Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Rettungsassistent
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen Verschlimmerung der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 22.09.2000 Anspruch
auf Verletztenrente hat.
Der 1962 geborene Kläger musste eine Ausbildung zum Maler und Lackierer (1978 bis 1981) wegen Magenschleimhautentzündungen
abbrechen. Er war von 1981 bis 1982 als Rettungsdiensthelfer tätig und nach seinem Grundwehrdienst (1982 bis 1983) kurz als
Chemiearbeiter und anschließend seit 1985 als Rettungsassistent abhängig beschäftigt beim Bayerischen Roten Kreuz.
Am 22.09.2000 wurde der Kläger als Rettungssanitäter und Einsatzleiter zu einem Autounfall mit vier toten jungen Menschen
im Alter zwischen 17 und 19 Jahren und fünf Schwerverletzten gerufen. Der Kläger war als Einsatzleiter im Wesentlichen mit
der Verteilung der Verletzten befasst.
Am 05.10.2000 stellte sich der Kläger aufgrund anhaltender Niedergeschlagenheit und Angst beim Durchgangsarzt Prof. Dr. B.
vor, der eine posttraumatische Belastungsreaktion als Erstdiagnose stellte und eine Vorstellung beim Psychiater veranlasste,
die am selben Tag erfolgte.
Der behandelnde Psychiater und Psychotherapeut Dr. D. diagnostizierte im Arztbrief vom 13.10.2000 eine akute Belastungsreaktion,
die offensichtlich in eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) übergegangen sei; differenzialdiagnostisch sei an eine
depressive Reaktion zu denken (F 43.0, 43.1, 32.2 nach ICD 10). Der Kläger gab an, er habe nach dem Einsatz ca. vier Tage
frei gehabt. Als er bei Dienstbeginn mit dem Rettungswagen an der Unfallstelle vorbeigekommen sei, habe er plötzlich die Toten
wieder vor sich gesehen, ohne das Bild verdrängen zu können, und sei zunehmend unruhiger geworden. Er habe versucht, sich
zu beschäftigen, um die Bilder zu verdrängen, sei gedrückt, lustlos, freudlos, interesselos, kraftlos und antriebslos bei
zugleich erheblicher innerer Unruhe, Überempfindlichkeit und Gereiztheit. Er müsse grübeln, leide unter massiver Beeinträchtigung
seiner Merkfähigkeit und unerklärlichen Angsterleben, könne nicht einschlafen und wache immer wieder auf. Beim Gedanken, dass
der "Piepser" gehen könne, bekomme er panische Angst. Das Denken war inhaltlich auf die Problematik eingeengt, der Affekt
deutlich depressiv mit fast völliger Aufhebung von Modulation und Schwingungsfähigkeit, fehlender Auslenkbarkeit und deutlicher
Minderung bzw. Hemmung der Psychomotorik im Antrieb. Dr. D. berichtete mit Schreiben vom 01.12.2000 über einen schwankenden
Verlauf und empfahl dringend eine Rehabilitation.
Gegenüber dem Berufshelfer gab der Kläger am 05.12.2000 u.a. an, er habe schon einmal vor mehreren Jahren eine solche Phase
gehabt, nachdem er sechsmal hintereinander wegen Suizidfällen junger Leute im Einsatz gewesen sei.
Vom 11.12.2000 bis 19.01.2001 befand sich der Kläger stationär in der Reha-Klinik D. (Klinik für Neurologie, Psychosomatik
und Schmerzklinik). Diagnostiziert wurde eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1). Der Kläger zeigte gedrückte Stimmung
und Merkmale einer PTBS mit wiederholtem Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen, Nachhallerinnerungen und
Träumen sowie einen Zustand vegetativer Übererregbarkeit mit Vigilanzsteigerung, übermäßiger Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit.
Nicht vorhanden seien dagegen ein andauerndes Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit, sondern eher vermehrte Anrührbarkeit,
psychovegetative Destabilisierung sowie ängstliche Anlehnung an die eigene Familie. Angst und Depression seien vorhanden,
aber nicht so ausgeprägt wie bei einer primären affektiven Störung. Der Kläger hatte u.a. Angstzustände geschildert, vor dem
"Piepser" bzw. Zukunftsängste. Die Erinnerungen an diesen Unfall würden sich mit anderen belastenden Ereignissen summieren.
Während des Aufenthalts konnte eine Besserung erzielt werden. Allerdings kam es zu einem Einbruch wegen Erkrankung der Ehefrau
mit Operation im Januar 2001. Die Klinik empfahl die Fortsetzung der begonnenen Psychotherapie. Der Kläger könne die bisherige
Tätigkeit wieder vollschichtig aufnehmen, sollte aber zunächst von einem erfahrenem Kollegen begleitet werden. Im Rahmen der
Sozialberatung der Reha am 20.12.2000 und 03.01.2001 berichtete der Kläger über oft schreckliche Unfälle. Er habe Probleme
mit dem Lernen und wolle den Beruf als Rettungssanitäter gern wieder ausüben. Außer seinem 16-jährigen Stiefsohn lebten Pflegekinder
in seiner Familie. Auch die Kinder seiner Schwester habe er von 1996 bis 1998 aufgenommen und fühle sich noch für sie verantwortlich.
Die beiden Neffen hätten große Schwierigkeiten (z.B. Suizidversuch, Drogenabhängigkeit). All das führe zu großer Belastung
und häufiger Überforderung in der Familie.
Gegenüber dem Berufshelfer erklärte der Kläger am 13.02.2001, es gehe ihm gut und er brauche derzeit keine weitere Hilfe,
auch keine Psychotherapie und keine stufenweise Wiedereingliederung. Er sei nicht mehr als Einsatzleiter tätig, sondern fahre
ganz normal mit den Kollegen hinaus. Die Operation der Ehefrau sei gut verlaufen.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 19.06.2001 ein. Dieser führte aus, dass der Unfall
zu einer akuten Belastungsreaktion geführt habe, die in eine längerdauernde depressive Reaktion übergegangen sei. Aktuell
bestünden in Abhängigkeit von äußeren Belastungen geringfügige affektive Symptome, die nicht mehr behandlungsbedürftig seien.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Dr. K. bis zum 11.05.2001 auf 20 v.H., ab 11.05.2001 auf 10 v.H. Der Kläger
hatte berichtet, dass er nicht mehr als Einsatzleiter, sondern als normaler Rettungsassistent tätig sei und bei Konfrontation
mit Toten jedes Mal an den Vorfall vom 22.09.2000 erinnert werde. Er mache die Arbeit gern und sei mit dem Beruf zufrieden.
Die Reha sei sehr gut gewesen.
Mit Bescheid vom 24.08.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger bis zum 31.05.2001 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer
MdE von 20 v.H. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 06.12.2004 und 27.12.2004 machte die Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK) Erstattungsansprüche wegen
unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 08.10.2004 sowie Behandlungskosten geltend. Dr. D. bestätigte auf Nachfrage
im Bericht vom 07.04.2005 erneute einmalige Behandlung. Der Kläger habe über eine Krankenhausbehandlung wegen somatischer
Beschwerden bei Verdacht auf Herzinfarkt berichtet, ausgeprägte Schlafstörungen, gedrückte Stimmung sowie in den Sinn kommende
Unfallbilder, nicht nur des Unfalls vom 22.09.2000. Da ein Wiedervorstellungstermin nicht wahrgenommen worden sei, sei keine
Stellungnahme zum Unfallfolgezustand möglich. Dr. M. von der Kreisklinik A. sah keinen Zusammenhang des stationären Aufenthalts
des Klägers vom 08. bis 14.10.2004 in der Inneren Abteilung mit dem Unfall. Laut Unterlagen hatte der Kläger seit Januar 2004
revidierendes thorakales Stechen sowie eine Belastungsdyspnoe geschildert und aktuell aus völligem Wohlbefinden aufgetretene
starke linksthorakale Schmerzen, Dyspnoe, Schwitzigkeit und Schummrigkeit genannt. Diagnostiziert wurde eine Somatisierungsstörung
mit linksseitigen Dyskardien; die umfangreiche Abklärung (CT des Thorax, Ergometrie, Echo, C-Angiographie, Labor und Bodyplethysmographie)
sei völlig ohne Befund geblieben. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 18.05.2005 die Kostenerstattung gegenüber
der DAK unter Hinweis auf die Unterlagen ab. Mit Schreiben vom 14.12.2009 zeigte die DAK bei der Beklagten eine mögliche Berufskrankheit
an wegen posttraumatischer Belastungsstörung mit Lähmung des rechten Armes und des rechten Beines mit Gangstörung, somatoformen
und dissoziativen Störungen sowie depressiven Episoden mit Arbeitsunfähigkeit ab 09.09.2009.
Mit Schreiben vom 17.04.2011 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit seit 02.04.2009 als
Folge des Arbeitsunfalls vom 22.09.2001. Mit Schreiben vom 16.05.2011 stellte er klar, dass er sowohl eine Verschlimmerung
der Unfallfolgen in Form der Arbeitsunfähigkeit als auch Leistungen wegen der gesamten beruflichen Belastung geltend mache.
Ergänzend führte er aus, dass der Kläger laufend belastende Ereignisse erlebt habe; besonders belastend seien der Unfall vom
22.9.2000 gewesen sowie ein Einsatz, bei dem eine Frau sich und ihre Kinder getötet habe. Der Kläger sei immer bei den ganz
belastenden Fällen im Einsatz. Der behandelnde Dr. N. habe ein posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert und eine
stationäre Rehabilitation veranlasst.
Die Beklagte lehnte einen Anspruch auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 22.09.2000 mit Bescheid vom 22.9.2011
ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Arbeitsunfähigkeit ab 02.04.2009 bestehe nicht. Das Beschwerdebild
sei nach Klägervortrag nicht Folge eines speziellen Ereignisses bzw. der Einwirkung einer Arbeitsschicht, sondern möglicherweise
Folge einer Vielzahl belastender Ereignisse. Über eine Wie-Berufskrankheit ergehe gesonderter Bescheid. Den gegen die Rentenablehnung
gerichteten Widerspruch vom 24.10.2011 wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 22.11.2011 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat dagegen am 08.12.2011 (Az. S 23 U 791/11) Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben. Den zunächst gestellten Antrag auf Feststellung, dass die seit 02.04.2009 andauernde Arbeitsunfähigkeit Unfallfolge
sei, hat er sinngemäß mit der Klagebegründung am 27.01.2012 unter Hinweis auf eine rentenberechtigende MdE von mind. 20 v.H.
und ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 16.07.2013 auf Gewährung von Verletztenrente erweitert.
Mit Bescheid vom 25.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.03.2012 hat die Beklagte Entschädigungsansprüche
wegen einer Berufskrankheit abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage unter dem Az. S 23 U 174/12 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2013 zurückgenommen.
Das SG hat die Rehabilitationsentlassungsberichte der Burgklinik S. vom 13.10.2009 und des Rehazentrums R.-Klinik Bad K. vom 14.06.2012
sowie die medizinischen Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) beigezogen und einen Befundbericht des Nervenarztes
Dr. N. eingeholt, auf die Bezug genommen wird.
Aus diesen medizinischen Unterlagen sowie den Befunden der Schwerbehindertenakte des Klägers beim D. Regionalstelle C-Stadt
(ZBFS) geht hervor, dass beim Kläger am 22.05.2005 bei einer Taufe plötzlich eine Lähmung der rechten Körperhälfte aufgetreten
war. Zunächst ist vom 22. bis 27.05.2005 stationäre Behandlung des Klägers in der Klinik M. wegen ischämischen Hirninfarkts
im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media linkshirnig erfolgt. Allerdings hat die MRT-Diagnostik vom 23. und 24.05.2005
keine Hinweise für einen frischen Infarkt ergeben. Zunächst ist Besserung eingetreten, auch in der anschließenden Rehabilitation
in der Klinik P. in Bad G. (Aufenthalt vom 27.05.-24.06.2005); ab Mitte des Aufenthalts hat sich jedoch die Symptomatik verschlechtert
mit Blick auf die Gleichgewichtsfunktion und angesichts sprachlicher Auffälligkeiten in Form von Stottern und Wortfindungsstörungen.
Die Defizite wurden als eher neuropsychologisch angesehen. Als abklärungsbedürftige Verdachtsdiagnosen sind eine Enzephalomyelitis
disseminata (= Multiple Sklerose) und eine Neuroborreliose genannt worden. Der Kläger habe dringend seine Tätigkeit wieder
aufnehmen wollen, was die Klinik nicht als möglich angesehen hat. Nach Entlassung hat sich das Stottern verschlechtert.
Während des Aufenthalts in der neurologischen Abteilung des Klinikums T. vom 17.06. bis 24.08.2004 ist mittels Liquoruntersuchung
eine entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems ausgeschlossen worden. Eine Borrelienerkrankung wurde angesichts konstanter
Antikörperwerte nicht für wahrscheinlich gehalten. Insgesamt sind trotz umfangreicher Untersuchungen keine somatischen Ursachen
für das Stottern, die fluktuierenden Wortfindungs- und Sprachverständnisstörungen sowie das fluktuierende rechtsseitige Hinken
gefunden werden. Bei insgesamt sehr stark fluktuierender Symptomatik ist eine dissoziative Störung diagnostiziert worden.
Nach Untersuchung in der neurologischen Abteilung des Klinikums C-Stadt vom 12.09.2005 ist nach teilstationären Untersuchungen
am 08.09.2005 eine somatoforme Störung mit Sprechstörung und Hemisymptomatik links ohne organisches Korrelat diagnostiziert
worden. Klinisch bestünden eine stotternde, aber gut verständliche Aussprache, eine Hemisymptomatik rechts, die durch Fluktuation
bei Aufmerksamkeit und Ablenkung gekennzeichnet sei, und eine psychogene Gangstörung mit nach Ablenkung deutlich sichererem
Gangbild. Der Kläger hat eine Hypästhesie der gesamten rechten Körperhälfte beklagt.
Der Kläger hat von März bis Dezember 2006 Erwerbsminderungsrente bezogen und dann wieder als Rettungssanitäter gearbeitet.
Im Rehabericht der Burgklinik S. über den Aufenthalt vom 09.09. bis 07.10.2009 ist eine dissoziative Bewegungsstörung (F 44.4)
sowie eine depressive Anpassungsstörung (F 43.2) diagnostiziert worden. Der Kläger hat u.a. über Gewalt des trinkenden Vaters
gegenüber der Mutter berichtet. Nach Wiederaufnahme der Arbeit Anfang 2007 seien wieder Sprachschwierigkeiten mit Stottern
und Wortfindungsstörungen sowie ein Unsicherheitsgefühl beim Gehen, v.a. rechts, aufgetreten. Konzentration, Gedächtnis und
Lernfähigkeit seien schlechter; er fühle sich minderwertig. Die Klinik hat die Symptomatik - Lähmung, Gangunsicherheit und
Sprechstörung - am Ehesten als Konversionssymptomatik gesehen. Der Beruf habe der Stabilisierung des labilen Selbsts gedient,
mit Schwankungen im Selbstwerterleben (Retter/Versager) mit Zuspitzung 2000 und Unsicherheit durch Rollenwechsel - vom Rettungssanitäter
zum Patienten - 2005. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht Bezug genommen.
Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 11.02.2010 sind dissoziative Bewegungsstörungen
(F 44.4) und eine depressive Anpassungsstörung (F 43.2) diagnostiziert worden.
Der Dr. N. hat im Gutachtern für die DRV vom 22.02.2011 die Diagnosen dissoziative Sprach- und Bewegungsstörungen (F 44.4)
sowie Anpassungsstörungen (F 43.2) gestellt. Die teils flüssige, teils abgehackte Sprache sei eindeutig psychogen. Es handele
sich um eine neurotische Fehlverarbeitung. Die Bewegungen sind bei Untersuchung regelrecht mit unauffälliger Feinmotorik gewesen.
Der Kläger hat gerne wieder arbeiten wollen und das auch für möglich gehalten.
Der Nervenarzt Dr. K. hat im Gutachten für die DRV vom 12.10.2011 ebenfalls Anpassungsstörungen, dissoziative Bewegungsstörungen
und Sprachstörungen diagnostiziert. Der Kläger sei seit Juli wieder im Rettungsdienst tätig und habe vermehrt Stress, hohen
Blutdruck, fühle sich müde, lustlos, könne sich schlecht konzentrieren und sei nach der Arbeit völlig erschöpft. Zeitweise
fehle das Feingefühl in den Fingern rechts und die rechte Seite sei etwas schwächer; Sprachstörungen würden auftreten. Der
Schlaf sei schlecht wegen vermehrten Grübelns. Hinweise für das Fortbestehen einer PTBS, die aus der Anamnese bekannt sei,
hat Dr. K. nicht gesehen.
Im Rehabilitationsbericht der R.-Klinik Bad K. über den Aufenthalt des Klägers vom 02.05 bis 06.06.2012 sind als Diagnosen
eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradiger Episode, eine dissoziative Bewegungsstörung, eine arterielle
Hypertonie sowie eine gestörte Glukosetoleranz genannt worden. Der Kläger hat u.a. nervöse Unruhe, Konzentrationsminderung,
betrübte Stimmung, Schlafstörungen, Ängste vor Fehlern sowie Zukunfts- und Existenzängste, zeitweise Gleichgewichtsprobleme
und Sprachstörungen geschildert. Er habe mit seinem Rechtsanwalt Wiedereingliederung durchgesetzt, wobei er dank Alturlaubs
ca. 14 Tage im Monat arbeite und 14 Tage Pause habe. Im Bericht wird ausgeführt, dass die Gewalttätigkeit des Vaters gegenüber
der Mutter zu Hilflosigkeit und emotionaler Überforderung, Schuld- und Schamgefühlen geführt habe. Der Kläger identifiziere
sich stark mit der Rolle als Rettungssanitäter; der Verlust des Berufs bedeute für ihn tiefe Verunsicherung für Selbstbild
und Selbstwertgefühl. Der Beruf führe aber zu permanenter emotionaler Überforderung. Die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt liege unter drei Stunden täglich.
Der Dr. N. hat mit Schreiben vom 10.01.2012 über erstmaligen Kontakt im Rahmen einer Begutachtung für die DRV am 06.04.2009
und am 21.04.2009 berichtet. Er hat als Diagnosen eine vordiagnostizierte PTBS und einen Verdacht auf Somatisierungsstörung
genannt.
Das SG hat ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. P. vom 20.09.2012 aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers eingeholt.
Die Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Störung, leicht bis mittelschwer (F 33.0-33.1), eine dissoziative Sprach-
und Empfindungsstörung (F 44.7) und einen Zustand nach PTBS 2000 - remittiert - (F 43.1) diagnostiziert. Der Kläger hat u.a.
berichtet, dass er nach der Rehabilitation 2001 bis 2004 keine Beschwerden gehabt habe. Aus dieser Zeit seien ihm aber zwei
weitere schlimme Erlebnisse im Gedächtnis: 2002 der Suizid einer Mutter mit Tötung ihrer Kinder und 2003 ein Motorradfahrer
mit abgetrenntem Kopf. Vielleicht einmal pro Woche würden ihm die Bilder dieser Unfälle durch den Kopf gehen; er habe Albträume,
wobei sich die Einsätze manchmal mischen würden. Teilweise habe er Druck über dem Herzen wie 2005 mit Taubheitsgefühl im rechten
Arm, in der rechten Hand und im rechten Bein sowie "Ameisenlaufen", parallel leichtes Stottern und Wortfindungsstörungen,
v.a. bei Aufregung unter Belastung. Bei Rückzug bessere sich die Symptomatik. Er erhalte befristete Erwerbsminderungsrente.
Auf die Schilderungen der Lymphknotenerkrankung des Stiefsohns und die Schulden wird verwiesen. Dr. P. hat ausgeführt, dass
beim Kläger das Vollbild einer PTBS zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe und die aktuellen Störungsbilder - die leichte bis
maximal mittelschwere depressive Störung und die dissoziativen Sprach- und Empfindungsstörungen - nicht mit Wahrscheinlichkeit
auf den Unfall vom 22.09.2000 als ursächlich zurückzuführen seien. Zwar sei das sog. A 1-Kriterium der PTBS - ein grundsätzlich
zur Auslösung posttraumatischer Symptomatik geeignetes Ereignis - noch erfüllt. Nicht dokumentiert sei aber im engeren Sinn
das A 2-Kritierum mit unmittelbarem Erleben von Hilflosigkeit und gefühlsmäßige Beeinträchtigung. Dies habe sich erst allmählich
im Verlauf der folgenden Wochen entwickelt, allerdings nicht im Vollbild. Die damaligen Symptome seien schon nach drei bis
vier Monaten völlig abgeklungen und seitdem nicht mehr beschrieben worden. Vereinzelte Erinnerungsbilder und Albträume, die
hier ohne emotionale Beteiligung geschildert worden seien, seien nicht pathologisch. Anhaltspunkte für emotional besetzte
Flashbacks, Intrusionen oder andere spezifische posttraumatische Symptome hat die Sachverständige nicht feststellen können.
Ab 2004 seien somatoforme und ab 2005 dissoziative Symptome aufgetreten, früher bezeichnet als Konversionsstörung. Dabei würden
Symptome ohne organisches Korrelat bei Verleugnung offensichtlicher Probleme und Schwierigkeiten auftreten. Für die Abgrenzung
zur PTBS sei zu beachten, dass bei PTBS eine anhaltende Vermeidung von Reizen bestehe, die mit dem Trauma verbunden sind,
also ein bewusstes Vermeiden von Gedanken oder Gefühlen und von Aktivitäten, die die Erinnerung wachrufen. Das sei aber beim
Kläger nicht der Fall. Die ab 2005 objektivierte dissoziative Störung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auf das langjährige Hilflosigkeits- und Angsterleben durch Traumatisierungen in der Kindheit zurückzuführen. Die Symptomatik
wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ohne das Ereignis vom 22.09.2000 aufgetreten. Erst recht seien die
ab 2009 beschriebene unspezifische Anpassungsstörung und die im Sommer 2012 genannte depressive Episode nicht auf das Ereignis
als wesentliche Ursache zurückzuführen. Diese Gesundheitsstörungen seien zwanglos durch die seit der Kindheit bestehende psychische
Instabilität mit erheblichem Minderwertigkeitserleben zu erklären sowie die folgenden weiteren Belastungen wie dem unerfüllten
Kinderwunsch, den Sorgen um Pflegekinder bzw. um den Adpotivsohn etc. Diese konkurrierenden Faktoren stünden gegenüber dem
einzelnen Ereignis vom 22.09.2000 weit im Vordergrund.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 15.11.2012 eingewandt, dass der Kläger vor 2000 keine gesundheitlichen Probleme
gehabt habe. Die Betreuung der Pflegekinder mache ihm Freude; mit seiner Schwester und deren Kinder habe er keine Probleme.
Die Argumentation, dass Erlebnisse in Kindheit und Jugend ursächlich seien, sei an den Haaren herbeigezogen. Der Kläger habe
keine Ohnmacht gegenüber dem Vater erlebt. Seitdem dieser mit 50 Jahren mit dem Trinken aufgehört habe, bestehe ein gutes
Verhältnis. Er habe laufend Albträume und könne keine Nacht durchschlafen. Bei den mehrwöchigen Rehabilitationen 2006 und
2009 sei ein eindeutiger Zusammenhang mit der PTBS hergestellt worden. Auf die vorgelegte Stellungnahme des Internisten Dr.
G. vom 02.12.2012, der den Kläger seit 2004 behandelt, wird Bezug genommen.
Das SG hat nach mündlicher Verhandlung am 16.07.2013 die Klage abgewiesen, weil keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die
Kammer hat sich der Einschätzung von Dr. P. angeschlossen, dass die posttraumatische Symptomatik vollständig remittiert sei
und die rezidivierende depressive Störung und die dissoziativen Störungen nicht wesentlich durch den Unfall verursacht seien.
Die vom Kläger ohne emotionale Beteiligung beschriebenen vereinzelten Erinnerungsbildern und Albträume seien nicht als pathologisch
zu werten, zumal er den Beruf wieder ausgeübt habe und damit nicht das geforderte Vermeidungsverhalten gezeigt habe. Dr. N.
habe keine PTBS diagnostiziert, sondern nur die Vordiagnose erwähnt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug
genommen.
Gegen das am 24.07.2013 zugestellte Urteil hat der Klägerbevollmächtigte am 24.08.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung
hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einschätzung von Dr. P. nicht nachvollziehbar sei, insbesondere zu der Ursächlichkeit
von Erlebnissen aus Kindheit und Jugend bzw. zu den familiären Belastungen. Der Kläger träume nicht von Erlebnissen aus der
Kindheit, sondern von (verdrängten) Unfällen. Letztlich sei der Unfall vom 22.09.2000 das Ereignis gewesen, mit dem das Glas
"übergeschwappt" sei. Behandelnde Ärzte wie Dr. N. sähen die Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall. Er hat sich auf ein
Attest des Facharztes für Nervenheilkunde Herrn Dr. E. vom 14.10.2013 gestützt, der den Kläger seit Dezember 2012 regelmäßig
behandelt hat. Dieser führt aus, dass beim Kläger eine PTBS sowie eine Dysthymie vorlägen und aus fachärztlicher Sicht ein
kausaler Zusammenhang zwischen dem Ereignis im Jahr 2000 und sich daraus entwickelnden Auffälligkeiten bestehe. Der Kläger
habe in Folge dieses Unfalls eine "geradezu posttraumatische Belastungsstörung" entwickelt. Er leide durchgehend unter Schlafstörungen
und unter dem wiederholten "Aufflackern" der schrecklichen Situation mit Schweißausbrüchen, Konzentrationsstörungen, Antriebs-
und Freudlosigkeit sowie einer sich anbahnenden chronifizierenden Depression.
Das LSG hat die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen und ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. C. vom
27.12.2013 eingeholt, erstellt nach Untersuchung am 03.12.2013. Dieser hat ausgeführt, dass weder die - derzeit schwere -
depressive Störung noch die dissoziativen Störungen des Klägers auf das Unfallereignis vom 22.09.2000 als wesentliche Ursache
zurückgeführt werden können und dass keine PTBS vorliegt. Er hat sich der Einschätzung von Dr. P. vollumfänglich angeschlossen.
Der Kläger hat Schlafstörungen, Angstträume, Schweißausbrüche und Unlust, verspätetes Einschlafen, erschwertes Aufwachen und
angstbesetzte Träume mit verschiedenen Berufseindrücken sowie wirtschaftliche Zukunfts- und Versagensängste beklagt. Er habe
von 2000 bis 2004 weitergearbeitet, aber mit schlechtem Gefühl, nur um sein Geld zu verdienen. Bei unauffälligem neurologischen
Befund war der Kläger verlangsamt, die Stimmungslage unfroh, die Modulationsfähigkeit stark verringert, der affektive Ausdruck
deutlich eingeschränkt und der Antrieb verkürzt bei ungewöhnlich ausgedehntem Schlafbedarf. Die Kriterien für eine PTBS hat
Dr. Dr. C. nicht als erfüllt gesehen. Zweifelhaft sei schon, ob eine entsprechende objektive Konstellation (A1-Kriterium)
vorgelegen habe, da der Kläger bei bereits abgeschlossenem Vorgang organisatorisch tätig war, nicht mit unmittelbarem Körperkontakt.
Das A2-Kriterium (emotionale Antwort zum Geschehenszeitpunkt) sei kritisch, weil sich diese emotionale Antwort erst binnen
Wochen entwickelt habe. Vor allem aber fehle das C-Kriterium im Sinne eines Vermeidungsverhaltens, da der Kläger bereits im
Februar des Folgejahres vollschichtig im alten Beruf tätig geworden war. Bei eigener Begutachtung sei eine besondere affektive
Anspannung bei Berührung der Thematik nicht zu beobachten gewesen. Die seit 2005 aufgetretenen Beschwerden seien, wenn auch
möglicherweise ausgelöst durch eine Migraine accompagniee, nur als dissoziative Störung verständlich (sog. frühere Konversionsneurose).
Eine solche Symptomatik werde jedoch bei PTBS nicht erwartet und könne auf eine prämorbid vermehrte psychische Vulnerabilität
hinweisen. Eine kausale Verbindung zum Unfallgeschehen lasse sich nicht herstellen. Eine Kausalität der - aktuell schweren
- depressiven Störung mit dem Unfall sei eindeutig zu verneinen angesichts des Zeitverlaufs und der zwischenzeitlich gänzlich
anderen - dissoziativen - Störungsmuster. So habe der Kläger im alten Beruf ohne Pause bis 2004 durchgearbeitet. Die danach
auffallenden Symptome könnten nicht auf den Unfall zurückgeführt werden. So hätten auch die Gutachter Dr. K., Dr. W. und Dr.
N. sowie die Rehaklinik Bad K. die Diagnose einer PTBS vermieden, trotz Kenntnis der Vorgeschichte. Unfallfolgen bestünden
nicht mehr; derzeitige Gesundheitsstörungen seien weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung auf das Unfallereignis
zurückzuführen.
Der Kläger hat eingewandt, dass sein behandelnder Facharzt Dr. E. und der Hausarzt Dr. G. die Zusammenhänge anders bewerten
würden. Diese würden ihn besser kennen. Er fühle sich im Stich gelassen.
Das LSG hat einen Befundbericht des Internisten Dr. G. vom 21.02.2014 eingeholt. Dieser führte aus, dass die Bewegungs- und
Sprechstörung Folge einer PTBS sei. Das Trauma sei als auslösende Ursache zu sehen. Seit mindestens 2012 bestehe eine schwere
depressive Symptomatik mit im Vordergrund stehender Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, sicherlich verstärkt durch zermürbende
sozialrechtliche Auseinandersetzungen. Auf Arztbriefe von Dr. E. vom 06.12.2012, vom 02.05.2013 und 25.11.2013 wird verwiesen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat ein Gutachten bei der Neurologin und Psychiaterin Dr. E. vom 28.07.2014 nach §
109 SGG eingeholt. Nach Untersuchung des Klägers am 08.07.2004 hat Dr. E. beim Kläger ein protrahiert verlaufendes depressives Syndrom,
am Ehesten im Sinne einer reaktiven depressiven Symptomatik (Anpassungsstörung F 43.2), sowie eine PTBS (F 43.1) diagnostiziert.
Beide Erkrankungen würden auf dem Arbeitsunfall vom 22.09.2000 beruhen. Eine MdE von 30 v.H. habe durchgehend seit dem Unfallereignis
vorgelegen. Die bisherigen Gutachten hätten aktuelle wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse nicht ausreichend berücksichtigt.
Das A1- und A2-Kritrium für eine PTBS seien erfüllt; der Kläger beschreibe das Erleben intensiver Furcht, Hilfslosigkeit und
Entsetzen als Reaktion auf das Ereignis. Er schildere auch wiederkehrende und eindringliche belastende Erinnerungen an das
Ereignis, Bilder, Gedanken oder Wahrnehmungen und belastende Träume. So fühle er sich sofort mit dem Ereignis konfrontiert,
wenn er an der Unfallstelle entlangfahre. Auch entsprechendes Vermeidungsverhalten liege vor, selbst in der Zeit, in der er
sich quasi als nach außen gesund einstufte. Er habe die Psychotherapie nicht fortgeführt, um nicht an das Trauma erinnert
zu werden, und sei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen gesehen, in seinem Beruf weiterzuarbeiten. Der Affekt sei eingeschränkt.
Er sei unfähig, zärtliche Gefühle zu empfinden, könne kaum bzw. keine Gefühle mehr zeigen und habe bei Begutachtung hoffnungslos
gewirkt. Das D-Kriterium sei erfüllt, denn er könne nicht schlafen, fühle sich gereizt und wütend, sei schreckhafter und habe
Konzentrationsschwierigkeiten. Die Beschwerden würden bis heute und damit über einen Monat andauern (E-Kriterium) und er sei
beruflich, sozial und privat erheblich beeinträchtigt (F-Kriterium). Nach revidierter Version des DSM vom Mai 2013 sei das
Kriterium A2 unerheblich. Außerdem liege beim Kläger das zusätzliche diagnostische Kriterium einer anhaltenden negativen kognitiven
und emotionalen Veränderung vor. Neueste Studien würden zeigen, dass ein traumatisches Ereignis die Wahrscheinlichkeit für
affektive Störungen, andere Angststörungen und Substanzmissbrauch erhöhe und psychische Folgen übersehen oder unterschätzt
werden könnten. Außerdem sei in der neuen Version der ICD zu den bisherigen Symptomclustern ein "dissoziativer Subtypus" eingefügt.
Daher sei nicht auszuschließen, dass die Konversionsstörung (heute: anhaltende somatoforme Störung) des Klägers in Form einer
Bewegungs- und Sprechstörung auch im Sinne eines dissoziativen Zustandes in Folge eines Traumas gedeutet werden könne. Dass
die Anzahl traumatischer Ereignisse das Risiko der Entwicklung einer PTBS erhöhe, stütze die Diagnose. Weitere Studien würden
zeigen, dass die Mehrzahl der an PTBS Erkrankten zumindest eine zusätzliche psychiatrische Diagnose aufweisen. So zeige eine
Studie, dass 97 % der posttraumatischen Betroffenen einer erwachsenen US-Bevölkerung weitere psychische Störungen oder somatische
Erkrankungen wie Rückenschmerzen, Asthma, Arthritis etc. entwickelten. Daher stehe die anhaltende Anpassungsstörung, also
die depressive Symptomatik, sehr wohl mit der PTBS bzw. dem Unfallereignis in Zusammenhang. So habe der Kläger vor dem Unfall
im Jahr 2000 nie psychische Beschwerden gehabt. Dieses Ereignis sei trotz weiterer Ereignisse im Beruf auch der Auslöser der
PTBS gewesen. Eine Studie amerikanischer Veteranen zeige, dass das Vollbild einer PTBS mit erheblicher zeitlicher Verzögerung
auftreten könne. Auch beim Kläger sei es nach kurzem Aufflackern vorübergehend zu einer Art Beruhigung, aber nie zu einer
Remission der Symptomatik gekommen. Er habe die Probleme verdrängt, weil er arbeiten musste, um nicht zu verarmen, wobei er
sich all die Jahre mit der Angst gequält habe, wieder zu einem schrecklichen Unfallereignis gerufen zu werden.
Die Beklagte hat mit Stellungnahme vom 05.09.2014 dieser Einschätzung widersprochen. Im Wesentlichen werde die Beurteilung
auf subjektive Beschwerden und Symptome gestützt, bei unzureichender Auseinandersetzung mit den aufgezeigten Konkurrenzursachen.
Das LSG hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahem von Dr. Dr. W. vom 06.12.2014 eingeholt. Dieser hat an seiner bisherigen
Beurteilung festgehalten. Es fehle an einem entsprechenden Vermeidungsverhalten, da der Kläger tatsächlich seinen alten Beruf
jahrelang ausgeübt und damit die traumaspezifische Berufsexposition nicht vermieden habe. Laut Rehabericht vom Februar 2001
habe der Kläger erklärt, er sei fit, wolle arbeiten und keine stufenweise Wiedereingliederung. Außerdem habe sich die Gefährdungsexposition
eher erhöht, weil der Kläger nach dem Ereignis "normal" als Rettungssanitäter mit einem weiteren Kollegen zu Einsätzen hinausgefahren
sei. Auch hätten berufsgebundene Analogereignisse keine verschärften psychischen Reaktionen hervorgerufen bzw. Brückensymptome
ausgelöst, wie es bei PTBS zu erwarten wäre. Übereinstimmend mit allen anderen Vorgutachtern sei das Vermeidungskriterium
daher nicht erfüllt. Auch die nachfolgende psychische Symptomatik sei nicht auf den Unfall zurückzuführen. Dass Personen,
die eine PTBS hinter sich haben, statistisch gehäuft andere Störungen haben können, wie Rückenschmerzen, Asthma oder Arthritis,
belege den Ursachenzusammenhang nicht. Der psychopathologische Inhalt der PTBS sei nicht beliebig austauschbar. Notwendig
sei ein Ursachenzusammenhang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit; dass ein dissoziativer Zustand als Folge eines Traumas
gedeutet werden kann, genüge nicht. Auch genüge nicht, dass Anpassungsstörungen mit dem Ereignis "in Verbindung stehen".
Der Klägerbevollmächtigte hat eine Stellungnahme von Dr. E. vom 03.03.2015 vorgelegt. Diese hat an ihrer Einschätzung festgehalten.
Der Kläger leide an einer PTBS und an einem protrahiert verlaufendem, depressiven Syndrom und es gebe Hinweise für eine andauernde
Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Die Störungen beruhten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf dem
Arbeitsunfall vom 22.09.2000.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat mit den Beteiligten die Gutachten besprochen und darauf hingewiesen, dass vor
allem das fehlende Vermeidungsverhalten gegen eine PTBS spreche. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift
Bezug genommen.
Die Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.07.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2011
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2011 zu verpflichten, dem Kläger wegen Verschlimmerung der Folgen des
Arbeitsunfalles vom 22.09.2000 eine Verletztenrente nach einer MdE von mind. 20 v. H. zu zahlen, und festzustellen, dass eine
aktuelle posttraumatische Belastungsstörung, eine Anpassungsstörung, dissoziative Störungen und depressive Störungen weitere
Unfallfolgen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Beklagtenakte, die Akten des SG unter den Az. S 9 U 826/03, S 23 U 791/11 und S 23 U 174/12, die Schwerbehindertenakte und die Akte des LSG Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist.
Entscheidungsgründe
A) Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet. Das klageabweisende
Urteil des SG ist vollumfänglich zu bestätigen.
Die auf Gewährung von Verletztenrente und Feststellung weiterer Unfallfolgen bzw. auf Feststellung einer Verschlimmerung von
Unfallfolgen gerichteten Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 22.09.2011 in
der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.11.2011 die Gewährung einer Verletztenrente aus dem Arbeitsunfall vom 22.09.2000
und die Feststellung einer Verschlimmerung von Unfallfolgen abgelehnt. Nach Überzeugung des Senats sind weitere Unfallfolgen
bzw. eine Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht eingetreten und eine rentenberechtigende MdE infolge des Arbeitsunfalls vom
22.09.2000 liegt weiterhin nicht vor, so dass eine Abänderung des Bescheides vom 24.08.2001 wegen wesentlicher Änderung gemäß
§ 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht in Betracht kommt.
Mit Schreiben vom 16.05.2011 hat der Klägerbevollmächtigte eine Verschlimmerung der Unfallfolgen geltend gemacht unter Hinweis
auf die Arbeitsunfähigkeit des Klägers seit 02.04.2009. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung
der tatsächlichen Verhältnisse kann auch die Entstehung weiterer Unfallfolgen oder die Verschlimmerung bereits bestehender
Unfallfolgen sein.
Gemäß §
102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) hat jeder Versicherte Anspruch auf Feststellung der Unfallfolgen (vgl. BSG vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R). Unfallfolgen sind die Gesundheitsschäden, die wesentlich durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht
wurden oder die nach besonderen Zurechnungsnormen wie §
11 SGB VII dem Gesundheitserstschaden bzw. dem Versicherungsfall zugerechnet werden (vgl. BSG vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R).
Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden sowie zwischen Gesundheits(erst)schaden
und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - [...] RdNr. 12), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis
Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich
werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt
haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache
zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - [...] RdNr. 12) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen
zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 17). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art
und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierenden Ursachen (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das
Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte
(vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 16).
Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Ist jedoch eine Ursache - allein oder gemeinsam mit anderen Ursachen
- gegenüber anderen Ursachen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich"
und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245). Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist, kann auch
als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 15 m.w.N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes ist zu beachten, dass das Vorliegen des Gesundheitsschadens im Wege des Vollbeweises, also
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen muss, während für den Nachweis der wesentlichen
Ursachenzusammenhänge die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit genügt (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - [...] RdNr. 16).
Der Senat vermag sich aber nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger über Mai 2001 hinaus eine PTBS mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit vorgelegen hat und dass die seit 2004 im weiteren Verlauf aufgetretenen psychischen Gesundheitsstörungen
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis oder den Gesundheitserstschaden als wesentliche Teilursache zurückzuführen
sind.
1. Eine PTBS ist beim Kläger für den Zeitraum ab Juni 2001 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Der Senat schließt sich damit den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. P. und Dr. Dr. C. an.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat ausgeführt, dass die Feststellung psychischer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme
und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll, damit die Feststellung nachvollziehbar ist und
weil die genaue Diagnosestellung die Beurteilung der Ursachen der Erkrankung erleichtert (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 22; BSG vom 15.05.2012 - B 2 U 13/11 R - [...] RdNr. 20, vgl. auch Spellbrink, SGb 2013, Bl. 154 ff.). Als solche anerkannten Diagnosesysteme hat das BSG insbesondere die ICD 10 (International Classification of Diseases) sowie das DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders - Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) genannt.
Nach F 43.1 der ICD 10-GM 2015 entsteht die PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis
oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei
fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Dabei können prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte
oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte die Schwelle für die Entwicklung dieses
Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um
das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen
(Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein
und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der
Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen
könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit
und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken
sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist
wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über
viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über.
Nach DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) gelten für eine PTBS (Nr. 309.81) folgende Kriterien:
A. Die Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert, bei dem die beiden folgenden diagnostischen Kriterien vorhanden
waren: 1. die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder
drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer
Personen beinhalteten. 2. Die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen.
B. Das traumatische Ereignis wird beharrlich auf mindestens eine der folgenden Weisen wiedererlebt: 1. wiederkehrende und
eindringliche belastende Erinnerungen an das Ereignis, die Bilder, Gedanken oder Wahrnehmungen umfassen können. 2. Wiederkehrende,
belastende Träume von dem Ereignis. 3. Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wiederkehrt (beinhaltet das Gefühl,
das Ereignis wiederzuerleben, Illusionen, Halluzinationen und dissoziative Flashback-Episoden, einschließlich solcher, die
beim Aufwachen oder bei Intoxikation auftreten). 4. Intensive psychische Belastung bei der Konfrontation mit internalen oder
externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern.
5. Körperliche Reaktionen bei der Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen
Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern.
C. Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden sind, oder eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität
(vor dem Trauma nicht vorhanden). Mindestens drei der folgenden Symptome liegen vor: 1. bewusstes Vermeiden von Gedanken,
Gefühlen oder Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, 2. bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen,
die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, 3. Unfähigkeit, sich an wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern, 4. deutlich vermindertes
Interesse oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten, 5. Gefühl der Losgelöstheit oder Entfremdung von anderen, 6.
eingeschränkte Bandbreite des Affektes (z.B. Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden, Gefühl einer eingeschränkten Zukunft
(z.B. erwartet nicht, Karriere, Ehe, Kinder oder ein normal langes Leben zu haben).
D. Anhaltende Symptome erhöhten Arousals (vor dem Trauma nicht vorhanden). Mindestens zwei der folgenden Symptome liegen vor:
1. Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen 2. Reizbarkeit oder Wutausbrüche 3. Konzentrationsschwierigkeiten 4. übermäßige
Wachsamkeit (Hypervigilanz) 5. übertriebene Schreckreaktionen
E. Das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C, D) dauert länger als einen Monat.
F. Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder
anderen wichtigen Funktionsbereichen.
Auch nach der seit 2013 in den USA geltenden DSM V ist das anhaltende Vermeiden von Reizen (Kriterium C) von wesentlicher
Bedeutung. Gefordert wird eine anhaltende, nach dem Trauma beginnende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden
sind. Mindestens eines der folgenden beiden Symptome wird verlangt: 1. bewusstes Vermeiden von belastenden Erinnerungen, Gedanken
oder Gefühlen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen und / oder 2. bewusstes Vermeiden von äußeren Umständen (Menschen,
Orte, Unterhaltungen, Aktivitäten, Gegenstände, Situationen), die Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle an das Trauma wachrufen.
Übereinstimmend ist daher nach den Diagnosekriterien von ICD und DSM ein entsprechendes Vermeidungsverhalten, also das Bemühen
zur Vermeidung traumatypischer Reize, zu fordern (vgl. dazu auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.01.2015 - L 6 U 5221/12 - [...] RdNr. 55). Nach überzeugenden Ausführungen von Dr. P. und Dr. Dr. C. lässt sich ein solches Verhalten des Klägers
aber nicht belegen. Dabei dürfen nicht nur die (nachträglichen) Angaben des Klägers bei der Begutachtung herangezogen werden;
vielmehr müssen auch zeitnahe Erhebungen und Befunde sowie Äußerungen des Klägers und sein tatsächliches Verhalten gewürdigt
werden.
Zutreffend hat Dr. Dr. C. darauf hingewiesen, dass der Kläger nach seinem stationären Aufenthalt in der Klinik D. vom 11.12.2000
bis 08.01.2001 im Februar 2001 gegenüber dem Berufshelfer geäußert hatte, es gehe ihm wieder gut, er sei arbeitsfähig und
werde auf jeden Fall die Tätigkeit wieder aufnehmen. Das erklärte der Kläger trotz der Tatsache, dass er zukünftig nicht als
vermehrt organisatorisch tätiger Einsatzleiter, sondern als "normaler" Rettungsassistent zum Einsatz kommen sollte. Auch das
spricht gegen das Bemühen, traumaspezifische Reize zu vermeiden. Denn bei der direkten Versorgung von Verletzten als Rettungsassistent
erfolgt in aller Regel ein noch engerer Kontakt und eine stärkere Konfrontation als bei der Einsatzleitung, worauf Dr. Dr.
C. überzeugend hingewiesen hat. Selbst die im Raum stehende stufenweise Wiedereingliederung wollte der Kläger damals nicht
in Anspruch nehmen. Zuvor hatte der Kläger während der Rehabilitation in der Klinik D. im Rahmen der Sozialberatung erklärt,
dass er - trotz geschilderter Belastungen bei schrecklichen Unfällen - seinen Beruf als Rettungssanitäter gern weiter ausüben
wolle. Weder die von der Rehaklinik empfohlene anfängliche Begleitung durch einen erfahrenen Kollegen noch die Fortführung
der Psychotherapie wollte der Kläger in Anspruch nehmen. Eine weitere Therapie hat er nach damaligen Äußerungen gegenüber
dem Berufshelfer nicht für erforderlich gehalten.
Gegenüber Dr. K. hatte der Kläger laut Gutachten vom 19.06.2001 erklärt, er mache die Arbeit gern und sei mit dem Beruf zufrieden.
Allenfalls lässt sich im Jahr 2001 noch ein gewisses Vermeidungsverhalten insoweit annehmen, als der Kläger die Psychotherapie
nicht mehr fortführen wollte, um das Erlebte erstmal zu verdrängen, wie er bei Untersuchung gegenüber Dr. K. ausgeführt hatte.
Dr. K. hatte eine unfallbedingte akute Belastungsreaktion diagnostiziert, die in eine längerdauernde depressive Reaktion übergegangen
war und zum Untersuchungszeitpunkt nur noch bei äußeren Belastungen geringfügige, nicht behandlungsbedürftige affektive Symptome
zur Folge hatte. Eine für eine PTBS typische Symptomatik hat Dr. K. damals nicht beschrieben und folgerichtig auch keine PTBS
diagnostiziert.
Der Kläger hat 2001 bis 2004 als Rettungssanitäter weitergearbeitet. Dr. Dr. C. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger dabei
auch nach dem Ereignis vom 22.09.2000 wiederholt belastenden Ereignissen ausgesetzt war, ohne dass diese zu Brückensymptomen
bzw. zu einer Dekompensation geführt hatten, wie es bei einer PTBS zu erwarten wäre. Als besonders belastende Ereignisse aus
dieser Zeit hat der Kläger den Suizid einer Mutter mit Tötung der Kinder im Jahr 2002 genannt und im Jahr 2003 den Unfall
eines Motorradfahrers, dessen Kopf abgetrennt gewesen sei. Gegenüber Dr. P. hatte der Kläger angegeben, dass er sich bewusst
in der Zeit bis 2004 an keine Beschwerden erinnere.
Zwar ist für den Senat nachvollziehbar, dass der Kläger keine berufliche Alternative für sich gesehen hat und die Weiterarbeit
im bisherigen Beruf finanziell notwendig war zur Versorgung der Familie. Allerdings ergibt sich aus den Unterlagen nicht nur
ein fehlendes Vermeidungsverhalten bzw. ein fehlendes Bemühen, belastende Situationen im Beruf zu vermeiden. Vielmehr sprechen
die Ausführungen z.B. in den Rehabilitationsberichten 2005, 2009 und 2012, im Gutachten von Dr. W. vom 22.02.2011 und im MDK-Gutachten
vom 11.02.2010 dafür, dass der Kläger letztlich selbst immer wieder auf Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit als Rettungssanitäter
drängte, obwohl die Ärzte seinem entsprechenden Leistungsvermögen eher kritisch bzw. ablehnend gegenüber standen. So wünschte
sich der Kläger ausweislich des Rehaberichts der Klinik P. über den Aufenthalt vom 27.05. bis 24.06.2005 dringend, seine alte
Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Die Klinik hielt ihn jedoch nicht für einsatzfähig. Trotz manchmal schwer zu verkraftender
Unfälle gab der Kläger Zufriedenheit mit der Arbeit an. Auch während seines Aufenthaltes in der Burgklinik S. vom 09.09 bis
07.10.2009 berichtete der Kläger von seinem vordringlichen Ziel, seine bisherige berufliche Tätigkeit weiterführen zu können.
Laut MDK-Gutachten vom 11.02.2010 hatte der Kläger bei Untersuchung am 03.02.2010 angegeben, er wolle auf keinen Fall mehr
eine Rente haben, sondern, wenn es irgendwie geht, wieder als Rettungssanitäter beim Roten Kreuz arbeiten. Der Dr. N. hat
im Gutachten vom 22.02.2011 dargelegt, dass sich der Kläger in dem Dilemma sehe, dass er sich selbst als Rettungssanitäter
für einsatzfähig halte und einen Arbeitsversuch habe machen wollen, die Ärzte ihn aber aufgrund der bestehenden Auffälligkeiten
nicht für genügend belastbar halten würden, so dass er sich in der Gefahr sah, Grundsicherungsleistungen in Anspruch nehmen
zu müssen. Er sei bei Kollegen und Patienten immer beliebt gewesen. Im Rehabericht von Bad K. über den Aufenthalt des Klägers
im Jahr 2012 wird dargelegt, dass für den Kläger seine berufliche Rolle einen zentralen Stellenwert einnahm und der Beruf
vom Kläger idealisiert als heilend empfunden wird, unter Ausblendung der emotionalen Belastungen. Der Kläger hatte im Jahr
2011 die Wiedereingliederung in den Betrieb mit rechtsanwaltlicher Hilfe erstritten.
Dr. P. hat in ihrem Gutachten überzeugend dargelegt, dass der Kläger in Kindheit und Jugend unter dem unter Alkoholeinfluss
gegenüber der Mutter gewalttätigen Vater sehr gelitten hat, mit Angst und Hassgefühlen, und dass er - nachdem seine primären
Berufsziele Polizist und Maler/Lackierer - nicht erreichbar waren, auf die Bestätigung im Beruf als Rettungssanitäter besonders
angewiesen war, um sein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein zu stabilisieren. Diese Einschätzung deckt sich insbesondere
mit den Ausführungen in den Rehabilitationsentlassungsberichten der Burgklinik S. und der R.-Klinik Bad K ... Auch dort wurde
herausgearbeitet, dass die Gewalt des Vaters gegen die Mutter vom Kläger als sehr belastend erlebt wurde, mit Hilflosigkeit,
emotionaler Überforderung und teilweisen Schuld- und Schamgefühlen, was die Entwicklung eines stabilen Selbst beeinträchtigte,
so dass die Berufswahl und Berufsausübung als Rettungssanitäter mit Bestätigung und Anerkennung von außen der Stabilisierung
des Selbstwertgefühls diente, den Kläger aber auch emotional überforderte, ohne dass er dies wahrnehmen konnte. Daraus erklärt
sich, dass für den Kläger der Verlust seines Berufs als erheblicher Verlust empfunden wurde und wird, mit Verunsicherung und
Beeinträchtigung von Selbstbild und Selbstwertgefühl, wie im Rehabilitationsentlassungsbericht der Rehaklinik Bad K. dargelegt
worden ist.
Vor diesem Hintergrund lässt sich ein (anhaltendes) Vermeidungsverhalten bzw. zumindest das Bemühen um ein Vermeiden traumaspezifischer
Reize in Übereinstimmung mit Dr. P. und Dr. Dr. C. nicht belegen. Denn der Beruf des Rettungssanitäters war selbstverständlich
mit der Gefahr immer wieder auftretender belastender Situationen verknüpft, was dem Kläger auch bewusst war. Der Kläger hat
aber nicht nur weitergearbeitet, sondern immer wieder darauf gedrungen und sich unter erheblichen Einsatz darum bemüht, wieder
als Rettungssanitäter arbeiten zu dürfen.
Die Darstellung von Dr. E. in ihrem Gutachten vom 28.07.2014, dass der Kläger seit 2001 durchgehend allein aus finanzieller
Notwendigkeit, quasi gezwungenermaßen und entgegen seinen eigentlichen Wünschen, den Beruf als Rettungsassistent ausgeübt
hat, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht belegen und steht sogar in deutlichem Widerspruch zu den eben erwähnten früheren
Schilderungen und Angaben des Klägers gegenüber Sachverständigen bzw. im Rahmen stationärer Aufenthalte.
Ebenso wenig lässt sich aus den Unterlagen ein Gefühl der Losgelöstheit des Klägers oder der Entfremdung von anderen Personen
entnehmen oder eine durchgehende eingeschränkte Bandbreite des Affekts wie die Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden.
So wird im Bericht der Rehabilitationsklinik D. vom 15.12.2000 ausdrücklich dargelegt, dass der Kläger zwar Merkmale einer
PTBS aufweise, nämlich wiederholtes Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen, Nachhallerinnerungen sowie Träumen
und dass die weiteren Kriterien einer PTBS wie ein Zustand vegetativer Übererregbarkeit mit Vigilanzsteigerung, übermäßiger
Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit vorliegen. Als nicht vorhanden wird dagegen das andauernde Gefühl von Betäubtsein und
emotionaler Stumpfheit genannt. Vielmehr bestand eine vermehrte Anrührbarkeit, eine psychovegetative Destabilisierung und
eine vermehrte ängstliche Anlehnung an die eigene Familie.
Dr. P. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen beim Kläger zu keinem Zeitpunkt
das Vollbild einer PTBS beschrieben worden ist. Die anfänglich beschriebene Symptomatik war laut Dr. P. drei bis vier Monate
nach dem Trauma vollständig remittiert und seitdem ist zu keinem Zeitpunkt die Symptomkombination einer relevanten PTBS beschrieben
worden. Wie die Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, sind vereinzelte Erinnerungsbilder oder Albträume, die ohne emotionale
Beteiligung geschildert werden, nicht als pathologisch anzusehen und rechtfertigen nicht die Diagnose einer PTBS. Anhaltspunkte
für emotional besetzte Flashbacks, Intrusionen oder andere spezifisch posttraumatische Symptome hat Dr. P. nicht festgestellt.
Sie hat ebenso wenig wie Dr. Dr. C. im Rahmen der eigenen Untersuchung des Klägers eine entsprechende emotionale Beteiligung
bei Besprechung der belastenden Unfallereignisse wahrnehmen oder solche Feststellungen aus den zahlreichen ärztlichen Unterlagen
und Gutachten herauslesen können. Zudem sind die vom Kläger geschilderten Albträume nicht auf das streitgegenständliche Unfallereignis
beschränkt, sondern es mischen sich die Bilder verschiedener belastender Erlebnisse.
Der Senat schließt sich daher der überzeugenden gutachterlichen Einschätzung von Dr. Dr. C. und Dr. P. an, dass beim Kläger
über Mai 2001 hinaus keine PTBS vorliegt.
2. Die beim Kläger im weiteren Krankheitsverlauf diagnostizierten Gesundheitsstörungen wie Anpassungsstörung, depressive Episoden
und dissoziative Störungen in Form von Sprach-, Empfindungs- und Bewegungsstörungen können nach Überzeugung des Senats nicht
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis oder den Erstschaden der akuten Belastungsreaktion als wesentliche
(Teil-) Ursache zurückgeführt werden. Insbesondere handelt es sich entgegen den Ausführungen von Dr. E. nicht um Symptome
einer PTBS.
Nach den überzeugenden Gutachten von Dr. P. und Dr. Dr. C. ist der Unfall am 22.09.2000 für die ab 2004 aufgetretenen somatoformen
Symptome und die ab Mai 2005 festgestellten dissoziativen Störungen keine wesentliche Teilursache.
Dr. P. hat schlüssig dargelegt, dass es sich bei den Sprach-, Empfindungs- und Bewegungsstörungen um eine gemischte dissoziative
Störung im Sinne von F 44.7 ICD 10 handelt, bei der verschiedene dissoziative Störungen - hier von Bewegung, Sprechen und
Empfinden - kombiniert sind. Bei dieser früher auch als Konversionsstörung bezeichneten Erkrankung treten laut Sachverständiger
Symptome ohne organisches Korrelat bei Verleugnung offensichtlicher Probleme und Schwierigkeiten auf. Häufig entwickeln sich
diese komplexen Reaktionsmuster aufgrund äußerer Traumatisierung, wobei von den meisten Autoren Missbrauch und traumatische
Erlebnisse aus den frühen Entwicklungsjahren berichtet werden; von einigen Autoren wird auch auf reale aktuellere Traumata
hingewiesen.
Dr. P. hat ausgeführt, dass für die Abgrenzung zu einer PTBS zu beachten ist, dass bei dieser eine anhaltende Vermeidung von
traumaspezifischen Reizen vorhanden ist, die beim Kläger nicht feststellbar ist. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
Nach Einschätzung von Dr. P. ist die ab 2005 objektivierte dissoziative Störung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auf das langjährige Erleben von Hilflosigkeit und Angst durch Traumatisierungen in der Kindheit zurückzuführen und wäre mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ohne das Ereignis vom 22.09.2000 aufgetreten. Überzeugend hat die Sachverständige
darauf hingewiesen, dass die komplexe dissoziative Störung häufig auf Verletzungen in Kindheit und Jugend basiert. Auch Dr.
Dr. C. hat ausgeführt, dass sich eine kausale Verbindung zum Unfallgeschehen nicht herstellen lässt, dass eine dissoziative
Symptomatik auf eine prämorbid vermehrte psychische Vulnerabilität hinweisen kann und dass sie nicht zu der bei PTBS klassischerweise
zu erwartenden Symptomatik gehört. Soweit der Kläger eingewandt hat, dass er zu seinem Vater ein gutes Verhältnis habe, seitdem
dieser im Alter von etwa 50 Jahren mit dem Trinken aufgehört habe, steht dies der Einschätzung nicht entgegen, dass der Kläger
als Kind die Gewaltausbrüchen des Vaters gegenüber der Mutter als belastend, verbunden mit Gefühlen der Hilflosigkeit und
Ohnmacht, erlebt hatte.
Der Senat schließt sich auch in diesem Punkt der gutachterlichen Beurteilung von Dr. P. an, zumal dieses Erklärungsmodell
für die Entstehung der Symptomatik u.a. durch den Rehabilitationsbericht der Burgklinik S. nach stationärem Aufenthalt 2009
gestützt wird. Auf die entsprechenden Zitate (oben unter 1.) zur belastenden Situation in Kindheit und Jugend mit Beeinträchtigung
des Selbstwertgefühls und besonderer Bedeutung des Berufs des Rettungssanitäters zur Stabilisierung wird verwiesen. Im Rehabericht
wird das damalige Beschwerdebild am Ehesten als Konversionssymptomatik gesehen. Diese Symptomatik - Lähmung, Gangunsicherheit
und Sprechstörung - hat laut Rehabericht deutlichen Ausdruckscharakter, signalisiert Unsicherheit, Hilflosigkeit, Ratlosigkeit,
Richtungslosigkeit, Entscheidungsängstlichkeit und Kontrollverlust bis hin zum Rückzug in eine regressive Opferposition und
dient vermutlich der Affektabwehr. In diesem Zusammenhang hat die Klinik dargelegt, dass die Ambivalenz des Selbstwerterlebens
des Patienten im Beruf - als Retter bzw. ggf. als "Versager" - durch das Ereignis vom 22.09.2000 eine Zuspitzung erfahren
hatte und die Belastungsstörung mit therapeutischer Hilfe kompensiert worden war bis zu dem Auftreten schlaganfallartiger
Symptome im Jahr 2005. Diese Ereignisse im Jahr 2005, der Rollenwechsel vom helfenden Rettungssanitäter in die Patientenposition
mit entsprechenden Ohnmachtsgefühlen bei in Zweifel gezogener somatischer Genese seiner Beschwerden, hat der Kläger laut Klinik
als traumatisch erlebt; sie bedeuteten für ihn eine erhebliche Erschütterung seines Selbstbildes. Eine PTBS haben die Ärzte
der Rehaklinik in Kenntnis der Vorgeschichte einschließlich des Ereignisses vom 22.09.2000 gerade nicht diagnostiziert. Auch
der Nervenarzt Dr. K. hat in seinem Gutachten für die DRV vom 12.10.2011 Anpassungsstörungen sowie dissoziativen Störungen
diagnostiziert und zugleich ausgeführt, dass keine Hinweise für das Weiterbestehen der anamnestisch erwähnten PTBS bestehen.
Dr. P. und Dr. Dr. C. haben für den Senat überzeugend dargelegt, dass das einmalige Ereignis vom 22.09.2000 angesichts des
Krankheitsverlaufs, seiner besonderen Persönlichkeitsstruktur und der Vielzahl beruflicher wie außerberuflicher Belastungen
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das einmalige Ereignis vom 22.09.2000 als wesentliche Teilursache zurückzuführen
ist. Denn der Kläger hatte danach immerhin bis 2004 wieder seinen Beruf ausgeübt, während somatoforme bzw. dissoziative Störungen
erstmals 2004 bzw. 2005 festgestellt wurden. Nach den Ausführungen in der ICD 10 unter F 44 werden dissoziative Störungen
als ursächlich psychogen angesehen, in enger zeitlicher Verbindung mit traumatisierenden Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen
Konflikten oder gestörten Beziehungen. Neben Traumatisierungen in Kindheit und Jugend durch den unter Alkoholeinfluss gewalttätigen
Vater sind weitere psychische Belastungen in der Biographie des Klägers bekannt, wie der unerfüllt gebliebene Kinderwunsch,
die Aufnahme und Versorgung der Kinder seiner Schwester, die Versorgung verschiedener Pflegekinder, die gravierende Erkrankung
des Stiefsohns mit daraus resultierenden zusätzlichen finanziellen Belastungen des Klägers in Form von Schulden, die erwähnten
beängstigenden Ereignisse im Rahmen der Diagnostik im Jahr 2005 und nicht zuletzt weitere belastende Situationen und Ereignisse
im Beruf, wie das Auffinden einer Mutter nach Suizid und Tötung der eigenen Kinder oder eines Motorradfahrers mit abgetrennten
Kopf. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat das Ereignis vom 22.09.2000 nicht als wesentliche Teilursache für die Entwicklung
dissoziativer Störungen zu sehen, in Übereinstimmung mit Dr. P. und Dr. Dr. C ...
Der Senat folgt Dr. P. und Dr. Dr. C. auch in der Einschätzung, dass die seit 2009 beschriebene unspezifische Anpassungsstörung
(F 43.2 ICD 10) und die ab Sommer 2012 beschriebene depressive Episode mit unterschiedlichem Schweregrad, von leicht bis schwer
(F 32.0, F 32.1, F 32.2 nach ICD 10), nicht auf das Ereignis vom 22.09.2000 als wesentliche Teilursache zurückzuführen ist.
Dr. P. hat darauf hingewiesen, dass Depressionen und depressive Anpassungsstörungen völlig unspezifische Symptome sind, die
auf eine Vielzahl psychosozialer Belastungen oder auch ganz ohne Auslöser auftreten können. Beim Kläger lassen sich diese
Gesundheitsstörungen durch die seit der Kindheit bestehende psychische Instabilität mit erheblichem Minderwertigkeitserleben
erklären sowie die bereits beschriebenen weiteren Belastungen in der Biographie des Klägers. Gegen einen wesentlichen Zusammenhang
sprechen neben dem Zeitverlauf auch die zwischenzeitlich gänzlich anderen dissoziativen Störungsmuster. Diese Störungen von
Sprache, Empfinden und Bewegungen mit auftretendem Schwächegefühl rechts, die wie bereits ausgeführt keine Unfallfolgen sind,
waren sicherlich wesentliche Belastungsfaktoren für den Kläger, die ihn in der Ausübung seines Berufs behinderten und zu erheblicher
Verunsicherung geführt haben. Gegenüber dem einzelnen Ereignis vom 22.09.2000 standen die konkurrierenden Ursachenfaktoren
daher nach überzeugenden Ausführungen von Dr. P. und Dr. Dr. C. weit im Vordergrund.
Die Ausführungen von Dr. E. überzeugen den Senat nicht. Diese hat im Wesentlichen dargelegt, dass im Rahmen einer PTBS auch
eine dissoziative Störung auftreten kann. Da aber die Kriterien für eine PTBS gerade nicht erfüllt sind, ist eine solche Zuordnung
nicht möglich, worauf Dr. Dr. C. hingewiesen hatte. Dass nicht auszuschließen ist, dass die Konversionsstörung als Folge eines
Traumas gedeutet werden kann - so die Formulierung von Dr. E. auf Blatt 16 ihres Gutachtens - ist nicht ausreichend, um den
auf Basis der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung festzustellenden Ursachenzusammenhang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
zu belegen bzw. das Vorliegen der Gesundheitsstörung PTBS nachzuweisen. Hinsichtlich der depressiven Anpassungsstörung hat
Dr. E. den zeitlichen Verlauf und die unfallunabhängigen Belastungsfaktoren und Besonderheiten im Fall des Klägers nicht ausreichend
berücksichtigt. Zutreffend hat Dr. Dr. C. darauf hingewiesen, dass die statistische Häufung des Auftretens weiterer Erkrankungen
bei von einer PTBS betroffenen Personen allein keinen Ursachenzusammenhang belegen kann, zumal nach der von Dr. E. zitierten
Studie auch Erkrankungen wie Arthritis, Asthma oder Rückenbeschwerden statistisch gehäuft bei von PTBS betroffenen Personen
auftreten. Weitere Argumente enthält auch die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegte Stellungnahme von Dr. E. vom 03.03.2015
nicht.
Vor diesem Hintergrund hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Da beim Kläger derzeit keine Gesundheitsstörungen vorliegen,
die Unfallfolgen sind, wird seine Erwerbsfähigkeit nicht durch Unfallfolgen gemindert gemäß §
56 Abs.
1 SGB VII und es besteht kein Anspruch auf Verletztenrente. Ebenso wenig hat der Kläger Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen
als Unfallfolgen.
Nicht Streitgegenstand ist die Frage, ob eine Berufskrankheit gemäß §§
7,
9 SGB VII vorliegt.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
C) Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.