Kürzung der gesetzlichen Rente wegen Anrechnung eines Dienstbeschädigungsausgleichs aufgrund einer bei der Nationalen Volksarmee
der ehemaligen DDR erlittenen, im Rahmen der Wiedervereinigung dem Unfallversicherungsrecht unterstellten Schädigung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer höheren Altersrente ohne Anrechnung der von ihm bezogenen Verletztenrente.
Der 1941 geborene Kläger erlitt während seines Dienstes bei der Nationalen Volksarmee (NVA) vom 01. August 1961 (vgl. Beurteilung
der NVA vom 02. Juli 1962) bis zum 25. Mai 1962 (vgl. Entlassungsschein der NVA vom 25. Mai 1962) am 02. November 1961 eine
Schädelfraktur mit schwerer Gehirnerschütterung. Dieser Gesundheitsschaden wurde mit Bescheinigung der NVA vom 26. April 1962
als Dienstbeschädigung und als entschädigungspflichtig im Sinne der Sozialversicherung anerkannt. Wegen der Folgen des erlittenen
Unfalls erhielt er von der Sozialversicherung der DDR eine Unfallteilrente zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) von 40 vom Hundert (v.H.) im ersten Jahr, von 30 v.H. im zweiten Jahr und von 20 v.H. ab dem dritten Jahr. Diese wurde
nach den Vorgaben des Einigungsvertrags (EV) in die gesetzliche Unfallversicherung überführt und als Verletztenrente weitergeleistet, und zwar ab dem 01. Juli 2003
in Höhe von 215,78 EUR monatlich (vgl. Auskunft der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) vom 17. Januar 2006).
Der Kläger holte vor Beginn des eigentlichen Rentenverfahrens bei der Beklagten eine Auskunft vom 15. November 2005 ein, in
welcher es u.a. heißt: "Ihr Dienstbeschädigungsausgleich steht einer Verletztenrente nicht gleich."
Der Kläger stellte am 18. November 2005 einen Antrag auf Versichertenrente. Die Beklagte gewährte dem Kläger nach Einholung
der Auskunft der VBG vom 17. Januar 2006 mit Bescheid vom 06. März 2006 für die Zeit ab dem 01. Mai 2006 eine Altersrente
für schwerbehinderte Menschen. Hierbei rechnete sie (vgl. Anlage 1 und 7) die Verletztenrente von 215,78 EUR nach Abzug von
2/3 der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Höhe von 146,45 EUR an.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 10. März 2006 Widerspruch und wandte sich u.a. gegen die Anrechnung der Verletztenrente.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2006 als unbegründet zurück. Die Anrechnung einer
Verletztenrente sei gesetzlich vorgesehen. Ein Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich bestehe nicht.
Der Kläger hat mit der am 19. Oktober 2006 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage sein Begehren weiterverfolgt, ihm die Unfallteilrente als Dienstbeschädigungsausgleich anzuerkennen bzw.
als solchen zu behandeln, die Altersrente neu zu berechnen und hiernach ausstehende Beträge nachzuzahlen. Soweit seine Verletztenrente
bei der Rentenberechnung nicht wie ein Dienstbeschädigungsausgleich anrechnungsfrei bleibe, liege eine grundrechtswidrige
und gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensgrundsatz verstoßende Ungleichbehandlung vor. Davon abgesehen sei die Absenkung
nach dem BVG verfassungswidrig. Insbesondere liege gegenüber denjenigen NVA-Soldaten eine Ungleichbehandlung vor, die aufgrund der Versorgungsordnung
ab 1968 Dienstbeschädigungsrenten bekämen.
Ab dem 01. Juli 2011 rechnete die Beklagte bei der Rentengewährung von der zuletzt in Höhe von 228,99 EUR bezogenen Verletztenrente
nach Abzug von 2/3 der Mindestgrundrente nach dem BVG 146,32 EUR an.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. Februar 2013 abgewiesen. Die Beklagte habe die nach §
93 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VI) gebotene Anrechnung der Verletztenrente unter Berücksichtigung der bis zum 30. Juni 2011 und ab dem 01. Juli 2011 geltenden
Freibetragsregelung zutreffend vorgenommen. §
93 SGB VI verstoße auch nicht gegen das
Grundgesetz (
GG), wofür auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), namentlich des 13. Senats des BSG zu verweisen sei. Insbesondere liege im Hinblick auf die Angehörigen des Sonderversorgungssystems der NVA auch kein Verstoß
gegen Art.
3 Abs.
1 GG vor, weil der Kläger insoweit nicht benachteiligt sei. Denn der bei der Anrechnung der Verletztenrente zugrunde gelegte Freibetrag
entspreche seiner Höhe nach dem Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich. Verfassungsrechtlich sei ferner nicht zu beanstanden,
dass die Beklagte bei der Anrechnung der Verletztenrente auf die Altersrente vom 01. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2011 einen
besonderen abgesenkten Freibetrag ("Ost") berücksichtigt habe, wofür nochmals auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des
13. Senats des BSG zu verweisen sei, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die von einer anderen Rechtsauffassung getragenen Vorlagen
des 4. und 5. Senats des BSG als unzulässig zurückgewiesen habe.
Der Kläger hat gegen das ihm am 04. März 2013 zugestellte Urteil am 26. März 2013 Berufung eingelegt. Er hält an seinem bisherigen
Vorbringen fest.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2013 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 06. März 2006 in
der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2006 und den Bescheid über die Rentenanpassung zum 01. Juli 2011 zu
ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ohne Anrechnung seiner Verletztenrente eine höhere Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen
Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten L 2 U 634/08 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren
den Kläger nicht. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus §
236a SGB VI ohne Anrechnung der Verletztenrente.
Die Anrechnung der Verletztenrente beruht auf §
93 SGB VI. Insofern ist zunächst einmal die Anrechnung bis einschließlich 30. Juni 2011 rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 93 Abs. 1 Nr. 1 VI SGB in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung wird, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf
eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung besteht, die Rente insoweit nicht
geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.
Nach §
93 Abs.
2 Nr.
2 lit. a
SGB VI bleiben bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
ein der Grundrente nach § 31 i.V.m. § 84a S. 1 und 2 BVG entsprechender Betrag, bei einer MdE um 20 v.H. zwei Drittel der Mindestgrundrente unberücksichtigt. Nach § 31 Abs. 1 BVG in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einem Grad der Schädigungsfolgen
von 30 in Höhe von 123 EUR. Nach § 84a S. 1 BVG erhalten Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten, vom 01. Januar 1991 an Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem EV geltenden Maßgaben; dies gilt auch vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder
gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom 01. Januar 1991 an, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet
verlegen, in dem dieses Gesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat. Nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III
Nr. 1 lit. a des EV sind u.a. die in § 31 Abs. 1 und 5 BVG in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich aus dem
jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§
68 Abs.
3 SGB VI) in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das BVG schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt.
Dies zugrunde gelegt zog die Beklagte bei der gesetzlich vorgeschriebenen Anrechnung der Verletztenrente in Höhe von 215,78
EUR zutreffend 2/3 der nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 lit. a EV abgesenkten Mindestgrundrente
nach § 31 BVG in Höhe von 123 EUR, d.h. 69,33 EUR ab und rechnete hiernach 146,45 EUR auf die Rente des Klägers an.
Auch für die Zeit ab dem 01. Juli 2011 unterliegt die Anrechnung keinen rechtlichen Bedenken. Nach §
93 Abs.
2 Nr.
2 lit. a
SGB VI in der ab dem 01. Juli 2011 geltenden Fassung bleiben bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bei
der Verletztenrente aus der Unfallversicherung ein der Grundrente nach dem BVG entsprechender Betrag, bei einer MdE um 20 v.H. zwei Drittel der Mindestgrundrente unberücksichtigt. Nach § 31 Abs. 1 BVG in der ab dem 01. Juli 2011 geltenden Fassung erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einem Grad der Schädigungsfolgen
von 30 in Höhe von 124 EUR und nach der ab dem 01. Juli 2012 geltenden Fassung in Höhe von 127 EUR.
Dies zugrunde gelegt zog die Beklagte mit Wirkung vom 01. Juli 2011 bei der gesetzlich vorgeschriebenen Anrechnung der Verletztenrente
in Höhe von mittlerweile 228,99 EUR zutreffend 2/3 der Mindestgrundrente gemäß § 31 BVG von zunächst 124 EUR - nunmehr ohne Herunterrechnung gemäß Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 lit. a
EV -, d.h. 82,67 EUR ab und rechnete hiernach 146,32 EUR auf die Rente des Klägers an.Rein vorsorglich weist der Senat darauf
hin, dass, soweit die Beklagte dem Kläger außerhalb des eigentlichen Rentenverfahrens die Auskunft vom 15. November 2005 erteilte,
wonach sein Dienstbeschädigungsausgleich einer Verletztenrente nicht gleichstehe, sich eben hieraus von vornherein keine rechtsverbindlich
erklärte Zusicherung etwa i.S.v. § 34 Abs. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) dahingehend ergibt, von der Anrechnung der Verletztenrente im Fall der Rentengewährung abzusehen. Davon abgesehen, dass
die rechnerische bzw. betragliche Richtigkeit der Anrechnung vom Kläger nicht gerügt wird, ist die Anrechnung der Verletztenrente
auch dem Grunde nach rechtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht - wie gezeigt - den einfachgesetzlichen Vorgaben aus §
93 SGB VI. Der unumstößliche Wortlaut der Vorschrift gebietet eine Anrechnung der Verletztenrente. Die Vorschrift lässt sich bereits
angesichts ihres eindeutigen Wortlauts nicht dahingehend auslegen, dass eine Anrechnung der wegen der Folgen eines im Rahmen
des NVA-Dienstes erlittenen Unfalls gewährten Verletztenrente unterbleibt. Bei der Auslegung der Norm bildet der aus dem allgemeinen
Sprachgebrauch, dem besonderen Sprachgebrauch des Gesetzes und dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch zu entnehmende
Wortsinn den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft,
3. Auflage 2007, S. 163 ff.).
Die hiernach auch im vorliegenden Einzelfall gesetzlich gebotene Anrechnung der Verletztenrente ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden. Der Senat ist mithin nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt; eine Aussetzung des Verfahrens
und Vorlage ans BVerfG gemäß Art.
100 Abs.
1 GG kommt deshalb nicht in Betracht. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen weder im Hinblick auf den allgemeinen
Gleichheitssatz (Art.
3 Abs.
1 GG) noch auf die Eigentumsgarantie (Art.
14 Abs.
1 GG) noch in rechtsstaatlicher Hinsicht (Art.
20 Abs.
1 und
3 GG) (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1998 - B 4 RA 49/96 R -, zitiert nach juris Rn. 24 ff.). Verfassungsrechtlich ist hierbei auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im
Hinblick auf die Verletztenrente eine Kürzung der Rente vorsieht und nicht umgekehrt eine Kürzung der Verletztenrente (BSG, Urteil vom 27. August 2009 - B 13 R 14/09 R -, zitiert nach juris Rn. 18 ff.).
Der erkennende Senat vermag hier auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Hinblick auf die Angehörigen des
Sonderversorgungssystems der NVA zu erkennen, die Anspruch auf - nicht nach §
93 SGB VI anrechenbarem - Dienstbeschädigungsausgleich haben. Es liegt insofern - hierauf hat bereits das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen - gar keine materielle Ungleichbehandlung des Klägers vor, weil
nach § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 des Dienstbeschädigungsausgleichsgesetzes (DbAG) Dienstbeschädigungsausgleich bei einem Körper-
oder Gesundheitsschaden, der nach den Regelungen der Sonderversorgungssysteme zu einem Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsrente
geführt hat oder führen würde, in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG - bis zum 30. Juni 2011 i.V.m. § 84a BVG abgesenkt - geleistet wird, wobei der Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens als Grad der Schädigungsfolgen gilt und bei
einem Grad der Schädigungsfolgen von 20 zwei Drittel der Mindestgrundrente zugrunde zu legen sind.
Schließlich ist dem SG im angefochtenen Urteil auch darin Recht zu geben, dass verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte
bei der Anrechnung der Verletztenrente auf die Altersrente für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2011 einen besonderen,
abgesenkten Freibetrag berücksichtigte. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des 13. Senats des
BSG (vgl. Urteil vom 13. November 2008 - B 13 R 129/08 R -, zitiert nach juris Rn. 89 ff.) sowie aktuell des 5. Senats des BSG (vgl. Urteile vom 23. Oktober 2013 - B 5 RS 6/12 R und B 5 RS 25/12 R -, zitiert nach juris) an, wonach die in §
93 Abs.
2 Nr.
2 lit. a
SGB VI i.V.m. § 84a BVG geregelte Differenzierung der Höhe des Freibetrags nach dem Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in den alten oder neuen
Bundesländern verfassungsgemäß ist und insbesondere weder gegen Art.
3 Abs.
1 GG noch gegen Art.
14 Abs.
1 GG verstößt, zumal das BVerfG die Regelung bislang nicht für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. Juni
2012 - 2 BvL 9/08 u.a. -, zitiert nach juris Rn. 95, wonach die Darlegungen der vorlegenden Senate des BSG zur Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 1 DbAG - soweit sich mittels der Verweisung in § 84a Satz 1 BVG der monatliche Wert des Dienstbeschädigungsausgleichs nach den Maßgaben des EV in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt
III Nr. 1 lit. a Abs. 1 S. und Abs. 2 bestimmt - den Begründungsanforderungen nicht genügen).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs.
2 SGG vorliegt.