Tatbestand
Streitig ist die Höhe der aufgrund einer Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/2007 bis 2/2010 zurückgeforderten Honorare.
Die Klägerin ist als Anästhesistin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Zeitraum vom 01.08.2004 bis 30.09.2009
hatte sie im Rahmen einer Jobsharing-Partnerschaft einen angestellten Arzt in der Praxis. Es galten die vom Zulassungsausschuss
festgesetzten Jobsharing-Obergrenzen. Entsprechende Saldierungsbescheide wurden von der Beklagten erlassen, zuletzt der Bescheid
vom 19.04.2011 (vergleiche das Berufungsverfahren L 12 KA 164/14).
Wegen auffälliger Tagesarbeitszeiten wurde am 13.09.2010 eine Plausibilitätsprüfung eingeleitet. Dieses Verfahren endete mit
dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.06.2011, mit dem die Honorarbescheide für die Quartale 1/2007 bis 2/2010 zurückgenommen
wurden und das Honorar neu festgesetzt wurde, so dass sich eine Differenz mit einem Rückforderungsbetrag in Höhe von 101.816,65
EUR ergab. In diesem Bescheid legte die Beklagte dar, dass anhand der Saldierungsbescheide für Jobsharing die Rückforderungssumme
in den einzelnen Quartalen ermittelt worden sei, die bereits von der Klägerin beglichen worden sei. Bei der Berechnung der
Rückforderung aufgrund der Plausibilitätsprüfung sei in den Quartalen 1/2007 bis 4/2008 und 2/2009 die bereits geleistete
Rückforderung aus der Überschreitung der Jobsharing-Obergrenzen berücksichtigt. Dabei sei der prozentuale Anteil der Jobsharing-Rückforderung
am Gesamthonorar ermittelt worden und dieser Anteil bei der jeweiligen Gebührenordnungsposition als Abschlag angerechnet worden.
Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts möglich. Die Beklagte beziehe sich insoweit auf die Rechtsprechung
zu den Praxis- und Individualbudgets vom 11.03.2009. Der zu Grunde liegende Sachverhalt sei mit einer Jobsharing-Praxis vergleichbar.
Auch hier würden die Ärzte einen festen Maximalbetrag erhalten. Leistungen, die über der Jobsharing-Obergrenze erbracht würden,
führten faktisch dazu, dass das Honorar für die erbrachte Leistung sinke. Um diesem tatsächlich geringeren Honorar bei jeder
Leistung Rechnung zu tragen, habe die Beklagte die Rückforderung aus der Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze entsprechend
anteilig je Gebührenordnungsposition (GOP) berücksichtigt und so nur den praxisindividuellen Wert der GOP zurückgefordert.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung wies sie insbesondere darauf hin, dass die bereits
wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze erfolgten Abzüge vollständig angerechnet werden müssten. Damit ergebe sich
ein Rückzahlungsbetrag von 65.327,64 EUR, mehr Honorarvolumen sei nicht gegeben, weil die Beklagte nicht Honorar zurückfordern
könne, das nicht ausbezahlt bzw. bereits zurückgefordert worden sei (Schreiben vom 19.08.2011).
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie legte nochmals dar, dass das Urteil
vom 11.03.2009 auch auf Jobsharing-Obergrenzen anwendbar sei. Die Berechnung der Rückforderung sei rechtmäßig, da nur der
praxisindividuelle Wert der GOP zurückgefordert worden sei und die Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze entsprechend anteilig berücksichtigt worden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG). Das SG gab der Klage mit Urteil vom 23.07.2014 teilweise statt und verurteilte die Beklagte, über den Widerspruch der Klägerin erneut
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Verrechnung, wie sie
von der Beklagten vorgenommen werde durch Ermittlung des prozentualen Anteils der Jobsharing-Rückforderung am Gesamthonorar
und Abschlag dieses Anteils bei den jeweiligen GOP, sei bereits deshalb fraglich, weil hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei. Eine Berücksichtigung sei allenfalls im
Rahmen des der Beklagten zustehenden Schätzungsermessens vorstellbar.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Gemäß §
106 Abs.
2 Satz 6
SGB V sei bei der Plausibilitätsprüfung von dem durch den Vertragsarzt angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen
Begrenzungsregelungen auszugehen. Die Beklagte sei entsprechend dieser gesetzlichen Regelung vorgegangen und habe unabhängig
vom Vorliegen honorarwirksamer Leistungsbegrenzungen auf das angeforderte Punktzahlvolumen abgestellt. Eine unzulässige Doppelbelastung
der Klägerin liege nicht vor. Die Rückforderungsberechnung halte sich im Rahmen des Schätzungsermessens. Insbesondere liege
kein Verstoß gegen das Willkürverbot vor. Vielmehr handele es sich aus Sicht der Klägerin um eine sachgerechte Lösung und
Berechnungsweise im Falle des Zusammentreffens einer unzulässigen Leistungsüberschreitung mit einer fehlerhaften Leistungsabrechnung
in Anlehnung an die vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätze zur Budgetierung. Die Beklagte wies nochmals auf das Urteil
des Bundessozialgerichts vom 11.03.2009 hin. Mit der Rechtsauffassung, dass die beiden Rückforderungen aus dem Plausibilitätsverfahren
und der Jobsharing-Obergrenze in vollem Umfang zu verrechnen seien, verkenne das Gericht aus Sicht der Beklagten, dass je
nach Höhe der Jobsharing-Überschreitung durch eine derartige Verrechnung beider Forderungen der gesetzliche Prüfauftrag der
Beklagten ins Leere laufen würde. Würde man der Rechtsauffassung des Gerichts folgen, so könnte der Arzt durch eine enorme
Überschreitung der Leistungsmenge und somit durch einen womöglich bewussten Verstoß gegen die Verpflichtung nach §
101 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 und Nr.
5 SGB V Rückforderungen aufgrund fehlerhafter oder unwirtschaftlicher Leistungsabrechnung auffangen, ohne Honorareinbußen befürchten
zu müssen, denn dem Arzt verbliebe das volle Honorar bis zur zulässigen Leistungsobergrenze.
Die Beklagte stellt den Antrag:
1.
Das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.07.2014, Az.: S 38 KA 1012/13 wird aufgehoben, soweit die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2013 verurteilt wird, über den Widerspruch
des Klägers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
2.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil sei zutreffend. Bei den im Rahmen des Jobsharings festgelegten Punktzahlobergrenzen handle es sich um absolute
Honorargrenzen. Das bei der Klägerin über die festgelegten Punktzahlobergrenzen hinaus unvergütet gebliebene Leistungsvolumen
sei erheblich, weshalb ein Ausnahmefall im Sinne einer vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung gegeben sei. Indem die Beklagte
über die standardisierte Abrechnung hinaus das Vorliegen eines Ausnahmefalles nicht erwogen habe, habe sie die im Rahmen der
Ausübung des Schätzungsermessens gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung fehlerhaft ausgeübt. Die Berechnung der Rückforderung
sei somit ermessensfehlerhaft erfolgt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Beklagtenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts München war deshalb aufzuheben und die Klage in
vollem Umfang abzuweisen.
Rechtsgrundlage der Plausibilitätsprüfung ist §
106a SGB V, Rechtsgrundlage für die Honoraraufhebung und Neufestsetzung §
106a Abs.
2 Satz 1
SGB V, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt;
dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten.
Gegen die Durchführung der Plausibilitätsprüfung bestehen keine rechtlichen Bedenken; auch die Klägerseite trägt insoweit
nichts vor.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist auch die Berechnung des Rückforderungsbetrags im Rahmen des weiten Schätzungsermessens
der Beklagten ohne Ermessensfehlgebrauch erfolgt.
Eine Ermessensüberschreitung liegt insbesondere nicht deshalb vor, weil die Beklagte den Rückforderungsbetrag aufgrund der
Überschreitung der Jobsharing-Obergrenzen nicht vollständig abgezogen hat. Diese Vorgehensweise - vollständige Anrechnung
- würde letztendlich zu unbilligen Ergebnissen führen und die Steuerungsfähigkeit des Systems konterkarieren. Darauf hat die
Beklagte zutreffend hingewiesen. Das Vorgehen der Beklagten, jeweils anteilig bezogen auf die Gebührenordnungspositionen den
Betrag anzurechnen, der wegen der Jobsharing-Obergrenzen bereits zurückgefordert wurde, ist logisch nachvollziehbar und führt
zu praktikablen Ergebnissen. Insbesondere erfolgt entgegen der Rechtsauffassung des Klägerbevollmächtigten keine doppelte
Rückforderung, da ja der bereits wegen Überschreitens der Jobsharing-Obergrenze zurückgeforderte Betrag bezogen auf die jeweiligen
Gebührenordnungspositionen anteilig berücksichtigt wird.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers stellt die Jobsharing-Obergrenze gerade kein Mindesthonorar des Vertragsarztes dar,
das nicht unterschritten werden darf. Die Ermessensausübung ist deshalb auch nicht unverhältnismäßig.
Die Revision war nicht zuzulassen.