit Angststörung
Einfluss auf die Willensentschließung des Klägers hat.
Die Rechtsverfolgung hat auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht bedeutet, dass das Gericht im
Rahmen einer vorläufigen summarischen Prüfung zur Einsicht gelangen muss, der Erfolg habe nach den bisherigen Umständen eine
gewisse Wahrscheinlichkeit für sich. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sich die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme ergibt.
Hieran kann angesichts der widerstreitenden ärztlichen Beurteilungen, des Datums der letzten Untersuchung und der eigenen
Auffassung der Beklagten kein Zweifel bestehen. Dass sich der Kläger der gerichtlich veranlassten Untersuchung widersetzen
könnte, erscheint fernliegend. Soweit eine Mitwirkung im Gerichtsverfahren gefordert wurde, ist sie erfolgt.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist auch erforderlich (§
121 Abs
2 ZPO). Der Streitgegenstand betrifft die existenzielle Sicherung des Klägers. Sie erfordert die Beurteilung von Sachverständigengutachten,
die der Kläger keinesfalls mit demselben Erfahrungswissen wie die Beklagte vornehmen kann (siehe hierzu BVerfG, Beschluss
vom 22.06.2007 - 1 BvR 681/07).
Auch die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH sind gegeben.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).