Anspruch auf Sozialhilfe; Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren über einen Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers
gegenüber dem Sohn des Leistungsempfängers; Negativevidenz im Rahmen des § 117 SGB XII; Schwere Verfehlung im Sinne von § 1611 Abs. 1 BGB; Prüfung der Erforderlichkeit des Auskunftsverlangens
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist ein Auskunftsanspruch des beklagten überörtlichen Sozialhilfe-Trägers gegenüber dem Kläger als Sohn
der Leistungsberechtigten (LB).
Der Kläger ist der 1955 geborene Sohn der 1925 geborenen Frau A. G. (A.G. - LB), die sich unverändert seit 06.01.2011 im Caritas
Altenheim St. C., in Bad W. aufhält. Der Beklagte gewährt der LB Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung, den Barbetrag
und die Bekleidungsbeihilfe seit 06.01.2011 (Bescheid vom 10.02.2011).
Mit Rechtswahrungsanzeige vom 10.02.2011 zeigte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Hilfeleistung an dessen Mutter an und
machte einen Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII zur Prüfung der Unterhaltspflicht des Klägers geltend.
Den gegen das Auskunftsersuchen vom 10.02.2011 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2011
"mit folgender Maßgabe" zurück:
1.Das Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII erstreckt sich auf den Zeitraum vom 01.03.2010 - 28.02.2011.
2. Zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit ihres Mandanten A. zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrages für seine Mutter, Frau
A. G., bitte ich, die als Anlage beigefügte "Auskunft über Einkommens- und Vermögensverhältnisse" für den in Nr. 1 genannten
Zeitraum vollständig ausgefüllt an den Landrat des Kreises P., Postfach, P., mit entsprechenden Nachweisen (Verdienstbescheinigungen,
Rentenbescheide, ect.) zurückzusenden. Sofern weitere Einkünfte bezogen werden, sind diese anzugeben u. nachzuweisen. ( ...).
Die beigefügten Formulare "Auskunft über Einkommens- und Vermögensverhältnisse" und "Rentabilitätsberechnung" sind Bestandteile
dieses Bescheides.
3. Für die Erteilung der nach Maßgabe der vorstehenden Nummern abzugebenden Auskünfte und für die Beibringung der geforderten
Nachweise setze ich eine Frist bis zum 03.08.2011 - (Eingang beim Landrat des Kreises P.).
4. Der Widerspruchsführer trägt die Kosten des Verfahrens, für das von mir Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden."
Mit der am 19.07.2011 zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Anfechtungsklage machte der Kläger geltend, dass ein Auskunftsanspruch des Beklagten nach § 117 SGB XII nicht bestehe.
Bereits im Jahre 1986 sei dem Kläger ein Schreiben der C. zugegangen, in dem ihm als "rechtswahrende" Mitteilung an Unterhaltspflichtige
über "Sozialhilfegewährung" mitgeteilt wurde, dass Herrn R. und Frau A.G. Sozialhilfe gewährt werde. Gleichzeitig sei der
Kläger zur Auskunftserteilung aufgefordert worden. Daraufhin habe der Kläger durch die ihn seinerzeit vertretenden Anwälte
die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen durch Frau A.G. geltend gemacht. Seitens der Behörde sei daraufhin nichts weiter mehr
veranlasst worden. Erst im Jahre 1996 sei versucht worden, mit einem neuen Bescheid Unterhaltsansprüche für Frau A.G. durchzusetzen.
Der dagegen eingelegte Widerspruch sei mit einer zwischenzeitlichen Verwirkung aufgrund des Verhaltens des Sozialamtes der
C. begründet worden; die C. habe in dieser Angelegenheit über neun Jahre nichts unternommen, der Kläger habe deshalb darauf
vertrauen dürfen, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werde. Im Übrigen sei darauf hingewiesen worden, dass Frau A.G.
über verschiedene Konten und damit wohl auch über Vermögen verfügt habe. Den entsprechenden Schriftverkehr aus den Jahren
1986 und 1996 hat der Kläger vorgelegt.
Nunmehr, weitere 15 Jahre später, trete der Beklagte an den Kläger heran. Ein neuer Sachvortrag liege nicht vor. Der Einwand
der Verwirkung werde deshalb weiterhin aufrechterhalten. Die Beklagte hätte über Jahre hinweg ihr vermeintliches Recht geltend
machen können. Der Kläger genieße deshalb insoweit Vertrauensschutz, auch zukünftig nicht mehr insoweit in Anspruch genommen
zu werden. Dies bedeute, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Auskunft habe, da sich der Beklagte das Verhalten der Behörde
C-Stadt zurechnen lassen müsse. Rein vorsorglich werde auch vorgetragen, dass der gesamte geschilderte Sachverhalt auch die
Voraussetzungen des §
1611 Abs.
1 BGB erfülle. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass bereits durch das jahrelange Nicht-Tätigwerden der Behörde die Ansprüche
verwirkt seien, zum anderen aber auch materiell rechtliche Ansprüche der Leistungsempfängerin nicht bestünden.
Das SG hat mit Urteil vom 20. Juni 2012 den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 07.07.2011 unter den Ziffern 2- 4 aufgehoben
und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gingen zivilrechtliche Auskunftsansprüche mit den zivilrechtlichen Unterhaltsansprüchen unter den dort genannten Voraussetzungen
auf die Leistungsträger nach dem SGB XII über. Daneben könne der Sozialhilfeträger nach § 117 Abs. 1 SGB XII vom Unterhaltsverpflichteten öffentlich-rechtlich Auskunft verlangen. Hierbei sei zu beachten, dass ein Auskunftsverlangen
auch dann rechtmäßig sei, wenn noch nicht feststehe, ob ein Unterhaltsanspruch tatsächlich bestehe. Zur Auskunft sei verpflichtet,
wer als Unterhaltschuldner des Leistungsberechtigten in Betracht komme. Der Kläger schulde als Sohn der LB dieser grundsätzlich
zivilrechtlichen Unterhalt. Das Auskunftsersuchen sei nur dann rechtswidrig, wenn offensichtlich kein überleitbarer Anspruch
bestehe (sogenannte Negativevidenz). Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgebrachten Einwendungen könnten diese
Negativevidenz nicht begründen. Es stehe keinesfalls fest, dass der Kläger seiner Mutter keinerlei Unterhalt schulde. Auch
der Hinweis auf §
1611 BGB könne das Vorliegen der Negativevidenz nicht begründen. Aus dem Vorbringen des Bevollmächtigten sei nicht ersichtlich, dass
ganz offensichtlich keinerlei Unterhaltsansprüche der LB gegenüber dem Kläger bestehen könnten.
Damit bestehe ein Anspruch des Beklagten auf Auskunft des Klägers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nach §
117 Abs. 1 SGB XII. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 07.07.2011 sei jedoch unter den Ziffern 2 bis 4 aufzuheben, weil die Ausführungen
in den Ziffern 2 bis 4 des Widerspruchsbescheides das Verbot der "reformatio in peius" verletzten.
Gegen das am 08.10.2012 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 30.10.2012 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er macht unverändert geltend, dass der
Auskunftsanspruch des Beklagten bereits verwirkt sei, weil die C. bereits 1986 und 1996 Auskunftsansprüche gegen den Kläger
nicht weiterverfolgt habe. Er beruft sich dabei auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.03.1993, 7 U 254/91.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Juni 2012, S 46 SO 351/11, sowie den Bescheid des Beklagten vom 10.02.2011 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 unter Ziffer 1 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach dem bisherigen Vorbringen des Klägers liege kein Fall der sog. Negativevidenz vor. Sollte die C. Auskunftsansprüche verwirkt
haben, habe dies keinen Einfluss auf mögliche Ansprüche des Beklagten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der C. sowie der Gerichtsakten
beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet, soweit der Kläger zur Auskunft in der Zeit vom 01.03.2010 bis 31.01.2011 verpflichtet
wurde.
Gegen das Urteil des SG vom 20. Juni 2012 ist die Berufung zulässig, da sie nach §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG nicht zulassungsbedürftig ist (§
143 SGG). Die Berufung ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes nach Maßgabe von §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger wendet sich nicht gegen einen Verwaltungsakt, der (unmittelbar) auf eine
Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet ist im Sinne von §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG. Dem Auskunftsersuchen, das verfahrensrechtlich die Vorstufe zum Übergang von Ansprüchen nach §§ 93 ff. SGB XII insbesondere gegen Unterhaltspflichtige bildet (vgl. u.a. Blüggel, in: jurisPK-SGB XII, § 117 Rn. 17), kann ein bezifferbarer wirtschaftlicher Wert nicht zugeordnet werden, weil mit dessen Hilfe überhaupt erst festgestellt
werden soll, ob und ggf. in welcher Höhe ein überleitungsfähiger oder kraft Gesetzes übergegangener Zahlungsanspruch besteht
(vgl. LSG NRW, Urt. v. 07.05.2012 - L 20 SO 32/12 -, [...] Rn. 17, LSG NRW, Urt. v. 16.05.2013 - L 9 SO 212/12, [...] Rn.
27).
Die Berufung wurde auch form- und fristgemäß am 30.10.2012 gegen das am 08.10.2012 zugestellte Urteil eingelegt (§
151 SGG).
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
6a SGG gegeben, ohne dass dies vom Berufungsgericht weiter überprüft werden durfte (§
17a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz). Die Befugnis des Beklagten beruht auf einer Norm des Sozialhilferechts (§ 117 SGB XII).
Gegenstand der Klage (§
54 Abs.
1 SGG) ist der Bescheid des Beklagten vom 10.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 (§
95 SGG), mit welchem dieser den Kläger zur Auskunft über sein Vermögen und Einkommen aufforderte. Soweit der Beklagte den Ausgangsbescheid
im Widerspruchsbescheid vom 07.07.2011 nach Ansicht des SG weiter "verbösert" hat, sind die Ziffern 2- 4 des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 durch das SG aufgehoben worden. Der dadurch beschwerte Beklagte hat kein Rechtsmittel eingelegt, so dass nunmehr ausschließlich über den
Bescheid vom 10.02.2011 in der Gestalt der Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 zu befinden ist. Diese lautet:
"Das Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII erstreckt sich auf den Zeitraum v. 01.03.2010 - 28.02.2011."
Richtige Klageart gegen Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII ist die isolierte Anfechtungsklage im Sinne des §
54 Abs.
1 SGG. Bei Maßnahmen nach § 117 SGB XII handelt es sich um Verwaltungsakte (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf SGB XII Kommentar, 4. Auflage § 117 Rn. 12, Schoch in LPK SGB XII, 9. Auflage, § 117 Rn. 11, Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII Kommentar, 18. Auflage, § 117 Rn. 11). Die Beschwer des Klägers wäre beseitigt, wenn die Anfechtung Erfolg hätte, und durch eine Aufhebung die Regelung
des Beklagten ihre Wirkung verlöre.
Eine Beiladung der LB ist anders als bei der Überleitung nach § 93 SGB XII (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 02.02.2010, Az.: B 8 SO 17/08 R) nicht erforderlich, weil keine berechtigten Interessen
der LB i.S. §
75 SGG durch den reinen Auskunftsanspruch berührt werden. Der Auskunftsanspruch ist verfahrensrechtlich die Vorstufe zur Geltendmachung
von Ansprüchen nach den §§ 93 ff SGB XII insbesondere gegenüber Unterhaltsverpflichteten.
Die Berufung ist indes nur teilweise begründet. Das Klage abweisende Urteil des SG erging zu Recht, soweit der Kläger zur Auskunft für die Zeit ab der Wahrungsanzeige und der gleichzeitigen Sozialhilfebedürftigkeit
der LB zu Lasten des Beklagten verpflichtet wurde. Der Kläger ist durch den Bescheid des Beklagten vom 10.02.2011 in der Gestalt
der Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 nicht in seinen Rechten verletzt, soweit der Beklagte berechtigt Auskünfte
über das Einkommen und Vermögen des Klägers ab dem 01.02.2011 bis 28.02.2011 einholt - §
54 Abs.
1 S. 2
SGG.
1.
Die Voraussetzungen des § 117 SGB XII sind dem Grunde nach erfüllt. Die Vorschrift ist insgesamt anzuwenden, da ein Anspruchsübergang erfolgt ist, weil §
1611 Abs.1 S.2
BGB als Ausschluss nicht greift. Nach § 117 SGB XII haben die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen
dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit es die Durchführung des
SGB XII erfordert. Der Kläger ist unterhaltspflichtig, ohne dass zivilrechtliche oder öffentlich rechtliche Ausschlusstatbestände
greifen (s. dazu unten 3). § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII begründet eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, der ein von dem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch
aus § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §
1605 BGB zu unterscheidender öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers gegenübersteht. Die Vorschrift ermächtigt
den Träger der Sozialhilfe, die Auskunftspflicht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei
Auskunftsverweigerung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen (vgl. ausführlich Blüggel, a.a.O., Rn. 54, 55, Hohm
a.a.O. Rn. 12; Wahrendorf a.a.O. Rn. 12). Es handelt sich um ein Wahlrecht (zivilrechtliches oder öffentlich-rechtliches Vorgehen)
des Sozialhilfeträgers, nicht um ein im Rahmen des § 117 SGB XII auszuübendes Ermessen i.S. §
39 SGB I (insoweit missverständlich Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 117 Rn. 23).
2.
Der Bescheid vom 10.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 ist formell rechtmäßig. Das Fehlen der
Anhörung sowohl des Klägers (siehe dazu unter b.) als auch der LB (siehe dazu unter c.) führen nicht zu einer formellen Rechtswidrigkeit
des Bescheides vom 10.02.2011.
a.
Das Auskunftsverfahren nach § 117 SGB X bildet eine Vorstufe zu den Rückgriffsregelungen der §§ 93, 94 SGB XII und § 102 SGB XII und ist Ausdruck des in § 2 SGB XII normierten Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe (Blüggel a.a.O. Rn 17). Mit dem Recht des Hilfeträgers, Auskunft zu
verlangen, korrespondiert die Pflicht zur Auskunftserteilung (BVerwGE 92, 330, 332), freilich in den verfassungsrechtlichen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht durch das Recht zur informationellen
Selbstbestimmung gezogen hat (BVerfGE, 65, 1; s. auch OVG Lüneburg, Nds. MBl. 1993, 157; s. auch LSG NRW, Urt. v. 09.06.2008,
L 20 SO 36/07; LSG HE, FEVS 58, 429). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass Eingriffe in Grundrechte nur auf Grund
eines Gesetzes zulässig sind. Inhaltlich verstößt § 117 SGB XII keineswegs gegen den Verfassungsgrundsatz auf informationelle Selbstbestimmung (ebenso Schlette, Hauck/Noftz, SGB XII, K § 117 Rn. 2). Dieses aus Art.
2 Abs.
1 GG abgeleitete Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, prinzipiell selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen
er persönliche Lebenssachverhalte offenbart. Da dem Grundrecht des Art.
2 Abs.
1 GG SchrA.n gesetzt sind, muss der Einzelne aus Gründen des öffentlichen Interesses, das im Sozialhilferecht durch den Nachrang
der Sozialhilfe definiert ist, eine Einschränkung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen (vgl. Wahrendorf
a.a.O. Rn 4; Schoch a.a.O. Rn. 5).
§ 117 SGB XII erleichtert es, die Überleitung oder den Ersatz von erbrachten Leistungen vorzubereiten. In dieses Ordnungsgefüge passt sich
die Vorschrift des § 117 SGB XII als eigenständige Sonderregelung ein. Der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch soll den Hilfeträger in die Lage versetzen,
die erforderlichen Angaben zu erhalten, um ihm auf einer verlässlichen Basis die Entschließung zu ermöglichen, ob und in welcher
Höhe er überleiten will oder welcher Ersatz in Betracht zu ziehen ist. Die Regelung dient dem Leistungsträger zur Erfüllung
seiner Pflicht zur Amtsermittlung nach dem Untersuchungsgrundsatz (Blüggel, jurisPK-SGB XII, § 117 Rn. 16). Er schließt auch eine gesetzliche Lücke bei den Personen, die eigentlich nicht leistungsberechtigt sind und deshalb
keiner Auskunftspflicht nach §
60 SGB I unterliegen (Wahrendorf a.a.O.Rn. 1).
b.
Der Kläger ist zwar vor Erlass des Bescheids vom 10.02.2011 nicht angehört worden. Es kann dahinstehen, ob eine solche Anhörung
nach § 24 Abs. 1 SGB X im Rahmen eines Auskunftsverfahrens nach § 117 SGB XII überhaupt erforderlich ist, weil der darin liegende Verstoß gegen § 24 Abs. 1 SGB X jedenfalls durch Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X, vgl. hierzu ausführlich Urteil des Senats vom 28. Januar 2014, L 8 SO 21/12).
c.
Einer Anhörung der LB selbst bedurfte es - anders als bei einer Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 17/08 R - Rn. 13) - nicht, weil deren Rechte durch das reine Auskunftsersuchen von vornherein
nicht betroffen sein können (vgl. LSG NRW a.a.O. Rn 36 nach [...];, Urt. LSG NRW v. 07.05.2012 - L 20 SO 32/12 -, [...] Rn.
22).
Das Fehlen der Anhörung führt daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides
vom 10.02.2011.
3.
Der Bescheid vom 11.02.2011 in der Gestalt der Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 ist auch materiell rechtmäßig,
soweit Auskünfte ab dem 01.02.2011 betroffen sind. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII liegen für die Zeit ab 01.02.2011 durchgehend vor. Ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch der LB gegen den Kläger ist weder
offensichtlich nach §
1611 Abs.
1 S. 2
BGB im Wege der Negativevidenz (vgl. dazu unter 3. b.) noch nach § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen (vgl. dazu 3 c.cc). Auf eine Verwirkung des öffentlichen rechtlichen Auskunftsanspruches gegenüber dem Beklagten
kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen (s. dazu unter 3 d).
a.
Der Kläger ist zivilrechtlich als Unterhaltspflichtiger im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB XII anzusehen. Der Kläger ist als Sohn gem. §
1601 BGB ein Verwandter in gerader Linie und damit gegenüber seiner Mutter grundsätzlich unterhaltsverpflichtet.
(1) Die Rechtmäßigkeit des hier streitigen Auskunftsverlangens setzt nicht voraus, dass der LB dem Kläger gegenüber ein zivilrechtlicher
Unterhaltsanspruch tatsächlich und nachweislich zusteht.
Die zur Überleitung nach § 93 SGB XII entwickelten Grundsätze der Negativevidenz gelten auch für den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 94 SGB XII.
Nach dem von der Rechtsprechung des BVerwG zu § 90 BSHG entwickelten und von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B LSG NRW Urteil vom 07.05.2012, L 20 SO 32/12, LSG NRW
Urteil vom 16.05.2013, L 9 SO 212/12) übernommen Grundsatz der Negativevidenz ist die Überleitung von (Unterhalts-)Ansprüchen
nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er besteht offensichtlich nicht
(mehr) (vgl. u.a. BVerwGE 49, 311, 315 ff.; 56, 300, 302; 87, 217, 225). Es ist nicht Aufgabe der Sozialgerichte, unterhaltsrechtlichen Fragen (näher) nachzugehen.
Unter Beachtung der Aufgabenzuweisung in dem gegliederten Rechtsschutzsystem der Bundesrepublik Deutschland, das bereits verfassungsrechtlich
vorgegeben ist (vgl. Art.
92 ff.
GG), obliegt die Prüfung unterhaltsrechtlicher Fragen vielmehr den insoweit rechtswegmäßig kompetenten Zivilgerichten (vgl.
BVerwG, Urteil vom 05.10.1978 - V C 54.77). Nur wenn ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch nach objektivem, materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen ist - und
insofern ist mit Blick auf die gegliederte Aufgabenzuweisung strikte Zurückhaltung geboten (BVerwG, Urteil vom 05.10.1978
- V C 54.77) - ist eine gleichwohl erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige aufzuheben (ständige Rechtsprechung des BVerwG,
u.a. Urteil vom 06.11.1975 - V C 28.75; ferner BVerwGE 49, 311, 315 ff.; 56, 300, 302; 87, 217, 225, BSG zuletzt in Beschluss vom 25.04.2014, B 8 SO 104/12 B).
Für die Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 SGB XII, die verfahrensrechtlich die Vorstufe zum Übergang von Ansprüchen nach §§ 93 ff. SGB XII insbesondere gegen Unterhaltspflichtige bildet, gelten keine strengeren Anforderungen (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 5 C 22/90 zu der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 116 Abs. 1 BSHG); denn ihr Zweck ist es, dem Sozialhilfeträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der
Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) durch Inanspruchnahme Dritter, namentlich des zur Auskunft Herangezogenen, hergestellt werden kann (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993
- 5 C 22/90), und bei Ungewissheit einer Unterhaltsverpflichtung zur Sachverhaltsklärung beizutragen (Blüggel, a.a.O., § 117 SGB XII Rn. 26). Dieser Zweck gebietet es, als "Unterhaltspflichtige" im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB XII alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen, d.h. nicht offensichtlich ausscheiden (BVerwG, Urteil
vom 21.01.1993 - 5 C 22/90 zu § 116 Abs. 1 BSHG). Eine Negativevidenz kann damit auch im Rahmen des § 117 Abs. 1 SGB XII nur dann vorliegen, wenn von vornherein, d.h. ohne nähere Prüfung, ohne Beweiserhebung und ohne eingehende rechtliche Überlegungen
ersichtlich ist, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht.
Die dargestellten Grundsätze gelten nicht nur für die gewillkürte Überleitung nach § 93 SGB XII, sondern auch für den Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs von Unterhaltsansprüchen nach § 94 SGB XII. Bei diesem ist zu beachten, dass dann kein Unterhaltsanspruch nach § 94 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist, wenn der vermeintliche Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht besteht, weil
die Ausschlussnorm des §
1611 Abs.
1 S.2
BGB eingreift. Ob das der Fall ist, haben die Sozialgerichte nur mit dem Maßstab der Negativevidenz zu prüfen.
Auch wenn im Sozialrecht zuweilen zivil- und arbeitsrechtliche Fragen inzident zu prüfen sind, bedeutet dies nicht, dass auch
im Rahmen von § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs detailliert zu prüfen ist. Der Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs
als Vorbereitungsmaßnahme für die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs steht einer über die Feststellung einer potentiellen
Unterhaltsverpflichtung hinausgehenden Prüfung entgegen (BSG Beschluss vom 20.12.2012, B 8 SO 75/12 B, [...] Rn. 8, LSG NRW Urteil vom 16.05.2013, L 9 SO 212/12, [...] Rn. 43)
(2) Nach § 117 Abs. 1 SGB XII sind als "Unterhaltspflichtige" somit alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner nicht offensichtlich ausscheiden.
Der Kläger ist als potentiell Unterhaltspflichtiger zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet.
Es ist nach den familienrechtlichen Unterhaltsvorschriften im Sinne der Negativevidenz nicht offensichtlich ausgeschlossen,
dass er gegenüber der LB, seiner Mutter, für die Dauer der Leistungsgewährung durch den Beklagten gemäß §
1601 BGB (Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie) zum Unterhalt verpflichtet ist, da die LB mangels ausreichendem
Alterseinkommen im unterhaltsrechtlichen Sinne bedürftig ist.
b.
Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schlüssig ergeben würde, dass der Unterhaltsanspruch der Mutter
ohne weiteres im Sinne der o.g. Negativevidenz gem. §
1611 BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen ist. Nach §
1611 Abs.
1 Satz 1
BGB braucht der Unterhaltspflichtige nur einen Beitrag in der der Billigkeit entsprechenden Höhe zum Unterhalt des Berechtigten
zu leisten, wenn dieser durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist, seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber
dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt (2. Alt.) oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen
schuldig gemacht hat (3. Alt.). Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig
wäre (§
1611 Abs.
1 S. 2
BGB).
Die Bedürftigkeit der 1925 geborenen Mutter des Klägers beruht weder offensichtlich auf einem sittlichen Verschulden noch
liegt offensichtlich eine frühere gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht von Seiten der Mutter gegenüber dem Kläger vor.
Der Kläger hat zwar in den früheren Widersprüchen gegenüber dem örtlichen Sozialhilfeträger C. geltend gemacht, dass seine
Mutter ihn nach seinem Abitur nicht finanziell unterstützt habe. Diesem Vorwurf ist seine Mutter aber mit Schreiben vom 18.02.1987
entgegengetreten, so dass eine weitere Aufklärung hierzu den Zivilgerichten obliegt. Das BSG hat im Beschluss vom 20.12.2012, B 8 SO 75/12 B ausdrücklich klargestellt, dass nicht "offensichtlich" iS der Negativevidenz
sein könne, was sich erst nach Aufklärung des Sachverhaltes und ggf. einer Beweiserhebung beantworten lasse.
Auch eine schwere Verfehlung gemäß §
1611 Abs.
1 Satz 1 Alt. 3
BGB ist nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht erkennbar. Selbst wenn der Kläger zu seiner Mutter schon seit Jahrzehnten keinen
Kontakt mehr hätte und dies allein auf die Mutter zurückginge, begründet dies nicht den Vorwurf einer schweren Verfehlung.
Dazu bedürfte es einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange
der Pflichtigen. Der familienrechtliche Unterhaltsanspruch hängt grundsätzlich nicht vom positiven Wohlverhalten des Unterhaltsbedürftigen
ab. Der Senat berücksichtigt hier auch das bereits fortgeschrittene hohe Lebensalter der LB und die damit einhergehenden gesundheitlichen
und evt. kognitiven und emotionalen Einschränkungen. Die Ablehnung des Kontakts durch die LB reicht nach familienrechtlicher
Judikatur nicht, um den Tatbestand des §
1611 Abs.
1 S. 1 3.Alt
BGB zu begründen.
Dieser erfordert tiefgreifende Kränkungen, die einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung und menschlicher Rücksichtnahme
erkennen lassen. In Betracht kommen insbesondere Angriffe, Bedrohungen, Denunziationen oder strafrechtlich relevante Verhaltensweisen
(Beleidigungen, Körperverletzung, Drohung, Nötigung, sexueller Missbrauch).
Für die hier zu prüfende Negativevidenz genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Dies gilt auch für §
1611 Abs.
1 S. 2
BGB, weil eine besondere Härte noch über das hinausgehen müsste, was den Unterhaltsanspruch nach §
1611 Abs.
1 S. 1
BGB auf das Maß der Billigkeit einschränken würde.
Es liegen damit keine Anhaltspunkte vor, die eine Verpflichtung iSd des §
1611 Abs.
1 S. 2
BGB entfallen ließen. Der Unterhaltsanspruch der LB ist nicht offensichtlich nach §
1611 Abs.
1 S. 2
BGB ausgeschlossen.
c.
Der Beklagte hat im Übrigen die gesetzlichen Grenzen der Auskunftspflicht eingehalten; die verlangte Auskunft der Klägerin
ist zur Durchführung des SGB XII erforderlich.
aa) Der Beklagte hat Leistungen nach dem Dritten Kapitel (Barbetrag und Bekleidungsbeihilfe) und nach dem Siebten Kapitel
des SGB XII (stationäre Pflege) an die Mutter des Klägers erbracht und erbringt diese weiterhin. Die Leistungserbringung ist nach Maßgabe
von § 19 Abs. 1, 3, §§ 27 b Abs. 2, 61 ff SGB XII für die verwitwete alleinstehende, vermögenslose LB, die über keine bedarfsdeckenden Einkünfte verfügt, rechtmäßig.
bb) Es ist nicht ausgeschlossen, dass die begehrte Auskunft zur Einschätzung von Grund und Höhe eines etwaigen auf den Beklagten
nach § 94 SGB XII übergegangenen Unterhaltsanspruchs relevant ist.
cc) Auch § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII steht einem Anspruchsübergang auf den Beklagten nicht entgegen.
Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen mit dem
unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII findet kein Anspruchsübergang statt, soweit dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Während die Frage, ob der Unterhaltsanspruch
nach §
1611 BGB verwirkt ist (vgl. oben) rein zivilrechtlicher Natur ist (und damit am Maßstab der Negativevidenz durch die Sozialgerichte
zu prüfen ist), richtet sich die Frage des Anspruchsübergangs nach § 94 SGB XII nach öffentlichem Recht. Deshalb begründen die als zivilrechtlich einzuordnenden Störungen familiärer Beziehungen im Sinne
des §
1611 BGB grundsätzlich keine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (vgl. BVerwGE 58, 209, 214 zu § 91 Abs. 3 BSHG aF; Armbruster in: jurisPK-SGB XII, § 94 SGB XII, Rn 110). Die zivilrechtlichen Härtereglungen nach §
1611 BGB sind vorrangig vor der Härtefallregel des § 94 Abs. 3 S.1 Nr. 2 SGB XII, weil insoweit die Durchsetzung des Unterhaltsanspruches bereits zivilrechtlich ausgeschlossen ist (Falterbaum in Hauck/Noftz
K SGB XII § 94 Rn. 67, Schellhorn aaO § 94 Rn. 105, Wahrendorf in Grube/Wahrendorf SGB XII Kommentar, 4 Auflage § 94 Rn. 38).
Bei der Auslegung der Härteklausel der § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen und es sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe zu
beachten. Eine unbillige Härte liegt danach insbesondere vor, wenn und soweit der - öffentlich-rechtliche - Grundsatz der
familiengerechten Hilfe, nach dem u.a. auf die Belange und Beziehungen in der Familie Rücksicht zu nehmen ist (vgl. § 16 SGB XII), einer Heranziehung entgegensteht. Weitere Gründe sind, dass die laufende Heranziehung in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen
Lage des Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf die Höhe und Dauer des Bedarfs zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung
des Unterhaltspflichtigen und der übrigen Familienmitglieder führen würde. Auch wenn die Zielsetzung der Hilfe infolge des
Übergangs gefährdet erscheint oder wenn der Unterhaltspflichtige den Sozialhilfeempfänger bereits vor Eintritt der Sozialhilfe
über das Maß einer zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus betreut oder gepflegt hat, würde eine besondere Härte in diesem
Sinne vorliegen.
Im vorliegenden Fall ist keine vergleichbare Sachverhaltskonstellation ersichtlich. Auch eine langjährige Kontaktlosigkeit
zwischen der LB und dem Kläger als potentiell Unterhaltsverpflichtetem kann die Familienverbundenheit und die sich daraus
ergebenden Unterhaltspflichten nicht unterbrechen. Gerade weil es keinerlei Kontakte zwischen der LB und dem Kläger in der
Vergangenheit gab, ist auszuschließen, dass die jetzt erstmalige Inanspruchnahme eine unbillige Härte darstellt. Die LB ist
jetzt tatsächlich erstmals auf die finanzielle Unterstützung durch den Kläger angewiesen. Während der Zeit des Bezuges von
Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII trat der örtlich zuständige Sozialhilfeträger, die C., zwar 1986 und 1996 mit Rechtswahrungsanzeigen an den Kläger heran,
verfolgte nach dessen Einwänden aber die Ansprüche nicht weiter.
dd) Die begehrte Auskunftserteilung nimmt den Kläger ab dem Eintritt der Leistungspflicht des Beklagten zum 06.01.2011 und
der Rechtswahrungsanzeige schließlich auch nicht im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unangemessen in Anspruch.
Die Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1-4 SGB XII reicht jeweils soweit, wie es zur Durchführung der Leistungen nach dem SGB XII erforderlich ist (so § 117 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 SGB XII; ebenso bzgl. der Finanzbehörden § 21 Abs. 4 SGB X i.V.m. §
37 Satz 1
SGB I). Der Umfang der Auskunftspflicht ist damit mit dem Umfang der Amtsermittlungspflicht des Sozialhilfeträgers (§ 20 SGB X) kongruent. Durch die Begrenzung auf "das Erforderliche" konkretisiert § 117 SGB XII einfach-rechtlich den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als grundrechtliche Schranken-Schranke. Eine
Auskunftspflicht der Dritten besteht damit nur, solange und soweit die Heranziehung der Dritten zur Durchführung des SGB XII und damit der Klärung eines Leistungsanspruches geeignet sowie erforderlich ist und die Dritten nicht unangemessen in Anspruch
nimmt. Damit ist eine Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Sozialleistungsträgers und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen
des Auskunftsverpflichteten vorzunehmen. Das Interesse des Auskunftsverpflichteten an der Geheimhaltung seiner Daten überwiegt
dann das Auskunftsinteresse des Sozialleistungsträgers, wenn der Unterhaltsanspruch unabhängig von seinen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen ganz offensichtlich (evident) nicht besteht. Das BSG hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2014 zu erkennen gegeben, dass der Auskunftsanspruch des § 117 SGB XII im Zusammenhang mit § 94 Abs. 2 SGB XII nicht bestehe, solange die Leistungsfähigkeit bezüglich des in pauschalierter Form übergegangenen Unterhaltsanspruchs ("26
EUR") nicht bestritten werde; die Kenntnis des Sozialhilfeträgers über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des möglichen
Unterhaltsschuldners sei dann nicht erforderlich, und den Interessen des Sozialhilfeträgers sei dann im Rahmen des zivilrechtlichen
und zivilprozessualen Verfahrens ausreichend Rechnung getragen - Blüggel in [...] PK SGB XII, § 117 Rn. 53 f.
Hier begann die Leistungspflicht des Beklagten als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für stationäre Leistungen der Hilfe
zur Pflege erst am 06.01.2011, so dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers auch frühestens ab diesem Zeitpunkt
für einen möglichen gesetzlichen Forderungsübergang relevant sind. Allerdings wurde dem Kläger die Leistungsbewilligung an
seine Mutter erst mit Rechtswahrungsanzeige vom 10.02.2011 bekannt gegeben. Die Durchführung des SGB XII erfordert eine Auskunft dann nicht, wenn keine Unterhalts- oder Kostenerstattungspflicht besteht. Das trifft z.B. bei Unterhaltsansprüchen
für eine Zeit zu, für die keine Sozialhilfe geleistet wurde oder bei Sozialhilfeaufwendungen für die Vergangenheit, soweit
nicht die Voraussetzungen des § 94 Abs. 4 SGB XII vorliegen (Schoch in Münder LPK-SGB XII, 9. Auflage, § 117 Rn. 20, Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, 5. Auflage, § 94 Rn. 15,16 Zeitidentität). Soweit der Beklagte seinen Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII unter Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 auf den Zeitraum vom 01.03.2010 bis 05.01.2011 erstreckt hat, war
dieser Anspruch nicht zur Durchführung des SGB XII erforderlich, weil der LB für diesen Zeitraum keine Sozialhilfe gewährt wurde. Diese wurde erst ab 06.01.2011 bewilligt.
Erst mit Rechtswahrungsanzeige vom 10.02.2011 hat der Beklagte seine Sozialhilfegewährung an die LB beim Kläger angezeigt.
Nach § 94 Abs. 4 SGB XII kann der Sozialhilfeträger den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der
Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltsverpflichteten die Erbringung der Leistungen schriftlich mitgeteilt hat. Daher
beginnt die Auskunftspflicht auch erst mit dem Beginn des Monats des Zugangs Rechtswahrungsanzeige am 01.02.2011.
Der Senat weist unter Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung (Urteil vom 28.01.2014, L 8 SO 21/12) zur Klarstellung darauf
hin, dass es sich bei der Auskunft um eine mehrstufiges Verfahren handeln kann. Gibt der Auskunftspflichtige in der ersten
Stufe z.B. an, dass er selbstständig tätig ist, wird der Sozialhilfeträger in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 2 der VO zu § 82 SGB XII Einkünfte für das Jahr ermitteln, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechungsjahr). Bei Einkünften aus nichtselbstständiger
Tätigkeit ist bei der Berechung von einer monatlichen Betrachtung auszugehen (§ 3 Abs. 3 VO zu § 82 SGB XII).
Hier verweigert der Kläger zu Unrecht sämtliche Auskünfte, so dass der Beklagte nicht weiß, ob und über welche Einkünfte der
Kläger verfügt. Er kann daher nur in den Grenzen des § 94 Abs. 4 SGB XII Auskünfte ab 01.02.2011 einholen. Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 28.01.2014 entschiedenen Fall hat der Beklagte
hier in Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2011 ohne jede Kenntnis von der Einkommenssituation des Klägers eine
Regelung zur rückwirkenden Einkommensermittlung getroffen, die nur dann zulässig wäre, wenn der Kläger Einkünfte aus selbstständiger
Tätigkeit erzielen würde. Im Übrigen bezieht sich auch die vom Beklagten zuletzt angegebene zivilrechtliche Rechtsprechung
zur Rechtfertigung einer Auskunft auf ein Jahr jeweils auf selbstständig Tätige (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Urteil vom 12.05.1989,
1 UF223/88).
d.
Dem öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch des Beklagten kann der Kläger nicht erfolgreich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten.
Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere
Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).
Zwar kann ein öffentlich rechtlicher Auskunftsanspruch dem Grunde nach verwirken, wenn sich ein Sozialhilfeträger nicht zeitnah
mit den Einwendungen auseinandersetzt, die der Unterhaltsschuldner gegen seine Inanspruchnahme geltend macht (OLG Düsseldorf,
Urteil vom 26.03.1993, 7 U 254/91).
Der Beklagte hat sich hier zeitnah im Widerspruchsbescheid vom 07.07.2011 mit den Einwänden des Klägers vom 27.04.2011 gegen
den Bescheid vom 11.02.2011 auseinander gesetzt. Der Beklagte muss sich eine frühere Befassung des örtlichen Sozialhilfeträgers
"C." mit den 1986 und 1996 vorgebrachten Einwendungen nicht entgegenhalten lassen. Es besteht zwischen den örtlichen und überörtlichen
Trägern der Sozialhilfe keine Funktionseinheit oder keine Erfüllungsgehilfen-Funktion. Der Einwand der Verwirkung von Rechten
wirkt immer nur in der jeweiligen Rechtsbeziehung.
Die Berufung war demnach begründet, soweit der Beklagte einen Auskunftsanspruch für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.01.2011
geltend macht.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 VwGO (Kostenverteilung). Es handelt sich bei dem Rechtsstreit bezüglich des Auskunftsanspruches nach § 117 SGB XII nicht um ein Verfahren nach §
193 SGG. Denn gehört in einem Rechtszug weder die Klägerin noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben. Kostenfreiheit im Sinne von §
183 Abs.
1 S. 1
SGG besteht nur für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder
deren Sonderrechtsnachfolger nach §
56 SGB I, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind.
Der Senat hält eine Kostenaufhebung hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens für sach- und streitangemessen, weil der
Kläger im Wesentlichen mit seiner Berufung unterliegt. Seine Rechtsauffassung vom Nichtbestehen des Unterhaltsanspruches bzw.
von der Verwirkung des öffentlich rechtlichen Auskunftsanspruches ist unzutreffend. Demgegenüber fällt nicht überwiegend ins
Gewicht, dass der Auskunftsanspruch des Beklagten nur für einen kurzen Zeitraum (01.02.2011 bis 28.02.2011) besteht. Bei der
Kostenaufhebung trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst und die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte (§
155 Abs.
1 S. 2
VwGO, Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG Kommentar, 11. Auflage, §
197 a, Rn. 15a).
5.
Gründe zur Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG sind nicht ersichtlich. Insbesondere berücksichtigt der Senat dabei, dass derzeit noch ein Verfahren zu Rechtsfragen um das
Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII beim BSG anhängig ist (B 8 SO 13/13 R) und zwei weitere Verfahren unstreitig vor dem BSG erledigt wurden (B 8 SO 20/12 R, Terminsbericht BSG 13.02.2014, B 8 SO 21/13 R. vgl. i.ü. auch Beschlüsse über NZB des BSG, Beschluss vom 20.12.2012, B 8 SO 75/12 B; B. vom 25.04.2013, B 8 SO 104/12 B.