Genehmigung eines Satzungsnachtrags im Bereich von krankenversicherungsrechtlichen Mehrleistungen
Möglichkeit der Erweiterung des allgemeinen Leistungskatalogs zu Wettbewerbszwecken
Mitgliedschaft des Versicherten im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung
Tatbestand
Streitig ist die Genehmigung eines Satzungsnachtrags im Bereich der Mehrleistungen nach §
11 Abs.
6 SGB V.
1. Die Klägerin, eine bundesweit auftretende gesetzliche Krankenkasse gem. §
4 SGB V mit ca. 26.500 Versicherten und Rechtssitz in München, beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 05.07.2016 die Genehmigung
eines Nachtrags zu ihrer Satzung mit mehreren Änderungen, u.a. die Verknüpfung der Kostenerstattung bei Leistungen nach §
11 Abs.
6 SGB V an eine ungekündigte Mitgliedschaft (29. Satzungsnachtrag, Beschluss des Verwaltungsrats vom 21.06.2016, Ziff. 4, Art. I
§ 12 Abs. VIII a.) sowie eine Mehrleistung, namentlich die Unterbringung von Begleitpersonen im Familienzimmer (29. Satzungsnachtrag
Ziff. 4, Art. I § 12 Abs. VIII c.). Der Satzungsnachtrag wurde mit Ausnahme der vorgenannten Änderungen nach Anhörung am 13.07.2016
mit Bescheid vom 29.07.2016 genehmigt. Die Gründe der Teilablehnung hatte die Beklagte, der die gewünschten Änderungen bereits
im Vorfeld der Beschlussfassung durch den Verwaltungsrat zur Vorprüfung zugesandt worden waren, der Klägerin erstmals mit
Mail vom 16.06.2016 und im Folgenden im Anhörungsschreiben vom 13.07.2016 mitgeteilt.
2. Gegen die Teilablehnung der Genehmigung hat die Klägerin mit Schreiben vom 03.08.2016 Klage zum Bayer. LSG erhoben mit
dem Begehren, die Beklagte zur vollumfänglichen Genehmigung des Satzungsnachtrags zu verpflichten. In der Klagebegründung
vom 24.10.2016 hat die Klägerin die Klage sodann auf die Verpflichtung zur Genehmigung der Anknüpfung der Kostenerstattung
an eine ungekündigte Mitgliedschaft beschränkt.
Die Klägerin hat zur Klagebegründung vorgetragen, die Satzungsänderung bewege sich im Rahmen des zulässigen Spielraums der
Selbstverwaltungsautonomie der Klägerin. §
11 Abs.
6 SGB V dürfe durch die Kasse in ihrem Sinne ausgelegt werden, dadurch werde kein höherrangiges Recht verletzt. Im Rahmen einer maßvollen
Aufsicht müsse die Einschätzungsprärogative der Kassen akzeptiert werden. Die Verknüpfung der Satzungsleistung mit der Mitgliedschaft
stelle lediglich eine Voraussetzung für die Kostenerstattung von Satzungsleistungen dar, die sich auf die Dauer der Leistung
beziehe. Dies sei eine vertretbare Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Während das Sachleistungsprinzip durch §
2 Abs.
1 SGB V geregelt sei, bedürfe der Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich seiner Voraussetzungen einer Ausgestaltung. Wirtschaftlich
sei die Verknüpfung erforderlich, da die Inanspruchnahme von Satzungsleistungen trotz Kündigung der Mitgliedschaft die Finanzplanung
der Kassen erschwere, da die Leistungen nur von der Kasse und nicht über den Gesundheitsfonds finanziert werden. Zudem werde
das System der Zusatzleistungen pervertiert, wenn Versicherte durch Kassenwechsel bestimmte Leistungen mehrfach in Anspruch
nehmen könnten (Problem des "Krankenkassen-Hopping"). Die Versicherten hätten es selbst in der Hand, ob und wann sie die Mitgliedschaft
kündigten, die Regelung sei transparent und vorhersehbar und im Hinblick auf das Sozialleistungssystem sinnvoll. Letztlich
hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass ähnliche Satzungsbestimmungen von namentlich benannten Kassen durch die jeweiligen
Landesbehörden genehmigt wurden. Dies bestätige einen Ausgestaltungspielraum der Krankenkassen im Rahmen des §
11 Abs.
6 SGB V, der ihnen aufgrund der Selbstverwaltungsautonomie zu gewähren und von den Aufsichtsbehörden zu respektieren sei.
Der Beklagte hat die streitgegenständliche Ablehnung der Genehmigung damit begründet, dass die begehrte Änderung nicht im
Einklang mit höherrangigem Recht stehe. Ansprüche auf Leistung nach dem
SGB V entstehen grundsätzlich gemäß §
40 Abs.
1 SGB I. Im Rahmen des §
11 Abs.
6 SGB können die Kassen nach der Systematik des
SGB V weder Leistungsvoraussetzungen noch das Mitgliedschaftsrecht regeln bzw. die gesetzlichen Grundlagen ändern. Eine Befugnis,
Leistungsvoraussetzungen zu bestimmen, wie dies in §
65a SGB V geregelt sei, sehe §
11 Abs.
6 SGB V nicht vor. Damit fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage, die Klägerin überschreite ihre Befugnisse. Das berechtigte
Vertrauen der Versicherten müsse geschützt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht kenne das
SGB V kennt keine Refinanzierung, das Prinzip der Solidargemeinschaft sei nicht gestört, wenn die Kündigung nach dem Versicherungsfall
ausgesprochen werde. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen in § 173f.
SGB V müssten Kassen stets mit Mitgliederwechsel rechnen. Die Grenzen einer maßvollen Rechtsaufsicht seien nicht überschritten.
Die Genehmigungen einiger Landesaufsichtsbehörden können nach dem Grundsatz "keine Gleichbehandlung im Unrecht" zu keiner
anderen Rechtsauffassung führen.
Mit Schriftsatz vom 10.03.2017 präzisierte die Klägerin den streitgegenständlichen Passus der Satzung dahingehend, dass nunmehr
auf die ungekündigte Mitgliedschaft bei Antragstellung abzustellen sei (30. Satzungsnachtrag, Nr. 4 Art. I § 12 Abs. VIII
S. 2). Auch dafür wurde die Genehmigung von dem Beklagten auf Antrag der Klägerin vom 21.12.2016 nach einer entsprechenden
Ankündigung per Mail vom 30.12.2016 mit Bescheid vom 16.01.2017 abgelehnt.
Der Beklagte hat gegen eine Einbeziehung des Bescheids vom 16.01.2017 in das Verfahren gemäß §
96 SGG argumentiert, da es sich um zwei verschiedene Genehmigungsverfahren gehandelt habe, hat jedoch die Sachdienlichkeit nach
§
99 Abs.
1 SGG bejaht.
Die Klägerin beantragt,
die Teilablehnungsbescheide der Beklagten vom 29.07.2016 und 16.01.2017 insoweit abzuändern, als der Passus "ist an eine ungekündigte
Mitgliedschaft der Versicherten zum Zeitpunkt der Antragstellung" (§ 12 Abs. VIII S. 2 Satzungsnachtrag) abgelehnt wird, hilfsweise,
die Beklagte wird zur Genehmigung des Passus "ist an eine ungekündigte Mitgliedschaft der Versicherten zum Zeitpunkt der Antragstellung"
(§ 12 Abs. VIII S. 2 Satzungsnachtrag) verpflichtet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und der Vorträge der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Das Bayer. LSG ist für Klage funktionell, sachlich und örtlich im ersten Rechtszug zuständig (§
29 Abs.
2 Nr.
2 SGG).
Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei der Klage um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1 S. 1
SGG) oder um eine Aufsichtsklage (§
54 Abs.
3 SGG) handelt. Auch mit der Aufsichtsklage kann die Vornahme einer begünstigenden Aufsichtsanordnung begehrt werden, nämlich die
Erteilung einer beantragten Satzungsgenehmigung, wenn die Aufsichtsbehörde dies abgelehnt hat und der Versicherungsträger
geltend macht, dass er auf die Vornahme dieses Akts einen Rechtsanspruch habe. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§
78 Abs.
1 S. 2 Nr.
2 SGG).
Ebenfalls kann der Senat offenlassen, ob die Einbeziehung des Bescheids vom 16.01.2017 nach §
96 oder §
99 SGG zu erfolgen hat, in jedem Fall liegen die Voraussetzungen einer Klageänderung, im Sinne der Klageerweiterung, gemäß §
99 Abs.
1 SGG vor.
2. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung der streitgegenständlichen Satzungsänderung.
Nach §
195 Abs.
1 SGB V bedarf die Satzung einer Krankenkasse der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Dies gilt auch für Satzungsänderungen. Ist eine
verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommene Satzungsänderung mit höherrangigem Recht vereinbar, besteht nach §
195 Abs.
1 SGB V ein Anspruch auf die Genehmigung im Wege eines Verwaltungsakts. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten
Genehmigung, da die von ihr beschlossene Satzungsänderung mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Die begehrte Satzungsänderung
ist nicht von der Rechtsgrundlage des §
11 Abs.
6 SGB V umfasst. Damit fehlt es an einer aufgrund des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts (Art.
20 Abs.
3 GG, §§
30 Abs. 1
SGB IV, 31
SGB I) erforderlichen Rechtsgrundlage für eine Einschränkung der Leistungsansprüche der Versicherten.
a) Der Beklagte überschreitet seine ihm gesetzlich zugewiesenen Aufsichtsrechte durch die Ablehnung der Genehmigung nicht.
Der Beklagte ist zuständige Aufsichtsbehörde der Klägerin, eines bundesunmittelbaren Versichersicherungsträgers (§
90 SGB IV iVm Art.
87 Abs.
2 S. 1
GG). Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde ist ein staatliches Mitwirkungsrecht, das wie andere staatlichen Mitwirkungsrechte
nach Motivation und Ausgestaltung nicht Teil der allgemeinen Staatsaufsicht ist, sondern Mitwirkung des Staates an Einzelmaßnahmen
der Versicherungsträger nach §
34 Abs.
1 S. 2
SGB IV, so dass §
87 Abs.
1 SGB IV insoweit nicht zur Anwendung kommt. Die Prüfungskompetenz ist aufgrund des Vorrangs und des Gestaltungsrechts der Selbstverwaltung
bei vom Gesetzgeber bewusst implementierten Wettbewerb der Krankenkassen auf die Rechtsaufsicht zu beschränken (Peters in
KassKomm, 97. EL, Dezember 2017,
SGB V, §
195 Rz. 4, Engelhard in Hauck/Noftz, SGB, 01/10, §
195 Rz. 5, Schneider-Danwitz in Schlegel/Voelzke, juris-PK, 3. Aufl., 2016, §
195 SGB V, Rz. 17; Rspr. des BSG, bspw. Urt. v. 24.04.2002, Az.: B 7/1 A 1/00 R). Daher darf die Aufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren nur nachprüfen, ob die Satzungsbestimmungen mit dem geltenden
Recht im Einklang stehen. Der Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde richtet sich somit nach den rechtlichen Vorgaben für das
Verhalten des Versicherungsträgers, das Gegenstand der Maßnahme ist (BSG, Urt. v. 31.05.2016, Az.: B 1 A 2/15 mwN). Im Rahmen der Rechtsaufsicht ist durch den Beklagten zu prüfen, ob die Satzungsänderung gegen höherrangiges Recht verstößt.
Die mangelnde Genehmigungsfähigkeit in diesen Fall wird als selbstverständlich angesehen und ist daher in §
194 Abs.
2 SGB V (anders als im früheren § 323
RVO) nicht eigens genannt. Ein Verstoß liegt vor, wenn die Satzung gegen Verfassungsrecht, einfaches Gesetzesrecht oder Verordnungsrecht
verstößt. Eine Verletzung von einfachem Gesetzesrecht ist gegeben, wenn eine Satzungsregelung gesetzliche Vorgaben der GKV
nicht hinreichend beachtet und Leistungen einschränkt, sie nicht im Sinne des Gesetzes ausgestaltet oder ihre Inanspruchnahme
gesetzwidrig erschwert (vgl. Peters in KassKomm, 97. EL, Dezember 2017,
SGB V, §
194 Rz. 21). Bei der Feststellung eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht besteht weder Spielraum für eine entsprechende Auslegung
unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Krankenkassen noch für eine maßvolle Rechtsaufsicht durch die Aufsichtsbehörden.
b) Die streitgegenständliche Satzungsregelung beachtet die gesetzlichen Vorgaben des Mitgliedschafts- und Leistungsrechts
der GKV nicht. Die Satzungsänderung schränkt das Recht auf Kostenerstattung von Satzungsleistungen gem. §
11 Abs.
6 SGB V ein, indem mit dem Erfordernis eine ungekündigten Mitgliedschaft bei Antragstellung eine gesetzlich nicht vorgesehene Voraussetzungen
der Leistungserbringung eingeführt wird.
(aa) Das
SGB V knüpft den Anspruch auf Leistungen - Naturalleistungen wie Kostenerstattung - an das Vorliegen des Mitgliedschaft. Gemäß
§§
186 ff.
SGB V beginnt die vollumfängliche Leistungsberechtigung mit dem ersten Tag der Mitgliedschaft, Wartezeiten kennt das
SGB V nicht, und endet frühestens mit dem letzten Tag der Mitgliedschaft, §
19 Abs.
1 SGB V iVm §§
189 ff.
SGB V, spätestens dem Ende der sozialen Auslauffristen (§
19 Abs.
2 SGB V). Das Mitgliedschafts- bzw. Versicherungsverhältnis in einer GKV begründet ein allgemeines Anwartschaftsrecht auf Leistungen
bei Konkretisierung speziell normierter versicherter Risiken (vgl. Noftz in Hauck/Noftz
SGB V, 3/13, §
19, Rz. 4 mwN). Die Leistungspflicht einer Krankenkasse und im Gegenzug der Leistungsanspruch der Versicherten (§
40 SGB I, §
2 Abs.
1 SGB V) ist - im Rahmen der Naturalleistungspflicht gemäß §
2 Abs.
2 SGB V - nicht von der Mitgliedschaft zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen
Leistungserbringung abhängig (BSG, Urt. v. 14.10.2014, Az.: B 1 KR 18/13 R). Im Rahmen des vorliegend streitgegenständlichen Rechts der Kostenerstattung gilt nach Sinn und Zweck von §
19 SGB V, dass während der Mitgliedschaft entstandene Geldleistungsansprüche von der Kasse auch nach Ende der Mitgliedschaft zu erfüllen
sind (BSG, Urt. v. 03.07.2012, Az.: B 1 KR 25/11 R mwN). Satzungsleistungen nach §
11 Abs.
6 SGB V stellen keine neue Leistungen dar, sondern nur eine Weiterentwicklung der Regelversorgung. Mit dieser stehen sie nämlich
nach der Gesamtsystematik im unmittelbaren Zusammenhang (BT-Drucks. 17/6906, S. 53). Die Vorschrift des §
19 SGB V gilt nach der Systematik des
SGB V (3. Kapitel: Leistungen - Zweiter Abschnitt: Gemeinsame Vorschriften) grundsätzlich für alle Leistungen der GKV, Naturalleistungen
wie Geldleistungen (inklusive der Kostenerstattungen §
13 SGB V) und umfasst somit auch Satzungsleistungen (vgl. Noftz, aaO, Rz. 5 mwN). § 19 SGB regelt die Auswirkungen der Beendigung
der Mitgliedschaft auf die Leistungsansprüche der Versicherten abschließend und ist ein wesentliches Strukturelement der gesetzlichen
Krankenversicherung. Die Vorschrift bewirkt einen Spannungsausgleich zwischen der finanziellen Belastung der Solidargemeinschaft
und der Schutzbedürftigkeit des einzelnen Versicherten. Dieser Spannungsausgleich darf nicht zu Lasten der Versicherten dahingehend
verschoben werden, dass bereits entstandene Kostenerstattungsansprüche nicht mehr realisiert werden können. Das Versichertenverhältnis
in der GKV ist von Elementen der Risikoverlagerung, Solidargemeinschaft, sozialem Ausgleich, Eigenverantwortung und Gegenseitigkeit
von Leistung und Gegenleistung geprägt (Noftz, aaO, Rz. 9 mit Verweisen auf die höchstgerichtliche Rspr.). Soweit Krankenkassen
selbst ausnahmsweise über den gesetzlichen Leistungskatalog hinaus Leistungen ausgestalten dürfen, will der Gesetzgeber den
Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fördern, jedoch damit nicht quasi einen Freibrief ausstellen, um ein gesetzesunabhängiges
Leistungsrecht kraft Satzung zu schaffen (BSG, Urt. v. 18.11.2014, Az.: B 1 A 1/14 R). Wenn eine Krankenkasse ihren Versicherten bestimmte Mehrleistungen in der Annahme eines Wettbewerbsvorteils anbietet, muss
sie diese auch der gesetzlichen Systematik des Mitgliedschaftsrechts unterstellen. Dies gilt auch im Rahmen des Kostenerstattungsrechts
ohne Einschränkungen; für eine Ausgestaltung entgegen des gesetzlichen Mitgliedschaftsrechts besteht kein Raum. Die Transparenz
einer Satzungsregelung führt nicht dazu, dass den Versicherten kein schützenswertes Vertrauen hinsichtlich ihrer abstrakten
Anwartschaftsrechte und ihrer konkretisierten Leistungsrechte bei bereits während Mitgliedschaft entstandenen Geldleistungsansprüchen
zusteht. Das Risiko, Kostenerstattungsansprüche nicht geltend machen zu können, ist durch das Gesetz in §
13 SGB V abschließend geregelt.
(bb) Eine Einschränkung der Leistungspflichten, wie sie §
19 SGB V vorsieht, ist keine Konkretisierung der "Dauer" der Leistungsgewährung, wie sie nach §
11 Abs.6 S. 2 Hs. 1
SGB V durch die Satzung zu regeln ist. Dieser Halbsatz bezieht sich auf die Ausgestaltung des Leistungsanspruchs auf angebotene
Mehrleistung, in dem etwa der Weg der Leistungsbeschaffung, die Anforderungen an das abrechnungstechnische Verfahren, die
Höchstdauerdauer der Leistungserbringung, die Maximalhöhe der Kostenerstattung oder die Berechnungsgrundlagen im Hinblick
auf das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit transparent zu machen sind. Er ermächtigt hingegen nicht - auch nicht den
Zusatz "insbesondere" - dazu, Anspruchsvoraussetzungen für freiwillige Leistungen aufzustellen, die den unter
(aa) dargestellten Strukturelementen des gesetzlich normierten Mitgliedschaftsrechts widersprechen.
(cc) Der vom Gesetzgeber gewünschte Wettbewerb zwischen den Krankenkassen soll im Rahmen des §
11 Abs.
6 SGB V die Handlungsmöglichkeiten der Kassen auf der Leistungsseite stärken. Dabei wird ein weiter Gestaltungsspielraum gewährt
(BT-Drs. 17/6906, S. 53). Die Möglichkeit der Erweiterung des allgemeinen Leistungskatalogs zu Wettbewerbszwecken ermächtigt
jedoch nicht gleichzeitig zu einem Eingriff in die Strukturelemente des Versicherungsprinzips und des Mitgliedschaftsrechts.
(dd) Soweit die Klägerin die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Anspruchsbegrenzung auf ungekündigte Mitglieder geltend macht,
da die freiwilligen Leistungen allein durch die Kassen finanziert werden müssen, wird auf die Ausführungen zum gesetzlich
normierten Spannungsausgleich (unter aa) verweisen. Bereits das Angebot der Mehrleistungen muss dem Wirtschaftlichkeitsgebot
des §
12 SGB V unterliegen, Möglichkeiten der Refinanzierung über das Mitgliedschaftsrechts sind vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die von
der Klägerin angesprochene Gefahr der "Systempervertierung" durch "Krankenkassen-Hopping" - eine solche statistisch belegbar
unterstellt - hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, als er trotz der Erweiterungen der wettbewerblichen Spielräume im GKV-Versorgungsstrukturgesetz
im Jahr 2011 die Vorschriften über die Möglichkeit des Kassenwechsels, insbesondere §
175 Abs.
4 SGB V, nicht entsprechend angepasst hat. Selbst wenn ein gesetzgeberischer "Übersehen" der Gefahr angenommen würde, würde dies
nicht zu Kompetenz der Klägerin zur Leistungseinschränkung bei Versicherten führen, die ihre Rechte zum Kassenwechsel wahrnehmen.
(ee) Die Kompetenz, Mehrleistungen an mitgliedschaftsrechtliche Voraussetzungen zu knüpfen, ergibt sich nicht aus einer Auslegung
des §
11 Abs.
6 SGB V im Lichte des §
65a SGB V. Dagegen sprechen zum einem der unterschiedliche Wortlaut und der systematische Zusammenhang der Vorschriften. In § 65a SGB
fordert der Gesetzgeber die Krankenkassen im Rahmen einer Soll-Bestimmung auf, "Voraussetzungen" des Anspruchs in ihrer Satzung
zu bestimmen, in §
11 Abs.
6 SGB V wird den Kassen das Recht eingeräumt ("kann") in Erweiterung der Regelversorgung bestimmte Mehrleistungen anzubieten und
diese insbesondere hinsichtlich "Art, Dauer und Umfang der Leistung" nach dem Gebot der Normenklarheit transparent zu gestalten.
Zum anderen verfolgen die Vorschriften einen anderen Gesetzeszweck. Während mit §
11 Abs.
6 SGB V dem Wettbewerbsprinzip zwischen den Kassen Rechnung getragen wird, sollen mit der Zulassung von Bonusprogrammen zum einen
Anreize zu gesundheitsbewusstem Verhalten gesetzt und die Patientensouveränität gestärkt werden, zum anderen Wirtschaftlichkeitsreserven
durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen gehoben werden und auf diese Weise einem übergeordneten Ziel der GKV, namentlich
der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (§
12 SGB V), gedient werden (Leopold in Hauck/Noftz,
SGB V, 4/15, §
65a Rz.8).
c) Ein Verstoß des Beklagten gegen die Kooperationspflicht im Genehmigungsverfahren liegt nicht vor. Der Beklagte ist gegenüber
der Klägerin zu kooperativem Verhalten verpflichtet (BSG, Urt. v. 06.10.1988, Az.: 1 RR 7/86). Ein Verstoß gegen diese Kooperationspflicht ist nicht ersichtlich, insbesondere hat der Beklagte seine Rechtsansichten
bereits jeweils im Rahmen von Vorprüfungsverfahren mitgeteilt und die Klägerin vor Erlass der Bescheide nochmals angehört.
Es war also für die Klägerin erkennbar zu erwarten, dass bei Beschlussfassung durch den Verwaltungsrat eine entsprechende
Teilablehnung erfolgen wird.
d) Genehmigungen gleicher und ähnlicher Satzungsbestimmungen im Rahmen der landesrechtlichen Aufsicht führen zu keinem anderen
Ergebnis. Aufgrund der Feststellung eines Verstoßes der Regelung gegen höherrangiges Recht kann kein Anspruch auf eine Gleichbehandlung
im Unrecht bestehen.
3. Die Kostentragung ergibt sich aus §
197a SGG iVm §
155 Abs.
2 VwGO (hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 24.10.2016), im Übrigen iVm §
154 Abs.
1 VwGO. Hinsichtlich des Streitwerts wird auf den Beschluss vom 20.03.2018 hingewiesen.
4. Wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) war die Revision zuzulassen.