Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
Pflichtversicherung in einem EU-Mitgliedsstaat kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall
Vorrangiges Recht der Europäischen Union
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten oder der Beigeladenen die Ausstellung der Bescheinigung E 121 bzw. jetzt des Portablen
Dokuments (PD) S 1 der Europäischen Gemeinschaft, letztlich aber die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Alternativ begehrt er die Gewährung eines Zuschusses oder einer Zulage zu den Kosten seiner ungarischen
Krankenversicherung.
Der 1937 geborene, also jetzt 80 Jahre alte Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und lebt seit Januar 2003 in U(wahrscheinlich
auch schon länger, dies ist das von ihm angegebene offizielle Datum). Er begann am 6. September 1951 in Deutschland ein versicherungspflichtiges
Ausbildungsverhältnis und zahlte Rentenbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Nach den in den Akten der Beklagten vorliegenden
Unterlagen und den Ermittlungen des Senats war er, soweit feststellbar, folgendermaßen krankenversichert:
* 1. Juli 1964 - 10. September 1966 Pflichtversicherung AOK
* 1. Oktober 1970 - 30. Oktober oder November 1970 (die Angaben variieren) Mitgliedschaft DAK
* 1. April 1972 - 15. Mai 1973 Pflichtversicherung AOK
* 28. Mai 1973 - 3. Juli 1973 Pflichtversicherung AOK
* 1. August 1974 - 30. September 1974 Pflichtversicherung AOK
* 1. Oktober 1974 - 15. Januar oder Februar 1975 (die Angaben variieren) Mitgliedschaft DAK
* 15. Dezember 1975 - 2. August 1977 AOK Rastatt Freiwillige Versicherung
* 3. August 1977 - 31. Dezember 1979 Krankenversicherung der Rentner (KVdR) (§ 165 Abs. 1 Nr. 3
RVO)
* 1. Januar 1980 - 15. Februar 1986 AOK Rastatt Freiwillige Versicherung. (Hieraus schuldet der Kläger der AOK Rastatt Gesamtsozialversicherungsbeiträge
für die Zeit von Dezember 1985 bis Februar 1986)
* 1. Juni 1989 - 31. Januar 2000 Keine Versicherung bzw. ungeklärt
* 8. Mai 1991 - 31. August 1993 Sozialhilfebezug. Keine Versicherung bzw. ungeklärt
* Ab Juli 1994 bis ungeklärt Sozialhilfebezug. Keine Versicherung bzw. ungeklärt
* 12. August 1994 AOK Rastatt bestätigt, dass der Kläger "zuletzt nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert"
gewesen ist.
* 1. Juni 1996 - 15. Februar 1997 Freiwillige Versicherung bei der DAK.
* Ab 1. Januar 1998 privat bei GVersicherung. Eigene Angabe des Klägers
Der Kläger ist ausweislich des Schreibens der Gesundheitsversicherungskasse der Region Dél-Alföld vom 7. Dezember 2009 gemäß
Art. 39 Abs. 2 des Gesetzes LXXX aus dem Jahr 1997 in der ungarischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert.
Er gilt nach Feststellung der Gesundheitskasse gemäß Kapitel II Abschnitt 4 Buchstabe u) des Gesetzes LXXX seit dem 13. Juli
2006 als inländische Person in Ungarn. Bis zum 31. März 2007 war er als im Haushalt lebender naher Angehöriger berechtigt
zum Erhalt von Dienstleistungen des Gesundheitswesens gemäß Art. 13 lit. a) des Gesetzes LXXX. Seit dem 1. April 2007 ist
er zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1977 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit wegen eines Magenkarzinoms
vom 9. Juni 1977 bis zum 31. Dezember 1979. Hinweise zur Krankenversicherung enthält der Bescheid nicht, der Kläger war jedoch
während dieser Zeit in der KVdR krankenversichert (s.o). Ein Weiterzahlungsantrag bezüglich der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
wurde nicht gestellt. Anschließend war der Kläger bei der GmbH, deren Gesellschafterin wohl seine Ehefrau war, angestellt.
Auf seinen Antrag vom 19. Mai 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. November 1998 Witwerrente nach
seiner 1946 geborenen und 1998 verstorbenen Ehefrau I K (im Folgenden: die Ehefrau). Laut Bescheid war der Kläger nicht in
der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) krankenversichert und auch nicht pflegeversichert.
Im Rahmen eines (erneuten) Antragsverfahrens auf Bewilligung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit bestätigte
die AOK am 12. August 1994, dass die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der KVdR nicht erfüllt seien. Der Kläger war
nach dieser Bescheinigung vor dem am 25. April 1994 gestellten Rentenantrag zuletzt nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
versichert.
Die AOK Mittelbaden übersandte mit Schreiben vom 25. April 2000 einen Mitglieder-Kontoauszug den Kläger betreffend, in dem
unter "Versicherungsart" die Schlüsselnummer "068" für die Zeit vom 1. Juni 1989 bis zum 31. Januar 2000 eingetragen ist und
für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 15. Februar 1986 die Schlüsselnummer "501". Darunter ist handschriftlich in roter
Farbe "frw. Vers." eingetragen. Aus dem beigefügten Verzeichnis der Versichertenartschlüssel ergibt sich für den Schlüssel
501: Freiwillig Versicherte. Der Schlüssel 068 ist nicht aufgeführt. Auf Anfrage des Senats hat die AOK Baden-Württemberg
mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 mitgeteilt, dass die Verschlüsselung der Zeit vom 1. Juni 1989 bis zum 31. Januar 2000 auf
der Bescheinigung vom 25. April 2000 eine Pseudo-Versicherungsart zur Speicherung von Beitragsschuldnern bedeutet. Der Kläger
sei tatsächlich vom 1. Januar 1980 bis zum 15. Februar 1986 als freiwilliges Mitglied bei ihrer Kasse versichert gewesen.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2000 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass die Vorversicherungszeit zur KVdR nach derzeitigem
Kenntnisstand weder nach dem Versicherungsverlauf der Ehefrau noch dem des Klägers erfüllt war.
Im Rahmen seines Antrags auf Regelaltersrente vom 25. April 2002 gab der Kläger am 14. August 2002 in dem Fragebogen zur Meldung
zur KVdR an, dass er bis 15. Februar 1997 bei der Beigeladenen "priv." und ab 1. Januar 1998 privat bei der G-Allgemeine-Versicherungsgesellschaft
versichert gewesen sei. Sein derzeitiger Wohnsitz sei zwar Deutschland, sein Aufenthalt aber überwiegend in S in Ungarn. Weiter
gab er an, dass er über die Krankenversicherung seiner Ehefrau keine Auskunft geben könne, da sie zum Zeitpunkt des Todes
der Ehefrau getrennt gelebt hätten.
Mit Bescheid vom 18. September 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 1. Dezember 2002. Eine Mitgliedschaft
in der KVdR wurde in dem Bescheid nicht angenommen, er enthielt den Hinweis, dass der Kläger über seinen Antrag auf Zuschuss
zur Krankenversicherung/Zuschuss zur Pflegeversicherung in Kürze weitere Nachricht erhalte. Der hiergegen erhobene Widerspruch
wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 als unzulässig verworfen.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2003 hatte die Beklagte zwischenzeitlich den Antrag auf Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen
für die Krankenversicherung nach §
106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) für die Zeit ab 1. August 2002 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei bei einem privaten Versicherungsunternehmen,
das nicht der deutschen oder der Aufsicht eines anderen Mitgliedstaates der EWR unterliege, versichert. Diese Ablehnung erfolgte
von dem für die Versicherung der Ehefrau zuständigen Dezernat. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 11. April 2003 zurückgewiesen.
Gegen die Bescheide vom 18. September 2002 und 6. Februar 2003 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide erhob der
Kläger Klage, diese Klagen wurden beim Sozialgericht Berlin unter dem Az.: S 73 RA 2558/03 (eigene Rente des Klägers) und S 73 RA 2558/03 1 (Witwerrente) geführt und jeweils mit Urteil vom 21. März 2005 abgewiesen.
Mit Eingang bei der Beklagten am 4. Mai 2009 (Schreiben vom 26. April 2009) begehrte der Kläger von der Beklagten die Ausstellung
des Formulars E 121. Hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15. Mai 2009 mit, dass er diesbezüglich bereits
eine Antwort über die Versicherungsnummer seiner verstorbenen Ehefrau mit Bescheid vom 6. Mai 2009 erhalten habe (dazu siehe
unten).
Mit Eingang bei der Beklagten am 21. Dezember 2009 stellte der Kläger einen "Eilantrag" auf Ausstellung des Formulars E 121.
Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 29. Dezember 2009, dass das Formblatt E 121 durch die Deutsche Rentenversicherung
nicht ausgestellt werden dürfe. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO (EWG) Nr. 574/72 sei ein Formblatt E 120 DE oder E 121 DE nur
für solche Antragsteller/Bezieher einer deutschen Rente auszustellen, die bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat
(z. B. Ungarn) aufgrund des Art. 28 oder Art. 28 a VO (EWG) Nr. 1408/71 in der deutschen KVdR/PflegeV pflichtversichert seien.
Nach den Unterlagen der Beklagten liege eine Pflichtversicherung in der deutschen Krankenversicherung nicht vor.
Nachdem der Kläger zwischenzeitlich an die Beantwortung seines Schreibens erinnert hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben
vom 6. Januar 2010 erneut mit, dass ein Formular E 121 nicht ausgestellt werden könne. Laut Mitteilung der Beigeladenen seien
die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Sollte er hiermit nicht einverstanden sein, solle er sich an die Beigeladene wenden,
da allein diese für die Entscheidung über die Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung/sozialen
Pflegeversicherung zuständig sei.
Mit Eingang bei der Beklagten am 6. Januar 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung eines
monatlichen Zuschusses zur Krankenversicherung. Am 11. Januar 2010 erinnerte der Kläger erneut an die Ausstellung des E 121.
Es sollte doch möglich sein, für die Krankenkasse in Ungarn, als Ersatz für E 121, die der Beklagten von dem Kläger zweimal
schriftlich übermittelten Fragen zu beantworten bzw. diesbezügliche Auskunft zu erteilen. Die Beigeladene sei nicht in der
Lage, die vorliegenden Fragen zu beantworten. Eine weitere Erinnerung erfolgte mit Schreiben vom 12. Januar 2010.
Mit der am 28. Januar 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Ausstellung des
Formulars E 121 weiterverfolgt. Er sei in der ungarischen Krankenpflichtversicherung versichert. Wegen des fehlenden E 121
müsse er Beiträge an die ungarische Krankenversicherung zahlen. Die ungarische Krankenkasse habe selbst versucht, und zwar
mit Übersetzer, bei der Beklagten um den E 121 nachzusuchen. Bei der Beigeladenen habe sie es ebenfalls vergebens versucht.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass der E 121 nur auszustellen sei, wenn Pflichtversicherung in der KVdR bestünde. Ob dies
der Fall sei, habe allein die zuständige deutsche gesetzliche Krankenkasse zu entscheiden. Die Ausstellung eines E 121 habe
deshalb nur auf Anforderung der deutschen Krankenkasse zu erfolgen. Diese sei als Beigeladene zu befragen, ob ein entsprechendes
Formblatt bestellt werden solle.
Auf Anfrage des Sozialgerichts, ob ein Vorverfahren durchgeführt worden sei, teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22. Juli
2010 mit, dass ein Vorverfahren nicht notwendig sei. Die Klage richte sich auf Vornahme einer Handlung in Form des Ausfüllens
eines bestimmten Formblattes. Darüber treffe die Beklagte keine Sachentscheidung. Dies obliege der zuständigen Krankenkasse.
Da keine Sachentscheidung, sondern lediglich die Vornahme einer Handlung streitbefangen sei, gebe es ihres Erachtens keine
Vorverfahrenspflicht.
Der Kläger reichte ein Schreiben der Gesundheitsversicherungskasse der Region Dél Alföld (REP) vom 2. Oktober 2009 ein, in
dem diese mitteilte, dass sie das Verfahren einstelle, da der Kläger die ausgefüllten Formulare E 121 nicht innerhalb der
gesetzten Frist eingereicht habe. Weiter legte er ein Schreiben der REP vom 17. Februar 2010 vor, in dem diese u. a. mitteilte,
dass sie im Rahmen der internationalen Rechtshilfe am 29. Juni 2009 die deutsche Hauptversicherung (deutsche Verbindungsstelle
Krankenversicherung - Ausland) ersucht habe, den E 121 mit der zuständigen Versicherung gültig zu machen. Da die deutsche
Versicherung in ihrem Antwortschreiben darüber informiert habe, dass nach der beigelegten Bescheinigung nicht festgestellt
habe werden können, bei welchem deutschen Kostenträger der Kläger als Rentner versichert sei, habe die REP den Kläger aufgefordert,
die notwendigen Angaben in einer Frist von 15 Tagen zu ergänzen, worauf sie das laufende Verfahren nach ergebnislosem Fristablauf
eingestellt habe. Nach den vom Kläger vorgelegten Ausweisen und Urkunden habe festgestellt werden können, dass der Kläger
über die Berechtigung zur Sozialversicherungsversorgung und Privatrente sowie über die Deckung dieser Leistungen seit Juli
2006 als ein über einen ständigen Wohnsitz in Ungarn verfügender Inländer zu werten und verpflichtet sei, Beiträge zu den
Dienstleistungen des Gesundheitswesens zu zahlen. Der Kläger berufe sich in seiner Eingabe unbegründet darauf, dass er erst
seit dem 21. September 2009 zur Zahlung von Versicherungsbeiträgen an das Gesundheitswesen verpflichtet sei. Die REP habe
ihn darauf aufmerksam gemacht, dass eine als Inländer zu wertende Person mit der Pflicht zur Beitragszahlung belastet sei.
Darüber hinaus sei er in jedem Fall darüber informiert worden, dass er von der Pflicht zur Beitragszahlung befreit sei, wenn
er den Vordruck E 121 - von einem Kostenträger in Deutschland ausgefüllt und beglaubigt - oder die bereits zuvor erbetenen
Daten (die Namen der ausländischen Versicherung, Anschrift sowie die deutsche Versicherungsnummer) beibringe, welche notwendig
sei, wenn der Vordruck durch die REP besorgt werden solle.
Die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 24. Juni 2011 beigeladene DAK hat mit ihrem Schriftsatz vom 2. August 2011 dahingehend
Stellung genommen, dass sie nach den Angaben der Beklagten zuletzt mit Meldesatz vom 6. September 2002 festgestellt habe,
dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der KVdR unterliege. Sie könne weder eine Archivierung ihres Meldesatzes
vom 6. September 2002 feststellen, noch lägen ihr - aufgrund des Zeitablaufs - die ursprüngliche Rentenmeldung nach §
201 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) oder Unterlagen über die Prüfung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR vor. Insofern könne keine
Aktenübersendung erfolgen. Aufgrund der gegebenen Sachlage gehe die Beigeladene davon aus, dass der Kläger die Voraussetzungen
für die Versicherungspflicht in der KVdR nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V nicht erfüllt habe. Die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung E 121 DE lägen demnach nicht vor. Zweifel an
der Richtigkeit der seinerzeit getroffenen Entscheidung seien nicht ersichtlich.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Diese sei unzulässig. Als Klageart komme nur die
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß §
54 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Betracht. Diese setze voraus, dass die Behörde in einem Verwaltungsverfahren, das mit einem Verwaltungsakt abschließe,
über das geltend gemachte Begehren befunden habe. Daran fehle es hier. Die Beklagte habe über die Ausstellung der Bescheinigungen
nicht durch Verwaltungsakt entschieden. Insbesondere handele es sich bei den Schreiben der Beklagten vom 15. Mai 2009, 29.
Dezember 2009, vom 6./7. Januar 2010 und vom 19. Januar 2010 nicht um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der Schreiben ergebe, dass die Beklagte darin keine Regelung
getroffen habe. Sie habe dem Kläger lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage erteilt; sie habe sich gerade nicht als zuständig
angesehen, eine verbindliche Entscheidung zu treffen, sondern habe dem Kläger empfohlen, sich ggf. an die aus ihrer Sicht
zuständige Beigeladene zu wenden. Hierin sei ein schlichtes Verwaltungshandeln ohne Regelungswirkung zu sehen.
Die Voraussetzungen für eine echte Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG seien nicht gegeben. Nach §
54 Abs.
5 SGG könne mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch bestehe, auch dann begehrt werden, wenn
ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen habe. Innerhalb des Klagesystems des
SGG sei die echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Ausnahme. Sie komme in Betracht,
wenn kein Über- und Unterordnungsverhältnis bestünde oder ein konkretes Verhalten, z. B. eine Auskunft oder eine Beratung,
begehrt werde. Sie scheide schon vom Wortlaut her aus, wenn ein Verwaltungsakt zu ergehen habe, weil eine Regelung mit Außenwirkung
zu treffen sei. Ausgehend davon sei eine echte Leistungsklage im vorliegenden Fall nicht statthaft. Die vom Kläger beantragte
Ausstellung der Bescheinigung erfordere zunächst eine Entscheidung und damit eine Regelung des zuständigen Sozialversicherungsträgers,
ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung erfüllt seien. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr.
1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige
sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EGV 1408/71), i. V. m. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie ihre Familien, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern (EGV 574/72), werde die Bescheinigung von dem zur Zahlung der Rente verpflichteten Träger (hier: Beklagte) oder ggf. von dem Träger,
der über den Anspruch auf Krankenversicherungs-Sachleistungen zu entscheiden habe (hier: Beigeladene), ausgestellt, sobald
der Rentner die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankenversicherungs-Sachleistungen erfülle. Die Ausstellung der Bescheinigung
setze damit in jedem Fall die Prüfung voraus, ob der Rentner (hier: der in Ungarn wohnende Kläger) einen Anspruch auf Krankenversicherungs-Sachleistungen
nach den Rechtsvorschriften des Staates hätte, aufgrund deren die Rente geschuldet werde (hier: die deutschen Rechtsvorschriften),
wenn er im Gebiet des betreffenden Staates (hier: Deutschland) wohnen würde (Hinweis auf Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGV 1408/71). Diese Entscheidung könne mit Außenwirkung nur durch einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X erfolgen, und die hiergegen zu erhebende Klage sei eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG, deren Voraussetzungen - wie bereits oben dargelegt - vorliegend mangels Verwaltungsaktes aber nicht gegeben seien.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die EGV 1408/71 und die EGV 574/72 zum 1. Mai 2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit (EGV 883/2004) und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung
der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
(EGV 987/2009) abgelöst worden seien, denn soweit es um die Ausstellung der hier streitigen Bescheinigung gehe, entsprächen die
Regelungen der neuen Verordnungen im Wesentlichen denen der alten.
Eine Verurteilung der Beigeladenen nach §
75 Abs.
5 SGG komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Verurteilung eines Versicherungsträgers nach Beiladung setzte nämlich ebenfalls die
Zulässigkeit der Klage voraus.
Die Kammer halte es im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer gleichwohl für geboten, sich in der Sache selbst in Form eines
obiter dictum zu äußern. Danach habe der Kläger weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Ausstellung
der begehrten Bescheinigung. Dieser wäre nur dann gegeben, wenn der Kläger, unterstellt, er würde weiterhin in Deutschland
wohnen, einen Anspruch auf Krankenversicherungs-Sachleistungen hätte. Dies sei indes nicht der Fall. Eine Versicherung in
der KVdR nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V komme nicht in Betracht. Dafür hätte der Kläger in der sogenannten Rahmenfrist seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach §
10 SGB V versichert gewesen sein müssen. Es lasse sich nicht feststellen, ob der Kläger die notwendige Vorversicherungszeit zurückgelegt
habe. Er habe am 6. September 1951 erstmals eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Am 19. Mai 1998 habe er den auf die Bewilligung
einer Witwerrente und am 25. Mai 2002 den auf die Bewilligung einer Regelaltersrente gerichteten Rentenantrag gestellt. Innerhalb
der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens, die sich mithin auf die Zeit vom 12. Januar 1975 bis zum 19. Mai 1998 (bezüglich
der Witwerrente) bzw. auf die Zeit vom 5. Januar 1977 bis zum 25. April 2002 (bezüglich der Regelaltersrente) erstrecke, ließe
sich zumindest hinsichtlich der Zeiträume vom 16. Februar 1986 bis zum 31. Mai 1996 und vom 16. Februar 1997 bis zum 31. Dezember
1997 nicht mehr klären, ob der Kläger Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung bzw. nach §
10 SGB V im Rahmen einer Familienversicherung versichert gewesen sei. Er selbst habe dazu keine Angaben mehr machen können. Da die
zuvor genannten Zeiträume bereits (deutlich) mehr als 1/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens des Klägers ausmachten, stünde
nicht fest, ob die Vorversicherungszeit erfüllt sei. Dies gehe nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz
der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleite, hier also des Klägers. Die
verstorbene Ehefrau des Klägers hätte die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V (ebenfalls) nicht erfüllt. Eine Versicherung des Klägers in der KVdR komme somit nicht in Betracht. Auch eine Mitgliedschaft
des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V scheide aus. Zu den anderweitigen Ansprüchen auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne dieser Vorschrift zählten auch Leistungsansprüche
gegen ausländische Krankenversicherungen. Der Kläger sei bereits seit dem 1. Januar 1998 bei einem ungarischen Krankenversicherungsunternehmen
versichert. Er verfüge damit über einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, der die Versicherungspflicht
nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V ausschließe. Da auch sonst kein Versicherungstatbestand erfüllt sei, hätte der Kläger, würde er weiterhin in Deutschland
wohnen, nach alldem keinen Anspruch auf Krankenversicherungs-Sachleistungen, so dass ein Anspruch auf Ausstellung der begehrten
Bescheinigung nicht bestünde.
Gegen das am 3. November 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. November 2014 Berufung bei dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts verstoße gegen das Recht der Europäischen Union. Wegen der
Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf seine Schriftsätze verwiesen.
Am 7. Dezember 2015 hat der Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Landessozialgericht (LSG)
Berlin-Brandenburg gestellt, der unter dem Az.: L 8 R 961/15 ER geführt und mit Beschluss vom 10. März 2016 abgelehnt wurde.
Im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens teilte die Beigeladene auf eine Anfrage des Senats, ob sich durch die Tatsache,
dass der Kläger seit April 2007 in Ungarn pflichtversichert sei, etwas an ihrer Auffassung ändere, mit Schriftsatz vom 2.
März 2016 mit, dass dies nicht der Fall sei. Wenn in Ungarn eine Volks- bzw. Bürgerversicherung mit Pflichtmitgliedschaft
der Gesamtbevölkerung bestünde, und der Antragsteller dieser nach seiner Auswanderung nach Ungarn seit dem Jahr 2002 angehöre,
sei die Krankenversicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V ausgeschlossen, weil der Antragsteller damit über einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall verfüge.
Der Senat hat eine Anfrage an die REP in Ungarn gestellt. Es wurde um Mitteilung gebeten, aus welcher Rechtsgrundlage die
REP einen Anspruch des Klägers auf Sachleistungen in Ungarn herleite, wenn er die Bescheinigung E 121 vorlege. Mit Schreiben
vom 20. April 2016 hat die REP mitgeteilt, dass der Kläger am 3. Juni 2009 als Nachweis für seinen Anspruch auf Inanspruchnahme
medizinischer Leistungen in Ungarn bei der Krankenversicherung ein Formblatt E 121 aus Deutschland vorgelegt habe, das jedoch
von der ausländischen Versicherung weder ausgefüllt noch beglaubigt worden sei. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger seinen
Kostenträger in Deutschland nicht habe nennen können, bei dem sein Versicherungsverhältnis bestünde, hätten sie zur Beschaffung
des Formblatts E 121 die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland angeschrieben. Der Versicherer habe ihr in
seinem Antwortschreiben mitgeteilt, dass nicht feststellbar sei, bei welchem Träger der Kläger versichert sei, so dass sie
sich am 24. Februar 2015 mit ihrer Frage an die Krankenkassen AOK Bayern und die DAK Gesundheit gewandt hätten. Leider sei
es bis zum heutigen Tage nicht gelungen, die Bescheinigung E 121 zu bekommen. Der Kläger habe sich am 21. September 2009 zur
Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen angemeldet, um eine Berechtigung zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen
in Ungarn zu erwerben. Sein Anspruch aufgrund der individuell eingezahlten Beiträge bestünde bis heute fort. Im Sinne von
Art. 24 EGV 883/2004 des Europäischen Parlaments könne eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder
mehrerer Mitgliedstaaten erhalte und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates
habe, aufgrund der Bescheinigung E 121 dennoch einen Anspruch auf Leistungen auch im Wohnmitgliedstaat erwerben. Sofern der
Kläger also die von der ausländischen Versicherung ausgestellte Bescheinigung E 121 bekommen könnte, würde die Gesundheitskasse
für ihn einen Anspruch auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen in Ungarn eintragen, und er müsste demzufolge keine Krankenversicherungsbeiträge
mehr zahlen.
Auf Anfrage des Senats hat das Nationale Steuer- und Zollamt des Komitats Bács-Kiskun mit Schreiben vom 18. Dezember 2017
mitgeteilt, in welcher Höhe der Kläger in der Zeit von 2007 bis 2017 Beiträge zur ungarischen Krankenversicherung zu leisten
hatte. Ab dem 1. April 2007 bestand für den Kläger in Ungarn Gesundheitsleistungsbeitragspflicht. Der Kläger selbst hat Kopien
der Beschlüsse des Steuer-und-Finanz-Kontroll-Amtes der Regionaldirektion Dél-Alföld für die Jahre 2007 bis 2009 eingereicht,
in denen die von ihm geforderten Beiträge aufgelistet sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben verwiesen.
Auf Anfrage des Senats vom 14. August 2018 hat der GKV-Spitzenverband Deutsche Verbindungstelle Krankenversicherung Ausland
durch Frau LL.M. T am 15. August 2018 zur Frage der Versicherungspflicht des Klägers gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Stellungnahme, die sich bei den Gerichtsakten befindet, verwiesen.
Für das verbundene Verfahren gilt Folgendes:
Den am 8. Januar 2009 gestellten Antrag auf Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 6. Mai 2009 mit der Begründung ab, dass der Kläger in einem Krankenversicherungsunternehmen krankenversichert sei, das
nicht der deutschen oder der Aufsicht eines Staates unterliege, für den die VO (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden sei. Gegen diesen
Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.
Den erneut, mit Eingang bei der Beklagten am 6. Januar 2010 gestellten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juni
2010 mit der Begründung ab, der Kläger sei aufgrund einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert
bzw. werde von einem Einwohnerpflichtkrankenversicherungssystem erfasst. Dies schließe vom 1. Mai 2007 an den Zuschuss zur
Krankenversicherung aus. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 5. August 2011,
bei der Beklagten am 17. August 2011 eingegangen, stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Zuschuss zur Krankenversicherung,
und zwar rückwirkend ab August 2009. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 mit der gleichen Begründung
wie in dem Bescheid vom 9. Juni 2010 ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Eingang bei der Beklagten am 23. September 2011 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf einen Zuschuss zur
Krankenversicherung bestehe nach §
106 Abs.
1 Satz 2
SGB VI nicht, solange Krankenversicherungspflicht gegeben sei. Der Kläger sei aufgrund seines ständigen Aufenthaltes in Ungarn verpflichtet,
zum ungarischen Gesundheitsfonds einen Gesundheitsbeitrag zu entrichten. Er werde damit vom ungarischen Einwohnerpflichtkrankenversicherungssystem
erfasst. Dies schließe für die Zeit ab dem 1. Mai 2007 einen Zuschuss zur Krankenversicherung aus.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit Eingang bei der Beklagten am 16. Januar 2012 Klage erhoben. Er begehre rechtens
einen Zuschuss zu seiner Altersrente für die Krankenkassenpflichtversicherung an seinem Wohnsitz Ungarn seit 2002. Im Verfahren
S 9 R 458/10 sei noch immer nicht die Ausstellung des Formulars E 121 erfolgt. Deshalb werde er rückwirkend für zwei Jahre mit Krankenkassenbeiträgen
belastet, ohne Rechtsanspruch auf Krankenkassenleistungen.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat die Beklagte mit Schreiben vom 3. Juli 2012 durch ihre Grundsatzabteilung Stellung
genommen. Darin hat sie sich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. Juli 2000, Az.: Rs. C 73/99 "Movrin" auseinandergesetzt, insbesondere mit der Frage, ob dem Kläger ein Zuschuss nach §
106 SGB VI oder eine Zulage entsprechend §
249 a SGB V zu gewähren sei. Sofern der Kläger Anspruch auf Aushändigung des Formblattes E 121 habe, komme dies nicht in Betracht. Sollte
dies jedoch nicht der Fall sein, sei nach Auffassung der Beklagten auch ein Anspruch auf eine Zulage gemäß §
249 a SGB V nicht gegeben. Ein Anspruch auf Zulage entsprechend §
249 a SGB V zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats der EU bestehe nur, wenn der Bezieher einer
deutschen Rente aufgrund der Krankenversicherung auch Beiträge aus der deutschen Rente zu zahlen habe. Dies sei bei dem Kläger
nicht der Fall.
Mit Urteil vom 16. März 2015 hat das Sozialgericht in dem Verfahren S 32 R 363/12 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zur ungarischen Krankenversicherung.
Ein Anspruch nach §
106 Abs.
1 SGB VI sei nicht gegeben, da der Kläger in Ungarn nicht freiwillig, sondern gesetzlich versichert sei. Er habe auch keinen Anspruch
auf einen Zuschuss zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats der EU (hier:
Ungarn) gemäß §
249 a SGB V i. V. m. Art. 24, 30 EGV 883/2004 und Art. 24 EGV 987/2009. Nach dem Urteil des EuGH vom 6. Juli 2000 "Movrin", a.a.O., erhielten Bezieher einer deutschen Rente vom deutschen
Rentenversicherungsträger entsprechend §
249 a SGB V i. V. m. §
23 Abs.
1 Nr.
1 Buchstabe b
SGB I einen Anteil zu den ausländischen Pflichtkrankenversicherungsbeiträgen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb
der EU hätten und nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats für den Fall der Krankheit und Mutterschaft im
Sinne des Art. 4 VO EWG Nr. 1408/71 pflichtversichert seien und aufgrund der deutschen Rente Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung
eines anderen Mitgliedstaats der EU zu zahlen hätten. Voraussetzung sei jedoch weiter, dass der Bezieher einer deutschen Rente
aufgrund der Krankenversicherung auch Beiträge aus der deutschen Rente zu zahlen habe. Dies sei hingegen vorliegend nicht
der Fall. Der Kläger unterliege aufgrund des Witwerrentenbezuges nicht der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung
der Rentner, da weder der Kläger noch die versicherte Ehefrau die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V erfüllt hätten.
Gegen das am 23. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Juli 2015 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2016 hat der Senat die Verfahren L 8 R 972/14 und L 27 R 465/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, zu verpflichten,
die Bescheinigung E 121 bzw. das Portable Dokument S 1 der Europäischen Union auszustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22. November 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Rücknahme der Bescheide vom 6. Mai 2009 und 9.
Juni 2010 einen Zuschuss oder eine Zulage zur ungarischen Krankenversicherung für die Zeit ab August 2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die ihres Erachtens zutreffenden Urteile des Sozialgerichts bezogen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten
und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger sowie seine verstorbene Ehefrau betreffenden Akten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da
der Kläger in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 SGG).
Soweit der Kläger - offensichtlich in erster Linie und damit als Hauptantrag - die Ausstellung der Bescheinigung E 121 bzw.
jetzt des PD S 1 begehrt, ist die Berufung begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2014 ist rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung E 121 bzw. des PD S1 durch die
Beigeladene, weil er gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V seit dem 1. April 2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beigeladenen pflichtversichert ist.
Die Klage ist nicht unzulässig, weil es an einem Verwaltungsakt fehlte, der bzgl. der Ausstellung des E 121 bzw. des PD S
1 hätte ergehen müssen. Zumindest für die Beklagte wäre die Ausstellung dieser Bescheinigung kein Verwaltungsakt im Sinne
des § 31 Satz 1 SGB X, da sie mit der Ausstellung keine Regelung treffen würde. § 31 Satz 1 SGB X lautet:
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Wesentliches Begriffsmerkmal des Verwaltungsaktes ist die Regelung. Nach dem Wortlaut des § 31 SGB X muss sie auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein. Die zielgerichtete Rechtsfolge grenzt die Regelung
gegenüber dem verwaltungsrechtlichen Realhandeln (faktischen Verwaltungshandeln) ab, das lediglich eine Zustandsänderung,
aber keine Rechtsänderung zur Folge hat. Eine nur mittelbare Auswirkung auf eine Rechtsposition reicht für eine Regelung nicht.
"Gerichtet" auf eine Rechtswirkung ist die Regelung nur dann, wenn sie vom Willen der Behörde getragen ist (Littmann in: Hauck/Noftz,
Kommentar zum SGB X, Stand 12/11, § 31 SGB X, Rn. 46 m.w.N.). Eine Regelung würde die Beklagte aber, wenn sie die Bescheinigung E 121/PD S 1 ausstellen würde, nicht treffen.
Sie stellt diese Bescheinigung nur aus, und ist hierzu auch nur befugt, wenn eine Mitgliedschaft des Rentners in der gesetzlichen
Krankenversicherung vorliegt. Die Entscheidung über die Erfüllung der Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der gesetzlichen
Krankenversicherung trifft die Krankenkasse (vgl. zum Verfahren §
201 SGB V). Das heißt, die Beklagte orientiert sich an der von der Krankenkasse vorgenommenen Entscheidung über die Mitgliedschaft.
Damit trifft sie keine eigene Regelung, so dass auch kein Verwaltungsakt vorliegt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, das die Beklagte die Ausstellung der Bescheinigung abgelehnt hat. In der Ablehnung
eines Realhandelns liegt nur dann eine Regelung, wenn die Ablehnung auf der Grundlage einer Sachentscheidung erfolgt. Im Übrigen
stellt alleine das Nichtstun der Behörde keinen Verwaltungsakt (Unterlassen) dar (Littmann, aaO., § 31 SGBX, Rn. 46 m.w.N.).
Grundlage für die Ablehnung der Ausstellung der Bescheinigung war jedoch keine eigene Sachentscheidung der Beklagten, sie
hat damit nur die Vornahme eines Realaktes abgelehnt.
Daraus ergibt sich, dass die vom Kläger erhobene Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) zulässig ist und es auch keines Vorverfahrens bedurfte.
Der Kläger hat gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Ausstellung der begehrten Bescheinigung, da er seit 1. April 2007
bei ihr pflichtversichert ist. Dabei hat der Senat die Beigeladene und nicht die Beklagte zur Ausstellung der Bescheinigung
verurteilt, weil sie der sachnähere Träger ist. Nach Feststellung der Versicherungspflicht durch die Beigeladene bzw. das
Gericht wäre auch die Beklagte zur Ausstellung der Bescheinigung verpflichtet.
Rechtsgrundlage für die Ausstellung des E 121 bzw. des PD S1 ist Art. 28 EGV 1408/71 in Verbindung mit Art. 29 der EGV 574/72. Diese Vorschriften sind nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts hier noch anzuwenden. Letztendlich kann dahinstehen,
ob die genannten Vorschriften oder Art. 24 Abs. 1 EGV 883/2004 in Verbindung mit Art. 24 EGV 987/2009 anzuwenden sind, da die Vorschriften zwar nicht wortgleich, aber inhaltsgleich sind. Art. 28 Abs. 1 EGV 1408/71 lautete:
(1) Ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zum Bezug einer Rente oder nach den Rechtsvorschriften
von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zum Bezug von Renten berechtigt ist und keinen Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften
des Mitgliedstaats hat, in dessen Gebiet er wohnt, erhält dennoch diese Leistungen für sich und seine Familienangehörigen,
sofern - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 18 und Anhang VI - nach den Rechtsvorschriften des Staates, aufgrund
deren die Rente geschuldet wird, oder zumindest eines der Mitgliedstaaten, nach deren Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet
wird, Anspruch auf Leistungen bestünde, wenn er im Gebiet des betreffenden Staates wohnte. Diese Leistungen werden wie folgt
gewährt:
a) Die Sachleistungen gewährt der Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 bezeichneten Trägers, als ob der Rentner
nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohnt, zum Bezug einer Rente berechtigt wäre und Anspruch auf
Sachleistungen hätte;
b) die Geldleistungen gewährt gegebenenfalls der gemäß Absatz 2 bestimmte zuständige Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften.
Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohnorts können diese Leistungen jedoch auch von diesem
Träger nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für die Rechnung des zuständigen Trägers gewährt werden.
Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EGV 574/72 lautete:
(1) Ein Rentner hat für den Bezug von Sachleistungen nach Artikel 28 Absatz 1 und Artikel 28ader Verordnung im Gebiet des
Mitgliedstaats, in dem er wohnt, sich und seine im selben Mitgliedstaat wohnenden Familienangehörigen beim Träger des Wohnorts
eintragen zu lassen und dabei eine Bescheinigung darüber vorzulegen, dass er aufgrund der Rechtsvorschriften, nach denen eine
Rente geschuldet wird, für sich und seine Familienangehörigen Anspruch auf Sachleistungen hat.
(2) Diese Bescheinigung wird auf Antrag des Rentners von dem oder von einem der zur Zahlung einer Rente verpflichteten Träger
oder gegebenenfalls von dem Träger, der über den Anspruch auf Sachleistungen zu entscheiden hat, ausgestellt, sobald der Rentner
die Voraussetzung für den Anspruch auf Sachleistungen erfüllt.
Art. 24 Abs. 1 EGV 883/2004 lautet: Eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten
erhält und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates hat, erhält dennoch
Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften des für die Zahlung ihrer
Rente zuständigen Mitgliedstaates oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaaten Anspruch
auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom Träger des Wohnorts für
Rechnung des in Absatz 2 genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf Rente und Sachleistungen nach
den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte.
Art. 24 EGV 987/2009 lautet:
(1) Bei der Anwendung von Artikel 17 der Grundverordnung müssen sich der Versicherte und/oder seine Familienangehörigen beim
Träger ihres Wohnorts eintragen lassen. Ihr Sachleistungsanspruch im Wohnmitgliedstaat wird durch ein Dokument bescheinigt,
das vom zuständigen Träger auf Antrag des Versicherten oder auf Antrag des Trägers des Wohnorts ausgestellt wird.
(2) Das in Absatz 1 genannte Dokument gilt solange, bis der zuständige Träger den Träger des Wohnorts über seinen Widerruf
informiert. Der Träger des Wohnorts benachrichtigt den zuständigen Träger von jeder Eintragung nach Absatz 1 und von jeder
Änderung oder Streichung dieser Eintragung.
(3) Für die in den Artikeln 22, 24, 25 und 26 der Grundverordnung genannten Personen gilt der vorliegende Artikel entsprechend.
Um den Anspruch gegen den Träger des Wohnortstaates geltend zu machen, benötigt man das PD S 21. Dieses hat das Formular E
121 ersetzt (vgl. "Nützliche Formulare im Zusammenhang mit Sozialversicherungsansprüchen", Generaldirektion Kommunikation
der Europäischen Kommission, zu finden unter http://europa.eu/youreurope/citizens/work/social-security-forms/index de.htm).
Der Kläger hat gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung E 121 bzw. PD S 1. Die Beigeladene,
die für die Entscheidung, ob der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, zuständig ist, hat
ihre Entscheidung, dass dies nicht der Fall ist, zu revidieren und in der Folge die begehrte Bescheinigung auszustellen, da
die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V erfüllt sind. Dagegen sind die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20. Dezember 1988, BGBl. I Seite 2477 (die hinsichtlich der freiwilligen Versicherung wieder angepasst wurde, dazu gleich), die der "Auffangversicherung" des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V vorrangig wäre, nicht erfüllt. Diese Vorschrift lautete:
Versicherungspflichtig sind
11. Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und
diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags
mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren.
Nicht anzuwenden ist §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V in der Fassung, die zurzeit der Rentenantragstellung der Altersrente des Klägers galt, also in der Fassung des Gesetzes zur
Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (UVEG) vom 7. August 1996, BGBl. I Seite 1254. Diese Vorschrift lautete: Versicherungspflichtig sind
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese
Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens
neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums auf Grund einer Pflichtversicherung Mitglied oder auf Grund einer Pflichtversicherung
nach § 10 versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung gelten auch Zeiten, in denen wegen des Bezugs von Anpassungsgeld
für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus (§
38 Nr. 2 des
Sechsten Buches) oder des Bezugs von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse (§ 143 des
Siebten Buches) eine freiwillige Versicherung bestanden hat.
In dieser Fassung des Gesetzes führte die vorherige freiwillige Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht
(mehr) dazu, dass man in die KVdR aufgenommen werden konnte. Als Vorversicherungszeit wurden, eingeführt durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, 2266), vom 1. Januar 1993 an nur noch Zeiten einer Pflichtversicherung auf die Halbbelegung
angerechnet, so dass für zuvor langjährig freiwillig Versicherte der Eintritt in die KVdR verschlossen war. Die dadurch entstehende
Ungleichbehandlung wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 15. März 2000 - 1 BVL 16/96 (BGBl. I, 1300
= SozR 3-2500 § 5 Nr. 42 = USK 2000 - 35) für teilweise unvereinbar mit Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) erklärt. Nach Ansicht des BVerfG war es jedoch zulässig, die Vorschrift des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. März 2002, anzuwenden. Da es zu einer gesetzlichen Regelung
innerhalb der gesetzten Frist nicht kam, bestimmt sich entsprechend den Vorgaben des BVerfG vom 1. April 2002 an der Zugang
zur KVdR wieder nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V in der Fassung des GRG (vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz, Kommentar zum
SGB V, Stand 8/17, §
5 SGB V, Rn. 10).
Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass der Kläger - auch unter Berücksichtigung von Zeiten freiwilliger Versicherung in der
gesetzlichen Krankenversicherung - diese Voraussetzungen erfüllt. Nach der Bescheinigung der AOK Rastatt vom 25. April 2000
(Bl. 281 der Verwaltungsakten der Beklagten den Kläger betreffend) war der Kläger dort zumindest in der Zeit vom 1. Januar
1980 bis zum 15. Februar 1986 freiwillig versichert (Versichertenartschlüssel "501" = Freiwillig Versicherte). Weiter ist
dort eine Zeit vom 1. Juni 1989 bis zum 31. Januar 2000 bescheinigt mit der Versicherungsartnummer "068". Der beigefügte Versichertenartschlüssel
(Bl. 282 VA Kläger) nennt diese Ziffernfolge nicht. Auf Nachfrage des Senats hat die AOK Baden-Württemberg mit Schreiben vom
9. Oktober 2017 mitgeteilt, dass unter der Versicherungsart "068" eine Pseudo-Versicherungsart zur Speicherung von Beitragsschuldnern
geführt wurde. Sie bestätigte lediglich erneut die freiwillige Versicherung in der Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 15. Februar
1986.
Die Rahmenfrist des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V beginnt am 6. September 1951 mit dem Beginn der Ausbildung des Klägers und endet am 25. April 2002 mit der Stellung des Antrags
auf Altersrente. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist beginnt am 31. Dezember 1976 und reicht bis zum 25. April 2002. In der
zweiten Hälfte der Rahmenfrist sind lediglich 3334 Tage, das sind neun Jahre, ein Monat und 16 Tage, an zu berücksichtigenden
Vorversicherungszeiten vorhanden, nämlich der 31. Dezember 1976 und die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 2. August 1977 (freiwillige
Versicherung), vom 3. August 1977 bis zum 31. Dezember 1979 (KVdR) und vom 1. Januar 1980 bis zum 15. Februar 1986 (freiwillige
Versicherung). Es müssten jedoch 22 Jahre, neun Monate und 18 Tage an Vorversicherungszeiten vorhanden sein, um die 9/10-Belegung
zu erfüllen. Für die restlichen Zeiten, also vom 16. Februar 1986 bis zum 25. April 2002, ist eine Pflichtversicherung oder
eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nachgewiesen.
Auch das Vorliegen der Voraussetzung der 9/10-Belegung für die Ehefrau des Klägers ist nicht nachgewiesen. Wäre dies der Fall,
gälte gemäß §
5 Abs.
2 Satz 2
SGB V in der zum Zeitpunkt der Antragstellung der Witwerrente am 19. Mai 1998 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung
(AFRG) vom 24. März 1997, BGBl. I Seite 594, die Vorversicherungszeit auch für den Kläger als erfüllt. Wie die Ehefrau des Klägers krankenversichert war, ist nicht bekannt
und auch nicht mehr feststellbar. Der Kläger hatte in dem Fragebogen "Meldung zur Krankenversicherung der Rentner nach §
201 Abs.
1 SGB V" am 14. August 2002 mitgeteilt, dass er zur Krankenversicherung seiner Ehefrau keine Angaben machen könne, weil er zum Todestag
von seiner Ehefrau getrennt gelebt hatte. Selbst wenn man eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung mit dem Eintritt
in die Pflichtversicherung annehmen würde, ergäbe sich keine Erfüllung der 9/10-Belegung. Die Ehefrau des Klägers hätte dann
in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist (Beginn der Rahmenfrist mit dem Tag der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 1. Mai 1978),
die am 10. Mai 1988 beginnen und am 19. Mai 1998 enden würde, keine Zeiten der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
zurückgelegt (hier würden nur die Pflichtversicherungszeiten gelten, weil §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V in der Fassung des GRG nach der Rechtsprechung des BVerfG - s.o. - erst ab 1. April 2002 wieder in Kraft gesetzt wurde). Auch bezüglich der Ehefrau
ist damit das Vorliegen der Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V nicht nachgewiesen.
Die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V sind hingegen erfüllt. Diese Vorschrift lautet (seit ihrer Einführung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der
gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-WSG - vom 26. März 2007, BGBl. I Seite 378, mit Wirkung ab dem 1. April 2007):
Versicherungspflichtig sind Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs.
1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V ist die Pflichtversicherung des Klägers in Ungarn nicht als anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall anzusehen.
Die Kollisionsnormen der Art. 28 EGV 1408/71 i.V.m. Art. 29 der EGV 574/72 bzw. Art. 24 Abs. 1 EGV 883/2004 i.V.m. Art. 24 EGV 987/2009, die festlegen, dass in dem Fall, dass nur eine Rente aus dem Mitgliedstaat (hier Deutschland) bezogen wird, der
nicht der Wohnsitzstaat ist, die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates anzuwenden sind, stehen dieser Annahme entgegen.
Das Recht der Europäischen Union ist diesbezüglich höher- und damit vorrangig (vgl. für einen ähnlich gelagerten Fall das
Urteil des BSG vom 10. März 2013, Az. B 12 KR 8/10 R, juris Rn. 19; Janda in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, Vorbemerkung Art. 23ff VO (EG) Nr. 883/2004, Rn. 8,
Punkt b). Auch der GKV-Spitzenverband, der gemäß §
219a Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V (auch) die Aufgabe hat, das anzuwendende über- und zwischenstaatliche Recht festzulegen, ist in seiner Stellungnahme vom
15. August 2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass im vorliegenden Fall eine Versicherungspflicht des Klägers gemäß § 5 Abs. 1
Nr. 13 grundsätzlich in Betracht kommt und nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Kläger in Ungarn einer dortigen Pflichtversicherung
unterliegt. Der GKV-Spitzenverband hat ausgeführt: "Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. f) VO (EWG) 1408/71 bzw. Art. 11 Buchst. e)
VO (EG) 883/2004 unterliegt jede Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unbeschadet anders lautender Bestimmungen
dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zustehen,
den Rechtsvorschriften des Wohnstaats. Die Artikel 27- 34 VO (EWG) 1408/71 bzw. Art. 23 - 30 VO (EG) 883/2004 koordinieren
die Zuständigkeit für die Erbringung und die Kostentragung von Leistungen bei Krankheit für Rentner und ihre Familienangehörigen.
Sie stellen spezielle Bestimmungen im Sinne des Art. 13 Abs. 2 Buchst. f) VO (EWG) 1408/71 bzw. Art. 11 Abs. 3 Buchst. e)
VO (EG) 883/2004 dar, aus denen sich inzident das anzuwendende Recht für diesen Personenkreis ergibt (Kollisionsnormen). Diese
umfassen im Risikobereich Krankheit auch beitragsrechtliche Konsequenzen und erhalten damit eine versicherungsrechtliche Komponente.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt wohnt der Kläger in Ungarn und erhält ausschließlich eine Witwenrente und eine Altersrente
aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e) i.V.m. Art. 24 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 sind
für eine Person, die ausschließlich eine Rente aus einem Mitgliedstaat erhält und in einem anderen Staat wohnt, die Kosten
für die im Wohnstaat erbrachten Sachleistungen vom Träger des Mitgliedstaats zu tragen, der für die Zahlung der Rente zuständig
ist. Gleiches hat die Vorgängervorschrift des Art. 28 VO (EWG) 1408/71 geregelt. Voraussetzung hierfür ist weiterhin, dass
kein Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats besteht. In Bezug auf diesen Punkt ist
die Argumentation des BSG im Urteil B 12 KR 8/10 R vom 20. 3. 2013 übertragbar. Ein Anspruch in Ungarn ausschließlich aufgrund des Wohnortes vermag die Anwendung der deutschen
Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit nicht verdrängen". Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung
an.
Die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V sind auch nicht deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen wäre. Bei diesem
Prüfungsschritt ist die in Ungarn bestehende gesetzliche Krankenversicherung zu berücksichtigen. Dem steht auch nicht das
Territorialprinzip gemäß §
3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) entgegen (a.A. das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Juli 2014, Az. L 2 KR 50/11, dokumentiert in juris). Diese Vorschrift lautet:
Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,
1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich
dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind,
2. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.
Das Territorialprinzip wird hier durch die Vorschriften des §
6 SGB IV und des §
30 Abs.
2 SGB I durchbrochen. Diese Vorschriften lauten jeweils:
Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.
Die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts müssen daher in die Prüfung der Tatbestandsmerkmale des §
5 Abs.
1 Nr.
13 a)
SGB V einbezogen werden. Auch diesbezüglich schließt sich der Senat der Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 15. August 2018
an. Dieser hat ausgeführt: "Gemäß diesen Vorschriften [§ 6
SGB IV und §
30 Abs.
2 SGB I] bleiben die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Dies stellt eine Durchbrechung des Territorialprinzips
dar und macht deutlich, dass das europäischen Primär- und Sekundärrecht in die Prüfung der Tatbestandsmerkmale des §
5 Abs.
1 Nr.
13a)
SGB V mit einbezogen werden muss. Dies bedeutet, dass sowohl der allgemeine europarechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art.
3 VO (EWG) 1408/71 als auch die Sachverhaltsgleichstellung nach Art. 5 Buchst. b) VO 883/2004 bei der Auslegung grundsätzliche
Berücksichtigung finden muss. Zudem spricht der Wortlaut der Norm nicht notwendigerweise dafür, dass nur Krankenversicherungstatbestände
aus dem Inland unter den Begriff "zuletzt gesetzlich krankenversichert" fallen. Zunächst ist das Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht zwingend ein innerstaatlich belegter Begriff, da auch Gesundheitssysteme anderer Mitgliedstaaten
der EU ähnlich wie das deutsche Gesundheitssystem aufgebaut sind und eine Unterscheidung zwischen gesetzlicher und privater
Krankenversicherung kennen (beispielsweise Ungarn). Dass hiermit nur das deutsche System im Sinne des Sozialgesetzbuchs gemeint
sein kann, ist demnach u.E. nicht richtig. Darüber hinaus ist §
5 Abs.
1 Nr.
13a)
SGB V auch nach seinem Sinn und Zweck auszulegen. Unter "zuletzt gesetzlich krankenversichert" ist der Versicherungsschutz als
Pflichtversicherter, freiwillig Versicherter oder Familienversicherter zu verstehen. Auch im Rahmen anderer Vorschriften kommt
es auf das Vorliegen einer gesetzlichen Versicherung an, so z.B. bei der Prüfung der Rahmenfrist für die Krankenversicherung
der Rentner (§
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V), der Vorversicherungszeiten für die freiwillige Versicherung (§
9 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB V) und der Leistungsvoraussetzungen in der Pflegeversicherung (§
33 Abs.
2 SGB XI). Bei diesen Regelungen werden unstreitig ausländische Krankenversicherungstatbestände bei der Prüfung berücksichtigt und
gleichgestellt. Es wäre widersprüchlich, wenn ausländische Sachverhalte im Zusammenhang mit §
5 Abs.
1 Nr.
13a)
SGB V nicht in die Prüfung einbezogen werden würden. Hätte der Gesetzgeber nur inländische Sachverhalte mit §
5 Abs.
1 Nr.
13a)
SGB V erfassen wollen, hätte er dies explizit zum Ausdruck gebracht. Hierfür spricht unter anderem die systematische Eingliederung
der obligatorischen Anschlussversicherung nach §
188 Abs.
4 SGB V in einen Abschnitt mit mitgliedschaftsrechtlichen Normen. Denn im Rahmen dieser Regelung werden unstreitig ebenfalls Krankenversicherungstatbestände
(Begriff der Versicherungspflicht und Familienversicherung) gleichgestellt, jedoch hat der Gesetzgeber durch die Voraussetzung
der "Fortführung" der Versicherung und der systematischen Eingliederung verdeutlicht, dass nur Inlandssachverhalte berücksichtigt
werden sollen. Bei Personen, die zuletzt in einer gesetzlichen Krankenversicherung in einem Mitgliedstaat der EU versichert
waren, ist die Voraussetzung der "Fortführung" der Versicherung nicht erfüllt, sodass eine Versicherung nach §
188 Abs.
3 SGB V ausgeschlossen ist. Es muss ein Rückgriff auf die freiwillige Versicherung bzw. auf die Versicherungspflicht nach §
5 Abs.1 Nr. 13 Buchstabe a) oder b)
SGB V erfolgen. (...). Zudem wird ausgeführt, dass die Verordnung (EWG) 1408/71 keine Norm zur allgemeinen Tatbestandsgleichstellung
wie die des Art. 5 Buchst. b) VO (EG) 883/2004 enthalten habe. Zwar habe es im Geltungsbereich der VO (EWG) 1408/71 den allgemeinen
europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben, jedoch wäre danach die Gleichstellung von Sachverhalten nur im Rahmen
einzelner Vorschriften dieser VO vorgesehen. Eine konkrete Regelung zur Gleichstellung von im anderen Mitgliedstaat bestehenden
Krankenversicherungszeiten habe nicht existiert, so dass der Gleichbehandlungsgrundsatz in diesem Fall nicht anzuwenden gewesen
wäre.
Es ist richtig, das die VO (EWG) 1408/71 keine konkrete Reglung zur allgemeinen Sachverhaltsgleichstellung kannte und die
Gleichstellung von Sachverhalten nur im Rahmen einzelner Vorschriften der Verordnung vorgesehen war. Allerdings hat der EuGH
auch ohne ausdrückliche Regelung bereits in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen eine Sachverhaltsgleichstellung unter
Rückgriff auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt. Die in diesem Zusammenhang vom EuGH entschiedenen Verfahren
und die einzelnen bereits in der VO (EWG) 1408/71 vorhandenen Vorschriften zur Gleichstellung von Sachverhalten sind jedoch
nicht abschließend. Der Grundgedanke und die angewendeten allgemeinen Grundsätze des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind in
jedem Fall zu berücksichtigen und anzuwenden. Danach sollen eben Sachverhalte und Ereignisse, die im Hoheitsgebiet eines anderen
Mitgliedstaates eingetreten sind, die gleiche Rechtswirkung wie vergleichbare Sachverhalte oder Ereignisse nach nationalem
Recht entfalten. Des Weiteren kann sich eine Sachverhaltsgleichstellung nicht nur zugunsten, sondern ebenso zu Lasten des
Betroffenen auswirken. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 28.6.1978 (Rs. 1/78) entschieden, dass die Gleichstellung von Tatsachen
auch zu einem Verlust oder Ruhen eines Anspruchs führen kann. Das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verlangt nicht nur,
dass gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden, sondern auch, dass ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandelt
werden [Hinweis auf Hauck/Noftz, Kommentar zum EU-Sozialrecht, Art. 4 Rn. 12-15]. Auch wenn somit der hier streitige Fall
der Gleichstellung eines Krankenversicherungstatbestandes noch nicht vom EuGH entschieden wurde, bedeutet dies nicht, dass
der allgemeine europarechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im Falle des Klägers nicht angewendet wird. Die allgemeinen Grundsätze
sind auch hier anzuwenden".
Der Senat schließt sich den Ausführungen des GKV-Spitzenverbandes an, kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Dies dürfte
sich allerdings daraus ergeben, dass der Senat in seiner Anfrage an den GKV-Spitzenverband angegeben hatte, dass der Kläger
vor dem 1. April 2007 privat in Ungarn versichert gewesen sei, was nicht zutrifft, er war in Ungarn gesetzlich versichert.
Als Zeitpunkt der Prüfung, welche Versicherung "zuletzt" bestand, nimmt der Senat den Zeitpunkt des Inkrafttretens des §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V, also den 1. April 2007, an. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits in Ungarn pflichtversichert, wie sich aus dem Schreiben
der REP vom 7. Dezember 2009 ergibt. Bis zum 31. März 2007 war er familienversichert in Ungarn. Damit war der Kläger "zuletzt"
in Ungarn gesetzlich pflichtversichert. Nicht maßgeblich ist für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "zuletzt gesetzlich
pflichtversichert", ob es sich um eine Pflichtmitgliedschaft, eine freiwillige Versicherung oder eine Familienversicherung
gehandelt hat (Wiegand in Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum
SGB V, 2. Auflage 2016, §
5 Rn. 121; Moritz-Ritter in LPK-
SGB V, 5. Auflage 2016, §
5 Rn. 73).
Damit sind die Voraussetzungen des §
5 Abs.
1 Nr.
13 lit. a)
SGB V erfüllt, und die Beigeladene hat Versicherungspflicht des Klägers gemäß dieser Vorschrift anzunehmen und ihm das begehrte
Dokument E 121 bzw. PD S 1 auszustellen.
Soweit sich der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2015 wendet und eine Beteiligung der Beklagten
an seinen Krankenversicherungskosten begehrt, ist die Berufung nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme
der ablehnenden Bescheide vom 6. Mai 2009 und 9. Juni 2010. Sein Antrag vom 17. August 2011 ist zwar als Überprüfung der eben
genannten ablehnenden Bescheide auszulegen, da er eine Beteiligung der Beklagten an den Krankenversicherungskosten begehrt.
Die Gewährung eines Beitragszuschusses gemäß §
106 SGB VI, die nur im Rahmen einer Überprüfung gemäß § 44 Abs. 1 SGB X hätte erfolgen können, ist durch die oben festgestellte Pflichtversicherung ausgeschlossen. §
106 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007, BGBl. I 2007, Seite 554, in Kraft ab 1. Januar 2009 lautete:
Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das
der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, erhalten zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung.
Dies gilt nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert
sind.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, da der Kläger, wie oben erläutert, in einer inländischen gesetzlichen
Krankenversicherung pflichtversichert ist.
Eine Zulage zu den Kosten der ungarischen Krankenversicherung analog §
249a SGB V in der ab dem 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung medizinprodukte-rechtlicher
und anderer Vorschriften vom 14. Juni 2007, BGBl. I Seite 1066, bzw. in der Fassung des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer
Gesetze vom 22. Juni 2001, BGBl. I Seite 1202, in Kraft vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2014, kommt nicht in Betracht, da der Kläger, wie oben erläutert, in der
deutschen und nicht in der ungarischen Krankenversicherung krankenversichert war und ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG).