Rückforderung von SGB-II-Leistungen
Anrechnung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit
Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte
Gründe:
I.
Die Klägerin - eine selbständig tätige Rechtsanwältin - wehrt sich gegen die Höhe der endgültigen Festsetzung und Rückforderung
von vorläufig gewährten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum von Anfang November 2010 bis Ende November 2011.
Die 1979 geborene, alleinstehende Klägerin beantragte am 28. April 2010 die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II und
gab an, seit August 2009 als selbständige Rechtsanwältin berufstätig zu sein und bis 31. Oktober 2010 einen Gründungszuschuss
in Höhe von 300 EUR zu erhalten. Sie sei freiwillig krankenversichert und Mitglied der Pflegepflichtversicherung (Gesamtbeiträge
ab 1. Juni 2010: 316,18 EUR monatlich), ferner sei sie freiwillig in der Arbeitslosenversicherung weiterversichert (Beiträge:
15,19 EUR monatlich bis Dezember 2010) und zahle an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin den monatlichen Mindestbeitrag
in Höhe von 109,45 EUR. Für eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zahlte die Klägerin für die Zeit von Juli 2010 bis
Juli 2011 einen Gesamtbetrag von 124,36 EUR. Die Klägerin vermietete einen Teil der von ihr bewohnten Wohnung zur Reduzierung
ihrer Aufwendungen bis 31. Juli 2011 unter. Wegen der jeweiligen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) wird auf das angefochtene
Urteil des Sozialgerichts Berlin (SG) Bezug genommen. Mit Bescheid vom 18. Mai 2010 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 10. und 26. November 2010 bewilligte
ihr der Beklagte für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2010 vorläufig Leistungen in einer monatlichen Gesamthöhe von 443,91
EUR bzw. 619,07 EUR für November 2010 (davon jeweils 349,93 KdU) unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin zu ihrem
voraussichtlichen Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit im Bewilligungszeitraum.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 29. Oktober 2010 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 10. November 2010 in der Fassung
des Bescheides vom 17. November 2010 für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 31. Mai 2011 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe
von monatlich 660,29 EUR bzw. in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März und 16. Mai 2011 für Januar 2011 in Höhe
von 697,75 EUR (davon KdU 382,81 EUR) und Februar bis Ende Mai 2011 in Höhe von 648,53 EUR (davon KdU 333,49 EUR) unter Anrechnung
des von der Klägerin prognostizierten Einkommens.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 14. Mai 2011 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2011 für die Zeit vom 1.
Juni 2011 bis 30. November 2011 unter Anrechnung des von der Klägerin prognostizierten Einkommens vorläufig Leistungen in
Höhe von 613,47 EUR (davon KdU 333,49 EUR) monatlich bzw. mit Änderungsbescheid vom 19. Juli 2011 für die Zeit vom 1. August
bis 30. November 2011 in Höhe von 946,97 EUR (davon KdU 666,99 EUR) wegen der durch Kündigung der Untermieterin erhöhten KdU.
Mit vier Bescheiden vom 20. Februar 2012 setzte der Beklagte die der Klägerin in den Bewilligungszeiträumen von November 2010
bis November 2011 vorläufig gewährten Leistungen nach Vorlage der abschließenden Angaben der Klägerin zu ihrem Einkommen aus
selbständiger Tätigkeit (EKS) endgültig fest, und zwar mit einem ersten Bescheid dieses Datums für November 2010 in Höhe von
619,07 EUR, wovon 269,14 EUR unter Anrechnung von Einkommen auf den Regelbedarf entfielen und 349,93 EUR auf die KdU. Mit
einem weiterem Bescheid vom 20. Februar 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2010 in Höhe von monatlich 536,59 EUR, wovon 186,34 EUR nach Anrechnung von Einkommen in Höhe von 172,66 EUR
auf den Regelbedarf entfielen und 350,25 EUR auf KdU. Auf ihren Widerspruch setzte der Beklagte die Höhe des Arbeitslosengeldes
II mit zwei Änderungsbescheiden vom 18. Juni 2012 für November 2010 bei gleich bleibenden KdU auf 634,26 EUR, für Dezember
2010 auf 551,87 EUR und bis Ende Mai 2011 auf 660,29 EUR fest (davon nach einer Betriebs- und Heizungskostenabrechnung KdU
jeweils 350,25 EUR) und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2012 zurück. Die Beiträge zum
Versorgungswerk der Rechtsanwälte seien nicht, wie von der Klägerin begehrt, unmittelbar als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Da ihr Einkommen die zunächst prognostizierten Werte übersteige, seien die über den endgültig festgesetzten Leistungsanspruch
hinaus erbrachten Leistungen zu erstatten.
Mit einem weiteren Bescheid vom 20. Februar 2012 setzte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für Juni und Juli 2011 auf 176,32 EUR (nur KdU) monatlich und für die Monate August bis November 2011 auf jeweils 509,82
EUR (nur KdU) unter Anrechnung von Einkommen fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 7. Juni 2012 zurück. Die geltend gemachten Beiträge für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte seien vom Einkommen abzusetzen
und keine Betriebsausgaben. Der Klägerin verbleibe nach Saldierung der Betriebseinnahmen und -ausgaben ein Gewinn in Höhe
von 817,57 EUR, von dem Freibeträge in einer Gesamthöhe von 281,21 EUR abzusetzen seien (Grundfreibetrag von monatlich 100
EUR, Freibetrag von 140 EUR, Freibetrag von 1,76 EUR, Grundfreibetrag übersteigende Ausgaben von 39,45 EUR), woraus sich ein
zu berücksichtigendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 521,17 EUR errechne.
Mit einem weiterem Bescheid vom 20. Februar 2010 forderte der Beklagte von der Klägerin die Erstattung von Leistungen, und
zwar für November 2010 in Höhe von 70,20 EUR (Regelleistung), für Dezember 2010 in Höhe von 123,70 EUR (Regelleistung), für
Juni 2010 in Höhe von 437,15 EUR (279,98 EUR Regelleistung und 157,17 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) jeweils für die
Monate Juni bis Oktober 2011 und für November 2011 in Höhe von 279,98 EUR (Regelleistung), insgesamt 2.659,63 EUR. Den hiergegen
erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2012 zurück.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2012 hob der Beklagte nach Anhörung der Klägerin die Entscheidungen vom 18. November 2010, 10. Januar,
26. März und 16. Mai 2011 über die Bewilligung von SGB II-Leistungen vom 1. Januar bis 31. Mai 2011 teilweise in Höhe von monatlich 123,70 EUR auf und forderte die Erstattung von
618,50 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2012 zurück.
Ihre Klagen vom 25., 26. und 29. Juni 2012 sowie vom 6. August 2012 - S 193 AS 16583/12, S 206 AS 16765/12, S 189 AS 17165/12 und S 123 AS 20631/17 -, mit denen die Klägerin eine fehlerhafte Einkommensberechnung im Hinblick auf die vom Beklagten nicht als unmittelbar einkommensmindernd
berücksichtigten Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte gerügt hat, hat das SG mit Beschlüssen vom 8. Oktober 2014 und 8. Januar 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu vorliegendem Verfahren
verbunden. Mit Urteil vom 18. Dezember 2015 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei nach
dem angenommenen Teilanerkenntnis des Beklagten (Verringerung der Erstattungsforderung für November 2010 auf 42,66 EUR und
für Dezember 2010 auf 108,51 EUR) unbegründet. Der Bescheid vom 20. Februar 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom
18. Juni 2012 und der Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2012 sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin
seien ihre Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte als Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen
Einrichtungen abzusetzen, da diese in erster Linie der Altersvorsorge dienten. Insbesondere handle es sich nicht um Betriebsausgaben
im Rahmen der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin. Verfassungsrecht werde dadurch, dass das Einkommen in Höhe der Beiträge
zum Versorgungswerk zunächst in den Grundfreibetrag einfließe, nicht verletzt. Es handele sich um eine zulässige pauschalierende
Regelung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, auch soweit die Beiträge deswegen teilweise unberücksichtigt geblieben
seien, als ihr Gewinn bis Mai 2011 noch unter 400 EUR gelegen habe. Jedenfalls handle es sich bei den Beiträgen nicht um Betriebsausgaben,
da hiermit ein persönliches und kein berufliches Risiko der Klägerin abgesichert würde. Die Leistungen seien nach korrekter
Ermittlung des Einkommens der Klägerin und nach Abzug der Freibeträge in zutreffender Höhe festgesetzt worden worden. Die
Angaben der Klägerin zu ihrem Einkommen und den Ausgaben seien vollständig vom Beklagten übernommen worden. Von dem sich danach
errechnenden durchschnittlichen Gewinn in Höhe von 196,88 EUR seien zu Recht der Grundfreibetrag von 100 EUR, die Beiträge
zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung von 15,19 EUR sowie der weitere Freibetrag in Höhe von 19,38 EUR abgesetzt worden.
Bei einem Regelbedarf von 359 EUR und KdU von 356,73 EUR abzüglich der seinerzeit noch abzusetzenden Warmwasserpauschale von
6,47 EUR ergebe sich ein Anspruch von 646,95 EUR, der nach dem Teilanerkenntnis vollständig gedeckt sei. Für Dezember 2010
habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld II 551,78 EUR betragen, wie mit dem Änderungsbescheid vom 18. Juni 2012 zutreffend
festgesetzt worden sei.
Auch hinsichtlich des Bescheides vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2012 sei die Klage
unbegründet. Sowohl die Höhe des angerechneten Einkommens als auch die der KdU und der Erstattungsforderung seien korrekt;
die Nennung der falschen Rechtsgrundlage sei unschädlich. Der Beklagte habe die Angaben der Klägerin zu ihren Einnahmen und
Ausgaben aus der selbständigen Erwerbstätigkeit vollständig übernommen, woraus sich ein durchschnittlicher monatlicher Gewinn
von 315,84 EUR und nach Abzug der Freibeträge ein anzurechnendes Einkommen von 172,67 EUR ergeben habe. Der Bedarf habe sich
unter hälftiger Berücksichtigung der Betriebskostenabrechnung für Januar 2011 aus 364 EUR Regelleistung und 382,72 EUR KdU
zuzüglich 98,45 EUR zusammengesetzt. Für die folgenden Monate seien zu Recht nur KdU in Höhe von 333,50 EUR berücksichtigt
worden. Der Bescheid vom 20. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2012 sei ebenso wenig zu beanstanden.
Das angerechnete Einkommen entspreche den Angaben der Klägerin. Da der Gewinn in diesem Bewilligungsabschnitt höher als 400
EUR gewesen sei, seien zu Recht Absetzungsbeträge in Höhe von 139,45 EUR (davon Versicherungspauschale von 30 EUR und die
nachgewiesenen Beiträge für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte von 109,45 EUR) sowie der weiterer Freibetrag von 143,51
EUR berücksichtigt worden, so dass sich anzurechnendes Einkommen von 534,61 EUR ergeben haben, dem für Juni und Juli 2011
ein Bedarf von 697,49 EUR und von August bis November 2011 ein Bedarf von 1.030,99 EUR gegenüber gestanden habe. Soweit der
Beklagte mit dem Bescheid vom 20. Februar 2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Juni 2012 und des Widerspruchsbescheides
vom 19. Juni 2012 die Erstattung von Leistungen in Höhe von 2.659,53 EUR gefordert habe, sei dies auch rechnerisch rechtmäßig.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, das anrechenbare Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei nicht zutreffend
ermittelt worden. Die Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte seien gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträgen
gleichzustellen und vom Bruttoeinkommen abzusetzen. Die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk stelle eine der gesetzlichen
Rentenversicherung vergleichbare Sicherungsform dar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom
20. Februar 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 18. Juni 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2012
zu verpflichten, ihr um monatlich 109,45 EUR höhere Leistungen für November und Dezember 2010 zu bewilligen, den Beklagten
unter Änderung des Bescheides vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2012 zu verpflichten,
ihr für den Zeitraum von Januar bis Mai 2011 monatlich um 109,45 EUR höhere Leistungen zu bewilligen und die Erstattungsforderung
in Höhe von monatlich 109,45 EUR für diesen Zeitraum teilweise aufzuheben, den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom
20. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2012 zu verpflichten, ihr um monatlich 70 EUR höhere
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum von Juni bis November 2011 zu bewilligen, den Bescheid vom 20. Februar
2012 in der Änderungsbescheides vom 18. Juni 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2012 teilweise aufzuheben, soweit
für Juli bis November 2011 die Erstattungsforderung jeweils 70 EUR übersteigt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
Die Verwaltungsakten des Beklagten (vier Bände) sowie die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung
gewesen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 20. Februar 2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 18. Juni
2012 und der Widerspruchsbescheide vom 7. und 19. Juni 2012 in der Fassung des vor dem SG angenommenen Teilanerkenntnisses sowie der Bescheid vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli
2012, deren Änderung die Klägerin mit der statthaft erhobenen Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) begehrt.
Rechtsgrundlage für die - wie vom SG zutreffend entschiedenen - endgültigen Leistungsfestsetzungen für die Zeit von November 2010 bis Ende November 2011 mit den
angefochtenen Bescheiden ist nach zunächst wegen noch nicht feststehenden Einkommens aus der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin
nur vorläufigen Leistungsbewilligungen § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II (in der Fassung des mit Wirkung zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Gesetzes vom 20. April 2007 - BGBl. I S 554 - a.F.)
i.V.m. §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III).
Für die streitgegenständlichen Bewilligungszeiträume war die erwerbsfähige, alleinstehende Klägerin gemäß §§ 7, 9, 11 SGB II unter Anrechnung ihres Einkommens aus selbständiger Tätigkeit ergänzend hilfebedürftig. Die monatlichen Regelbedarfe und
KdU hat das SG in zutreffender Höhe berücksichtigt, wie im Übrigen auch von der Klägerin nicht bestritten wird.
Auch die vom SG nach § 11 SGB II iVm § 3 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V (in der Fassung vom 18. Dezember 2008; BGBl. I S. 2780) unter Zugrundelegung der von der Klägerin mit den jeweiligen EKS getätigten Angaben vorgenommene Einkommensberechnung ist
nicht zu beanstanden. Nach § 3 Abs. 1 Alg II-V ist zunächst von den Betriebseinnahmen im jeweiligen Bewilligungszeitraum auszugehen, von denen nach § 3 Abs. 2 Alg II-V die tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen sind, nicht
hingegen die nach § 11 b SGB II abzusetzenden Beträge. So liegt es indes hier in Bezug auf die streitigen Beiträge für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte.
Wie vom SG zu Recht ausgeführt worden ist, sind die Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b SGB II zu berücksichtigen, mithin weder als notwendige Betriebsausgaben unmittelbar vom Einkommen abzusetzen noch als Pflichtbeiträge
zur Sozialversicherung gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2014 - L 12 AS 1858/13 - juris Rn. 42 sowie neben der vom SG zitierten Kommentarliteratur auch Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 11 b Rn. 16, wonach allenfalls § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II als Absetzungsnorm erwogen wird). Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit dem bereits vom SG zitierten Urteil vom 30. Juli 2008 (- B 14 AS 44/07 R - juris Rn. 14), das auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, ausgeführt, dass das Einkommen jenes gemäß §§ 7, 9, 11 SGB II hilfebedürften Klägers um die - vergleichbaren - Beiträge zum Versorgungswerk der Landesarchitektenkammer gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b SGB II in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung, die der hier anzuwendenden Norm des § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b SGB II entspricht, zu mindern gewesen wäre, wäre nicht bereits eine Bezuschussung gemäß § 26 SGB II a.F. erfolgt. Dem ist zu folgen. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung geltend macht, die Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk
seien gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Bruttoeinkommen abzusetzen, spricht bereits der Wortlaut der Norm, wie sie selbst einräumt, dagegen, da Sozialversicherungsbeiträge
nicht streitgegenständlich sind. Verfassungsrecht wird, anders als die Klägerin meint, hierdurch nicht verletzt, und zwar
weder im Sinne eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) noch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG). Letzteres greift dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht
zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - juris Rn. 134). Der Gesetzgeber hat indes einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem
Umfang bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, sonstiges Einkommen des
Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird (vgl. BVerfGE 100, 195 (205) sowie BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 - juris Rn. 13). Auch ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG liegt nicht vor. Auch insofern wird dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialrechts eine besonders weite Gestaltungsfreiheit
zugestanden. Zwar darf er gleichartige Einnahmen bei verschiedenen Personengruppen nicht unterschiedlich der Einkommensanrechnung
unterwerfen, ohne dass hierfür ein nach Art und Gewicht bestehender Unterschied besteht, der die ungleiche Behandlung rechtfertigt.
Dabei kann, wie bereits das SG ausgeführt hat, auch dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität bei der Regelung von Massenerscheinungen eine besondere
Bedeutung für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zukommen (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 17). Art.
3 Abs.
1 GG ist hingegen bereits nicht einschlägig, wenn verschiedenartige Einnahmen bei der Einkommensanrechnung unterschiedlich berücksichtigt
werden. So liegt es hier hinsichtlich der in § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II geregelten, dem Prinzip der Solidargemeinschaft unterfallenden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung auf der einen und den,
der Nr. 3 der Norm unterfallenden Beiträgen zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte auf der anderen Seite, mit denen die Angehörigen
zwar auch gegen typische, der Sozialpflichtversicherung unterfallende Risiken versichert werden. Die Versorgungswerke sichern
Angehörigen der (verkammerten) freien Berufe darüber hinaus aber die grundsätzlich umfangreichere Versorgung bei Berufsunfähigkeit,
Alter und Tod zu und gewähren insofern regelmäßig höhere bzw. weitergehende Leistungen als insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung.
Schon aus diesem Grund sind selbständig tätige Kammermitglieder aufgrund dieser Tätigkeit nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
pflichtversichert, falls eine solche nicht auf Antrag herbeigeführt worden ist oder es sich - was bei der Klägerin ihrem Vorbringen
nach nicht der Fall ist - um arbeitnehmerähnliche Selbständige handelt (vgl. §
2 Nr. 9 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung -
SGB VI). Die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung ist hiernach nicht ersichtlich.
Auch die Erstattungsforderungen sind nicht zu beanstanden. Der Beklagte hatte der Klägerin im Hinblick auf ihr zum Zeitpunkt
der Bewilligungen für die gegenständlichen Leistungszeiträume ab 1. November 2010 noch nicht feststehendes Einkommen aus der
selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit zu Recht vorläufig Leistungen bewilligt und mit den jeweiligen Bewilligungsbescheiden
auch hinreichend klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass und aus welchem Grund und in welchem Umfang Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nur vorläufig bewilligt wurden. Zudem hatte er auf eine mögliche Erstattungsverpflichtung nach
§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II iVm §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III hingewiesen. Die vorläufigen Bewilligungen haben sich schließlich nach Maßgabe der von der Klägerin vorgelegten EKS - teilweise
- als unrichtig erwiesen, da sie tatsächlich nur einen geringeren als den zunächst prognostizierten Hilfebedarf hatte. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II ordnet die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift des
SGB III über die vorläufige Entscheidung (§
328 SGB III) an. §
328 Abs.
3 Satz 1
SGB III bestimmt, dass aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen sind. Nach
§
328 Abs.
3 Satz 2 Halbs. 1
SGB III sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung
ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Die Voraussetzungen der Erstattungsansprüche liegen
in der vom SG ausgewiesenen Höhe vor. Einwände hat die Klägerin hinsichtlich der Berechnung insofern nicht erhoben. Der Senat nimmt daher
im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des SG in dem angefochtenen Urteil Bezug, denen er folgt, und sieht insofern von weiteren Ausführungen ab (vgl. §
153 Abs.
2 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.