Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Elterngeld für den 2007 geborenen S. für weitere zweieinhalb Monate nach Ablauf der Leistungsgewährung.
Die Klägerin ist Sparkassenangestellte. Bis August 2007 bezog sie ein Monatseinkommen von 2474,17 EUR. Im September 2007 arbeitete
sie bis zum Tag vor der Geburt, also bis 25.9.2007. Sie erhielt bis zu diesem Zeitpunkt Arbeitsentgelt. Die Klägerin gebar
ihren Sohn S. am 26. 9. 2007 wegen eines Blasensprungs, zehn Wochen vor dem regulären Geburtstermin, dem 1.12.2007. Sie befand
sich mit dem Frühgeborenen bis 22.11.2007 im Krankenhaus.
Am 7.12.2007 beantragte sie die Gewährung von Elterngeld. Laut Bescheinigung der AOK Bayern vom 18.10.2007 bezog sie vom 26.9.2007
bis 30.1.2007 Mutterschaftsgeld. Außerdem erhielt sie von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von 47,08
EUR beziehungsweise 48,13 EUR kalendertäglich.
Mit Bescheid vom 11.1.2008 bewilligte der Beklagte Elterngeld vom 26.9.2007 bis 25.9.2008. Ab 26.1.2008 erhielt die Klägerin
971,36 EUR, ab 26.2.2008 1.158,29 EUR. Auf den Anspruch auf Elterngeld im Zeitraum bis zum 25.1.2008 rechnete die Beklagte
Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 EUR sowie den Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 47,08 EUR beziehungsweise 48,13 EUR pro Kalendertag
an.
Am 25.1.2008 legte die Klägerin Widerspruch bezüglich der Bezugsdauer des Elterngeldes ein. Sie beansprucht die weitere Gewährung
von Elterngeld bis 30.11.2008, also bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem Elterngeld beim regulären Geburtstermin am 1.12.2007
zu gewähren gewesen wäre. Sie macht insoweit den Differenzbetrag von 2.503,51 EUR geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 31.3.2008 zurück. Der Gesetzgeber habe keine Ausnahmen für Früh- oder Mehrlingsgeburten vorgesehen.
Gegen diese Entscheidung wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage zum Sozialgericht Augsburg vom 14.4.2008. Sie trug zur
Begründung vor, die Regelung im
Mutterschutzgesetz sehe eine Anrechnung des Zeitraumes zwischen der Frühgeburt und dem errechneten Geburtstermin vor, so dass immer Leistungen
für 14 Wochen gewährt würden. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im Bundeselterngeldgesetz (BEEG) sei verfassungswidrig.
Der Gesamtanspruch der Klägerin auf Elterngeld habe sich durch die Frühgeburt von 11.582,29 EUR auf 9.079,39 EUR verkürzt.
Dies sei eine Ungleichbehandlung. Das BEEG sei insoweit verfassungswidrig und dahingehend zu ändern, dass ähnlich wie im
Mutterschutzgesetz sich der Bezugszeitraum von Elterngeld um den Zeitraum verlängert, der im Rahmen des Mutterschutzes aufgrund der vorzeitigen
Entbindung nicht in Anspruch genommen werden konnte. Nur so könne den besonderen Bedürfnissen einer Frühgeburt Rechnung getragen
werden und eine Gleichbehandlung wiederhergestellt werden.
Das Sozialgericht Augsburg wies die Klage mit Urteil vom 14.4.2008 ab. Der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Zutreffend
habe die Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 BEEG das Mutterschaftsgeld, das die Klägerin bezogen habe, auf das nach § 2 BEEG berechnete
Elterngeld angerechnet. Nach § 4 Abs. 3 BEEG würden Monate, in denen die berechtigte Person nach § 3 Abs. 1 und 3 BEEG anzurechnende
Leistungen erhalte, als verbraucht gelten. Eine planwidrige Regelungslücke könne die Kammer nicht erkennen. Elterngeld stelle
eine Leistung des Staates im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit dar, weshalb der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum
habe.
Gegen das Urteil vom 14.4.2008 legte die Klägerin Berufung ein. Die Berufungsbegründung entspricht der Klagebegründung.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 22.7.2008 sowie unter Änderung des Bescheides vom
11.6.2008 in Gestaltung des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2008 zu verpflichten, den Bezugszeitraum für das Elterngeld bis
4.12.2008 zu verlängern.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet.
Der Senat konnte durch Einzelrichter entscheiden, da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einer Entscheidung durch
Einzelrichter zugestimmt haben (§
155 Abs.
3 SGG).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld für den Zeitraum vom 26.9.2008 bis 30.11.2008.
Nach dem in §
31 SGB I kodifizierten Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches
nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Ein Anspruch
auf Gewährung von Elterngeld im Zeitraum vom 26.9.2007 bis 30.11.2007 ist jedoch aus dem BEEG, das nach §
25 Abs.
2 SGB I Teil des Sozialgesetzbuches ist, nicht zu begründen.
Aus § 4 Abs. 1 S. 1 und § 4 Abs. 2 S. 1 und 2 BEEG ergibt sich, dass Elterngeld vom Tag der Geburt des Kindes an für zwölf
Lebensmonate gezahlt wird. Dieser Zeitraum endete am 25.9.2008. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung dieses Anspruchs
nach § 4 Abs. 2 S. 2 BEEG auf 14 Kalendermonate liegen nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Eine Rechtsgrundlage für eine Verlängerung dieses Anspruchs über den 25.9.2008 hinaus ergibt sich aus dem BEEG nicht. Vielmehr
hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 S. 2 BEEG ausdrücklich vorgesehen, dass Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs. 1 oder 3 anzurechnende Leistungen zustehen, das heißt ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) besteht, als Monate gelten, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Dieser Gesetzeswortlaut ist eindeutig und
damit einer Auslegung nicht zugänglich, da andernfalls ein Leistungsanspruch contra legem geschaffen und gegen den Vorbehalt
des Gesetzes (§
31 SGB I) verstoßen würde. Damit gilt kraft dieser gesetzlichen Fiktion der Zeitraum vom 26.9.2007 bis 30.1.2008, in dem die Klägerin
nach der Auskunft der AOK Mutterschaftsgeld bezogen hat, als Zeitraum, in dem die Klägerin Elterngeld bezog. Eine Verlängerung
der Bezugsdauer des Elterngeldes scheidet wegen der eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Regelung in § 4 Abs. 3 S. 2 BEEG
aus.
Eine planwidrige Regelungslücke für den Fall einer Frühgeburt, die durch eine richterliche Rechtsfortbildung entsprechend
§ 200 Abs. 3 S. 2
RVO geschlossen werden könnte, liegt nicht vor.
Ziel des BEEG ist es, junge Familien mit Neugeborenen finanziell zu stärken. "Das Elterngeld hilft Eltern, die sich im ersten
Lebensjahr des Neugeborenen vorrangig der Betreuung ihres Kindes widmen, bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage. Es will
dazu beitragen, dass sich die gegenwärtige individuelle wirtschaftliche Situation und spätere Möglichkeiten der Daseinsvorsorge
für diese Mütter und Väter nicht dadurch verschlechtern, dass sie ihr Kind in seinen ersten Lebensmonaten vorrangig selbst
betreuten. Die Orientierung der Leistung am individuellen Einkommen soll dazu beitragen, dass es Müttern und Vätern auf Dauer
besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz möglichst unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu sichern. Die Orientierung
des Elterngeldes am individuellen Einkommen will es Paaren erleichtern, zumindest in einem überschaubaren Zeitraum auch auf
das höhere Einkommen zu verzichten." (vgl. den Gesetzentwurf, BT-Drs. 16/189, 15). Der Gesetzgeber wollte mit dem BEEG die
Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes unterstützen. Entsprechend dieser Zielsetzung einer wirtschaftlichen Sicherung junger
Eltern im ersten Lebensjahr nach der Geburt eines Kindes wollte der Gesetzgeber durch § 3 Abs. 1 BEEG Doppelleistungen vermeiden:
"Der Zweck des Elterngeldes, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sie nach einer
Geburt die Betreuung ihres Kindes übernehmen, ist im Falle gezahlter Mutterschaftsleistungen bereits erfüllt. Die in den Sätzen
1 und 2 genannten Leistungen sind für den beschränkten Zeitraum und den eingeschränkten Berechtigtenkreis auch wegen des grundsätzlich
weitergehenden Umfangs als vorrangige Leistung gegenüber dem Elterngeld anzusehen und deshalb auf das Elterngeld anzurechnen"
(BT-Drs. 16/189,22). Da eine wirtschaftliche Sicherung lediglich für das erste Lebensjahr des Neugeborenen erfolgen sollte,
regelte der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 S. 2 BEEG klarstellend, dass der Bezug von Mutterschaftsgeld und vergleichbaren Leistungen
den Bezugszeitraum nicht über 12 Lebensmonate hinaus verlängert (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/189, 23). Bei dieser
klaren und eindeutigen Regelung scheidet eine planwidrige Gesetzeslücke für den Fall einer Frühgeburt aus. Durch das BEEG
sollte lediglich in den ersten 12 bzw. 14 Lebensmonaten eine staatliche Förderung erfolgen, ohne dass der Bezugszeitraum bei
besonderen Umständen verlängert wird.
Bei diesem gesetzgeberischen Ziel ist eine Differenzierung zwischen regulär zum errechneten Geburtstermin geborenen Kindern
und zu früh geborenen Kindern nicht verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art.
3 Abs.
1 GG) zwingend. Die Eltern frühgeborener Kinder haben keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen.
Art.
3 Abs.
1 GG ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (BVerfGE 86,
81,87; 90, 226,239), sondern erst dann, wenn die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am
Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 98, 365,385). Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn der Gesetzgeber bei einer Regelung, die die Lebensgrundlage junger Eltern
im ersten Lebensjahr sichern soll, nicht zwischen frühgeborenen und regulär geborenen Kindern differenziert. Dem Senat ist
dabei bewusst, dass frühgeborene Kinder regelmäßig einen höheren Betreuungsbedarf haben und die Situation teilweise psychisch
belastend ist. Dies gilt auch für behinderte Kinder. Eine Kompensation des - gegebenenfalls erhöhten - Betreuungsbedarfs oder
psychisch belastender Situationen ist jedoch nicht Ziel und Gegenstand des BEEG.
Die Klage war damit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.