Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Arzneimittelregress im Quartal 3/09 betreffend Tetra Gelomyrtol. Das verschreibungspflichtige
Arzneimittel enthält die Wirkstoffkombination des Antibiotikums Oxytetracyclin und des Schleimlösers Myrtol.
Die Klägerin ist eine aus zwei Allgemeinärzten bestehende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in A-Stadt. Mit Bescheid vom 26.09.2011
sprach die Beklagte einen Regress in Höhe von 50,50 EUR nach § 18 der Prüfvereinbarung wegen der Verordnung von Tetra Gelomyrtol
in 5 Fällen aus, weil das Arzneimittel nach den Arzneimittelrichtlinien (AM-RL) Anlage III Nr. 31 (Stand 01.04.2009) von der
Verordnung ausgeschlossen sei. Dieser Ausschluss betreffe Hustenmittel, die fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien
oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen enthalten. Dazu gehöre auch Tetra Gelomyrtol.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage zum Sozialgericht München. Der Ausschlusstatbestand des §
34 Abs.
1 S. 6 Nr.
1 SGB V betreffe nur Erkältungskrankheiten und erkältungsbedingten Husten. Das verordnete Präparat sei jedoch indikationsgerecht
zur Behandlung von akuter Bronchitis und Sinusitis eingesetzt worden. Das Mittel sei auch uneingeschränkt verordnungsfähig
nach §
31 I
SGB V in den zugelassenen Indikationen "Sinusitis und akute Bronchitis". Nach dem Ausschlusstatbestand in Nr. 31 der Anlage III
zur AM-RL würden fixe Kombinationen ausgeschlossen, wenn es sich bei diesen Kombinationen um Hustenmittel handelt. Während
der bloß erkältungsbedingte - und damit viral verursachte - Husten im Regelfall nach etwa einer Woche auch ohne Behandlung
von allein abklinge, bedürften die bakteriell bedingten Erkrankungen Sinusitis und akute Bronchitis einer medikamentösen Therapie,
um insbesondere das bestehende Risiko einer Chronifizierung auszuschließen. Dabei sei der Einsatz auch eines Antibiotikums
erforderlich, so dass die in Tetra Gelomyrtol enthaltene Wirkstoffkombination zur Behandlung der akuten Bronchitis und Sinusitis
die optimale Behandlung darstelle. Insoweit handle es sich bei Tetra Gelomyrtol nicht um ein bloßes Hustenmittel im Sinne
der Vorschrift Nr. 31 Anlage III der AM-RL Tetra. Der zunächst erhobene Einwand der Nichtigkeit des Ausschlusstatbestandes
in Nr. 31 der Anlage III zur AM-RL wurde nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2011, B 6 KA 29/10 R nicht weiter aufrechterhalten.
Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Arzneimittel Tetra Gelomyrtol um eine von den AM-RL ausgeschlossene
fixe Kombination des Antitussivums/Expektoran- tiums Myrtol mit dem Antibiotikum Oxytetracyclin. Ob damit Husten wegen einer
Erkältungskrankheit oder Bronchitis behandelt würde, sei grundsätzlich unerheblich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.06.2012 abgewiesen. Bei dem verordneten Präparat handle sich um ein Medikament,
das eine fiktive Zulassung besäße und nach §
34 Abs.
1 S. 6 Nr.
1 SGB V in Verbindung mit der Anlage III Nr. 31 AM-RL von der Versorgung für Erwachsene ausgeschlossen sei. Danach seien von der
Versorgung nach §
31 SGB V Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden
Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfende und hustenlösende Mittel für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet
haben, ausgeschlossen. Konkretisiert werde §
34 Abs.
1 S. 6 Nr.
1 SGB V durch Anlage III Nr.
31 AM-RL. Dort ist geregelt, dass "Hustenmittel: Fixe Kombination von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika untereinander
oder mit anderen Wirkstoffen" nicht verordnungsfähig sind. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 04.12.2011 festgestellt habe, sei die Regelung der Anlage III Nr. 31 AM-RL nicht zu beanstanden.
In der dortigen Entscheidung habe das BSG zu einem nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Hustenmittel ausgeführt, dass aufgrund der fixen Kombination eines
hustenlösenden und eines schleimlösenden Mittels kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen sei - eventuell würden
sich die Wirkstoffe sogar gegeneinander aufheben - und darin die Erklärung liege, warum die Kombination nicht verordnungsfähig
sei. Bei Tetra Gelomyrtol handele es sich zwar um ein verschreibungspflichtiges Präparat mit einer fixen Kombination eines
Antibiotikums und eines Expektorantiums (Myrtol, schleimlösend und damit Auswurf fördernd), wie von allen Beteiligten eingeräumt
werde. Der Ausschlusstatbestand liege dennoch vor, auch wenn Zweckbestimmung der Verordnung die Behandlung von Sinusitis und
Bronchitis war und Tetra Gelomyrtol damit kein Hustenmittel im engeren Sinne sei. Darauf komme es aber nicht an. Denn Husten
sei keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr nur ein Symptom einer Erkrankung. Die Entscheidung des Gesetzgebers und
des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), ob ein Medikament verordnungsfähig sei oder nicht, habe sich an dem Anwendungsgebiet,
also der "Erkrankung" zu orientieren. Insofern sei die Diktion "Hustenmittel" in Anlage III Nr. 31 AMR nicht korrekt, zumindest
aber auslegungsfähig. Maßgeblich sei vielmehr die fixe Kombination. Denn der Gesetzgeber und der GBA wollten nicht nur Medikamente
von der Versorgung ausschließen, deren fixe Kombination (weil sich die Effekte unter Umständen gegenseitig ausschließen) die
Wirksamkeit fraglich erscheinen lassen, sondern auch Präparate in einer "Grauzone", die singulär - jeder Wirkstoff für sich
- nicht verordnungsfähig seien - Myrte - , sondern nur über den Umweg eines Kombinationspräparats mit fixen Kombinationen
verordnungsfähig würden. Anhaltspunkte für eine medizinisch indizierte ausnahmsweise Verordnung von Tetra Gelomyrtol lägen
nicht vor und seien auch nicht vorgetragen worden. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Mit ihrer Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung des Regresses
weiter. Zwar sei dem Sozialgericht zuzustimmen, dass Husten für sich genommen keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr
nur ein Symptom einer Erkrankung darstelle. Mit "Hustenmittel" seien in Anlage III Nr. 31 solche Kombinationspräparate gemeint,
die lediglich der Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen dienten. Hierzu gehöre Tetra Gelomyrtol gerade nicht. Denn
nicht ausgeschlossen werden sollten durch Anlage III Nr. 31 solche Arzneimittel, die nicht lediglich das bloßes Symptom einer
Erkrankung, nämlich den Husten, bekämpfen, sondern an der Behandlung der dem Husten zu Grunde liegenden Erkrankung ansetzten.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilte auf Anfrage des Senats zum Zulassungsstatus von Tetra
Gelomyrtol mit, dass der Antrag auf Zulassung bzw. Verlängerung der Zulassung nach § 105 und § 105 Abs. 4a AMG, so genannte Nachzulassung, am 01.01.1979 beim BfArM (damals noch BGA) einging. Die Zulassung wurde mit Bescheid vom 05.12.2005
versagt, die hiergegen eingelegte Klage am 30.07.2012 zurückgenommen. Das Arzneimittel war bis zum 06.08.2012 uneingeschränkt
verkehrsfähig.
Zur der Problematik, dass Tetra Gelomyrtol im streitgegenständlichen Quartal lediglich eine fiktive Zulassung besaß, führt
die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2014 aus. Die Rechtsprechung des BSG zum Arzneimittel Wobe-Mugos (B 1 KR 6/04 R, B 6 KA 63/07 und B 6 BA 3/08 R), wonach lediglich fiktiv zugelassene Arzneimittel nicht verordnungsfähig seien, sei auf Tetra Gelomyrtol nicht anzuwenden.
Denn das BSG habe seine Entscheidungen zur Nicht-Verordnungsfähigkeit lediglich fiktiv zugelassener Arzneimittel damit begründet, dass
für diese Arzneimittel zu Qualität und Wirksamkeit keine zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen in dem Sinne
getroffen werden könnten, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl
von Behandlungsfällen belegt sei. Dies gelte insbesondere für Fälle, in denen die Verkehrfähigkeit des Arzneimittels auf der
verfahrensrechtlichen Position der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels beruhe. Bei Tetra Gelomyrtol sei jedoch die
Wirksamkeit und Sicherheit in einer ausreichenden Anzahl von Fällen belegt, wie eine nicht interventionelle Studie aus dem
Jahr 2005 belege. Die Rechtsprechung des BSG sei daher so zu verstehen, dass jeweils das konkret im Streit stehende Arzneimittel anhand der Kriterien des BSG im Hinblick auf den Wirksamkeits- und Sicherheitsbeleg gesondert geprüft werden müsse. Aufgrund der vorliegenden Wirksamkeits-
und Sicherheitsbelege sei Tetra Gelomyrtol daher im streitgegenständlichen Verordnungszeitraum verkehrs- und erstattungsfähig
zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen gewesen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.06.2012, S 38 KA 1021/11, sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.09.2011 aufzuheben, soweit darin wegen der Verordnung des Arzneimittels Tetra Gelomyrtol
ein Regress in Höhe von 50,50 EUR festgesetzt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend. Tetra Gelomyrtol falle als Kombinationspräparat unter die Vorschrift der Nr. 31 der Anlage III AM-RL und
sei damit von einer Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV ausgeschlossen. Eine Ausnahmeindikation sei nicht vorgesehen. Die
fiktive Zulassung reiche nicht für eine Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV aus.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1. führt aus, dass in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung eine Verordnung nach §
34 Abs.
1 S. 2
SGB V in Verbindung mit §
16 Abs.
5 AM-RL erfolgen könne. Nach Auffassung der Beigeladenen zu 2. beruht der Verordnungsausschluss in erster Linie auf dem Umstand,
dass es sich bei Tetra Gelomyrtol um ein Kombinationspräparat handelt. Darauf, ob durch das ausgeschlossene Präparat nur ein
Symptom oder die zu Grunde liegende Krankheit behandelt werden soll, komme es deshalb nicht an.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, die SG-Akte mit dem Az. S 38 KA 1021/11 sowie die Berufungsakte vor, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Nach §
106 Abs.
5 S. 8
SGB V findet in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch
Richtlinie nach §
92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit
der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
ergibt. Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben. Eine (einschränkende)
Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen,
die durch das Gesetz oder durch die Richtlinie nach §
92 SGB V ausgeschlossen sind" (vergleiche BSG, Urteil vom 11.05.2011, B 6 KA13/10 R). Vorliegend folgt der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit sowohl aus den Vorschriften
des
SGB V, nach denen nur zugelassene Arzneimittel verordnungsfähig sind als auch nach der Anlage III Nr. 31 der Arzneimittel-Richtlinie
(Richtlinie gemäß §
92 Abs.
1 S. 2 Nr.
6 SGB V).
Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Verordnungsregresses ist §
106 Abs.
2 S. 4, Abs.
3 S. 3
SGB V (in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.03.2007, BGBl. I S. 378). Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den
kassenärztlichen Vereinigungen über die in §
106 Abs.
2 S. 1
SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen
Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Möglichkeit haben die Partner der Verträge in Bayern Gebrauch gemacht.
Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (PV vom 01.07.2010, gültig für Quartale ab 1/09) prüft die Prüfungsstelle nach
§ 18 PV auf Antrag, ob der Vertragsarzt im Einzelfall Arzneimittel verordnet hat, die von der Verordnung ausgeschlossen sind.
Der Antrag ist innerhalb von 10 Monaten nach Abschluss des Verordnungsquartals bei der Prüfungsstelle einzureichen. Vorliegend
ist der Antrag vom 21.06.2010 zwar erst am 24.11.2010 bei der Prüfungsstelle eingegangen und damit später als 10 Monate, jedoch
dient die Prüfantragsfrist nur dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren
überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann (BSG, Urteil vom 18.08.2010, B 6 KA 14/09 R).
Die im vorliegenden Fall durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit
einschließlich der Regressfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Die Verordnungen von Tetra Gelomyrtol im Quartal 3/09 waren
nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der GKV verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht
der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.
Das BSG hat in seinen Urteilen zu Wobe Mugos E (Urt. v. 27.09.2005, B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3; Urt. v. 05.11.2008, B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; Urt. v. 06.05.2009, B 6 KA 3/08 R, veröffentlicht bei [...].de) entschieden, dass eine fiktive Zulassung, die nur darauf beruht, dass eine abschlägige Zulassungsentscheidung
noch nicht bestandskräftig ist, trotz Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nicht zu einer Verordnungsfähigkeit zu Lasten der
GKV führt. Tetra Gelomyrtol ist jedenfalls seit der Ablehnung der Nachzulassung durch den Bescheid des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte vom 05.12.2005 nicht mehr verordnungsfähig iS des
SGB V. Fehlt die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 - B 6 KA 3/08 R , BSG vom 14.3.2001 - B 6 KA 19/00 R).
Ein Anspruch auf Versorgung besteht im Rahmen der GKV nur nach Maßgabe des §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 i.V.m. §
31 Abs.
1 SGB V. Diese Bestimmungen ergeben im Kontext mit den allgemeinen Regelungen der §
2 Abs.
1 Satz 3, §
12 Abs.
1 SGB V, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit,
jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten. Dafür sind zuverlässige wissenschaftlich
nachprüfbare Aussagen über das Arzneimittel in dem Sinne erforderlich, dass der Erfolg der Behandlung mit ihm durch eine ausreichende
Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Das BSG geht im Arzneimittelbereich davon aus, dass für eine Überprüfung durch den Bundesausschuss kein Raum ist, wenn es sich um
ein Fertigarzneimittel handelt, das nach Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach dem AMG zum Verkehr zugelassen wurde. Dieser Verweisung für die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln im Rahmen der GKV auf das
Arzneimittelzulassungsverfahren liegt die Annahme zugrunde, dass dieses Verfahren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
in ähnlicher Weise wie das Überprüfungsverfahren durch den Bundesausschuss gewährleistet. Wurde diese Prüfung durchlaufen
und somit die erfolgreiche Anwendung des Arzneimittels anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen in einer
ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt und ist dementsprechend für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich
der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden, so ist es in diesem Umfang auch verordnungsfähig im
Sinne des
SGB V (vgl. BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 §
31 Nr 3 RdNr 25 mit Bezugnahme auf BSGE 93, 1, 2 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1 RdNr 7). In solchen Fällen ist also mit der Zulassung - und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit
im Sinne des AMG - zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV gegeben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 06.05.2009, B 6 KA 3/08 R).
Für eine Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf eine Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV fehlt
insbesondere dann eine Rechtfertigung, wenn die Zulassung bzw. die Verlängerung der Zulassung eines Arzneimittels ausdrücklich
abgelehnt wurde und dieses lediglich deshalb weiterhin verkehrsfähig iS des AMG war, weil die Verlängerungsversagung noch nicht vollzogen wurde mangels Anordnung der Vollziehung gemäß § 105 Abs. 5b Satz 2 AMG. Die verfahrensrechtliche Position der aufschiebenden Wirkung, die darauf beruhte, dass der pharmazeutische Hersteller die
Versagung der Verlängerung bzw. Zulassung angefochten hatte, reicht nicht aus als Basis für die Annahme der Verordnungsfähigkeit
im Rahmen der GKV (BSG, Urteil vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R). Daher durfte Tetra Gelomyrtol nach der Versagung der Nachzulassung mit Bescheid vom 05.12.2005 und damit auch im Quartal
3/09 nicht mehr zu Lasten der GKV verordnet werden. Der Einwand der Klägerin, für Tetra Gelomyrtol lägen Studien vor (Anwendungsstudie
aus dem Jahr 2005), die anhand einer großen Zahl von Behandlungsfällen die Wirksamkeit des Arzneimittels belegen würden, geht
ins Leere. Der Senat ist an die (bestandskräftige) Versagungsentscheidung des BfArM gebunden, eine eigene Prüfung zur Wirksamkeit
von Tetra Gelomyrtol findet nicht statt.
Dass die Mitglieder der Klägerin möglicherweise von der nur fiktiven Zulassung von Tetra Gelomyrtol keine Kenntnis hatten,
ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß §
106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus (BSG, Urteil vom 03. Februar 2010, B 6 KA 37/08 R).
Zudem fehlt es aber auch an einer Verordnungsfähigkeit, weil Tetra Gelomyrtol als Kombinationsmittel nach Anlage III Nr. 31
AMRL von der Verordnung ausgeschlossen ist.
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-,
Heil- und Hilfsmitteln (§
27 Abs.
1 Satz 1 und
2 Nr.
3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach §
34 oder durch Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 ausgeschlossen sind (§
31 Abs.
1 Satz 1
SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach §
92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung
verordnen (§
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V). Der GBA beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, insbesondere u. a. Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln
(§
92 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr.
6 SGB V). Der GBA hat auf dieser Rechtsgrundlage die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung
(Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) in der - hier maßgeblichen - Fassung (in Kraft getreten am 1. April 2009) erlassen.
Nach § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärzten nicht verordnet
und von Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
1.der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder
2.die medizinische Notwendigkeit oder
3.die Wirtschaftlichkeit
nicht nachgewiesen ist.
Diese Voraussetzungen treffen insbesondere zu, wenn
1.ein Arzneimittel unzweckmäßig ist,
2.eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar
ist,
3.ein Arzneimittel nicht der Behandlung von Krankheiten dient oder die Anwendung aus medizinischen Gründen nicht notwendig
ist,
4.das angestrebte Behandlungsziel ebenso mit nichtmedikamentösen Maßnahmen medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger
zu erreichen ist oder
5. an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten
medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist.
Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel
sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL).
Danach fallen unter Anlage III Nr. 31 AM-RL "Hustenmittel: Fixe Kombination von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika
untereinander oder mit anderen Wirkstoffen". Bei dem Arzneimittel Tetra Gelomyrtol handelt es sich unstreitig um eine fixe
Kombination zwischen einem Mukolytikum (Myrtol) und dem Antibiotikum Oxytetracyclin. Eine fixe Kombination kann nicht nur
dann problematisch sein, wenn die Wirkungen der einzelnen Bestandteile möglicherweise gegenläufig sind, sondern auch dann,
wenn die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen einen gewissen Sinn macht. Denn deren Zusammenspiel kann dann nicht
je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Menge der verschiedenen
Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststeht. Der GBA durfte daher zur Regelung der Nr. 31 der
Anlage III AM-RL auf dieser Basis zur Schlussfolgerung kommen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel
medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (Urteil des
BSG vom 14.12.2011, B 6 KA 29/10 R). Der Verordnungsausschluss von Tetra Gelomyrtol als Kombinationspräparat basierte daher nicht (allein) darauf, dass Hustenmittel
nach Nr. 31 der Anlage III AM-RL wegen deren Einsatz bei Bagatellerkrankungen ausgeschlossen wären (§
34 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB V), sondern weil grundsätzlich die Verordnung von Monopräparaten statt einer fixen Kombination eines Mukolytikums und eines
anderen Wirkstoffes (hier Tetracyclin) wirtschaftlicher ist. Für welche Indikation das Arzneimittel zugelassen ist oder konkret
verordnet wurde, ist für den Verordnungsausschluss nach Nr. 31 der Anlage III AM-RL nicht maßgeblich.
Eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Verordnungen nach § 16 Abs. 5 AM-RL liegt ebenfalls nicht vor. Gemäß § 16 Abs. 5 AM-RL
kann der behandelnde Arzt die nach § 16 Abs. 1 und 2 ausgeschlossenen Arzneimittel in medizinisch begründeten Einzelfällen
mit Begründung verordnen. Eine solche Begründung fehlt bei den streitbefangenen Verordnungen und wurde auch nicht vorgetragen.
Eine nachträglich abgegebene Begründung könnte die fehlende Begründung im Verordnungszeitpunkt auch nicht ersetzen.
Der Rechtmäßigkeit der Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte sich im angefochtenen Bescheid nicht auf
einen Verordnungsausschluss aufgrund der lediglich fiktiven Zulassung gestützt hat. Denn bei Verordnungsregressen der hier
vorliegenden Art liegt weder ein Beurteilungsspielraum vor, noch ist Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen
unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei
einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AM-RL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer
Verordnung mit den Vorgaben des §
135 Abs
1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden (sogenannter Basismangel, vgl BSG, Urteil vom 03. Februar 2010.B 6 KA 37/08 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a Abs.
1 und
2 Satz 1
SGG iVm. §
154 Abs.
1 und
2 VwGO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, §
160 SGG.