Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v.H. hat.
Die 1951 geborene Klägerin wurde am 20.03.2004 um 7.45 Uhr, als sie mit dem Fahrrad auf dem Weg zu ihrer Arbeit als angestellte
Küchenhilfe war, von einer Windboe erfasst und stürzte die Böschung herunter.
Der Durchgangsarzt Dr. H. von der Kreisklinik (KK) E-Stadt stellte noch am selben Tag nach Auswertung von Röntgenaufnahmen
der Brustwirbelsäule (BWS), des rechten Handgelenks und des rechten Sprunggelenks eine Schädelprellung mit Schürfungen an
Stirn und Kinn, eine Brustwirbelkörper (BWK)-VI- Kompressionsfraktur, eine Talusprellung rechts, eine Infraktion des distalen
Radius (Speiche) rechts, eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts und eine Hämatomschwellung im Bereich der linken Augenbraue
fest.
Die Sprunggelenksluxationsfraktur rechts wurde durch Zugschrauben- und Plattenosteosynthese am Außenknöchel, Syndesmosennaht
und Schraubenosteosynthese am Innenknöchel operiert. Das CT der BWS vom 22.03.2004 zeigte laut D-Arztbericht instabile Frakturen
des 4. und 6 BWK und eine deutliche Höhenminderung besonders des 6. BWK mit diskreter Vorwölbung der Hinterkante; das MRT
ergab ferner eine Deckplattenimpression des BWK 8. Im Augenarztbericht von Dr. U. vom 02.04.04 wurden Oberlidhämatome beidseits
als Unfallfolge genannt; daneben bestanden geringe Glaskörpertrübungen des Fundus. Eine Anschlussheilbehandlung wurde vom
15.04. bis 05.05.2004 in der S-Klinik durchgeführt.
Die Unfallchirurgen Dr. H. und Dr. S. von der KK E-Stadt nannten im Ersten Rentengutachten vom 15.07.2004 folgende Diagnosen:
eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts, eine Infraktion des distalen Radius rechts, instabile BWK IV- und VI-Frakturen,
eine Deckplattenimpressionsfraktur BWK VIII, eine Schädelprellung mit Schürfungen an Stirn und Kinn sowie eine Talusprellung.
Die MdE dafür schätzten sie für die Zeit vom 26.07.2004 bis 01.05.2005 mit 30%, danach mit 20-25%.
Die starr wirkende BWS war schmerzbedingt bewegungseingeschränkt, mit Seitneigung nach rechts bis 20°, nach links bis 30°,
Finger-Boden-Abstand (FBA) von 16 cm, Zeichen nach Ott von 30:33 und Schober von 10:12. Die Frakturen des 4. und 6. BWK zeigten
sich unter Keilwirbelbildung und Abflachung des vorderen Wirbelkörperrandes verheilt; der Deckplatteneinbruch im Bereich des
8. BWK war knöchern konsolidiert.
Die Radiusfraktur war in achsengerechter Stellung ohne Stufenbildung knöchern konsolidiert, wobei eine winzige Knochenabsprengung
im Bereich der Handwurzelknochen bestand. Die Handgelenksbeweglichkeit betrug für Streckung/Beugung rechts 30-0-30°, links
50-0-40°, ulnar/radial rechts 30-0-15 und links 40-0-50°. Am rechten Daumen war im Seitenvergleich die Beugung des Grundgelenks
(um 10° bei 30°) und die Beugung des Endgelenks (um 20° bei 60°) eingeschränkt. Rechts war der Händedruck weniger kräftig
und die Widerstandskraft von Daumen und Zeigefinger gemindert. Im Bereich des rechten Sprunggelenks bestanden Schwellungen,
Verhärtungen mit Druckschmerz über dem Innen- und Außenknöchel sowie Belastungsschmerzen. Die Klägerin hinkte nicht, konnte
aber schnellere Gangarten nicht durchführen. Nach Röntgenbild war die Fraktur knöchern konsolidiert bei regelrechter Gelenkstellung.
Für Heben bzw. Senken des oberen Sprunggelenks (OSG) wurden rechts 10-0-40° und links 20-0-80° angegeben bei uneingeschränkt
beweglichem unteren Sprunggelenk (
USG).
Mit Schreiben vom 22.12.2004 machte die Klägerin eine Verschlimmerung der Unfallfolgen geltend, wegen Fußschmerzen und -schwellungen
sowie starker Rückenschmerzen.
Mit Bescheid vom 17.01.2005 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen der Folgen des Versicherungsfalls vom 20.03.2004 Rente
als vorläufige Entschädigung gemäß §§
56,
62 Abs.
1 SGB VII in Höhe von 30 v.H. vom 26.07.2004 bis auf Weiteres, in Höhe von 289,80 Euro monatlich. Folgende Gesundheitsschäden wurden
als Unfallfolgen anerkannt:
Mit Keilwirbelbildung und unter Abflachung der vorderen Wirbelkörperränder verheilte Brüche des 4. und 6. Brustwirbelkörpers,
Bewegungsschmerz im Bereich der Brustwirbelsäule, in achsengerechter Stellung knöchern verheilter körperferner Speichenbruch
rechts, Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im rechten Handgelenk, operativ versorgter bimalleolärer Verrenkungsbruch
des rechten Sprunggelenks mit noch reizlos liegendem Osteosynthesematrial, deutliche Schwellneigung und Bewegungseinschränkung
im rechten Sprunggelenk. zwei reizlose Operationsnarben über dem rechten Innen- und Außenknöchel.
Die Beklagte holte ein Rentengutachten von Prof. R. vom 06.04.2005 ein. Bei der Untersuchung am 04.04.2005 beklagte die Klägerin
u.a. seit Oktober 2004 auftretende Gleichgewichtsstörungen, Ohrenpfeifen und Nackenbeschwerden. Prof. R. schlug eine MdE von
40% vor.
Zusätzlich zu den bekannten Unfallfolgen nannte er eine Verbreiterung des Gelenkspaltes zwischen Kahn- und Mondbein aufgrund
scapholunärer Bandverletzung (SL-Band), ein Streckdefizit, vor allem des Daumenendgliedes und der Langfinger 2 bis 5, sowie
massive Verspannungen der paravertebralen BWS- und HWS-Muskulatur mit Nackenhartspann. Als Folge der Fehlhaltung hätten die
BWS- und HWS-Beschwerden zugenommen und zu verspannungsbedingten Gleichgewichtsstörungen und Ohrgeräuschen links geführt.
Wohl wegen nicht erkannter SL-Bandläsion hätten die Beschwerden im rechten Handgelenk zugenommen. Die verstärkten Beschwerden
im rechten Sprunggelenk seien am ehesten durch eine unfallunabhängige Fersenspornbildung zu erklären.
Die BWS konnte bis 30° geneigt und bis 20° gedreht werden; der FBA betrug 22 cm bei Ott von 30:34 und Schober von 10:15 bzw.
14. Das leicht umfangsvermehrte rechte Sprunggelenk war endgradig eingeschränkt mit Heben/Senken von 10-0-20° (links: 10-0-40°)
und Supination des
USG von 8/10. Forciertes Gehen war nicht möglich. Bei Druckschmerz über Radius und SL-Bandapparat war die Handgelenksbeweglichkeit
rechts endgradig eingeschränkt, mit Beugung/Streckung von 30-0-40° rechts bei 55-0-55° links und Radial- und Ulnaabduktion
rechts von 30-0-25° bei 30-0-40° links. Das rechte Daumenendglied war bei Streckung (0-20-70° rechts, links 5-0-80°) und das
rechte Daumengrundgelenk bei Beugung eingeschränkt (um 10° auf 30°). Beim Faustschluss blieb ein Abstand des rechten Zeigefingers
zur Hohlhandfurche von 2 cm. Alle Langfinger erreichten die Daumenspitze. In den Röntgenbildern zeigte sich das rechte Handgelenk
gut konsolidiert ohne Fehlstellung bei leichter Fehlstellung des Mondbeines nach dorsal ohne Arthrosezeichen.
Am 24.08.2005 wurde das Metall im rechten Sprunggelenk entfernt.
Der beratende Arzt Dr. B. vermochte in seinen Stellungnahmen vom 25.05.2005 und vom 24.08.2005 keine entsprechende Verschlimmerung
von Unfallfolgen erkennen. Auf Nachfrage bezeichnete Prof. R. als Verschlimmerungen die deutliche Verminderung der paravertebralen
BWS-Muskulatur, die Keilwirbelbildung mit Brustkyphose, die Bewegungseinschränkung von BWS und HWS, eine Verschlimmerung der
Handgelenksbeschwerden bei übersehener SL-Bandruptur und Ruptur der langen Daumenstrecksehne sowie ein Streckdefizit von Daumenendglied
und Langfingern rechts. Die Gleichgewichtsstörungen hätten sich am ehesten wohl aus dem Nackenhartspann entwickelt. Dr. B.
hielt an der MdE-Einschätzung mit 30% fest.
Im Rahmen von Untersuchungen am 29.11.2005 in der BG-Klinik H-Stadt und einer Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung
(BGSW-Maßnahme) dort vom 06.12.2005 bis 05.01.2006 schilderte die Klägerin u.a. eine verschlechterte Sprunggelenkbeweglichkeit
seit Metallentfernung sowie Kopfschmerzen, Ohrensausen, Gleichgewichtsstörungen und Augenbeschwerden.
Laut Bericht der Handchirurgie vom 29.11.2005 war der Faustschluss bis auf einen Fingerkuppenhohlhandabstand von 1 cm des
Zeigefingers, die Fingerstreckung bis auf das rechte Daumenendgelenk vollständig. Grob-, Fein-, Spitz-, Schlüssel- und Hakengriff
gelangen. Die Röntgenbilder zeigten einen minimal erweiterten Spalt zwischen Kahn- und Mondbein, degenerative Veränderungen
im Gelenkspalt zwischen Speiche und Handwurzelknochen sowie eine leichte streckseitige Verkippung des Mondbeins. Die Handgelenksspiegelung
ergab einen zweitgradigen SL-Bandschaden und einen Knorpelschaden an der Speichengelenkfläche. Im Bereich der BWS bestand
ein dezenter Druckschmerz bei leicht vermehrter BWS-Krümmung, ohne wesentlichen Muskelhartspann. Die Beweglichkeit des rechten
Sprunggelenks, dessen Syndesmosespalt etwas verbreitert war, lag bei Entlassung bei 5-0-30°. Der Abschlussbericht nannte ein
leichtes CRPS (complex regional pain syndrome) ohne Gefühlsstörung; der Zwischenbericht vom 20.12.2005 ein CRPS ohne weitere
Angaben.
Die Augenärztin Dr. S. stellte am 08.12.2005 die Diagnose einer Glaskörperertrübung (Mouches volantes) mit Glasköperdestruktion,
mehr rechts als links bei Hyperopie, Astigmatismus und Presbyopie mit korrigierter Sehschärfe von 0,9 beidseits bei regelrechter
Netzhaut. Das Auftreten von Glaskörpertrübungen nach Erschütterungen sei möglich.
Der neurologische Befund ergab eine mögliche leichte Funktionsstörung des Ramus dorsalis manus nervi ulnaris rechts und der
peronealen Hautendäste, ohne dass eine Störung der Nervenstämme wahrscheinlich zu machen war.
Der HNO-Arzt Dr. H. diagnostizierte am 08.12.2005 einen Tinnitus bei Normalhörigkeit und unsystematischen Schwindel in Form
eines 1-2 mal pro Woche für Sekunden anhaltenden Schwankschwindels. Die Klägerin gab an, dass seit Juni 2004 Nackenschmerzen
und Ohrgeräusche mit Hörverschlechterung aufgetreten seien. Zeichen einer Innenohrschädigung oder ein pathologischer Nystagmus
lagen nicht vor. Der HNO-Arzt schloss eine unfallbedingte Ohrschädigung schon mangels zeitlichen Zusammenhangs aus.
Nach zusammenfassender Einschätzung im BGSW-Abschlussbericht sei keine wesentliche Verschlimmerung im Vergleich zu den Vorbefunden
eingetreten.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.02.2006 eine Rentenerhöhung ab. Es liege keine wesentliche Verschlimmerung
der Unfallfolgen vor.
Die Klägerin erhob am 10.03.2006 Widerspruch und berief sich auf das Gutachten von Prof. R ... Ihre Augen seien vor dem Unfall
vollständig gesund gewesen.
Die Beklagte holte ein Zusammenhangsgutachten des Augenarztes Dr. W. vom 14.06.2006, der Hand- und Unfallchirurgen Dres. M.,
G. und W. vom 07.10.2006 sowie ein radiologisches Gutachten von Dr. W. vom 27.10.2006 ein.
Dr. W. führte aus, dass die Einschränkungen am linken Auge einschließlich der Mouches volantes unfallunabhängig seien, da
der Glaskörper völlig altersentsprechend erscheine. Leichte Glaskörperveränderungen wie die im rechten Auge der Klägerin träten
in höherem Alter regelmäßig, eher bei Kurzsichtigkeit, auf und seien bei über 50-jährigen relativ häufig. Trotzdem hielt der
Gutachter den Unfall für eine wahrscheinliche wesentliche Ursache, weil die Versicherte sofort danach über entsprechende,
bis dahin fremde Wahrnehmungen geklagt habe. Die Folgen in Form von Mouches volantes, d.h. Wahrnehmung von Schlieren, geringen
Schleiern und sich bewegenden Punkten, bedingten wegen der geringen funktionellen Auswirkungen keine messbare MdE. Der Visus
betrug beidseits ohne Korrektur 0,25, korrigiert 1,0 und eine wesentliche Gesichtsfeldstörung mit morphologischem Substrat
war nicht nachweisbar. Eine künftige Verschlimmerung sei nicht unfallbedingt. Die Klägerin wandte ein, dass auch die Veränderungen
im linken Auge unfallbedingt seien.
Im Unfall- und Handchirurgischen Gutachten schätzten die Sachverständigen die MdE der Klägerin durch die Unfallfolgen nach
Untersuchung am 02.10.2006 mit einer MdE von 30 v.H. ein. Unfallfolgen seien die Bewegungseinschränkung von BWS und LWS, eine
verminderte Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes mit Bewegungseinschränkung von Unterarmdrehung rechts auf 50° (bei links
70°) und Handgelenk bei um 4 cm verminderter Handspanne, eine Verletzung der langen Daumenstrecksehne rechts mit Streckdefizit,
eine eingeschränkte Gebrauchs- und Belastungsfähigkeit des rechten Beines mit Muskelminderungen und Bewegungseinschränkung
des rechten OSG und
USG sowie Narben mit umgebenden Gefühlsstörungen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Im radiologischen Gutachten diagnostizierte Dr. W. eine deutliche Rundrückenbildung mit Scheitelpunkt in Höhe BWK 5 bis 7,
eine deutliche Mineralsalzminderung der mittleren BWS und linkskonvexe Fehlhaltung im unteren BWS-Abschnitt bei deutlichen
Wirbelkörpersinterungen im Bereich von BWK 5, 6, 7 und 9 mit zum Teil deutlichen Abstützreaktionen, wobei mangels Voraufnahmen
keine Aussage zu posttraumatischen Wirbelkörperdeformierungen möglich war. Die Bandscheibenräume BWK 5/6 bis 10/11 waren mäßig
eingeengt, dorsal betont. Bei Zustand nach distaler Radiusinfraktion rechts bestand eine präarthrotische Deformierung des
distalen Radius radiocarpal ohne sichere Gelenkspaltverschmälerung und ein partieller Abriss des ulnaren Griffelfortsatzes,
der der Ulna anatomisch angelagert war. Im OSG und
USG waren beide Frakturen in anatomischer Stellung konsolidiert, ohne Nachweis arthrotisch-degenerativer Veränderung, bei diskreter
Entkalkung im Bereich von Innen- und Außenknöchel mit oberem und unterem Fersensporn.
Mit Bescheid vom 01.12.2006 bewilligte die Beklagte an Stelle der vorläufigen Rente Rente auf unbestimmte Zeit nach §
62 Abs.
2 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VII) in Höhe von 30%.
Anerkannt wurden nun folgende Unfallfolgen: Mit Keilwirbelbildung und unter Abflachung der vorderen Wirbelkörperränder verheilte
Brüche des 4. und 6. Brustwirbelkörpers, knöchern verheilter Deckplatteneinbruch des 8. BWK, Bewegungsschmerz im Bereich der
BWS und LWS, in achsengerechter Stellung knöchern verheilter körperferner Speichenbruch rechts, Bewegungseinschränkung der
Unterarmdrehung rechts, Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im rechten Handgelenk, verminderte Handspanne rechts, Streckdefizit
des rechten Daumens nach Verletzung der langen Strecksehne, in guter Stellung knöchern fest verheilter operativ versorgter
bimalleolärer Verrenkungsbruch des rechten Sprunggelenks, Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk, zwei reizlose Operationsnarben
über dem rechten Innen- und Außenknöchel, verminderte Belastbarkeit des rechten Beines, Muskelminderung im rechten Bein und
Glaskörperveränderungen am rechten Auge.
Nicht anerkannt wurden u.a. Glaskörperveränderungen am linken Auge, Tinnitus bei Normalhörigkeit, unsystematischer Schwindel
und Fersenspornbildung rechts.
Mit Schreiben vom 15.12.2006 monierte der Klägerbevollmächtigte, dass die MdE von 30 v.H. im Bescheid vom 01.12.2006 zu niedrig
sei. Zu Unrecht werde die Glaskörpertrübung nicht anerkannt. Gerügt wurden fehlende Untersuchungen im Gutachten unter Belastung
wie z.B. nach EFL-Verfahren sowie Kraftmessungen der rechten Hand. Auf die Problematik des leichten CRPS im Bereich des rechten
Fußgelenks wurde hingewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2007 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.02.2006 sowie den Bescheid vom 01.12.2006
zurückgewiesen; die MdE betrage mangels wesentlicher Änderung weiterhin 30 v.H.
Mit der dagegen am 02.05.2007 beim Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage hat die Klägerin weiterhin eine höhere Verletztenrente sowie die Anerkennung von Gesichtsfeldeinengungen
als Unfallfolge begehrt. Auf schwere Schmerzzustände und einen Morbus Sudeck im Fußgelenk mit Dystrohpie und Muskelschwund
hat der Bevollmächtigte hingewiesen.
Das SG hat Röntgenaufnahme beigezogen und ein augenärztliches Gutachten von Prof. K. vom 24.09.2007 sowie ein Gutachten des Chirurgen,
Rettungs-, Sport- und Sozialmediziners Dr. K. vom 19.05.2008 eingeholt.
Prof. K. hat dezente, beidseits gleichermaßen starke Glaskörperschlieren der Augen festgestellt, bei korrigiertem Visus von
1,0 beidseits und unaufälligem Gesichtsfeldbefund. Nach Einschätzung des Sachverständigen sind die objektiven Sehfunktionen
durch die Glaskörperveränderungen nicht beeinträchtigt worden; eine MdE folge daraus nicht.
Dr. K. hat nach Untersuchung der Klägerin am 28.03.2008 die Unfallfolgen folgendermaßen beschrieben:
unter Keilwirbelbildung und Höheminderung knöchern verheilte Brüche des 4., 6. und 8. Brustwirbels, daraus resultierend ein
erheblicher Rundrücken (Scheitelpunkt im Bereich der verheilten Brüche) sowie parathorakale Muskelverspannungen beidseits
des ehemaligen Frakturbereiches sowie statische und funktionelle Beschwerden von variierender Intensität und Häufigkeit,
einen röntgenologisch stellungsgerecht ausgeheilten, handgelenksnahen Speichenbruch rechts sowie eine kleine schalenförmige
Absprengung des Ellengriffelfortsatzes, einen Bandschaden zwischen dem Kahn- und Mondbein rechts mit daraus resultierender
schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Kraftminderung,
einen operativ nicht versorgten Daumenstrecksehnenriss rechts,
einen nach Osteosynthese verheilten bimalleolären Verrenkungsbruch des rechten OSG mit bleibender Syndesmoseverbreiterung,
bei (bis zur Entfernung) reizloser Lage des Osteosynthesematerials bzw. seit 01.12.2006 eine zwischenzeitlich problemlos verheilte
Metallentfernung aus dem rechten Sprunggelenk und eine schmerzhafte Bewegungsminderung im rechten OSG und
USG bei reizlosen OP-Narben sowie
eine beschleunigte Entwicklung von Glaskörperveränderungen im rechten Auge.
Dr. K. hat die MdE weiterhin mit 30 v.H. beurteilt und im Gegensatz zu Prof. R. im Vergleich zum Erstgutachten keine wesentliche
Verschlechterung der Unfallfolgen gesehen. Die Wirbelsäule habe keine schlechteren Werte aufgewiesen. Die Beweglichkeit der
rechten Hand und des Sprunggelenks habe eher zugenommen; eine Muskelabmagerung als Zeichen für eine Langzeitschonung sei angesichts
seitengleicher Handbinnen- und Unterschenkelmuskulatur nicht eingetreten. Die Beschwielung der Hände sei im Wesentlichen seitengleich
und die der Fußsohle rechts nur gering vermindert gewesen bei seitengleichen Gebrauchsspuren des Schuhwerks. Verbessert habe
sich der Bewegungsumfang des rechten Daumens und des rechten OSG bei gleich gebliebenem Bewegungsausmaß des rechten
USG. Die Weichteilkonturen sind etwa seitengleich gewesen, bei geringem Druckschmerz über dem rechten Außen- und Innenknöchel,
leichter Kraftminderung des OSG und
USG rechts gegen Widerstand und endgradiger Bewegungsminderung bei Schmerzangabe, mit Heben/Senken des OSG rechts bis 15-0-30°,
links bis 30-0-50 sowie Pro- und Supination des
USG rechts bis 25-0-25° und links bis 30-0-40°. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die im Zwischenbericht der BG-Klinik
H-Stadt vom 20.12.2005 erwähnten Morbus Sudeck-Veränderungen - sogenanntes CRPS - bei seiner Untersuchung definitiv nicht
mehr vorgelegen haben, weder hinsichtlich der Beschwerdeschilderung noch der Weichteilsituation. Damit habe es nur vorübergehend
bestanden, was bei leichtgradiger Ausprägung die R. sei, und sich klinisch vollständig zurückgebildet. Auf den Röntgenaufnahmen
sei es ohnehin nicht durch feinfleckige Knochenaufhellung in Erscheinung getreten. Die in der Handgelenksaufnahme rechts sichtbare
zuckerkorngroße Absprengung der Ellengriffelspitze habe keine MdE-Wirkung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten
Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 01.08.2008 hat die Beklagte unter Auswertung des Gutachtens von Dr. K. eine Rentenerhöhung abgelehnt.
Mit Urteil vom 25.06.2009 hat das SG die auf höhere Verletztenrente gerichtete Klage, sowohl als vorläufige Entschädigung als auch auf unbestimmte Zeit, abgewiesen.
Die Ausführungen von Prof. R. seien nicht überzeugend. Dieser habe bei der Beurteilung stärkere Bewegungseinschränkungen der
HWS einbezogen, obwohl diese gar nicht verletzt gewesen sei. Vielmehr sei mit Prof. B. und Dr. K. die MdE mit 30 v.H. richtig
bewertet. Dies entspreche den Begutachtungskritierien. Es bestünde nur noch eine geringfügige Bewegungseinschränkung am rechten
Handgelenk infolge des stellungsgerecht ausgeheilten Speichenbruchs und des Bandschadens zwischen Kahn- und Mondbein. Auch
der verheilte Verrenkungsbruch am rechten OSG bedinge nur noch eine geringfügige Bewegungsminderung. Eine Muskelminderung
an den Armen oder Beinen als Zeichen der Langzeitschonung sei nicht eingetreten; die Beschwielung der Handbinnenmuskulatur
sei seitengleich. Zur Bewertung der Wirbelkörperbrüche ist insbesondere auf die Ausführungen von Schönberger/Mehrtens/Valentin
verwiesen worden. Die Glaskörperveränderungen verursachten keine MdE.
Zur Begründung der dagegen am 10.08.2009 eingelegten Berufung hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, dass Prof. R. zu
Recht die Bewegungseinschränkungen der HWS berücksichtigt habe, da die Verletzung in einem Segment den gesamten Geh- und Stehapparat
beeinträchtige. Die fehlende Muskelminderung des rechten gegenüber des linken Beines folge daraus, dass die Klägerin wegen
Gehbeschwerden das Gehen insgesamt eingeschränkt habe. Die Sprunggelenkssituation habe sich weiter verschlechtert und das
CRPS sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Das LSG hat Röntgenaufnahmen der Klägerin beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Dr. D. vom 23.11.2010 eingeholt, das
dieser nach Aktenlage erstellt hat, nachdem die Klägerin eine Einbestellung zur Begutachtung strikt abgelehnt hatte.
Dr. D. hat dargelegt, dass die MdE-Einschätzung mit 30 v.H. im Ersten Rentengutachten im Ergebnis nicht zu beanstanden sei.
Unter Auswertung der Original-Röntgen- aufnahmen sei davon auszugehen, dass die zwei BWK-Keilwirbel nicht der 4. und 6, sondern
der 5. und 7. gewesen seien und die weitere Fraktur des 9. - nicht 8. BWK - in Form einer Deckplattenbeteiligung ohne Deformierung
vollständig ausgeheilt gewesen sei. Dafür sei nach der Begutachtungsliteratur unter Berücksichtigung der posttraumatischen
Wirbelsäulendeformität eine Einzel-MdE von gerundet 10 v.H. anzusetzen. Auch für die Unfallfolgen am rechten Sprunggelenk
könne angesichts des nur geringen Bewegungsverlustes bei Verdickung des rechten Knöchels um 4 cm nur eine Einzel-MdE von 10
v.H. angesetzt werden und für die Unfallfolgen am rechten Handgelenk bei optimaler Ausheilung der abgelaufenen Fraktur ohne
Achsenabknickung selbst unter Berücksichtigung der leichten Verbreiterung zwischen Mond- und Kahnbein und der Strecksehnenläsion
des rechten Daumens nur eine Einzel-MdE von 20 v.H ... Daraus ergebe sich eine Gesamt-MdE von 30 v.H.
Dr. D. hat ausgeführt, dass sich auch auf Grundlage der Begutachtungen vom 07.10.2006 und im Klageverfahren von Dr. K. keine
höhere MdE als 30 v.H. begründen lasse. So habe sich die Funktion der rechten Hand insgesamt angesichts der Handgelenksbeweglichkeit
im weiteren Verlauf gebessert. Eine Verschlechterung der Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Sprunggelenks
hat Dr. D. den Unterlagen nicht entnehmen und sich vom Vorliegen eines CRPS nicht überzeugen können. Entgegen der Ansicht
des Klägerbevollmächtigten spreche das Fehlen einer Muskelminderung v.a. im unmittelbar angrenzenden Bereich eines schwerwiegend
verletzten Gelenkes der oberen und unteren Extremitäten gegen eine vollzogene Schonung. Entscheidend für die Beurteilung der
Belastbarkeit seien nicht Kraftmessungsergebnisse, sondern objektive Parameter wie die Umfangsmessung, Demineralisierung oder
unterschiedliche Gebrauchsspuren.
Der Klägerbevollmächtigte hat u.a. moniert, dass nur bei 41% der Fälle eines Morbus Sudeck eine fleckige Entkalkung im Röntgenbild
vorliege, so dass das Fehlen einer solchen Entkalkung kein wesentliches Kriterium sein könne. Er hat daran festgehalten, dass
bei Schonung eines Beines durch Einschränken des Gehens auch das andere Bein geschont werde, so dass sich keine Muskelminderung
im Seitenvergleich entwickle.
Dr. D. hat in seiner Stellungnahme vom 11.02.2011 an seiner Einschätzung festgehalten und ausgeführt, dass sich ein vollständig
ausgebildetes CRPS aus den Aktenunterlagen nicht erschließen lasse und ein Sudeck-ähnliches Syndrom angesichts der in den
Unterlagen erhobenen klinischen und radiologischen Befunde als vollständig ausgeheilt anzusehen wäre. Die Vorstellungen des
Klägerbevollmächtigten entsprächen nicht der wissenschaftlichen Lehrmeinung.
Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 08.02.2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass entscheidend
für ein CRPS sei, dass zeitnah nach dem schädigenden Ereignis ein ungewöhnlicher, primär neuropathischer Schmerz eintritt,
der nicht mit der ursprünglichen Verletzung erklärt werden kann, und dass vegetative Begleiterscheinungen wie eine ungewöhnliche
Schwellung, Durchblutungsstörungen und vermehrte Schweißneigung bestehen. Anhand der Anknüpfungstatsachen habe bei der Versicherten
ein CRPS Typ I oder II nicht vorgelegen. Die in der BG-Klinik H-Stadt geäußerte Vermutung eines "leichten CRPS" lasse sich
nicht belegen. Bei der Klägerin hätten durchaus für einen Innen- und Außenknöchelbruch "gewöhnliche" Schmerzen bestanden.
Zwar könne ein einzelner Befund wie z.B. die Muskelminderung nicht allein für den Funktionsverlust maßgebend sein, die Einschätzung
der Gutachter sei aber unter Berücksichtigung des Gesamtbildes getroffen worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 hat der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen vorgetragen, dass im Bereich des
Handgelenks keine ausreichenden Untersuchungen stattgefunden hätten und dass zu Unrecht ein CRPS verneint worden sei.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.06.2009 aufzuheben,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2007 zu verpflichten,
unter Abänderung des Bescheides vom 17.01.2005 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer höheren MdE als 30 v.H.
zu gewähren, und
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2007 zu verpflichten,
Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer höheren MdE als 30 v.H. zu gewähren,
hilfsweise eine Untersuchung der Verletzung der Wirbelsäule und der Gliedmaßen nach der EFL-Methode nach Isernhagen durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakte sowie die SG- und LSG-Akte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde die Berufungsfrist angesichts der Zustellung des Urteils an den Klägerbevollmächtigten
am 08.07.2009 und Eingang der Berufungsschrift beim LSG am 10.08.2009 gemäß §
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
61 Abs.
3 SGG gewahrt, da der 08.08.2009 ein Samstag war.
Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG München ist jedoch unbegründet.
Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes (VA) vom 14.02.2006 i.d.F. des Widerspruchsbescheides
vom 29.03.2007, mit dem die Gewährung einer höheren Verletztenrente als vorläufige Entschädigung unter Abänderung des VA vom
17.01.2005 abgelehnt worden ist, so dass die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage unbegründet ist.
Ebensowenig hat die Klägerin Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 01.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 29.03.2007, soweit darin mit VA die Höhe der Rente auf unbestimmte Dauer nach einer MdE von 30 v.H. festgestellt worden
war, so dass auch diese kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage unbegründet ist.
Der Bescheid vom 01.08.2008 ist hingegen nicht gemäß §
96 SGG in der seit 01.04.2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 26.03.2008, BGBl. I 444) Klagegegenstand geworden. Denn mit diesem VA
ist ein Antrag auf Rentenerhöhung mit der Begründung abgelehnt worden, dass angesichts des Gutachtens von Dr. K. keine wesentliche
Änderung im Sinne des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Form einer Erhöhung der MdE um mehr als 5 v.H. (§
73 Abs.
3 SGB VII) und damit der Höhe der Verletztenrente auf unbestimmte Zeit eingetreten ist. Eine Änderung bzw. Ersetzung eines der Verfügungssätze
im Bescheid vom 01.12.2006, insbesondere zur Rentenhöhe, ist daher gerade nicht erfolgt (vgl. dazu BSG im Beschluss vom 30.09.2009
- B 9 SB 19/09 B, veröffentlicht in Juris). Zudem weichen Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab von denjenigen für Rentenhöhe im Bescheid vom
01.12.2006 ab, denn die Änderung der Rentenhöhe wegen nach Erlass des VA eingetretener Verschlimmerung setzt gemäß § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. §
73 Abs.
3 SGB VII eine Änderung der MdE um mehr als 5 v.H. für länger als drei Monate voraus.
Gemäß §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall
hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Mindern die Folgen des Versicherungsfalles die Erwerbsfähigkeit
um wenigstens 10 v.H., besteht für den Versicherungsfall gemäß §
56 Abs.
1 Satz 2 und
3 SGB VII Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundersätze zusammen
wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach §
56 Abs.
3 Satz 2
SGB VII wird bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit Teilrente geleistet, die in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt
wird, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entspricht.
Nach Überzeugung des Senats ist die gutachterliche Einschätzung der MdE der Klägerin mit 30 v.H. nicht zu beanstanden.
Aufgrund des als Arbeitsunfall anerkannten Unfallereignisses vom 20.03.2004 hat die Beklagte bei der Klägerin mit Bescheid
vom 01.12.2006 folgende Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen festgestellt:
Mit Keilwirbelbildung und unter Abflachung der vorderen Wirbelkörperränder verheilte Brüche des 4. und 6. Brustwirbelkörpers,
knöchern verheilter Deckplatteneinbruch des 8. BWK, Bewegungsschmerz im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule, in achsengerechter
Stellung knöchern verheilter körperferner Speichenbruch rechts, Bewegungseinschränkung der Unterarmdrehung rechts, Bewegungseinschränkung
und Kraftminderung im rechten Handgelenk, verminderte Handspanne rechts, Streckdefizit des rechten Daumens nach Verletzung
der langen Strecksehne, in guter Stellung knöchern fest verheilter operativ versorgter bimalleolärer Verrenkungsbruch des
rechten Sprunggelenks, Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk, zwei reizlose Operationsnarben über dem rechten Innen-
und Außenknöchel, verminderte Belastbarkeit des rechten Beines, Muskelminderung im rechten Bein und Glaskörperveränderungen
am rechten Auge.
Für die Zeit vor Entfernung des Osteosynthesematerials im August 2005 ist ein operativ versorgter bimalleolärer Verrenkungsbruch
des rechten Sprunggelenks mit noch reizlos liegendem Osteosynthesematerial, deutlicher Schwellneigung und Bewegungseinschränkung
festgestellt worden.
1. Dabei resultiert aus den zwei unter Keilwirbelbildung und Höhenminderung knöchern verheilten BWK-Brüchen ein erheblicher
Rundrücken mit Scheitelpunkt im Bereich dieser Brüche sowie parathorakale Muskelverspannungen beidseits des ehemaligen Frakturbereiches.
Auch wenn in Übereinstimmung mit Dr. D. davon ausgegangen wird, dass statt des 4. und 6. der 5. und 7. BWK und statt des 8.
der 9. BWK betroffen waren, folgt nach Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. D. für die funktionelle
Einschränkung der Wirbelsäule nur eine Einzel-MdE von 10 v.H.
Für die Keilwirbel im mittleren Bereich, die die Segmente BWK 4 bis 5 und BWK 6 bis 7 betreffen, ergeben sich in Übereinstimmung
mit der Begutachtungsliteratur wie Schönberger/Mehrtens/Valentin, "Arbeitsunfall und Berufskrankheit" 8. Auflage (SMV - S.
441), Rompe/Erlenkämper/Schiltenwolf/Hollo "Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane", 5. Auflage (im Folgenden: Rompe
- S. 677) jeweils eine Einzel-MdE von 2,2 v.H. und 2,5 v.H. nach dem Segmentwertprinzip, die wegen der posttraumatischen Wirbelsäulendeformität
mit deutlichen Keilwirbeln zu verdoppeln ist. Damit lässt sich nach Einschätzung des Sachverständigen insgesamt eine Einzel-MdE
für die BWS von 9,4 v.H. ansetzen. Selbst wenn in Abweichung von Dr. D., der ohne Deformierung stabil verheilte Deckplatteneinbruch
des BWK 9 (oder 8) nicht als Folge der Osteoporose gesehen und mit einem Wert von 1,8 nach dem Segmentwertprinzip berücksichtigt
wird, ergibt sich keine höhere Einzel-MdE als gerundet 10 v.H ...
Dieser Wert ist nach Überzeugung des Senats auch nicht mit Blick auf die klinischen Befunde zu erhöhen. Trotz starr wirkender
BWS ohne physiologische Rumpfvorbeuge zum Zeitpunkt des Ersten Rentengutachtens lag die Beweglichkeit noch im altersentsprechenden
Normbereich angesichts eines Finger-Boden-Abstandes von 16 cm bei ausreichender BWS-Entfaltbarkeit mit einem Ott von 30:33
und einer nur gering eingeschränkten Seitneigung des Rumpfes nach rechts auf 20° und nach links auf 30° (Normalwert: 20-30°).
Bereits zu diesem Zeitpunkt zeigten sich die Brüche verheilt bzw. knöchern konsolidiert.
Eine wesentliche Verschlechterung im Bereich der BWS ist in Übereinstimmung mit Dr. D. auch im weiteren Verlauf nicht dokumentiert.
So war die BWS bei Untersuchung durch Prof. R. im April 2005 lediglich bei Drehung um 10° gegenüber den Normalwerten eingeschränkt,
während die Seitneigung mit 30° im Normbereich lag; der FBA betrug 22 cm und das Zeichen nach Ott von 30:34 sowie der Schober
von 10:14 und 10:15 sprach für eine freie Entfaltbarkeit von BWS und LWS.
Die von Prof. R. angenommene Verschlechterung der Beweglichkeit bezieht die HWS und deren Muskel- und Nackenhartspann mit
ein, obwohl die HWS nicht durch den Unfall geschädigt worden war. Die nun feststellbare Buckelbildung (vermehrte Kyphose),
die zum Zeitpunkt des ersten Rentengutachtens noch nicht sicht- und tastbar war, ist als Folge der durch die Keilwirbel bedingte
Wirbelsäulendeformität im Sinne der Verdopplung der Segmentwerte bereits berücksichtigt und bedingt daher keine Erhöhung der
Einzel-MdE.
Diese Befunde entsprachen in etwa denen im Rentengutachten vom 07.10.2006. Denn danach konnte die BWS nach rechts bis 25°,
nach links bis 30° geneigt und beidseits bis 20° gedreht werden; der FBA betrug 21 cm bei Ott von 30:34 und Schober von 10:14.
Weder Dr. K. noch Dr. D. vermochten daraus eine wesentliche Verschlimmerung der BWS-Befunde abzuleiten. Dr. D. hat zudem darauf
hingewiesen, dass osteoporosebedingte Beschwerden nicht auf den Unfall zurückzuführen seien. Bereits Prof. R. hatte festgehalten,
dass im Bereich der BWS Anzeichen für eine Osteoporose bestanden.
Bei Untersuchung durch Dr. K. war die Rumpfwirbelsäule völlig frei entfaltbar mit einem FBA von 15 cm, einem Ott´schen Zeichen
von 30:33 und einem Schober von 10:15. Rumpfdrehen ist im Normalbereich möglich gewesen, im Stehen um 60°, im Sitzen um 30°,
ebenso wie die Seitneige bis 30° beidseits, wobei keine Wirbelsäulenschmerzen angegeben wurden. Daher sieht der Senat insoweit
keine Verschlimmerung der Unfallfolgen.
2. Für den achsengerecht ausgeheilten, handgelenksnahen Speichenbruch rechts bei kleiner schalenförmiger Absprengung des Ellengriffelfortsatzes
mit Bandschaden zwischen dem Kahn- und Mondbein, Bewegungseinschränkung der Unterarmdrehung und des Handgelenks, verminderter
Handspanne und Kraftminderung des rechten Handgelenks sowie Streckdefizit des rechten Daumens nach Daumenstrecksehnenriss
kann in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. D. kein höherer Einzel-MdE-Wert als 20 v.H. angesetzt werden.
Nach den Erfahrungssätzen in SMV S. 544 werden folgende Werte vorgeschlagen:
- Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegung um insgesamt 40° MdE von 10 v.H.
- Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80° MdE von 10-20
v.H.
- Handgelenksversteifung in Neutralstellung MdE von 25 v.H.
- Funktionsstörungen im Bereich der Langfinger und des Daumens MdE von 10-25 v.H.
Rompe S. 719 schlägt folgende Bewertungen vor:
- Bewegungseinschränkung der Handhebung/-senkung auf 40-0-40° MdE von 10 v.H.
- Versteifung 10-0-10° bei freier Unterarmdrehung 25 v.H.
- Versteifung des Daumens im Daumengrund- oder -endgelenk MdE von unter 10 v.H.
- Versteifung von Daumengrund- und -endgelenk MdE von 10 v.H.
- Strecksehnenabriss Fingerendgelenk MdE von unter 10 v.H.
Als Normalwerte gelten bei der Handgelenksbeweglichkeit für Streckung (dorsal) 35-60°, für Beugen (volar) 50-60°, für Abwinkeln
ellenseitig (ulnar) 30-40° und speichenseitig (radial) 25-30°.
Auf Grundlage der festgestellten Funktionsbehinderungen ist in Übereinstimmung mit Dr. D. für die Unfallfolgen am rechten
Handgelenk bei optimaler Ausheilung der abgelaufenen Fraktur auch unter Berücksichtigung der Strecksehnenläsion des rechten
Daumens und der leichten Verbreiterung zwischen Mond- und Kahnbein keine höhere Einzel-MdE als 20 v.H. anzusetzen. Zwar besteht
keine Achsenabknickung der Speiche, sondern diese ist in regelrechter Stellung knöchern konsolidiert. Allerdings war die Handgelenksbeweglichkeit
ausweislich des Ersten Rentengutachtens von Dr. H. bei Untersuchung im Juli 2004 insgesamt rechts gegenüber links deutlich
um nahezu 80° eingeschränkt. Dabei wirkt sich die kleine schalenförmige Absprengung des Ellengriffelfortsatzes funktionell
nicht aus.
Der Senat stimmt mit Dr. D. darin überein, dass auch unter Berücksichtigung der später festgestellten Bandschädigung zwischen
Mond- und Kahnbein sowie der Strecksehnenverletzung des rechten Daumens für die funktionelle Beeinträchtigung der rechten
Hand keine höhere Einzel-MdE als 20 v.H. anzusetzen ist.
So betrug die Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Handgelenks bei Untersuchung im Oktober 2006 im Seitenvergleich
nur noch 45° mit Werten für Strecken/Beugen von 35-0-40° (bei 50-0-60° links) bzw. ulnar/radial von 20-0-20° (bei 30-0-20°
links) bei Verminderung der groben Kraft und der Auswärtsdrehung des rechten Unterarms um 20° gegenüber links (auf 50°). Das
Streckdefizit im Daumenendgelenk betrug 25°, die Beugung des rechten Daumengrundgelenks gegenüber links war um 10° und die
Abspreizbarkeit des Daumens um 25-30° rechts gegenüber links vermindert. Der Faustschluss war beidseits vollständig möglich
und auch der Spitzgriff gelang mit allen Fingern. Insgesamt hatte sich die Funktion der rechten Hand gebessert. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass selbst eine Versteifung des Daumens im Grund- und -endgelenk z.B. nach Rompe mit einer MdE von 10
v.H. bewertet wird.
Demgegenüber waren auch die von Prof. R. festgestellten Bewegungseinschränkungen nur wenig höher, bei einer Funktionseinschränkung
der Handgelenksbeweglichkeit rechts gegenüber links um ca. 55° und im Wesentlichen identischer Einschränkung der Daumenbeweglichkeit
wie im Gutachten vom Oktober 2006. Zusätzlich bestand lediglich ein leichtes Defizit bei massiver Streckung der Langfinger,
ohne dass hinsichtlich der Langfinger eine Unfallverletzung bekannt ist, sowie eine Einschränkung der Zeigefingerbeweglichkeit
mit Abstand des Zeigefingers zur Hohlhandfurche beim Faustschluss von 2 cm. Daraus ergibt sich aber unter Berücksichtigung
der verbesserte Handgelenksbeweglichkeit, deren Einschränkung Prof. R. selbst als endgradig eingeschränkt bezeichnet, keine
wesentliche funktionelle Verschlimmerung gegenüber dem Gutachten von Dres. H. und S ... Ergänzend ist darauf hinzuweisen,
dass sich die Beeinträchtigung der Zeigefingerbeweglichkeit im weiteren Verlauf zurückgebildet hat, mit Restabstand im November
2005 von nur noch 1 cm und vollständigem Faustschluss im Oktober 2006. Ferner waren Grob-, Fein-, Spitz-, Schlüssel- und Hakengriff
auch bei der handchirurgischen Untersuchung im November 2005 nicht beeinträchtigt.
Die Befunde von Dr. K. vermögen ebenso wenig eine wesentliche Verschlechterung der Handfunktion bzw. eine höhere MdE zu begründen.
Im Gegenteil hatte sich der Bewegungsverlust des rechten Handgelenks gegenüber dem linken mit nur noch 30° weiter gebessert.
Die Beweglichkeit mit Strecken/Beugen von 60-0-50° bzw. ulnar/radial von 40-0-10° lag mit Ausnahme des radialen Abknickens
im Normbereich. Die Handgelenkskonturen und die Hohlhandbeschwielung waren nicht seitendifferent. Die Streckfähigkeit des
rechten Daumens im Endgelenk war ebenso wie die Beugung im Grundgelenk nur um 10° reduziert und die Abspreizbarkeit des rechten
Daumens gegenüber links nur noch um 10° (auf 60°) vermindert. Die Ellenbogendrehung ist rechts um 10° gegenüber links auf
insgesamt 80° vermindert gewesen.
Bei seiner Untersuchung hat Dr. K. bei etwa seitengleicher Kraftentfaltung der Handgelenke auch keine Muskelminderung des
rechten Unterarmes als Hinweis auf eine reduzierte Kraft feststellen können. Einschränkungen bestanden insoweit als dass der
Spitzgriff rechts etwas verlangsamt und weniger kraftvoll als links war und die Fingergelenke beim Faustschluss rechts etwas
weniger eng gebeugt und nicht ganz so stark in die Hohlhand gepresst worden sind. Die beginnenden Verschleißschäden der Fingergelenke
beidseits im Sinne von Heberden-Arthroseauftreibungen sind nach gutachterlicher Aussage kein unfallabhängiger Befund. Vor
diesem Hintergrund lässt sich in Übereinstimmung mit Dr. K. und Dr. D. keine Verschlechterung der Funktion im Bereich der
rechten oberen Extremität wegen der Unfallfolgen begründen. Insbesondere spricht gegen eine wesentliche Funktionseinschränkung
der rechten Hand, dass im zeitlichen Verlauf keine Muskelminderung der rechten oberen Extremität oder des Umfangs der Mittelhand
eingetreten ist und die Handbinnenflächen im Wesentlichen seitengleich beschwielt waren. Der Senat vermag sich nicht davon
zu überzeugen, dass die Schonung einer Hand zugleich die Schonung der anderen Hand nach sich zieht mit der Folge einer beidseitigen
Muskelminderung.
3. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten bedingen auch die Unfallfolgen am rechten Sprunggelenk keine höhere MdE;
insbesondere liegt keine Funktionseinschränkung aufgrund eines CRPS bzw. eines Morbus Sudeck vor.
Empfohlen wird in SMV S. 678 für
- einen Sprunggelenksverrenkungsbruch, der in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel verheilt ist, eine MdE von 0-10
v.H.,
- einen Sprunggelenksverrenkungsbruch mit Verbreiterung der Knöchelgabel oder Sprengung der Bandverbindung, sekundärer Verkantung
des Sprungbeins oder sekundärer Arthrose mit wesentlicher Funktionsstörung eine MdE von 30 v.H.,
- eine Versteifung des OSG im Winkel von 90-100° zum Unterschenkel eine MdE von 20 v.H.,
- eine Versteifung des
USG in Funktionsstellung eine MdE von 15 v.H. und für
- eine Bewegungseinschränkung des OSG auf 0-0-30° eine MdE von 10 v.H.
Der Sprunggelenksbruch war ausweislich des radiologischen Gutachtens von Dr. W. sowie der Auswertungen von Dr. K. und Dr.
D. in anatomischer Stellung konsolidiert. Die verbliebenen Funktionsstörungen bedingen keine höhere MdE als 10 v.H.
So bestand bei Untersuchung durch Dr. H. im Juli 2004 angesichts der Messwerte nur ein geringer Bewegungsverlust des OSG für
Fußhebung um 10°, während die Fußsenkung im physiologischen Bereich lag und das
USG nicht bewegungseingeschränkt war. Unter Berücksichtigung der deutlichen Verdickung des rechten Knöchels von 4 cm und der
Wasseransammlungen kann in Übereinstimmung mit Dr. D. lediglich eine Einzel-MdE von 10 v.H. angesetzt werden können, nicht
hingegen eine MdE von 20 v.H., da dies eine Gleichstellung mit einem vollständig versteiftem Sprunggelenk bedeuten würde.
Zwar hat sich in der Folge zusätzlich eine Funktionsbehinderung des
USG ergeben; eine wesentliche funktionelle Verschlechterung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Die Beweglichkeitseinschränkung
des
USG im Gutachten von Prof. R. von 8/10 war gering und im OSG war lediglich das Senken des Fußes um 20° rechts gegenüber links
gemindert. Außerdem waren die zunehmenden Beschwerden im Sprunggelenk nach Einschätzung von Prof. R. im Wesentlichen auf den
Fersensporn zurückzuführen, der nicht durch den Unfall verursacht worden war.
Auch unter Berücksichtigung der Begutachtungen vom 07.10.2006 und im Klageverfahren vom 19.05.2008 ergibt sich keine wesentliche
Zunahme der Funktionseinschränkung. Im Gutachten vom Oktober 2006 war die Beweglichkeit im
USG rechts für Pro- und Supination mit 20-0-20° gegenüber links (30-0-20°) nur gering eingeschränkt und die Fußhebung sowie Fußsenkung
nur um je 15° gegenüber links vermindert, wobei angesichts der Werte (0-0-25° rechts bei 15-0-40° links) keine höhere MdE
als 10 v.H. anzusetzen ist, zumal die Verdickung des rechten Sprunggelenks abgenommen hatte.
Ebensowenig lässt sich aus dem Gutachten von Dr. K. eine die Gesamt-MdE erhöhende wesentliche Verschlimmerung der diesbezüglichen
Unfallfolgen ableiten. Angesichts der Beweglichkeit des OSG von 15-0-30° mit Reduktion im Seitenvergleich um 35° und der um
20° reduzierten Beweglichkeit des
USG war keine höhere Einzel-MdE als 10 v.H. anzusetzen, zumal die Sprunggelenkgabel nicht verdickt war, keine Muskelminderung
am rechten Unterschenkel als Ausdruck einer Schonung festzustellen war und die rechte Fußsohle nur etwas weniger als links
beschwielt war bei seitengleicher Schuhabnutzung. Das Gangbild ist zwar etwas "staksig", aber ohne Abstützen sicher gewesen
mit seitengleichem Abrollen ohne Hinken. Da zudem die Sprunggelenksfraktur nach Auswertung der vorliegenden Röntgenaufnahmen
durch Dr. D. achsengerecht ausgeheilt war, bei etwas breiter Syndesmose, lässt sich in Übereinstimmung mit den Sachverständigen
Dr. K. und Dr. D. eine Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht begründen. Die Sachverständigen haben die Einschätzung des Funktionsverlustes
im rechten Sprunggelenk nicht allein auf die fehlende Muskelminderung am rechten Unterschenkel gestützt, sondern unter Berücksichtigung
der radiologischen Befunde, der Bewegungsausmaße und des Gesamterscheinungsbildes wie z.B. die Demineralisierung oder unterschiedliche
Gebrauchsspuren.
Eine höhere Einzel-MdE lässt sich insbesondere nicht mit der Entwicklung eines CRPS im rechten Sprunggelenk begründen. Denn
weder aus den Gutachten noch den Röntgenbildern oder den vorhandenen ärztlichen Unterlagen ist diese Gesundheitsstörung mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Wege des Vollbeweises nachgewiesen. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden
Ausführungen der Sachverständigen Dr. K., Dr. D. und des Beratungsarztes Dr. B ...
Wie Dr. B. unter Verweis auf die Kriterien der "international association for the study of pain (IASP)" überzeugend dargelegt
hat, ist ein CRPS eine Erkrankung, die zu außergewöhnlichen Schmerzen führt, die mit der Verletzung allein und deren Folgezustände
nicht erklärt werden können. Entscheidend ist daher, dass zeitnah nach dem schädigenden Ereignis ein ungewöhnlicher, primär
neuropathischer Schmerz eintritt, der nicht mit der ursprünglichen Verletzung (z.B. der Verletzung eines Nerven) erklärt werden
kann, und dass vegetative Begleiterscheinungen wie eine ungewöhnliche Schwellung, Durchblutungsstörungen und vermehrte Schweißneigung
bestehen.
So nennen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) 2008 für Diagnostik und Therapie komplexer regionaler
Schmerzsyndrome (veröffentlicht unter www.awmf.org) als begleitende Symptome des anhaltenden Schmerzes, der durch das Anfangstrauma
nicht mehr erklärt wird, Hyperalgesie (Überempfindlichkeit für Schmerzreize), "Hyperästhesie" (Überempfindlichkeit für Berührung,
Allodynie), Asymmetrie der Hauttemperatur, Veränderung der Hautfarbe, Asymmetrie im Schwitzen, Ödem, reduzierte Beweglichkeit,
Dystonie, Tremor, "Paresen" im Sinne von Schwäche sowie Veränderungen von Haar- oder Nagelwachstum. Dabei müssen die Symptome
auch außerhalb des Versorgungsgebietes verletzter Nerven auftreten und die Symptomatik darf nicht durch eine andere Erkrankung
hinreichend erklärt werden.
Nach den Unterlagen, insbesondere dem neurologischen Befund der BG-Klinik H-Stadt 2005, dem Gutachten vom 07.10.2006 sowie
dem Gutachten von Dr. K. vom 19.05.2008, waren 2005 und 2006 Gefühlsstörungen von sensiblen Hautnerven der Knöchelregion vorhanden,
die sich durch eine Verletzung der sensiblen Hautnerven erklären lassen und 2008 nicht mehr dokumentiert wurden. Denn im Rahmen
der neurologischen Untersuchung in der BG-Klinik H-Stadt 2005 wurde eine mögliche leichte Funktionsstörung der peronealen
Hautendäste genannt, wobei eine Störung der Nervenstämme nicht wahrscheinlich zu machen war. Vor diesem Hintergrund schließt
sich der Senat der Einschätzung von Dr. B. an, dass bei der Klägerin durchaus "gewöhnliche" Schmerzen im Bereich des Sprunggelenks
vorlagen, wie sie nach einem Innen- und Außenknöchelbruch eintreten können sowie offenbar auch eine Schmerzhaftigkeit wegen
Läsion eines oberflächlichen Hautendastes des Nervus peronaeus im Bereich des Außenknöchels. Der Senat folgt den Ausführungen
von Dr. K. und Dr. D., dass sich die anlässlich der stationären Behandlung in der BG-Klinik H-Stadt geäußerte Vermutung eines
"leichten CRPS" nicht nachweisen lässt. Entsprechende Knochenveränderungen waren in den radiologischen Befunden nicht sichtbar.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Klägerbevollmächtigten genannten weiteren Symptome für einen Morbus Sudeck
wie Temperaturdifferenz (92%), Hautfarbendifferenz (92%), veränderte Sudomotoraktivität (47%), verändertes Nagel- und Haarwachstum
(55%), Tremor (49%), Dyskoordination (54%), Muskelkrämpfe (25%), Hyperpathie (79%), Paresen und Plegien (95%) in den Unterlagen
der BG-Klinik H-Stadt oder den Gutachten nicht beschrieben werden. Die anfängliche Schwellung des Sprunggelenks hat sich nach
den Gutachten deutlich zurückgebildet. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat nicht vom Vorliegen eines CRPS im Sprunggelenk
der Klägerin zu überzeugen. Eine nochmalige Überprüfung anhand aktueller Befunde war dem vom LSG bestellten Sachverständigen
nicht möglich, da die Klägerin zu einer Untersuchung nicht bereit war.
4. Nicht zu beanstanden ist, dass die Fersenspornbildung links, der Tinnitus bei Normalhörigkeit sowie die Kopfschmerzen und
der unsystematische Schwindel in Form eines Schwankschwindels nicht als Unfallfolge anerkannt worden sind. Der HNO-Arzt Dr.
H. hat in seinem Konsiliarbericht vom 08.12.2005 überzeugend dargelegt, dass eine Ohrschädigung durch den Unfall schon mangels
zeitlichen Zusammenhangs nicht wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könne. Das Ohrenpfeifen ist
nach Angaben der Klägerin im Juni 2004 oder Oktober 2004 aufgetreten, also Monate nach dem Unfallereignis.
Soweit Prof. R. im Gutachten vom 06.04.2005 ausgeführt hat, die BWS-Verletzung habe zu Verspannungen der BWS-Muskulatur, diese
zu Verspannungen der HWS-Muskulatur geführt und letztere wiederum zu Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Ohrgeräuschen,
überzeugt dies nicht. Dass ein Schädel-CT keine anderen Ursachen zu entdecken vermochte, genügt nicht, um zu begründen, dass
die erst im Juni bzw. Oktober 2004 auftretenden Beschwerden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die BWK-Brüche zurückzuführen
sein sollen. Ebensowenig sind Unfallfolgen an der HWS gesichert, so dass in Übereinstimmung mit Dr. K. und Dr. D. die dortigen
Verspannungen der Muskulatur nicht hinreichend wahrscheinlich auf die Unfallfolgen zurückzuführen sind. Im Übrigen sind Äußerungen
von Prof. R. über Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Ohrgeräusche als fachfremd anzusehen.
5. Ferner war in Übereinstimmung mit den vorliegenden augenärztlichen Gutachten für die beschleunigte Entwicklung von Glaskörperveränderungen
mit der Folge von Schlieren bzw. Punkten keine MdE von wenigstens 10 v.H. anzusetzen, da diese nach den überzeugenden Ausführungen
der Sachverständigen weder zu einer weitergehenden Visuseinschränkung noch einer Gesichtsfeldeinschränkung geführt haben.
6. Der Senat hat vor diesem Hintergrund keine Bedenken, sich der Einschätzung der Gesamt-MdE durch die Sachverständigen Dr.
D. und Dr. K. mit 30 v.H. anzuschließen. Dabei berücksichtigt der Senat, dass sich die Funktionseinschränkungen an der rechten
Hand durch Radiusfraktur, SL-Bandläsion und Daumenstrecksehnenverletzung überschneiden und damit die Einzel-MdE von 20 v.H.
nur knapp erreicht worden ist, und dass sich zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheides vom 14.02.2006 die Handgelenksbeweglichkeit
bereits deutlich im Seitenvergleich gebessert hatte, mit nur noch endgradiger Bewegungseinschränkung, und sich diese Verbesserung
der Bewegungseinschränkung im weiteren Verlauf fortgesetzt hat. Ferner sind wesentliche Bewegungseinschränkungen mit den stabil
verheilten BWK-Brüchen nicht verbunden und eine gegenseitige negative Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigung der rechten
Hand, des rechten Sprunggelenks sowie der BWS liegt nicht vor.
7. Weitere Ermittlungen von Amts wegen hält der Senat angesichts der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen nicht
für erforderlich. Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Untersuchung der Wirbelsäule und der Gliedungsmaßnahmen nach der sogenannten
EFL-Methode nach Isernhagen war nicht zu folgen. Zum einen ist nicht benannt, was für neue Erkenntnisse die Beweisaufnahme
ergeben soll (zum Ganzen siehe Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
160 Rdnr. 18 a m.w.N.).
Die Einschätzung der Funktionseinschränkungen ist in den Gutachten, insbesondere von Dr. K., sorgfältig vorgenommen worden,
unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben, der Beschwerdeschilderung, der ärztlichen Unterlagen und radiomorphologischen
Befunde, der allgemein im Rahmen der Untersuchung gezeigten Beweglichkeit, der gezielten Funktionsprüfungen hinsichtlich Kraft
und Beweglichkeit (einschließlich differenzierter Gang- und Standformen sowie Handgriffe) unter Angabe der ermittelten Messergebnisse,
mit Untersuchung des neurologischen Befundes (z.B. Sensibilität, Reflexe), der Bandstabilitäten, unter Beurteilung der muskulären
Verhältnisse und des äußeren Aspekts der betroffenen Gelenke. Damit entsprechen die Gutachten den Anforderungen an eine sozialmedizinische
Begutachtung im Verletztenrentenverfahren.
Insbesondere ist die Durchführung eines EFL-Verfahrens (Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit) nach Isernhagen zur
Ermittlung der MdE der Klägerin nicht geboten; insoweit schließt sich der Senat den hierzu ergangenen Ausführungen von Dr.
D. an. Beim EFL-Verfahren werden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bestimmte Fähigkeiten wie Stehen, Sitzen, Gehen, Heben,
Tragen oder Handkraft etc. unter Steigerung der Belastung bis zum Leistungsabbruch durch den Probanden gemessen und daraus
die Leistungsfähigkeit für einen Vollzeitarbeitstag errechnet (vgl. hierzu u.a. Büschel/Greitermann/Schaidhammer in der Medizinische
Sachverständige, 2008 S. 195 ff. und S. 212 ff.).
Dr. D. hat der Einschätzung der Beklagten ausdrücklich zugestimmt, dass die EFL kein Verfahren zur Bestimmung der MdE ist,
sondern ein Instrument zur Ermittlung der Rehabilitationsfähigkeit des Verletzten. Dass ohne EFL-Verfahren verlässliche Aussagen
über die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht möglich wären, ist unter Berücksichtigung der Begutachtungsliteratur wie SMV,
Rompe etc. nicht ersichtlich. Dabei ist zu beachten, dass die Testergebnisse im EFL-Verfahren von Mitarbeit und Motivation
der Probanden sowie deren Trainingszustand abhängen (vgl. hierzu Büschel u.a., aaO. S. 198 m.w.N.). So konnte in Studien mit
Hilfe der EFL nicht differenziert werden zwischen Patienten, die sich zu 100% angestrengt hatten, und solchen, die sich nur
zu 60% angestrengt hatten; auch eine zuverlässige Unterscheidung zwischen verletzten und nicht verletzten Arbeitern war in
Studien anhand des EFL nicht möglich (vgl. Büschel ebenda). Im Übrigen können die im EFL-Verfahren ermittelten persönlichen
Belastbarkeitsgrenzen hinsichtlich Dauer und Häufigkeit bestimmter standardisierter Funktionen (z.B. Heben bestimmter Gewichte
vom Boden auf Taillenhöhe, Gehen auf Balken, Stoßen bzw. Ziehen) allenfalls indirekte Hinweise für Funktionseinschränkungen
durch Verletzungsfolgen geben, zumal sie nicht nach der Ursache differenzieren und die nach der Rechtsprechung zu beachtenden
versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Erfahrungssätze zur Beurteilung der MdE in der R. andere Kriterien
als Häufigkeit bzw. Dauer bestimmter Tätigkeiten vorsehen.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits im Rahmen der vom Senat angeordnete Begutachtung durch Dr. D.
eine ambulante Untersuchung ablehnte. Der neu gestellte Beweisantrag, der auf eine bestimmte Untersuchungsmethode gerichtet
ist, ist insoweit rechtsmissbräuchlich.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
C) Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG sind nicht ersichtlich.