Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte der Gewährung von Versorgung eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers im Sinn von
§ 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zugrunde zu legen hat und ob Berufsschadensausgleich im Sinn des § 30 Abs. 3 ff. BVG zu gewähren ist.
Der Kläger ist im Jahre 1928 geboren. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen. Am 24. oder 25.01.1944
befand er sich unter der Mündung einer Flugabwehrkanone, als diese das Feuer eröffnete. Anschließend hörte er nach eigener
Angabe auf dem rechten Ohr nicht mehr richtig und hatte einige Tage Ausfluss. Zudem wurde er am 25.01.1945 durch einen Granatsplitterdurchschuss
und einen Steckschuss am linken Oberarm verwundet.
Nach dem Krieg schloss er im März 1947 seine schulische Ausbildung mit dem Abitur an einer Oberrealschule ab. Anschließend
studierte er vom Sommersemester 1947 bis zum Sommersemester 1949 an der Hochschule A-Stadt Jura und Volkswirtschaft. Neben
dem Studium arbeitete er bereits. Im Sommersemester 1949 war er aus beruflichen Gründen beurlaubt. Anschließend war er als
selbständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel tätig; auch heute hat er noch ein Geschäft.
Im Jahr 1991 wurde beim Kläger eine Kehlkopfteilresektion wegen eines Kehlkopfkarzinoms mit der Folge einer Verschlechterung
der Sprechfähigkeit durchgeführt.
Am 16.05.1994 beantragte er die Bewilligung einer Beschädigtenrente unter Zugrundelegung einer besonderen beruflichen Betroffenheit
und Berufsschadensausgleich. Dies begründete er damit, dass sich seine Schwerhörigkeit während der beruflichen Tätigkeit oft
nachteilig ausgewirkt habe. Es sei schwierig gewesen, neue Geschäftsverbindungen mit diesem Handicap zu knüpfen. Es sei manchmal
zu Missverständnissen gekommen, die zu finanziellen Verlusten geführt hätten. Tatsächlich habe er beabsichtigt, in den höheren
Forstdienst einzutreten. Wegen seines Gehörschadens habe er aber einen negativen Bescheid erhalten.
Der Kläger legte Bestätigungen ehemaliger Schulkollegen vor, wonach er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen, damals
schlecht, besonders auf dem rechten Ohr, gehört habe und sich zum Jurastudium entschlossen habe, weil es wegen des schlechten
Hörvermögens mit dem Forstdienst nichts geworden sei.
Mit Schreiben vom 17.08.1994 gab der Kläger an, dass er sich im Sommer 1946 beim B. Forstamt wegen seines Berufziels Förster
vorgestellt habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass er sich als Schwerhöriger überhaupt gar nicht bewerben brauche. Er habe
daher dieses Berufsziel aufgegeben. Er habe sich dann an der Hochschule A-Stadt für Volkswirtschaft und Jura eingeschrieben
und vier Semester absolviert. Dieses Studium habe er aber selber in Frage gestellt und zwar wiederum wegen seiner Schwerhörigkeit.
Es sei ihm gleich aufgefallen, dass er Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Parteien bei Verhandlungen schlecht verstanden
habe. Er habe sich sehr anstrengen müssen, dem Gesprochenen zu folgen. Es habe ihm damals schon keinen Spaß gemacht, nicht
alles zu verstehen, was gesagt werde. Er habe nach dem vierten Semester das Studium an den Nagel gehängt und sei selbständiger
Gewerbetreibender geworden.
Auf Anfrage des Beklagten teilte die Bayerische Oberforstdirektion B-Stadt mit Schreiben vom 23.08.1994 mit, dass eine Taubheit
auf einem Ohr der Laufbahn im höheren Forstdienst nach dem Krieg wie heute auch entgegen gestanden habe.
Am 20.12.1994 wurde der Kläger versorgungsärztlich von der HNO-Ärztin Dr. S. begutachtet. Bei der Begutachtung gab der Kläger
an, er habe eigentlich Förster werden wollen, habe dann aber vier Semester Jura studiert und das Studium aufgegeben, weil
es ihm nicht gefallen habe. Unabhängig von den geltend gemachten Schädigungsfolgen sei er im Dezember 1991 am Kehlkopf operiert
worden und habe seitdem eine schlechte Stimme. Die Sachverständige empfahl eine Anerkennung von Schädigungsfolgen nicht, da
sich ein Zusammenhang der Hörschädigung mit dem Kriegsereignis nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lasse.
Bei einer chirurgischen Zusatzbegutachtung am selben Tag wurde ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel links
festgestellt, der - so der Sachverständige -eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 0 v.H. bewirke. Eine weitere
Zusatzbegutachtung auf nervenärztlichem Fachgebiet vom selben Tag ergab eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven
nach Granatsplitterverletzung am Oberarm, die mit einer MdE in Höhe von 10 v.H. bewertet wurde.
Mit Bescheid vom 20.03.1995 wurden als Schädigungsfolgen eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven sowie ein metalldichter
Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel mit einer MdE in Höhe von unter 25 v.H. anerkannt. Abgelehnt wurde es, einen Defektzustand
beider Mittelohren bei Zustand nach Explosionstrauma als Schädigungsfolge anzuerkennen. Eine besondere berufliche Betroffenheit
liege nicht vor. Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestehe nicht, da keine MdE rentenberechtigenden Grads gegeben sei.
Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens sprach der Kläger am 15.11.1995 beim Beklagten vor. Bei der über vierstündigen
Vorsprache machte er folgende Angaben, deren Richtigkeit er durch seine Unterschrift an Eides statt versicherte: Sein Jurastudium
habe er aus Verlegenheit begonnen; damals habe man Lebensmittelmarken erhalten, wenn man berufstätig gewesen sei oder studiert
habe. Gemocht habe er dieses Studium nicht; ursprünglich habe er auf die Forstakademie gewollt. Nach der Währungsreform im
Jahr 1948 habe er gearbeitet (Kellner bei den Amerikanern, Verkäufer von Pepsi-Cola und Geschenkartikeln). Hierbei habe er
- so der Kläger - sehr gut Geld verdienen können. Auf diesem Weg sei er in den Kaufmannsberuf geschlittert. Das Jurastudium,
das er sowieso nicht gemocht und nur aus Verlegenheit begonnen habe, habe er später aufgegeben. Er habe damals an den Amerikanern
recht gut verdienen können. 1952 bis 1956 habe er einen Großhandel aufgemacht. Danach habe er sich auf die Produktion von
Bekleidungswaren verlegt. Insbesondere habe er zunächst bestickte Jacken hergestellt, die sehr gut gelaufen seien. Dann habe
er bis etwa 1971 Jeans und anschließend vorwiegend Badebekleidung produziert. Er habe Geschäfte in A-Stadt, B-Stadt, C-Stadt
und D-Stadt aufgebaut. Diese bestünden noch immer, seien aber zum Teil bereits im Besitz seiner Kinder. Lediglich das Geschäft
in D-Stadt betreibe er noch selbst. Eine Rente bekomme er nicht; abgesichert habe er sich nur über eine Lebensversicherung,
die bereits voll ausgezahlt worden sei.
Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth.
Mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 62/96, wurde dem Begehren des Klägers nur insofern Rechnung getragen, als eine sensorineurale Schwerhörigkeit links und eine kombinierte
Schwerhörigkeit rechts als weitere Schädigungsfolgen anerkannt wurden. Es wurde nach wie vor von einer MdE von unter 25 v.H.
(für die Hörschädigung im Bereich von 10 bis 20, wie dies auch der gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) benannte Sachverständige Prof. Dr. E. im Gutachten vom 10.04.10997 angenommen hatte) ausgegangen. Eine besondere berufliche
Betroffenheit sah das Sozialgericht nicht, da der angestrebte Beruf nicht sozial höherwertig gewesen wäre und er zudem die
Möglichkeit gehabt habe, die Hörminderung mit Hörgeräten auszugleichen oder zu mindern.
Mit weiterem Urteil vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 50/97, wies das Sozialgericht die auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich gerichtete Klage zurück, weil bereits keine Rentenberechtigung
vorliege.
Die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (Az.: L 18 V 12/98) gegen das Urteil wegen der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Gewährung von Versorgungsrente samt besonderer beruflicher
Betroffenheit nahm der Kläger nach der Einholung von Gutachten zurück. Hintergrund der Rücknahme war der Hinweis der damaligen
Vorsitzenden des Senats, dass bei Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts eine MdE in Höhe von 20 v.H. für die schädigungsbedingte
Schwerhörigkeit des Klägers angenommen werden müsse und sich zusammen mit der handchirurgischen Einschätzung letztlich eine
MdE in Höhe von 25 v.H. ergebe.
Entsprechend den gerichtlichen Hinweisen hat der Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2002 eine "sensorineurale Schwerhörigkeit
links, kombinierte Schwerhörigkeit rechts" als weitere Schädigungsfolgen anerkannt und eine MdE in Höhe von 25 v.H. ab dem
01.02.1994 festgestellt.
Am 23.09.2002 stellte der Kläger den Antrag, eine besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG rückwirkend ab Antragstellung (Februar 1994) festzustellen sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.
Mit Bescheid vom 26.03.2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsschadensausgleich sowie auf Höherbewertung der MdE wegen
besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Ein Einkommensverlust wegen der Schädigungsfolgen sei im Vergleich mit dem angestrebten
Beruf eines Oberforstrats nicht erkennbar. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger aus seinen Geschäften
mindestens ein so hohes Einkommen erzielt habe wie das eines Oberforstrats. Ein Berufsschadensausgleich sei daher abzulehnen.
Zur besonderen beruflichen Betroffenheit wies der Beklagte darauf hin, dass eine solche bereits mit Urteil des Sozialgerichts
Bayreuth vom 11.02.1998 abgelehnt worden sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der MdE auf 25 v.H. bewirke keine Änderung hinsichtlich
der im Urteil genannten Gründe für die Ablehnung der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG im Fall des Klägers. An den Ausführungen in diesem Urteil werde weiterhin festgehalten.
Den ohne Begründung abgegebenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 zurück.
Am 06.05.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Er hat die Klage mit Scheiben vom 11.06.2005 wie folgt
begründet: Die MdE sei höher zu bewerten, da er durch die Art der Beschädigungen in seinem Berufsleben besonders betroffen
sei. Besonders betroffen sei er deshalb, weil er den nachweislich angestrebten Beruf eines höheren Forstbeamten oder eines
sozial gleichwertigen Berufs, nämlich den eines Rechtsanwalts, nicht ausüben habe können. Wenn der Beklagte ihm entgegen halte,
dass er selbst daran schuld sei, keine ausreichende Altersversorgung geschaffen zu haben, sei diese Behauptung oberflächlich
und nicht haltbar. Wegen der MdE von 25 v.H. sei er nicht in der Lage gewesen, einen aufgezwungenen Beruf mit ganzer Kraft
auszuüben, eben nicht mit 100 %, sondern nur zu 75 %. Ein in seiner Schaffenskraft um 25 % Geschädigter verfüge nicht über
die Leistungsfähigkeit eines gesunden Menschen. Die gesundheitliche Verfassung habe es nicht zugelassen, entsprechende Rücklagen
für das Rentenalter zu bilden. Er genieße in seinem tatsächlich ausgeübten Beruf ein erheblich geringeres gesellschaftliches
Ansehen als im angestrebten Beruf.
Mit Gerichtsbescheid vom "01.02.2010" (Anmerkung des Senats: Die Jahreszahl müsste richtigerweise 2011 lauten) ist die Klage
abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat dies wie folgt begründet: Unzulässig sei die Klage auf Anerkennung einer besonderen
beruflichen Betroffenheit. Ihr fehle es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Anspruch mit Urteil vom 11.02.1998
(Az.: S 5 V 62/96) rechtskräftig abgelehnt worden sei, wie der angefochtene Bescheid vom 26.03.2003 zutreffend festgestellt habe. Eine Veränderung
der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die Klage auf Berufsschadensausgleich sei
zulässig, aber unbegründet. Weder liege der erforderliche Einkommensverlust noch der erforderliche ursächliche Zusammenhang
im Sinn der wesentlichen Bedingung mit den anerkannten Schädigungsfolgen vor.
Am 28.02.2011 hat der Kläger gegen den ihm am 05.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Die Berufung begründet
er wie folgt: Durch die Nichtanerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sei ihm ein Einkommensverlust entstanden.
Das Sozialgericht lasse es außer Betracht, dass er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen. Auch das angefangene
und abgebrochene Jurastudium beweise die besondere Betroffenheit durch die Gehörschädigung. Einen Beruf in einem Gerichtssaal
auszuüben, sei bei ihm sinnlos. Auch die Bewertung des Ansehens eines selbständigen Kaufmanns im Vergleich zu einem höheren
Beamten sei falsch. Ein Beamter sei einem Vater sicher lieber als Schwiegersohn als ein selbständiger Kaufmann. Das Sozialgericht
habe nicht die Fürsorgepflicht des Staates für seine Soldaten berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 01.02.2010 und den Bescheid vom 26.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2005
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei der Bemessung des Grads der Schädigung eine besondere berufliche Betroffenheit
anzuerkennen und Berufsschadensausgleich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Bayreuth beigezogen. Weiter sind beigezogen worden die Akten
der abgeschlossenen Verfahren des Sozialgerichts Bayreuth mit den Aktenzeichen S 5 V 62/96 und S 5 V 50/97 und des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 18 V 12/98. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat war nicht gehindert, trotz Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der
ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Der Kläger hat den Senat mit
Schreiben vom 28.03.2014 darüber informiert, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht kommen
werde; einen Antrag auf Vertagung hat er nicht gestellt.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Besondere berufliche Betroffenheit
Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu bewerten.
Das Sozialgericht hätte die Klage insofern nicht als unzulässig - wegen entgegenstehender Rechtskraft -, sondern als unbegründet
zurückweisen müssen. Denn tatsächlich hat der Beklagte über die Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit entschieden.
Im Rahmen eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hat sich der Beklagte auf die Bestandskraft der früheren rechtskräftig gewordenen Ablehnung (Bescheid vom 20.03.1995 in
der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und aus diesem Grund eine erneute Sachprüfung abgelehnt. Damit hat der Beklagte
eine Entscheidung getroffen, die Widerspruch und Klage zugängig war.
Die insofern erhobene Klage ist daher zulässig gewesen, aber in der Sache unbegründet. Denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt,
im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftige Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995
in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, aufzuheben und in der Sache erneut über die Frage der besonderen beruflichen
Betroffenheit zu entscheiden.
1.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X
Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:
Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des §
77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt
wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit
geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden
garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit
keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel
gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert
er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene
Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.
Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer
und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen.
§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt
worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt
ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).
Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der
Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten
zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis
wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar
wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus
ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.
Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig
gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl.
Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung
des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu
würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt
und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.
Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik
der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich
unrichtig zu Grunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine
völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zu Grunde,
dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder
zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung,
d.h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch
zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt
wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid
zu Grunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend,
unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche
Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich
umfassend von Amts wegen erfolgen muss.
Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens
an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren,
wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative
ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).
Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die
Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen
oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte
nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die
Bindungswirkung stützen.
Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse
vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden
ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).
Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen
und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten
des Antragstellers hinwegzusetzen (ständige Rspr., vgl. z.B. Urteil des Senats vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12; Schleswig-Holsteinisches
Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02).
Diesen vom Senat in ständiger Rspr. (vgl. z.B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12) zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab,
den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich
bestätigt, wenn es im Anschluss an das Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:
" ... Zulassung nach §
160 Abs.
2 Nr
2 SGG scheidet ebenfalls aus ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung
beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich
an der Rechtsprechung des BSG orientiert."
1.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG anzunehmen und den der Gewährung von Versorgung zugrunde liegenden GdS (früher: MdE) höher zu bewerten.
1.2.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung
Der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995
in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.
Unter Zugrundelegung der damaligen Erkenntnisse ist die Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht zu beanstanden.
Die Hörstörung, auf der das Urteil vom 11.02.1998 basiert, ist identisch mit der Hörstörung, wie sie dem Überprüfungsantrag
zugrunde liegt; dies ergibt sich auch zweifelsfrei aus den Hinweisen, die die Vorsitzende des 18. Senats des Bayer. Landessozialgerichts
in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002 gegeben hat und die für den Kläger der Anlass gewesen sind, seine damalige Berufung
zurückzunehmen. Lediglich die Ermittlung des Gesamt-GdS wurde damals noch anders als später vorgenommen, ohne dass dies Einfluss
auf die Auswirkungen der Schädigungsfolgen für die berufliche Tätigkeit haben könnte. Denn entscheidend sind allein die vorliegenden
als Schädigungsfolgen anerkannten funktionellen Beeinträchtigungen, nicht deren zahlenmäßige Bewertung. Unter Zugrundelegung
der Tatsachen, wie sie für den bestandkräftigen Bescheid zutreffend angenommen worden waren, lässt sich eine besondere berufliche
Betroffenheit nicht begründen, wie sich auch den Gründen des Urteils vom 11.02.1998 entnehmen lässt.
1.2.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen
Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur
Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998
beinhaltet, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.
Der wiederholte Antrag auf Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist identisch wie der erste Antrag begründet
worden. Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen. Es ist auch
in der Sache nichts ersichtlich, was eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte.
1.3. Ergebnis
Da der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt worden ist,
der Kläger neue Tatsachen und Beweismittel nicht benannt hat, geschweige denn dass solche neuen Tatsachen und Beweismittel
bewiesen seien, hat sich der Beklagte zu Recht auf die Bestandskraft der Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen
Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, berufen. Eine weitergehende
Prüfung in der Sache ist den Gerichten daher nicht gestattet.
1.4. Weitergehende Erläuterungen für den Kläger zum besseren Verständnis ohne Entscheidungsrelevanz
Da sich der Beklagte zu Recht auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen
Betroffenheit (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und es daher abgelehnt hat, in der
Sache erneut zu entscheiden, ist auch dem Senat eine weitergehende Prüfung in der Sache verwehrt.
Gleichwohl erlaubt sich der Senat, um beim Kläger dem Eindruck entgegen zu wirken, er habe allein aus einem formalen Grund
sein Recht nicht bekommen, folgende weitergehende Hinweise, wobei der Senat nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass es
sich dabei lediglich um eine Serviceleistung des Gerichts ohne Entscheidungsrelevanz handelt:
Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG könnte im vorliegenden Fall nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht
ausgeübt hätte werden können. Dass bei einem Vergleich vom Beruf eines Försters im höheren Dienst und einer selbständigen
Tätigkeit, wie sie der Kläger ausgeübt hat bzw. noch ausübt, nicht von einer fehlenden sozialen Gleichwertigkeit ausgegangen
werden könnte, ist im Verfahren S 5 V 62/96 und nochmals im aktuellen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. die Aufstellung der Kriterien im Schreiben des Beklagten vom
15.02.2006) ausführlich erläutert worden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass der Kläger einen - auch seiner Ansicht nach
- zum Förster im höheren Dienst gleichwertigen Beruf, nämlich den des Juristen, ergreifen hätte können. Den entsprechenden
Studiengang hatte er auch eingeschlagen. Dass es nicht zu einem Studienabschluss gekommen ist, ist nach der Überzeugung des
Senats nicht durch Schädigungsfolgen zu begründen, sondern mit einem mangelnden Interesse des Klägers an dieser Studienrichtung
und der Tatsache, dass er während des Studiums offenbar die Gelegenheit ergriffen hat, gut Geld zu verdienen, und deshalb
das Studium aufgegeben hat. Dies entspricht Angaben des Klägers anlässlich seiner Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995.
Diese Vorsprache hat über vier Stunden gedauert; der Kläger hat sich dabei äußerst umfangreich und detailliert geäußert.
Der Senat weist den dortigen Angaben des Klägers am 15.11.1995, die dieser mit seiner Unterschrift und an Eides statt als
richtig bestätigt hat, den größten Beweiswert zu. Zwar hat der Kläger zuvor im Rahmen seines Antrags die Aufgabe des Jurastudiums
mit der Hörminderung begründet. Diese Angabe hält der Senat aber nicht für glaubhaft.
Zum einen gibt es keinen Grundsatz, dass die ersten Angaben einen erhöhten Beweiswert hätten (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom
27.07.2004, Az.: L 17 U 293/03). Dies hat das BSG ausdrücklich im Urteil vom 11.11.2013, Az.: B 2 U 41/02 R, wie folgt begründet:
"Denn weder das
SGG noch die
Zivilprozessordnung (
ZPO) kennen eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen
als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG, §
286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben usw zu würdigen. Denn der objektive Beweiswert einer Erklärung kann nicht allein nach
dem zeitlichen Abstand von dem Ereignis, auf das sie sich bezieht, bestimmt werden (BSG vom 14. März 1958 - 2 RU 126/56 -). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles und vor allem auch die Glaubwürdigkeit der die Erklärung abgebenden Personen
zu würdigen (vgl Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 2. Aufl, 1995). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann das
Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen
ggf noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht."
Zum anderen gibt es diverse Gesichtspunkte, die für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 sprechen. Gerade die Tatsache,
dass der Kläger bei der Vorsprache am 15.11.1995 bereits über die rechtlichen Anforderungen für die angestrebten Leistungen
informiert gewesen sein muss, er aber gleichwohl Angaben gemacht hat, die für diese Ziel nicht unbedingt hilfreich sind, belegt,
dass er am 15.11.1995 wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Demgegenüber geht der Senat davon aus, dass die zunächst schriftlich
gemachte Angabe, er habe wegen der Hörstörung das Jurastudium aufgegeben, im Wesentlichen zweckgerichtet gewesen sind und
nicht der Wahrheit entspricht. Für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995, die der Kläger später weitgehend bestätigt hat,
und damit gegen den Wahrheitsgehalt anderslautender Angaben spricht neben der unbefangenen Angabe anlässlich der Begutachtung
durch die HNO-Ärztin Dr. S. am 20.12.1994 ("er hat das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen hat") auch der große
Detailreichtum der Angaben vom 15.11.1995; eine solche Detailfülle fehlt bei anderslautenden Angaben des Klägers. Gegen den
Vortrag des Klägers, er habe das Jurastudium wegen der Hörminderung abgebrochen, spricht im Übrigen auch, dass bei dem vor
dem SG im zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren am 20.07.2010 durchgeführten Erörterungstermin für den Vorsitzenden keinerlei
Verständigungsschwierigkeiten ersichtlich waren. Vielmehr war - so der Hinweis in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids
- eine normale Verständigung mit dem Kläger möglich. Dass eine solche Verständigung während der Studienzeiten nicht möglich
gewesen wäre, im Jahr 2010 jedoch schon, hält der Senat angesichts der Tatsache, dass sich auch nach den sachverständigen
Ausführungen das Hörvermögen des Klägers im Alter verschlechtert hat, für ausgeschlossen. Ende der 40er Jahre muss das Hörvermögen
und damit die Verständigung noch besser als aktuell gewesen sein. Schließlich spricht für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995
auch, dass der Kläger ausdrücklich, nämlich handschriftlich, "die Richtigkeit der ... Angaben ... an Eides statt" versichert
hat.
Der Kläger müsste sich auch entgegen halten lassen, dass er keine Hörgeräte zur Minderung etwaiger Einschränkungen im Studium
und Alltag in Anspruch genommen hat. Eine hörgeräteakustische Versorgung durch Taschengeräte wäre bereits zur Studienzeit
des Klägers möglich gewesen, wie sich auch aus den allgemein gehaltenen Hinweisen des im Verfahren L 18 V 1/99 des Bayer. LSG gehörten Sachverständigen und den Gründen des Urteils des Bayer. LSG vom 23.10.2002, Az.: L 18 V 1/99, ergibt. Angesichts der damals beim Kläger nur einseitig nachgewiesenen Hörminderung - eine leichte Hörminderung auch auf
dem anderen, dem linken Ohr ist erstmals 1991 belegt - und der vom Kläger nicht in Anspruch genommenen Möglichkeit zur Hörgeräteversorgung
würde sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Aufgabe des Jurastudiums schon wegen
Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nicht herstellen lassen. Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit könnte
daher nach der Überzeugung des Senats auch nicht nach erneuter inhaltlicher Prüfung ausgegangen werden.
Lediglich der Vollständigkeit halber macht der Senat darauf aufmerksam, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet hat,
dass er auch das von ihm aufgenommene Volkswirtschaftsstudium wegen Schädigungsfolgen aufgegeben habe. Dies belegt, dass der
Kläger im Wesentlichen wegen der damaligen guten Verdienstmöglichkeiten das Studium (von Jura und Volkswirtschaft) abgebrochen
hat, ohne dass dabei Schädigungsfolgen einen rechtlich wesentlichen Beitrag gespielt hätten.
2. Berufsschadensausgleich
Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass durch die mit Wirkung ab 1994 anerkannten Schädigungsfolgen
der Kläger in seiner beruflichen Laufbahn und seinen Einkommensverhältnissen spürbar beeinträchtigt gewesen wäre.
Die vom Beklagten getroffene Entscheidung über den Berufsschadensausgleich stellt - wie auch die Entscheidung über die besondere
berufliche Betroffenheit eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X dar. Im Unterschied zum erstgenannten Regelungsgehalt hat sich der Beklagte hier aber nicht auf die Bestandskraft der früher
getroffenen Entscheidung berufen, sondern in der Sache erneut entschieden.
Auch wenn dies die Formulierung des § 30 Abs. 3 BVG ("nach Anwendung des Absatzes 2") nahelegen könnte, scheidet ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht schon dann aus,
wenn die Voraussetzungen des Abs. 2, d.h. eine besondere berufliche Betroffenheit nicht gegeben sind (vgl. BSG, Urteile vom 06.07.1971, Az.: 9 RV 514/68, und vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Hinweis in § 30 Abs. 3 BVG ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass zeitlich vorhergehend die besondere berufliche Betroffenheit zu prüfen ist (vgl.
Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 30 BVG, Rdnr. 24).
Maßgeblich ist der Zeitraum ab Antragstellung (vgl. BSG, Urteil vom 06.07.1972, Az.: 9 RV 668/71). Im vorliegenden Fall einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X ist dies wegen § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X die Zeit ab dem 01.01.1998.
Bei der Frage des Berufsschadensausgleichs ist von den bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen auszugehen, auch wenn
der Senat große Zweifel daran hat, dass diese Gesundheitsstörungen tatsächlich auch in diesem Umfang auf die Verletzung im
Krieg zurückzuführen sind. Diese Zweifel werden bestätigt durch die Hinweise im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002.
Es liegt sehr nahe, dass es zur anschließenden Feststellung eines versorgungsberechtigenden GdS nur deswegen gekommen ist,
weil im zuvor ergangenen Urteil des Sozialgericht eine zu weit gehende Anerkennung von Schädigungsfolgen ausgesprochen worden
ist, wie es sich auch aus dem im Berufungsverfahren eingeholten hno-ärztlichen Gutachten ergibt, und der Beklagte dagegen,
möglicherweise in Verkennung der Auswirkungen der Tenorierung, nicht in Berufung gegangen ist. Für die jetzt zu treffende
Entscheidung ist dieser mögliche Fehler aber ohne Bedeutung. Auszugehen ist von den anerkannten Schädigungsfolgen.
2.1. Kein Zusammenhang zwischen einem potentiellen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen
Ob der Kläger im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich einen Einkommensverlust erlitten hat, kann dahingestellt bleiben. Denn
nach der Überzeugung des Senats lässt sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einem
potentiellen Einkommensverlust nicht feststellen.
2.1.1. Anforderungen an den Kausalzusammenhang
Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige
Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Rechtlich wesentlich ist eine Ursache dann, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt
wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen
Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, Az.: 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges
"annähernd gleichwertig" sind. Was unter dem Begriff der "annähenden Gleichwertigkeit" zu verstehen ist, ist in der angeführten
Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen des BSG nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven
Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn
nicht eine alternative unversicherte Ursache von "überragender Bedeutung" ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen
Rechtsprechung des BSG, das, wie z.B. dem Urteil vom 14.07.1955, Az.: 8 RV 177/54, zu entnehmen ist, von einer "annähernd gleichwertigen" Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht
einer Ursache eine "überragende Bedeutung" zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher
Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit"
aufdrängen könnte, besteht daher nicht. Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen
Rechtsprechung davon aus, dass eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des BVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. zum Bereich der
Soldatenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz: Urteil vom 19.07.2011, Az.: L 15 VS 7/10) und die vom versorgungsrechtlichen Schutzbereich umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen) (vgl.
Urteile des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10, und vom 13.12.2013, Az.: L 15 VS 26/12).
Die der Zusammenhangsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein, für den Zusammenhang
reicht es aus, wenn er wahrscheinlich ist; Wahrscheinlichkeit wiederum bedeutet, dass mehr für als gegen den Zusammenhang
spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B).
Unter Kausalitätsgesichtspunkten zu berücksichtigen ist auch eine etwaige Schadensminderungspflicht des Beschädigten. Der
Rechtsgedanke der in der Zivilrechtsprechung und zivilrechtlichen Literatur zum Schadensersatzrecht aus §
254 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch abgeleiteten Schadensminderungspflicht gilt im gesamten Sozialrecht und insbesondere auch im Recht der Kriegsopferversorgung
(vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Danach obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch eigenes Handeln
möglichst gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Dieser Grundsatz gilt auch beim Anspruch auf Berufsschadensausgleich (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Ist ein unverständiges Verhalten des Beschädigten die Ursache für einen Einkommensverlust, durchbricht dies die rechtliche
wesentliche Kausalität (vgl. für den vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: LSG Berlin, Urteil vom 10.02.2005,
Az.: L 3 U 39/04) und stellt einen versorgungsfremden Nachschaden dar (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Beschädigte muss es sich als eigenes Risiko zurechnen lassen, wenn in seiner Person liegende schädigungsfremde Gründe
zu einer Minderversorgung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Denn nach dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip sind nur die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auszugleichen,
nicht aber davon unabhängig eingetretene Nachteile.
Der Rechtsgedanke, dass Einkommensminderungen ohne verständigen Grund zu Lasten des Verursachers gehen, durchzieht das Recht
der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.1979, Az.: 9 RV 51/78). Dieses Prinzip wird in gleicher Weise im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77) respektiert. In der gesamten Rechtsordnung obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch zumutbares Handeln
gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77). Die Versorgungsberechtigten haben nach Kräften bei der Minderung der finanziellen Last durch die Folgen der Schädigung
mitzuwirken und deren Ausdehnung möglichst zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79).
2.1.2. Zur Situation des Klägers
2.1.2.1. Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften
Der Senat geht mit dem Kläger davon aus, dass die Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften durch die Schädigungsfolge
des eingeschränkten Hörvermögens bedingt war. Dies allein kann aber noch keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich begründen.
Denn der Kläger hat anschließend mit dem Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft ein Studium eingeschlagen,
das gleichwertige Verdienstaussichten eröffnet hat. Dies hat er auch selbst zugestanden.
2.1.2.2. Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft
Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger dieses Studium nicht wegen Schädigungsfolgen, sondern allein wesentlich aus
schädigungsfremden Gründen abgebrochen hat.
Wie bereits oben (vgl. Ziff. 1.4.) erläutert, ist der Studienabbruch wesentlich durch schädigungsfremde Gründe (Nichtgefallen,
sich eröffnende gute Verdienstmöglichkeiten im Handel) bedingt. Eine rechtlich relevante Mitursächlichkeit der Hörminderung
ist für den Senat nicht nachgewiesen; diese wird, wenn sie überhaupt einen Beitrag im damaligen Entscheidungsprozess des Klägers
gespielt haben sollte, durch die anderen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und ist daher im Sinn der Theorie der wesentlichen
Bedingung nicht wesentlich.
Die fehlende Kausalität zwischen Schädigungsfolgen und Studiumsaufgabe hat zur Folge, dass ein etwaiger Einkommensverlust
in der anschließend ausgeübten Tätigkeit jedenfalls dann nicht über einen Berufsschadensausgleich zu berücksichtigen ist,
wenn es sich bei der nach dem Studiumabbruch ausgeübten Tätigkeit um eine solche handelt, die - allgemein betrachtet - geringere
Erwerbschancen eröffnet, als diese bei Abschluss des Studiums gegeben gewesen wären. Denn der Entschluss zu der niedriger
entlohnten Tätigkeit ist nicht wesentlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen, sondern auf einen davon unbeeinflussten
Entschluss des Klägers. Es handelt sich um einen von der Schädigung unabhängigen Nachteil, der von dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip nicht erfasst wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beschädigte auch unter dem Gesichtspunkt
der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten war, eine ihm zumutbare Berufslaufbahn einzuschlagen, die die Entstehung
wirtschaftlicher Nachteile im Berufsleben soweit als zumutbar verhindert. Ein Einkommensverlust schon dadurch, dass ein Beschädigter
trotz Eröffnung höherwertiger Berufsaussichten den Weg in eine Tätigkeit wählt, die nur geringere Einkommensaussichten bietet,
kann nicht zu Lasten des Staats als Träger der Versorgungsverwaltung und damit der Allgemeinheit gehen.
2.1.2.3. Tätigkeit des Klägers als selbständiger Kaufmann
Ein Zusammenhang zwischen einem möglichen Mindereinkommen bei der Tätigkeit als selbständiger Kaufmann und Schädigungsfolgen
lässt sich jedenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich machen.
Aus Kausalitätsüberlegungen heraus hält es der Senat nicht für fernliegend, von einer endgültigen Unterbrechung der Kausalkette
auszugehen, wenn sich ein Beschädigter aus schädigungsfremden Gründen zu einer beruflichen Tätigkeit entschließt, die zu geringeren
Einkünften führt, als sie bei dem ursprünglich angestrebten Berufsziel im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgegebenen pauschalierenden
Systems zu erwarten wären (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Dies würde bedeuten, dass etwaige schädigungsbedingte Einkommensminderungen im späteren Berufsleben - und damit hier im
Berufsleben als selbständiger Kaufmann - rechtlich bedeutungslos würden, unabhängig davon, auf welchem Grund sie beruhen.
Gegen eine solche strenge Auslegungen sprechen aber die Gedanken des BSG zur Risikoverteilung im Urteil vom 27.10.1982, Az.: 9a RV 5/82, wenn es dort ausgeführt hat,
"daß der Gesetzgeber das Risiko der ungewollten Arbeitslosigkeit und die Zufälligkeiten der Konjunktur und der Arbeitsmarktlage
der öffentlichen Hand zurechnen wollte. Mithin sind im allgemeinen nur solche nachträglichen und schädigungsunabhängigen Einkommenseinbußen
als Nachschaden iS des § 30 Abs 5 BVG anzusehen, die durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung oder durch das unverständige Verhalten
des Beschädigten herbeigeführt sind (vgl dazu Geschwinder in Zfs 1981 S 67, 69, 70). Zu diesen Ereignissen zählt jedenfalls
die Aufnahme minderbezahlter Beschäftigung nach Arbeitslosigkeit nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn man den Kreis dieser
Ereignisse weiterziehen wollte als vorher beschrieben."
Diese Überlegungen deuten darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG ein Berufsschadensausgleich jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sein soll, wenn sich in dem aus schädigungsfremden Gründen
gewählten Beruf Nachteile wegen der Schädigungsfolgen einstellen.
Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, welcher Auslegung zu folgen ist, denn auch bei der für den Kläger wohlwollenden
Auslegung ergibt sich kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Denn ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen
den anerkannten Schädigungsfolgen und den weiteren Entwicklungen im Berufsleben des Klägers sowie den von ihm behaupteten
Einkommensverlusten lässt sich nicht feststellen.
Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen
den anerkannten Schädigungsfolgen und potentiellen Einkommensverlusten in dem nach dem nicht schädigungsbedingten Abbruch
des Studiums ausgeübten Beruf besteht. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs kann er nicht erkennen. Dabei
stützt er sich auf folgende Überlegungen:
* Allein die Tatsache, dass der Kläger im Groß- und Einzelhandel tätig (gewesen) ist, macht eine schädigungsbedingte Einkommenseinbuße
noch nicht wahrscheinlich. Wie bereits erläutert, kann diese Berufswahl nicht als schädigungsbedingt angesehen werden, sondern
ist auf eine freie und durch die Schädigungsfolgen nicht wesentlich mitbestimmte Entscheidung des Klägers zurückzuführen.
* Dass der Kläger in dem von ihm frei gewählten Beruf als selbständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel wegen Schädigungsfolgen
Einkommensverluste erlitten hätte oder erleiden würde, ist nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht. Zwar hat der Kläger vorgetragen,
dass er wegen Verständigungsproblemen Schwierigkeiten im Geschäftsleben gehabt habe, die mit finanziellen Einbußen verbunden
gewesen seien. Dies ist angesichts des gutachtlich von Prof. Dr. S. festgestellten und dann als schädigungsbedingt anerkannten
Umfangs der Hörstörung aber nicht wahrscheinlich. Zwar liegt rechts eine deutliche Hörminderung, links aber nur eine geringgradige
Einschränkung des Sprachverstehens vor. Dies weckt schon Zweifel an den vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten im Geschäftsleben.
Weiter muss sich der Kläger entgegen halten lassen, dass eine erhebliche Besserung des Hörvermögens und damit der von ihm
behaupteten beeinträchtigten Verständigungsfähigkeit durch die Verwendung von Hörgeräten möglich gewesen wäre. Nicht nur in
der hier maßgeblichen Zeit, sondern auch schon früher wäre eine Hörgeräteversorgung ohne Zweifel in einem Umfang möglich gewesen,
die das Hörvermögen so weit gebessert hätte, dass die vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten, wenn sie denn überhaupt vorgelegen
haben, was der Senat bezweifelt, mit großer Sicherheit weitgehend vermieden worden wären. Dass der Kläger eine derartige Versorgung,
die ihm - anders als nicht duldungspflichtige operative Eingriffe - auch zumutbar gewesen wäre, nicht vornehmen hat lassen,
könnte ihm keine versorgungsrechtlichen Vorteile verschaffen. Denn er hat gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.
* Auch wenn die Hörminderung mit gewissen Schwierigkeiten im Berufsleben verbunden gewesen wäre, wovon der Senat nicht ausgeht,
wäre zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahr 1991 eine teilweise Kehlkopfresektion durchgemacht hat, die mit einer
Einschränkung der Sprechfähigkeit verbunden ist. Es liegt nahe, dass diese Einschränkung im Berufsleben weitaus hinderlicher
ist als eine Reduzierung des Hörvermögens, wie sie beim Kläger vorliegt und die zudem durch ein Hörgerät weitgehend zu eliminieren
(gewesen) wäre.
* Zudem ist es ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die berufliche Leistungsfähigkeit im Alter nachlässt. So muss es auch
beim Kläger sein. Zu Beginn des maßgeblichen Zeitraums im Jahr 1998 war er bereits 69 Jahre alt. Dass in diesem Alter, in
dem der ganz überwiegende Anteil der Bevölkerung schon seit Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, die berufliche
Leistungsfähigkeit und damit auch das erzielbare Einkommen nachgelassen haben, liegt auf der Hand. (Potentielle) Einkommensverluste
sind damit wesentlich durch das Alter des Klägers zu erklären, nicht aber durch ein eingeschränktes Hörvermögen.
* Beim Kläger kommt noch hinzu, dass er deshalb weniger Einkommen als früher bezieht, weil er nach eigenen Angaben einen Großteil
seiner früher vier (so seine an Eides statt gemachte Angabe bei der Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995) Geschäfte an
seine Kinder abgegeben hat. Auch dies hat mit Schädigungsfolgen nichts zu tun. Diese Konstellation ist nicht anders zu beurteilen
als eine Berufsaufgabe, die aufgrund einer schädigungsunabhängigen Erkrankung oder ohne verständigen Grund erfolgt ist; auch
in derartigen Fällen besteht ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich,
ZfS 1981, S. 67, 69). Im Übrigen müsste dem Kläger auch hier eine Verletzung der Schadendminderungspflicht entgegen gehalten werden. Er kann
sich nicht einerseits seiner Verdienstmöglichkeiten teilweise dadurch berauben, dass er seine Geschäfte an seine Kinder abgibt,
und andererseits eine Kompensation für dieses Handeln durch Leistungen der Versorgungsverwaltung verlangen. Eine Geschäftsübergabe
verlangen auch innerfamiliäre Pflichten nicht.
* Der Kläger kann sich auch nicht auf eine schädigungsbedingt unzureichende Altersvorsorge berufen. Wenn er behauptet, ihm
sei keine entsprechende Altersvorsorge möglich gewesen, da sein berufliches Leistungsvermögen und seine beruflichen Einkünfte
bereits früher durch Schädigungsfolgen stark eingeschränkt gewesen seien, kann sich der Senat nicht von der Richtigkeit dieser
Behauptungen überzeugen. Ganz offensichtlich hat es der Kläger nämlich sehr wohl geschafft, eine Altersversorgung aufzubauen.
So hat er selbst im Verwaltungsverfahren angegeben, dass er eine Lebensversicherung für das Alter erworben hat, die in einem
Betrag ausgezahlt worden ist. Es ist also für den Senat erwiesen, dass der Kläger in der Lage war, sich eine Altersversorgung
aufzubauen. Wenn er dies nicht in ausreichender Höhe - darüber liegen keine Erkenntnisse vor - oder wenn er dies in der Form
gemacht hat, dass der Betrag der Lebensversicherung einmalig ausgezahlt wird, kann dies nicht dazu führen, dass der Kläger
wegen nicht ausreichender laufender Einkünfte einen Berufsschadensausgleich geltend machen kann. Im Übrigen kann der Senat
auch keine Hinweise darauf erkennen, dass der Kläger in seinem früheren Berufsleben schädigungsbedingte Einkommensverluste
gehabt hätte, die ihn von einer ausreichenden Vorsorge für das Alter abgehalten hätten. Insofern verweist der Senat auf seine
oben gemachten Ausführungen, auch zur besonderen beruflichen Betroffenheit. Auch den eigenen Angaben des Klägers am 15.11.1995
ist es zu entnehmen, dass er in seiner selbständigen Tätigkeit durchaus erfolgreich war.
2.1.3. Kein Rentenberufsschadensaugleich
Ein Rentenberufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BVG kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war.
2.2. Ergebnis
Ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einer (potentiellen) Einkommenseinbuße lässt
sich unter allen denkbaren Gesichtspunkten nicht herstellen. Sollten die anerkannten Schädigungsfolgen überhaupt einen Beitrag
zu einem potentiellen Einkommensverlust geliefert haben, würde dieser Beitrag durch die anderen vorrangigen Gründe völlig
in den Hintergrund gedrängt und wäre damit rechtlich unwesentlich.
Wenn der Kläger demgegenüber damit argumentiert, dass er einen GdS von 25 habe und daher auch nur 75% im Berufsleben leisten
habe können, was zwangsläufig eine entsprechende Einkommenseinbuße nach sich ziehe, irrt er. Denn dies hätte zur Folge, dass
bei jedem versorgungsberechtigenden GdS automatisch auch ein Berufsschadensausgleich zu leisten wäre. Einen derartigen Automatismus
kennen die gesetzlichen Regelungen nicht. Vielmehr ist konkret der rechtlich wesentliche Zusammenhang zwischen Schädigungsfolgen
und Einkommensverlust festzustellen.
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen allgemeinen Grundsatz einer "Fürsorgepflicht des Staates gegenüber ehemaligen Soldaten"
berufen. Eine über die Regelungen des BVG hinausgehende Fürsorgepflicht des Staates hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen; diese Pflicht findet ihre Grenze in den Bestimmungen
des BVG.
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).