Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" (Befreiung
von der Rundfunkgebührenpflicht) sowie eines Anspruchs auf unentgeltliche Beförderung eines Fahrrades im öffentlichen Personennah-
und Fernverkehr.
Der Kläger ist 1950 geboren. Nach eigenen Angaben erhält er seit 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Nachdem der Kläger im
August 2000 einen Fahrradunfall u. a. mit einer Kalottenfraktur rechts occipital und einer Felsenbeinfraktur rechts erlitten
hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2002 einen
Grad der Behinderung (GdB) von 70 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche
Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest; die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen
für das Merkzeichen "RF" lehnte der Beklagte ab. Nachdem der Beklagte einen Neufeststellungsantrag des Klägers vom Juli 2003
zunächst abgelehnt hatte, erkannte er in dem sich daran anschließenden Klageverfahren - S 46 SB 1475/04 - bei dem Kläger einen GdB von 80 und für den Zeitraum ab Februar 2004 einen GdB von 100 an.
Am 15. August 2006 machte der Kläger zunächst formlos die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen
für das Merkzeichen "RF" geltend und wiederholte diesen Antrag mit seinem Schreiben vom 28. September 2006, mit dem er - ebenso
wie mit seinem am 4. Oktober 2006 nachgereichten Formularantrag - ergänzend u. a. die "Anerkennung eines Fahrrades als orthopädisches
Hilfsmittel im Sinne eines Rollstuhlersatzes" begehrte. Zur Begründung machte er geltend, er habe hochgradige Schmerzen im
linken Knie, zeitweise Schmerzen im rechten Knie, hochgradige Schmerzen im Lendenwirbelbereich und zum Kopf ausstrahlende
Schmerzen im Halswirbelbereich. Da er nicht gehen könne, benötige er sein Fahrrad als Rollstuhlersatz. Einen Rollstuhl könne
er nicht nutzen, weil seine Wohnung nicht rollstuhlgerecht sei.
Der Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und veranlasste die versorgungsärztliche Begutachtung des Klägers
durch die Ärztin für Allgemeinmedizin A. Diese kam nach körperlicher Untersuchung des Klägers zu der Einschätzung, dass der
GdB weiterhin 100 betrage und folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen:
- Belastungsminderung und Schwindelsymptomatik nach Schädel-Hirn-Trauma mit mehrfachen Schädelfrakturen, Schwerhörigkeit rechts
mit Ohrgeräuschen rechts, depressives Syndrom (Einzel-50)
- Sehbehinderung (Einzel-GdB 40)
- Funktionseinschränkungen beider Knie (Einzel-GdB 30)
- degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 30)
- schlafbezogene Atemstörungen (Einzel-GdB 20)
- Funktionseinschränkungen des linken Hüftgelenks (Einzel-GdB 20)
- Fettleber, Leberschaden (Einzel-GdB 10)
- Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
Neben den gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" seien auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das
Merkzeichen "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) gegeben; die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen
"RF", "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "T" (besonderer Fahrdienst) lägen jedoch nicht vor.
Hierauf stellte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14. März 2007 fest, dass der GdB des Klägers weiterhin
100 betrage und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" vorlägen. Die Feststellung des Vorliegens
der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "RF" und "T" sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale lehnte der
Beklagte ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte, nachdem der Kläger mit seinem Schreiben vom 20. April
2007 den "Verzicht" auf die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "T" erklärt
hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2008 zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, dass auch die gesundheitlichen
Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht vorlägen und die kostenfreie Beförderung eines Fahrrades im Schwerbehindertenrecht
nicht vorgesehen sei.
Mit der am 3. März 2008 erhobenen Klage begehrt der Kläger noch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für
das Merkzeichen "RF" sowie die "Anerkennung eines Fahrrades als orthopädisches Hilfsmittel im Sinne eines Rollstuhlersatzes".
Ergänzend hat er vorgetragen: Rein körperlich sei schon jetzt ein Rollstuhl notwendig, seine Wohnung sei jedoch nicht rollstuhlgerecht.
Ein Umzug sei ihm nicht zuzumuten. Er bewege sich im Radius von 1 km nur mit dem Fahrrad. Für längere Touren müsse er das
Fahrradfahren mit S- und U-Bahnfahrten kombinieren. Taxifahrten seien zu teuer, ein Auto besitze er nicht. Er habe keinen
Menschen, der ihn bei den Wegstrecken begleiten könne. Das Merkzeichen "RF" sei insbesondere wegen seiner Sehbehinderung und
seiner Hörminderung gerechtfertigt. Bei Überlastung fange das rechte Auge an zu tränen, es komme dann zu einer entzündlichen
Verschleimung, sodass die Sehfähigkeit auch auf diesem Auge zeitweilig eingeschränkt sei. In diesen Phasen könne er die Wohnung
tagelang schon deshalb nicht verlassen, weil er nichts mehr erkennen könne. Hinzu kämen erhebliche Bewegungseinschränkungen
der Beine und der Wirbelsäule, dauerhafte Müdigkeit, Gleichgewichtsstörungen, Atemnot und Bluthochdruck.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. September 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe weder einen Anspruch auf das Merkzeichen "RF" noch auf die Anerkennung eines Fahrrades als orthopädisches
Hilfsmittel zwecks kostenloser Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Rechtsgrundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens
"RF" sei neben §
69 Abs.
4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX) i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) und u. a. Artikel 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) i. V.
m. § 1 des Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 27. Januar 2005. Danach seien Behinderte auf Antrag von
der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, deren Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 vom Hundert gemindert
sei und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Zu diesem Personenkreis gehörten
nach den Anhaltpunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht
(AHP) u. a. Behinderte, bei denen schwere Bewegungsstörungen beständen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen
oder mit technischen Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen könnten.
Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Zwar sei ihm der notwendige GdB von 80 zuerkannt; jedoch sei er nicht ständig
gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Weder seien die An- und Abfahrt des Klägers zu öffentlichen Veranstaltungen
noch seine Anwesenheit bei solchen Veranstaltungen ständig ausgeschlossen. Dabei könne auch unterstellt werden, dass die Sehbehinderung
des Klägers mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten sei. Soweit der Kläger vortrage, die Presbyopie seines rechten Auges führe
dazu, dass dieses bei Überlastung träne und entzündlich verschleime und er deshalb seine Wohnung zeitweilig tagelang nicht
verlassen könne, führe dies nicht zu einer ständigen Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Hinsichtlich
der An- und Abfahrt bestehe für den Kläger aufgrund des ihm zuerkannten Merkzeichens "B" jedenfalls die theoretische Möglichkeit,
dass ihn eine Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kostenfrei begleite. Auch sei es dem Kläger nach
seinem Vorbringen grundsätzlich möglich, sich mit Hilfe eines Fahrrades fortzubewegen. Schließlich stehe einer Anwesenheit
des Klägers bei öffentlichen Veranstaltungen nicht ständig entgegen, dass dieser nach seinem Vorbringen beim Gehen und Stehen
eingeschränkt sei; denn jedenfalls das Sitzen sei ihm noch möglich. Die von dem Kläger vorgetragenen Ermüdungszustände führten
ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Insoweit komme es nicht darauf an, ob der
Kläger überhaupt imstande sei, das Dargebotene zu erfassen und diesem bis zum Ende zu folgen. Für den geltend gemachten Anspruch
auf kostenfreie Beförderung eines Fahrrades bzw. dessen Anerkennung als orthopädisches Hilfsmittel gebe es im Schwerbehindertenrecht
keine Rechtsgrundlage, eine solche finde sich nur im sozialen Entschädigungsrecht.
Gegen den ihm am 9. September 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Ergänzend
trägt er vor: Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Er könne wegen seiner Bewegungseinschränkungen in den
Knien und im Wirbelsäulenbereich praktisch nicht mehr gehen und stehen; er sitze oder liege fast nur noch in seiner Wohnung.
Selbst im Umkreis von 100 Metern müsse er alle Wege mit dem Fahrrad zurücklegen. Das Fahrrad sei für ihn die einzige Möglichkeit,
die notwendigen Dinge des Alltags zu erledigen. Er könne nicht lange sitzen und müsse sich nach etwa drei Stunden hinlegen,
um ein bis zwei Stunden zu schlafen. Auch die Sehfähigkeit seines rechten Auges habe sich deutlich verschlechtert. Wegen Tinnitus
und Schwerhörigkeit des rechten Ohres in Verbindung mit Gleichgewichtsstörungen und Drehschwindelattacken habe er Orientierungsschwierigkeiten
in der Dunkelheit. Hinzu kämen seine schnelle Erschöpfbarkeit und seine mehrmals täglich unvermittelt auftretenden Schlafattacken
(narkoleptischer Schlafzwang) sowie seine Konzentrationsstörungen.
Das Gericht hat Befundberichte des behandelnden Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde - Allergologie - Dr. S vom 30. Januar
2010, des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. N vom 8. Februar 2010, des Arztes für Augenheilkunde Dr. J vom 11. Februar 2010
und des Arztes für Orthopädie Dr. F vom 17. Februar 2010 eingeholt und den ärztlichen Entlassungsbericht der M Klinik H vom
12. Januar 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 22. Dezember 2010 bis 12. Januar 2011 beigezogen.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat der vormals zuständige 13. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg den vorliegenden
Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung hat der
seit dem 1. Juli 2009 zuständige Senat nach rechtlichem Hinweis, dass er sich an die Beschlussfassung des 13. Senats nicht
gebunden sehe und des Weiteren der Auffassung sei, dass die Voraussetzungen für die Übertragung des Rechtsstreits auf den
Berichterstatter als Einzelrichter heute nicht mehr vorlägen, den Beschluss des 13. Senats vom 22. Dezember 2008 aufgehoben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2008 aufzuheben und den Beklagen unter Änderung des Bescheides
vom 14. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2008 zu verurteilen, festzustellen, dass für die
Zeit ab dem 15. August 2006 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" (Befreiung von
der Rundfunkgebührenpflicht) vorliegen und dem Kläger für die Zeit ab dem 28. September 2006 ein Anspruch auf unentgeltliche
Beförderung eines Fahrrades im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr zuzuerkennen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend und nimmt zur Begründung ergänzend Bezug auf die von ihm im Berufungsverfahren
veranlassten versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Ärztin für Augenheilkunde L vom 12. März 2010, der Ärztin für Chirurgie
Dr. H vom 29. März 2010 sowie der Ärztin für Innere Medizin Dr. G vom 12. April 2010 und 12. Mai 2010.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Gerichtsakte S 46 SB 1475/04 und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung hat der Senat zu entscheiden. Mit dem Wechsel des zuständigen Senats ist der Beschluss des 13. Senats vom
22. Dezember 2008, mit dem er den vorliegenden Rechtsstreit der damals zuständigen Berichterstatterin als Einzelrichterin
zur Entscheidung übertragen hat, gegenstandslos geworden. Lediglich vorsorglich hat der Senat den Beschluss auch deshalb aufgehoben,
weil die Voraussetzungen des §
153 Abs.
5 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) heute nicht mehr vorliegen; denn nach der Entscheidung des 13. Senats hat sich die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung
ergeben. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten
vom 14. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF".
Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen zu Gunsten des Klägers nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
ist insoweit nicht eingetreten.
Nach §
69 Abs.
1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung
weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen sie auch insoweit
die erforderlichen Feststellungen (§
69 Abs.
4 SGB IX). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV ist im Ausweis auf der Rückseite das Merkzeichen "RF" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten
gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt.
Mit der Verweisung auf das Landesrecht sind heranzuziehen die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen § 6 Abs.
1 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags in Verbindung mit §
1 des Berliner Zustimmungsgesetzes (Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 27. Januar 2005 (GVBl. Seite 82),
welches die bis dahin geltende Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
vom 2. Januar 1992 (GVBl. Seite 3) aufhob. Spätere Änderungen, zuletzt im Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Verbindung
mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 3. Februar 2010 (GVBl. Seite 39), haben die hier maßgeblichen Voraussetzungen
unberührt gelassen.
Der Senat lässt offen, ob er an seiner Rechtsauffassung, wonach die landesrechtlichen Regelungen über die Rundfundgebührenbefreiung
aus gesundheitlichen Gründen anzuwenden sind, festhält (vgl. Urteil des Senats vom 30. April 2009 - L 11 SB 348/08 - juris - m. w. N. zum Meinungsstand). Auch in diesem Fall liegen deren Voraussetzungen hier jedenfalls nicht vor.
Der Kläger erfüllt zunächst nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der
Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Danach werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit:
a) blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 vom Hundert
allein wegen der Sehbehinderung und
b) hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen
nicht möglich ist.
Zu diesen Personen gehört der Kläger nicht.
Der Kläger leidet insbesondere nicht an einer nicht nur vorübergehenden wesentlichen Sehbehinderung mit einem Einzel-GdB von
60. Wie dem vom Sozialgericht in dem Gerichtsverfahren S 46 SB 1475/04 veranlassten Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin M vom 28. Juni 2005 und dem Befundbericht des Augenarztes Dr. P vom
9. Februar 2005 sowie dem im vorliegenden Verfahren eingeholten Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. J vom 11. Februar
2010 zu entnehmen ist, leidet der Kläger an einem Linsenverlust des linken Auges (korrigiert durch eine intraokulare Kunstlinse)
mit einer Sehschärfe weniger als 0,1, die nach Teil A Nr. 26.4 der hier für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2008 zu berücksichtigenden
AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 51, zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der AHP als antizipierte Sachverständigengutachten
vgl. z. B. Bundessozialgericht - BSG -, BSGE 91, 205) und Teil B Nr. 4.2 der für den Zeitraum ab 1. Januar 2009 maßgeblichen Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV,
Seite 29) mit einem GdB von 25 bis 30 zu bewerten ist. Das rechte Auge wies nach den vorstehend genannten ärztlichen Unterlagen
mit einem Sehvermögen von 1,0 durchweg einen Normalbefund aus (vgl. Teil A Nr. 26.4 AHP 2005 und 2008, jeweils Seite 52, Teil
B Nr. 4.3 der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 30). Danach ist die Sehbehinderung des Klägers mit einem GdB von 25 = 30 zu bewerten,
wie der Arzt für Allgemeinmedizin M in seinem Gutachten vom 28. Juni 2005 und die Augenärztin L in ihrer versorgungsärztlichen
Stellungnahme vom 12. März 2010 ausgeführt haben. Die in dem Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. J vom 11. Februar
2010 erstmals ärztlich dokumentierte Schmerzsymptomatik des linken Auges aufgrund eines erhöhten Augendrucks, die sich unter
augenärztlicher Behandlung verringert hat, und die nach den Angaben des Klägers vorübergehend auftretenden Sehbeeinträchtigungen
des rechten Auges rechtfertigen als zusätzliche Beeinträchtigungen nach Teil A Nr. 26.4 AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 55)
und Teil B Nr. 4 der Anlage zu § 2 VersMedV (Seite 29 ff.) jedenfalls keine Erhöhung des GdB für das Augenleiden auf 60.
Der Kläger gehört auch nicht zur Personengruppe der hörgeschädigten Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende
Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist. So leidet der Kläger nach den Ausführungen des Arztes für
Allgemeinmedizin Min seinem Gutachten vom 28. Juni 2005 lediglich an einer leichten Hörminderung rechts und Ohrgeräuschen
rechts, die das Hörvermögen nicht wesentlich beeinträchtigen. Hiervon konnte sich der Senat auch in der mündlichen Verhandlung
überzeugen, in der eine Verständigung mit dem Kläger über das Gehör problemlos möglich war.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung
des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Danach werden behinderte Menschen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit,
deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen
ständig nicht teilnehmen können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer,
wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten
dauern. Öffentliche Veranstaltungen sind damit nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste,
Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. nur BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 - 9/9a RVs 2/96 - SozR 3-3780 § 4 Nr. 17). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte
wegen seines Leidens ständig, das heißt allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht
nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der
Schwerbehinderte praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können.
Es kommt nicht darauf an, ob jene Veranstaltungen, an denen er noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen,
Neigungen und Interessen entsprechen. Sonst müsste jeder nach einem anderen, in sein Belieben gestellten Maßstab von der Rundfunkgebührenpflicht
befreit werden. Das wäre mit dem Gebührenrecht nicht vereinbar, denn die Gebührenpflicht selbst wird nicht bloß nach dem individuell
unterschiedlichen Umfang der Sendungen, an denen die einzelnen Teilnehmer interessiert sind, bemessen, sondern nach dem gesamten
Sendeprogramm. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der Nachteilsausgleich "RF" nur Personengruppen
zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher
Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Nach diesen Grundsätzen, von denen auch der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung ausgeht, ist der Kläger wegen seiner
Leiden nicht ständig, das heißt allgemein und umfassend, vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Der Kläger,
der nach eigenen Angaben noch in der Lage ist, sich mit Hilfe eines Fahrrades fortzubewegen und öffentliche Verkehrsmittel
zu benutzen, könnte - ggf. auch mit Hilfe eines Rollstuhls - öffentliche Veranstaltungen aufsuchen und an ihnen teilnehmen.
Dass der Kläger nicht länger als 30 Minuten sitzend an einer öffentlichen Veranstaltung teilnehmen kann, ist weder erkennbar
noch vorgetragen. Soweit der Kläger - zuletzt belegt durch den ärztlichen Entlassungsbericht der M Klinik H vom 12. Januar
2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 22. Dezember 2010 bis 12. Januar 2011 - Bewegungseinschränkungen
in den Knien und im Wirbelsäulenbereich, Orientierungsschwierigkeiten in der Dunkelheit aufgrund von Gleichgewichtsstörungen
und Drehschwindelattacken sowie Tinnitus und Schwerhörigkeit rechts, Atemnot und Bluthochdruck geltend macht, folgt daraus
nichts anderes. Denn solange ein schwerbehinderter Mensch mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in
zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er von der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht ausgeschlossen.
Dabei kann er bei fehlender Verfügbarkeit von Hilfsmitteln oder einer Begleitperson auch auf die Möglichkeit eines Hin- und
Rücktransports durch die im allgemeinen gut organisierten Sozialdienste verwiesen werden (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 3. Juni
1987 - 9a RVs 27/85 - SozR 3870 § 3 Nr. 25; Urteil vom 12. Februar 1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 17).
Eine ständige Hinderung an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers,
an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom mit Tagesmüdigkeit, mehrmals täglich unvermittelt auftretenden Schlafattacken (narkoleptischer
Schlafzwang) und unter Konzentrationsstörungen zu leiden. Denn den Nachteilsausgleich "RF" können nur solche Behinderte beanspruchen,
die physisch an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen können. Dabei ist unter "Teilnahme" die körperliche Anwesenheit
ohne Rücksicht darauf zu verstehen, ob der Teilnehmer geistig in der Lage ist, dem Dargebotenen zu folgen (vgl. u. a. BSG,
Urteil vom 11. September 1991 - 9a/9 RVs 15/89 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 2; Urteil vom 28. Juni 2000 - 9 SB 2/00 R - SozR 3-3870§ 4 Nr. 26). Dies folgt daraus, dass Einschränkungen
der geistigen Aufnahmefähigkeit gleichermaßen sowohl bei öffentlichen Veranstaltungen und auch vor den Rundfunk- und Fernsehgeräten
in der eigenen Wohnung wirksam werden können.
Psychische Störungen, die den Kläger ständig daran hindern könnten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (vgl. dazu
BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 9 SB 2/00 R - aaO.), hat der Kläger nicht vorgetragen; für das Vorliegen einer solchen Erkrankung
ist auch sonst nichts ersichtlich.
Abschließend kann dahinstehen, ob für die näheren Einzelheiten über die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens
"RF" auf die zuletzt in Teil B Nr. 33 AHP 2005 (Seite 141 f.) - unter Bezugnahme auf landesrechtliche Vorschriften und ergänzende
Rechtsprechung - niedergelegten Maßstäbe zurückzugreifen ist. Denn auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat der Kläger
keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF". Danach gehören zu den behinderten
Menschen, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, regelhaft Menschen mit
einem GdB von wenigstens 80, - bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche,
schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen
Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - die durch ihre Behinderung
auf ihre Umgebung abstoßend oder störend wirken (z. B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem
Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche,
wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger
Lungentuberkulose, - nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven
Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden,
- geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen
durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Zu den vorgenannten Personengruppen, bei denen regelhaft anzunehmen ist, dass diese allgemein von öffentlichen Zusammenkünften
ausgeschlossen sind, gehört der Kläger ersichtlich nicht. Er ist nach Teil B Nr. 33 AHP 2005 auch nicht wegen sonstiger Leiden
von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen, weil er, wie bereits oben dargelegt, noch in nennenswertem Umfang an öffentlichen
Veranstaltungen teilnehmen kann.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Anspruchs auf unentgeltliche Beförderung seines Fahrrades im öffentlichen
Personennah- und Fernverkehr. Denn für eine solche Feststellung des Beklagten fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Eine solche
lässt sich insbesondere nicht §
69 Abs.
4 SGB IX i. V. m. §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB IX und § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchwbAwV entnehmen. Danach hat das Versorgungsamt bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen des §
146 Abs.
1 SGB IX - wie beim Kläger geschehen - das gesundheitliche Merkmal "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr"
festzustellen und im Ausweis auf der Rückseite das Merkzeichen "G" als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen
einzutragen. Als Nachteilsausgleich werden Schwerbehinderte mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr nach §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB IX von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, im Nahverkehr unentgeltlich befördert; im Nah- und Fernverkehr
sind die Unternehmer nach §
145 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX zudem u. a. verpflichtet, Handgepäck, einen mitgeführten Krankenfahrstuhl, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels
dies zulässt, und sonstige orthopädische Hilfsmittel unentgeltlich zu befördern.
Danach hat das Versorgungsamt im Hinblick auf das Merkzeichen "G" allein darüber zu entscheiden, ob das diesem Merkzeichen
zu Grunde liegende gesundheitliche Merkmal (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) vorliegt.
Hingegen ist das Versorgungsamt nicht legitimiert, die von dem Kläger begehrte Feststellung eines Anspruchs auf unentgeltliche
Beförderung seines Fahrrades im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr zu treffen. Denn eine solche die Unternehmer des
öffentlichen Personenverkehrs bindende Feststellung würde eine entsprechende gesetzliche Grundlage voraussetzen, an der es
hier fehlt.
Eine andere Anspruchsgrundlage kommt für das Begehren des Klägers nicht in Betracht. Soweit er geltend macht, er habe einen
Anspruch auf unentgeltliche Beförderung seines Fahrrades als orthopädisches Hilfsmittel im Sinne des §
145 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX (vgl. auch §§ 13, 24a Buchst. a und b BVG, §§ 12 Abs. 5, 18 Abs. 5, 22 Abs. 1 Nr. 6 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz - Orthopädieverordnung -), ist er darauf zu verweisen, sein Begehren gegenüber dem bzw. den Beförderungsunternehmen geltend
zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.