Tatbestand:
Im Streit steht, ob Leistungen aus einer Lebensversicherung ganz oder nur teilweise Grundlage der Beiträge zur gesetzlichen
Kranken- und Pflegeversicherung sind.
Der im September 1947 geborene Kläger ist seit 1965 Mitglied der Barmer Ersatzkasse bzw. deren Rechtsnachfolgerin Barmer GEK
(nachfolgend nur noch "die Beklagte"). Sein Arbeitgeber schloss zu seinen Gunsten im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung
eine Lebensversicherung in Form einer Direktversicherung bei der SL AG ab, welche am 1. Januar 2008 fällig wurde. Die Beiträge
wurden durchgehend vom Arbeitgeber und teilweise - zu einem Drittel - vom Kläger selbst gezahlt.
Im Ehescheidungsverfahren des Klägers im Jahre 1991 wurde von einem damaligen Rückkaufwert der Lebensversicherung von 107.743,47
DM ausgegangen. Der Kläger befriedigte den Zugewinnsausgleichsanspruch der geschiedenen Ehefrau für die Lebensversicherung
von 53.871,74 DM nebst Zinsen aus seinem sonstigen Vermögen. Die S L AG zahlte ihm zum 1. Januar 2008 einen Betrag in Höhe
von 244.951,16 € aus.
Die Beklagte zu 1) setzte mit Bescheid vom 4. August 2009 die vom Kläger aus der Kapitalleistung ab dem 1. Juli 2009 zu zahlenden
Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf 304,15 € bzw. 39,80 € monatlich fest. Sie legte dabei den Gesamtbetrag
von 244.951,16 € ab dem 1. Februar 2008 bis zum 31. Januar 2018 auf 10 Jahre mit jeweils 120tel des Gesamtbetrages für jeden
Monat um (2.041,26 €). Der Bescheid erging hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2).
Der Kläger erhob Widerspruch. Die Kapitalleistung sei zu einem Drittel von ihm erbracht worden. Seine Arbeitgeberbeitragsanteile
stellten kein Einkommen dar. Ganz allgemein habe er kein Verständnis dafür, dass er neben dem Arbeitnehmeranteil auch einen
Arbeitgeberanteil abzuführen habe. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass er seine geschiedene Ehefrau zuzüglich Zinsen
insgesamt mehr als 60.000,00 DM erstattet habe. Eine Abtretung bzw. eine direkte Auszahlung durch seinen Arbeitgeber sei damals
nicht möglich gewesen, da die Altersversorgung auf sein 60. Lebensjahr gesetzlich festgeschrieben gewesen sei. Seinerseits
sei er gesetzlich verpflichtet gewesen, seiner Ehefrau den hälftigen Rückkaufswert zu erstatten.
Die Beklagten wiesen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2009 zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin (SG) verwiesen hat.
Der Kläger hat vor Gericht sein Vorbringen wiederholt und vertieft. Aufgrund der Erstattung von mehr als 60.000,00 DM an seine
damalige Ehefrau liege ein der Situation entsprechender Sachverhalt vor, bei dem der Arbeitnehmer die Beiträge zur Lebensversicherung
zur Gänze allein aufgebracht habe. Nach Auskunft der S Ve AG entspreche der erstattete Betrag von 53.871,74 DM einer Ablaufleistung
von 71.111,20 €. Dieser Betrag sei vom Auszahlungsbetrag abzuziehen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 abgewiesen. Die Beklagten seien berechtigt gewesen, nach §
229 Abs.
1 Satz 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (
SGB V) i.V.m. §
248 Satz 1
SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG;
BGBl I 2003, 2190) Beiträge aus der einmaligen Kapitalleistung der Lebensversicherung des Klägers für die Zeit ab 1. Juli 2009 nach dem vollen
allgemeinen Beitragssatz zu verlangen. Die Berechtigung hierzu ergebe sich aus §§ 55 Abs. 1 S. 1, Abs.
3 S. 1, 57 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch (
SGB XI) i.V.m. §
229 Abs.
1 SGB V. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hätten nach §
46 Abs.
2 S. 4
SGB XI in einem gemeinsamen Bescheid bei der Beklagten festgesetzt werden können.
Nach §
237 S. 1 Nr. 2
SGB V sei bei versicherungspflichtigen Rentnern der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zu Grunde zu legen. Nach
§
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V gälten als der Rente vergleichbare Einnahmen unter anderem Renten der betrieblichen Altersversorgung. Trete hier an der Stelle
der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßige wiederkehrende Leistung oder sei eine solche Leistung - wie hier - vor Eintritt
des Versicherungsfalls vereinbart worden, gelte nach §
229 Abs.
1 Satz 3
SGB V in der ab dem 1. Januar 2004 anzuwendenden Fassung durch Art. 1 Nr. 143 GMG ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Zu
den Renten der betrieblichen Altersversorgung gehörten weiter nach ständiger Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch Leistungen in der betrieblichen Altersversorgung, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen
Direktversicherung im Sinne des §
1 Abs.
2 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt würden. Eine Direktversicherung liege danach vor, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung
auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden sei und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen
des Versicherten ganz oder teilweise bezugsberechtigt sei. Eine Zurechnung zur betrieblichen Altersversorgung habe zu erfolgen,
wenn die Lebensversicherung der Versorgung des Arbeitnehmers im Alter und somit der Sicherung des Lebensstandards nach dem
Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben im Vordergrund stehe. Ihren Charakter als Versorgungsbezüge verlören Leistungen
eine Direktversicherung weder dadurch, dass sie ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitnehmers beruhten noch dadurch,
dass die Beiträge nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses alleine vom Arbeitnehmer getragen würden (Bezugnahme auf
BSG, u. a. Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R). Diese gesetzliche Regelung sei auch verfassungsgemäß, wie das BSG in seinen Urteilen vom 12. November 2008 ausgeführt habe (B 1 KR 6/08 R, B 1 KR 9/08 R und B 1 KR 10/08 R). Auch bei der Kapitalauszahlung der S L AG an den Kläger habe es sich in vollem Umfang um eine von Anfang an statt einer
Rente zugesagte und nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung der betrieblichen Altersversorgung gehandelt. Der entsprechende
Lebensversicherungsvertrag sei seinerzeit vom damaligen Arbeitgeber des Klägers als Direktversicherung abgeschlossen worden
und habe seiner Altersversorgung gedient, was sich bereits aus dem ursprünglichen Auszahlungsdatum nach Vollendung des 60.
Lebensjahres des Klägers ergeben habe. Der Zusammenhang zum Erwerbsleben sei auch nicht dadurch unterbrochen, dass der Kläger
in den Jahren 1993 bis 1998 Beiträge von mehr als 60.000,00 € zum Zwecke des Zugewinnsausgleichs an seine geschiedene Ehefrau
gezahlt habe. Das BSG habe bereits entschieden, dass die teilweise Abtretung von Ansprüchen an den geschiedenen Ehegatten im Wege eines schuldrechtlichen
Versorgungsausgleichs keinen Einfluss auf die Beitragspflicht habe (Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 21.12.1993 - 12 R KA 28/93 und vom 28.01.1999 - B 12 KR 24/98R). Die Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtssprechung
sei vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 20.08.2001 - 1 BvR 487/99). Diese zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entwickelten Grundsätze seien ohne weiteres auf den ebenfalls schuldrechtlichen
Zugewinnsausgleich übertragbar. Auch insoweit schließe es das im Beitragsrecht geltende Prinzip der Bruttoeinkünfte aus, Ausgaben
als Minderung der Einkünfte zu berücksichtigen, weil sie für einen bestimmten Zweck vorgesehen gewesen seien. Als "Zahlbetrag"
im Sinne des §
237 S, 1
SGB V sei nach dem Wortsinn nicht der Betrag gemeint, den der Versorgungsberechtigte tatsächlich erhalte, sondern derjenige den
der Versorgungsträger zur Verfügung des Versorgungsanspruches auszahle. Wenn aber bereits die Abtretung der Auszahlungsansprüche
im Wege des schuldrechtlichen Versorgungs- bzw. Zugewinnsausgleichs die Beitragspflicht unberührt lasse, müsse dies erst recht
gelten, wenn der Versicherte nicht die Auszahlungsansprüche an den geschiedenen Ehegatten abtrete, sondern stattdessen den
Zugewinnsausgleich aus seinem sonstigen Vermögen geleistet habe. Auch sonst komme es im Rahmen der Beitragspflicht nicht darauf
an, ob und wofür der Versicherte die Versorgungsleistungen verbraucht habe oder verbrauchen wolle (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17.03.2010 - B 12 KR 5/09 R - juris RdNr. 16). Sofern es der Kläger für ungerecht halte, dass bereits abgeflossenes Vermögen der Beitragspflicht unterliege,
verweise das SG auf die genannten Entscheidungen des BSG und des Bundesverfassungsgerichts zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Wenn der Kläger bei Fortbestehen der Ehe die
Versorgungsleistungen aktuell zur Bestreitung des Lebensunterhalts seiner Ehefrau verwenden würde, hätte dies nach der genannten
Rechtssprechung auch kein Einfluss auf die Beitragspflicht. Anders könne nicht geltend, wenn im Falle einer Ehescheidung vorab
Zahlungen zum Zugewinnsausgleich geleistet würden.
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers. Zu deren Begründung verweist er auf die Entscheidungen
des BVerfG vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08) sowie vom 6.09.2010 (1 BvR 739/09). Danach verstoße es gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG), wenn auch Beiträge, die der Versicherte nach Ende seines Arbeitsverhältnisses auf einen Kapitallebensversicherungsvertrag
gezahlt habe, als betriebliche Altersversorgung der Beitragspflicht unterworfen würden, obwohl die Erträge einer normalen
privaten Lebensversicherungen nicht der Beitragspflicht unterworfen seien. Nur wenn auch nach Ausscheiden des Arbeitnehmers
der frühere Arbeitgeber Versicherungsnehmer der Kapitallebensversicherung (als Gruppenlebensversicherungsvertrag) bleibe,
werde der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts weiter genutzt und sofern der Berufsbezug noch bewahrt. Der private
Mitteleinsatz des Klägers zur Erfüllung des Zugewinnsausgleichs einer ehemaligen Ehefrau sei der Fallgestaltung der allein
privaten Fortführung einer früheren Direktversicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleich zu setzen. Unabhängig
hiervon dürfe die alte Rechtssprechung des BSG zum Versorgungsausgleichs im Falle der Scheidung nicht herangezogen werden, da diese zu einem Zeitpunkt ergangen sei, alle
hier streitgegenständliche Vorschrift des §
229 Abs.
1 S. 3
SGB V noch nicht in der hier streitigen Fassung gegolten habe.
Mit Beschluss vom 9. März 2012 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen
Richtern übertragen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 4. August
2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2009 dahingehend abzuändern, dass als Bemessungsgrundlage
für die Beitragserhebung aus der Kapitalleistung der S L AG lediglich ein Betrag von 173.839,96 € anzusetzen ist und dem Kläger
die seit dem 1. Juli 2009 von ihm überschüssige geleisteten Beiträge zurück zu zahlen sind.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung.
Die Leistungen der SL AG stellen sich als solche der betrieblichen Altersversorgung dar.
Der Umstand, dass der Kläger seine frühere Ehefrau im Rahmen des Zugewinnsausgleiches hat abfinden müssen, bleibt hiervon
nämlich unberührt. Ihm ist, weil er seine Ehefrau bereits früher abgefunden hat, die Lebensversicherung im vollen Umfang zugeflossen.
Geändert hat sich (nur), dass der Bruttobetrag der Auszahlung nach heutiger Rechtslage um die mittlerweile gesetzlich eingeführten
Abzüge aufgrund der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung reduziert.
Die Situation stellt sich insoweit nicht anders dar, wie wenn ein Ehegatte dem anderen dessen Ansprüche auf ein gemeinsames
Grundstück abkauft, auf dem Grundstück später jedoch höhere Lasten ruhen, als dies zunächst absehbar gewesen ist.
Dass der Kläger -wie angedeutet- mittlerweile anderen Personen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist als zum Zeitpunkt seines
Scheidungsverfahren, ist gänzlich ohne Relevanz.