Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Erziehungsgeld in der Zeit vom 1.9.2007 bis 30.11.2007.
Der Kläger beantragte am 25.6.2007 beim Beklagten die Zahlung von Elterngeld für die Lebensmonate 4 und 5 seines 2007 geborenen
Sohnes S. G. (15.9.2007 bis 14.11.2007). Dem Antrag lag eine Bescheinigung seines Arbeitgebers bei, dass er für die Zeit vom
1.9.2007 bis 30.11.2007 von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt sei und infolge dessen sein Jahresverdienst um
3/12 (insgesamt 14.607 EUR) gekürzt werde. Der Anteil seines Erholungsurlaubs verringere sich im Jahre 2007 auf 9/12.
Mit Bescheid vom 16.8.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Elterngeld ab. Einen Anspruch erwerbe nur, wer das Kind selbst
betreue und erziehe. Dies setze voraus, dass entweder keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Auch während
des Freizeitblocks von September 2007 bis November 2007 bestehe ein gültiger Arbeitsvertrag, dem eine Vollzeiterwerbstätigkeit
zu Grunde liege. Ein Anspruch auf Elterngeld sei deshalb ausgeschlossen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 15.11.2007 zurück.
Hiergegen legte der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Zwar würde dem Kläger während des Freizeitblocks ein Grundgehalt ausgezahlt. Wirtschaftlich gesehen sei dies wegen
der Kürzungen des Einkommens vor bzw. nach dem Freizeitblock kein irgendwie geartetes Arbeitsentgelt. Während der Freistellung
erbringe der Kläger weder eine Arbeitsleistung noch erhalte er ein Arbeitsentgelt. Durch den Entfall der Schichtzulagen in
diesem Zeitraum habe er zusätzliche Einkommensverluste in Höhe von 500 bis 700 EUR brutto. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 10.7.2008 ab. Als Zeiträume, in denen eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde, müssten auch diejenigen
Phasen zählen, in denen bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis und daraus resultierenden Gehaltsanspruch die konkrete
Arbeitsleistung entfalle, also insbesondere Wochen und Monate des bezahlten Urlaubs, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
und Jahre der Freistellungsphase bei Inanspruchnahme der Blockaltersteilzeit. Der vom Kläger ausgeschöpfte Freizeitblock sei
unter arbeitsrechtlichem Aspekt wie auch unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts anderes als ein bezahlter Urlaub.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. Er habe während des 3. und 4. Lebensmonats seines Sohnes gerade keine Ansprüche
aus einer Arbeitsleistung gehabt. Es sei ein Einbehalt von 14.607 EUR EUR vorgenommen worden, weil der Kläger keine Arbeitsleistung
erbracht habe. Wirtschaftlich betrachtet habe er keine Erwerbseinkünfte gehabt.
In der mündlichen Verhandlung am 15.9.2011 erklärten die Parteien ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Einzelrichter.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.7.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 15.11.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das Elterngeld für das Kind S., geboren am 15.6.2007,
antragsgemäß zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld führt die Lebensmonate 4 und
5 seines Sohnes S. im Zeitraum vom 15.9.2007 bis 14.11.2007. Das Urteil des Sozialgerichts war deshalb aufzuheben.
Streitig ist lediglich, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG erfüllte,
also keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte. Zwar geht das BEEG von einem sehr weiten Begriff der Erwerbstätigkeit
aus, so dass auch während eines bezahlten Urlaubs oder einer Krankheit mit Anspruch auf Lohnfortzahlung von einer Erwerbstätigkeit
auszugehen ist, wie auch das Sozialgericht zutreffend angenommen hat. Nicht erwerbstätig sind jedoch Arbeitnehmer oder Beamte
in Elternzeit oder bei sonstiger Freistellung (Lenz in: Ranke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, Handkommentar, 2. Auflage
§ 1 BEEG Rn. 8).
Im Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2007 befand sich der Kläger in einer sonstigen Freistellung in diesem Sinne. Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger während dieses Zeitraums im bezahlten Urlaub war, so dass ein Anspruch
auf Elterngeld tatsächlich ausscheiden würde. Die vom Kläger vorgelegte Vereinbarung über den "Freizeitblock" vom 29.5.2007
sieht für die dreimonatige Freistellung des Klägers eine Kürzung des aktuellen Jahresverdienst des um 3/12 vor, so dass eindeutig
eine unbezahlte Freistellung vorliegt. Die anteilige Kürzung des Jahresverdienstes entspricht genau dem in Anspruch genommenen
Zeitraum der Freistellung. Anders als bei Zeitkonten im Sinne von §
7 Abs.
1a SGB IV, die mit einem entsprechenden tatsächlich erzielten Arbeitseinkommen korrelieren, hatte der Kläger während seiner dreimonatigen
Freistellung wirtschaftlich betrachtet kein Einkommen.
Dass dem Kläger während des streitgegenständlichen Zeitraums tatsächlich ein "Grundeinkommen" aufgrund des auf 9/12 gekürzten
Jahreseinkommens ausbezahlt wurde, steht einer Leistungsgewährung nach dem sog. modifizierten Zuflussprinzip (vgl. BSG vom
30.9.2010, B 10 EG 19/09 R) nicht entgegen. Nach dem modifizierten Zuflussprinzip ist entscheidend, welches Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum tatsächlich
erarbeitet wurde, nicht jedoch, welches Arbeitsentgelt aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ausgezahlt wurde. Nur
so wird gewährleistet, dass die Eltern auch bei atypischen Vertragsgestaltungen in den Fällen, in denen sie ihre Erwerbstätigkeit
unterbrechen oder reduzieren, einen am jeweiligen individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen
im 1. Lebensjahr des Kindes erhalten. Das modifizierte Zuflussprinzip soll garantieren, dass die Eltern in diesen Fällen keine
allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen.
Im Ergebnis war deshalb der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt. Das modifizierte Zuflussprinzip war bereits Gegenstand
der oben genannten Entscheidung.