Vertragsarztrecht
Genehmigung einer Zweigpraxis
Eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte
Verbesserung der Versorgung
Tatsächliche Unterversorgung
Tatbestand:
Streitig ist die Genehmigung einer Zweigpraxis.
Der 1937 geborene Kläger ist Facharzt für innere Medizin und Gastroenterologe, er ist in D im Bereich der kassenärztlichen
Vereinigung Sachsen, der Beigeladenen zu 1), als Hausarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Am 14. Februar 2013
beantragte er beim Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg die Genehmigung vertragsärztlicher
Tätigkeit als hausärztlicher Internist in N als einem weiteren Ort. Die Teilnahme an der Versorgung in Sachsen solle davon
unberührt bleiben. Sprechstunden in N sollten sein Freitag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr und Samstag von 7:00 Uhr bis 12:30
Uhr. Außerhalb der Sprechstunden stehe er für Notfälle zur Verfügung, mit einbegriffen seien prophylaktische Maßnahmen der
Früherkennung von Darmkrebs (endoskopische Untersuchungen). Die Beigeladene zu 1) und der Zulassungsausschuss für Ärzte in
C erklärten auf Nachfrage, keine Einwände gegen die Ermächtigung zur vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort zu
haben, wenn der Kläger seine Tätigkeit in ihrem Bereich im bisherigen Umfang fortsetze. Dagegen meinte die Beigeladene zu
2), dass sie die Voraussetzungen für die Ermächtigung zu einer Tätigkeit an einem weiteren Ort nicht feststellen könne.
Durch Bescheid vom 15. August 2013 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag auf Ermächtigung für eine Zweigpraxis in N ab.
Die Beigeladene zu 2) habe nicht feststellen können, dass sich die Versorgung der Versicherten durch die Teilnahme des Klägers
an der Versorgung verbessern würde. Der Versorgungsgrad auf dem Gebiet der hausärztlichen Versorgung im Mittelbereich E betrage
104,9 Prozent, die Hausärzte der Region hätten ausreichende Behandlungskapazität angezeigt. Von Freitagmittag bis Montag sei
der Bereitschaftsdienst organisiert. Zusätzlich böten mehrere Hausärzte in E freitags und samstags Sprechstunden an. Die Fahrzeit
mit dem Bus von N aus betrage 30 Minuten, mit dem Zug 4 Minuten. Wegen der Entfernung zur Hauptpraxis des Klägers sei davon
auszugehen, dass er wochentags nicht für Notfälle zur Verfügung stehe. Zusätzlich müsse er die Bereitschaftsdienste der Beigeladenen
zu 1) absichern. Die Möglichkeit einer kontinuierlichen Patientenversorgung sei nicht zu erkennen. Der Kläger biete auch keine
besonderen Untersuchungen oder Behandlungen an. Hinweise auf Versorgungsdefizite in N/M lägen nicht vor.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass sich die Versorgung der Versicherten durch die Zulassung der Zweitpraxis
verbessern werde. Der Versorgungsbereich N würde 17 Großgemeinden umfassen und werde von einer überwiegend älteren Bevölkerung
bewohnt. Für viele dieser Patienten seien Arztbesuche nur am Wochenende möglich, weil sie für die Fahrten zum Arzt auf Familienangehörige
angewiesen seien, die nur eingeschränkt Zeit hätten. Die Fahrstrecke von D nach N lege er ohnehin am jedem Wochenende zurück.
Schon jetzt würden an den Wochenenden regelmäßig Patienten bei ihm vor der Tür stehen und um Rat bitten. Früher seien in der
Region N und Umgebung drei Ärzte tätig gewesen, heute nur noch einer, der am Wochenende nicht praktiziere. An den Wochenenden
könnten die Patienten nur den Notdienst anfordern oder die Rettungsstelle des Krankenhauses in E aufsuchen. Die vorliegenden
Schreiben eines Landtagsabgeordneten, des Landrats des Landkreises O und des Amtsdirektors von N bestätigten den bestehenden
Bedarf. Die Beigeladene zu 2) sprach sich für die Abweisung des Widerspruchs aus, die Beigeladene zu 1) und der Zulassungsausschuss
Ärzte C blieben bei ihrer bisherigen Auffassung.
Der Beklagte wies den Widerspruch in seiner Sitzung vom 10. Dezember 2013 zurück. In dem am 18. Februar 2014 ausgefertigtem
Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, dass mit der Errichtung der geplanten Zweigpraxis keine Verbesserung der Versorgung
der Versicherten mit hausärztlichen Leistungen erreicht werde. Nach der Rechtsprechung (Hinweis auf BSG v. 28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R) könne eine Verbesserung der Versorgung sowohl qualitativ als auch quantitativ erreicht werden. Eine qualitative Verbesserung
der Versorgung komme nicht in Betracht. Diese Möglichkeit müsse ausgeschlossen werden, weil der Kläger zusätzlich nur Leistungen
anbieten wolle, die zur fachärztlichen Versorgung gehörten und nicht von einem Hausarzt erbracht werden dürften. Auch quantitativ
sei eine Verbesserung der Versorgung nicht zu erkennen. Am Ort der geplanten Zweigpraxis sei ein Hausarzt mit vollem Versorgungsauftrag
tätig, der neben den Einwohnern des Ortes N problemlos auch weitere entfernt liegende Ortschaften versorgen könne. Der Arzt
vor Ort liege nach mit seinen Fallzahlen aus den Quartalen III/2012 bis II/2013 unter dem Durchschnitt im Mittelbereich E.
Er könne durch die knapp bemessenen von dem Kläger angezeigten Sprechzeiten nicht entlastet werden und habe zudem auch noch
freie Kapazitäten angezeigt. Zudem würden viele Versicherte aus N die Hausärzte in E aufsuchen. Das Angebot von Sprechzeiten
ausschließlich am Freitagnachmittag und am Samstagvormittag könne die Versorgung nicht verbessern. Soweit das BSG eine Verbesserung für denkbar gehalten habe, wenn ärztliche Sprechzeiten vorgehalten werden würden, welche es beispielsweise
Berufstätigen ermöglichen würden, den Arzt am späten Nachmittag aufzusuchen, setze das voraus, dass in erreichbarer Nähe keine
ärztliche Behandlung zu diesen besonderen Sprechzeiten angeboten werde. Das treffe hier nicht zu, weil in Notfällen der ärztliche
Bereitschaftsdienst ab Freitagmittag in Anspruch genommen werden könne und mehrere Hausärzte in E Sprechzeiten für Freitagnachmittag
und Samstag mitgeteilt hätten. Die hausärztliche Tätigkeit sei eine vollumfängliche Tätigkeit. Auch in einer Zweigpraxis müsse
der Arzt seinen Patienten mehrmals in der Woche zur Verfügung stehen. Das könne der Kläger nicht leisten, so dass seine Patienten
unter der Woche einen anderen Arzt aufsuchen müssten. Das bewirke keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Versorgung.
Gegen den dem Kläger am 19. Februar 2014 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 17. März 2014 bei dem Sozialgericht
Potsdam eingegangene Klage. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger geltend gemacht, dass jede Erweiterung des Angebots eine
Verbesserung der Versorgung darstelle. Er wolle Sprechzeiten gerade dann anbieten, wenn der andere in N praktizierende Vertragsarzt
seine Praxis geschlossen habe. Der öffentliche Nahverkehr von N nach E sei beschwerlich. N sei unterversorgt, Ärzte würden
händeringend gesucht.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Februar 2016 abgewiesen. Nach der Ärzte-ZV seien vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig, soweit dadurch die Versorgung
der Versicherten an dem weiteren Ort verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes
nicht beeinträchtigt werde. Bei der Prüfung, ob eine Verbesserung der Versorgung vorliege, sei auf den weiteren Ort abzustellen.
Auf die Bedarfsplanung komme es dagegen nicht an. Den Zulassungsgremien stehe ein Beurteilungsspielraum zu, so dass die Entscheidung
nur eingeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung unterliege. Es sei nur zu prüfen, ob ein richtiger und vollständiger Sachverhalt
zugrunde gelegt worden sei, die Zulassungsgremien die durch Auslegung der Begriffe "Verbesserung der Versorgung" und "ordnungsgemäße
Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ihre Erwägungen so verdeutlicht und
begründet hätten, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar werde. Seien die Anforderungen
an die ordnungsgemäße und rechtsfehlerfreie Ausübung des Beurteilungsspielraums erfüllt, sei dem Gericht eine weitere inhaltliche
Prüfung untersagt. Die Entscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden, weil es bereits an der erforderlichen Verbesserung
der Versorgung an dem weiteren Ort fehle. Für die Entscheidung des Beklagten sei unerheblich gewesen, dass am Sitz der Hauptpraxis
nicht von einer Verschlechterung der Versorgung auszugehen sei. Es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte unzureichend ermittelt
oder seiner Entscheidung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hätte. Das BSG habe offengelassen, ob der weitere Ort stets die politische Gemeinde sei, in der die Zweigpraxis betrieben werden solle,
oder ob auch auf größere räumliche Einheiten abgestellt werden könne. Der Ort der Zweigpraxis N/Ortsteil M habe ca. 400 Einwohner.
N selbst bestehe aus 17 Gemeinden mit 4.400 Einwohnern. Werde mit dem Beklagten auf den Ort der Zweigpraxis und den angebotenen
Bereich der ärztlichen Tätigkeit abgestellt, dann sei eine zahlenmäßige Geringfügigkeitsschwelle erreicht, die eine Versorgungsverbesserung
an dem Ort auch unter Berücksichtigung der angebotenen Sprechzeiten ausschließe. Der Beklagte habe für seine Entscheidung
die Erreichbarkeit und infrastrukturellen Besonderheiten des ländlichen Raums ermittelt und einbezogen. Diese Wertung der
tatsächlichen Gegebenheiten liege außerhalb des Bereichs der gerichtlichen Kontrolle. Zu Recht habe der Beklagte auf die vom
Kläger angebotene Tätigkeit abgestellt und ausgeführt, dass es sich dabei grundsätzlich um eine vollumfängliche Tätigkeit
handele. Zumindest müsse der Arzt seinen Patienten mehrmals in der Woche zur Verfügung stehen. Sei dies nicht gewährleistet,
müsse der Patient unter der Woche einen anderen Arzt aufsuchen, was keine Verbesserung sondern eine zusätzliche Kosten auslösende
Verschlechterung der Versorgung darstelle. Beurteilungsfehlerfrei gehe der Beklagte davon aus, dass aufgrund der Entfernung
zwischen Haupt- und Zweigpraxis eine angemessene und ausreichende Versorgung der Patienten am Ort der Zweigpraxis nicht gewährleistet
sei. Damit sei fehlerfrei eine quantitative Verbesserung der Versorgung vor Ort abgelehnt worden. Obwohl bei der Entscheidung
über die Genehmigung einer Zweigpraxis planungsrechtliche Aspekte keine Rolle spielen, sei derzeit nicht von einer Unterversorgung
im Planungsbereich auszugehen, so dass eine Genehmigung der Zweigpraxis auch aus diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen sei.
Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe in seinem Beschluss vom 11. November 2015 festgestellt, dass der Versorgungsgrad
im hausärztlichen Bereich - Mittelbereich E - bei 107,9 Prozent liege. Für die Arztgruppe der Hausärzte hat er im Mittelbereich
E eine drohende Unterversorgung festgestellt. Dass sei nicht mit einer bestehenden Unterversorgung gleichzusetzen.
Gegen das ihm am 9. März 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. April 2016 (Montag) bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingegangene Berufung des Klägers. Soweit das Sozialgericht und die Beklagte eine qualitative Versorgungsverbesserung nicht
annehmen wollten, müsse zumindest eine quantitative Versorgungsverbesserung bejaht werden. Eine quantitative Versorgungsverbesserung
dürfe nicht pauschal verneint werden, wenn es sich wie hier um einen offenen Planungsbereich handele. Die Öffnung eines Planungsbereiches
ermögliche eine Niederlassung weiterer Ärzte und dokumentiere die Erforderlichkeit weiterer Zulassungen. Wenn aber eine Hauptniederlassung
angesichts des offenen Planungsbereiches zur Versorgung erforderlich sei, müsse angenommen werden, dass auch eine Zweigniederlassung
zu einer Versorgungsverbesserung führe. Das vom Sozialgericht zitierte Urteil des Bundessozialgerichts v. 5. Juni 2013 - B
6 KA 29/12 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, da es sich gerade um einen offenen Planungsbereich handele.
Auf die Frage einer tatsächlichen Unterversorgung könne es insoweit nicht maßgeblich ankommen. In einem gesperrten, also schon
überversorgten Bereich sei eine Versorgungsverbesserung möglicherweise anders zu bewerten. Hier reichten zusätzlichen quantitative
Angebote nicht aus. Das sei bei offenen Planungsbereichen aber anders. Zu Recht habe das Sozialgericht auf die Entscheidung
des Bundessozialgerichts vom 9. Februar 2012 - B 6 KA 49/09 R verwiesen. Das zusätzliche Angebot des Klägers an Wochenenden führe zu einer Versorgungsverbesserung. Die Entscheidung des
Beklagten sei ermessensfehlerhaft, weil er dies nicht berücksichtigt habe. Der Beklagte habe sich nur mit der Entfernung und
der Frage auseinandergesetzt, ob die Versorgung am Hauptsitz sichergestellt sei. Wenn das BSG eine Versorgungsverbesserung durch das Angebot am Wochenende bejahe, müsse das Argument des Sozialgerichts, die Versorgungsverbesserung
sei unerheblich, weil unter der Woche keine Versorgung erfolgen könne, unberücksichtigt bleiben. Wenn das BSG eine Versorgung durch einen Hausarzt am Wochenende als Versorgungsverbesserung werte, müsse es gleichzeitig annehmen, dass
dann unter der Woche eine entsprechende geringere Versorgung erfolge, weil auch ein Hausarzt nicht verpflichtet sei, 7 Tage
die Woche 24 Stunden erreichbar zu sein. Hinsichtlich der Fahrtzeiten und der Erreichbarkeit werde auf den erstinstanzlichen
Vortrag verwiesen. Auch in den angrenzenden Planungsbereichen gebe es Öffnungen, in Guben sogar eine Unterversorgung. Zu verweisen
sei auf die Rechtsprechung des BSG, wonach der Planungsbezirk nicht allein maßgeblich sei. Im hier betroffenen Bereich des östlichen Brandenburgs südlich von
F nahe der Grenze bestehe ein erheblicher Versorgungsbedarf. Die Verkehrsstruktur sei nicht ausreichend, insbesondere nicht
am Wochenende. Fehlerhaft sei die Argumentation, dass durch die Versorgung unter der Woche durch einen anderen Arzt zusätzliche
Kosten entstehen würden. Selbst bei einer die Wochenenden einschließenden Vollversorgung sei eine Versorgung nicht an 7 Tagen
die Woche gewährleistet. Auch ein Arzt habe das Recht auf Freizeit, Erholung und ein Wochenende.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses
vom 10. Dezember 2013 zu verpflichten, dem Kläger die Genehmigung einer Zweigpraxis in N, Pstraße zu erteilen, hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Das Berufungsvorbringen stütze sich vorwiegend auf bedarfsplanerisch
relevante Fakten, die aber nach der Rechtsprechung für die Frage, ob eine Zweigpraxis zu einer Versorgungsverbesserung führen
könne, grundsätzlich unbeachtlich seien. Eine Unterversorgung im Planungsbereich liege nicht vor. Der Planungsbereich sei
zwar nicht wegen Überversorgung geschlossen. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass jede zusätzliche ärztliche Tätigkeit
eine Versorgungsverbesserung darstelle, zumindest dann nicht, wenn eine ärztliche Tätigkeit in die Versorgung einbezogen werden
solle, die wegen der zu großen Entfernung eine angemessene und ausreichende ärztliche Versorgung durch einen Hausarzt unmöglich
mache.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts erweist sich als richtig. Der angefochtene Bescheid
ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung einer
Zweigpraxis in N oder Neubescheidung.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV sind vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit 1. dies die
Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort
des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird; geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes
sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden.
Der Beklagte war örtlich und sachlich zur Entscheidung über den vom Kläger gestellten Antrag zuständig. Die örtliche Zuständigkeit
des Beklagten ergibt sich daraus, dass der Kläger eine Ermächtigung für einen im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu
2 liegenden Ort außerhalb des KV-Bezirkes begehrt, in dem er bereits zugelassen ist. Die Zuständigkeit des Beklagten als Widerspruchsbehörde
ergibt sich aus § 44 i. V. m. 41 Ärzte-ZV.
Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist auch in der Sache nicht rechtwidrig. Seine Auffassung, dass die von dem Kläger
beabsichtigte Zweigpraxis nicht zu einer Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort der Zweigpraxis führen würde, ist
nicht zu beanstanden. Dann kommt es nicht darauf an, dass die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des bisherigen
Vertragsarztsitzes durch die Ermächtigung zur Führung einer Zweigpraxis in dem beantragten Umfang nicht beeinträchtigt werden
würde.
Die von dem Senat vorzunehmende Rechtmäßigkeitskontrolle über die Entscheidung des Beklagten wird dadurch bestimmt, dass den
Zulassungsgremien ein eigener Beurteilungsspielraum zusteht. Ihre Entscheidungen unterliegen deswegen nur beschränkt einer
gerichtlichen Nachprüfung (vgl. BSG vom 9. Februar 2011 - B 6 KA 3/10 R; Urteil des Senats v. 31. Januar 2013 - L 24 KA 98/10). Die zur Entscheidung über das Vorliegen einer Versorgungsverbesserung berufenen Zulassungsgremien bei den kassenärztlichen
Vereinigungen haben bei Prüfung einer Versorgungsverbesserung eine Vielzahl von versorgungs- und regionalstrukturellen Aspekten
zu berücksichtigen und in ihrem Zusammenspiel zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Sie haben über die Vor- und Nachteile
einer beabsichtigten eine wertende Entscheidung unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte zu treffen. Die gerichtliche
Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die erforderlichen Tatsachenermittlungen angestellt worden und die hieraus gezogenen
Schlussfolgerungen vertretbar sind. Sind diese Anforderungen an die ordnungsgemäße und rechtsfehlerfreie Ausübung des Beurteilungsspielraums
erfüllt, steht den Sozialgerichten eine weitere inhaltliche Prüfung nicht zu. Bei Vorliegen eines Beurteilungsspielraums sind
die Gerichte nicht befugt, ihre Entscheidungen an die Stelle der Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsträger zu setzen
(BSG vom 9. Februar 2011 - B 6 KA 3/10 R). Dabei steht die Möglichkeit eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums der Verwaltung in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 31.
Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - bestätigt, dass das materielle Recht die Entscheidungen der Verwaltung nicht vollständig determinieren muss und der Verwaltung
in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belassen kann. Das BVerfG hat dazu
jedoch gefordert, dass sich dies ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln
sein muss. § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV weist den Zulassungsgremien zwar nicht ausdrücklichen einen gerichtsfreien Beurteilungsspielraum zu. Die von dem Gesetzgeber
vorgenommene Zuweisung einer von der Kassenärztlichen Vereinigung zu treffenden Entscheidung an den Zulassungs- bzw. Berufungsausschuss
ist angesichts der bereits bestehenden und bekannten Rechtsprechung über das Bestehen eines Beurteilungsspielraums des Zulassungsausschusses
(vgl. Urteil des BSG vom 20. Dezember 1995 - 6 RKa 55/94) ein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber in diesen Fragen an einem gerichtsfreien Beurteilungsspielraum festhalten wollte (Urt.
des Senats v. 31. Januar 2013 - L 24 KA 98/10).
Unter Beachtung des eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs ist die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Zunächst
mussten sich seine Ermittlungen auf alle Voraussetzungen zur Feststellung einer Versorgungsverbesserung beziehen. Dabei ist
nach der Rechtsprechung des BSG nicht auf bedarfsplanerische Gesichtspunkte abzustellen, sondern allein auf die tatsächliche Versorgung an dem weiteren Ort
im Sinne des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV (BSG vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R).
Eine Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort kommt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R - und Urteile vom 9. Februar 2011 - B 6 KA 49/09 R -, - B 6 KA 3/10 R - und - B 6 KA 7/10 R -) in drei Fällen in Betracht: Besteht eine Unterversorgung an dem weiteren Ort führt schon die Eröffnung einer Zweigpraxis
offenkundig zu einer Verbesserung der Versorgung (vgl. BSG v.28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R -juris Rn. 47). Da eine Versorgungsverbesserung nicht an strikte Bedarfsplangesichtspunkte gebunden ist, kommt es insoweit
nicht auf den rechnerisch ermittelten Versorgungsgrad, sondern auf das Bestehen einer tatsächlichen Unterversorgung an (vgl.
Urteil des BSG vom 9. Februar 2011 - B 6 KA 3/10 R -). Eine tatsächliche Unterversorgung am Ort oder im Raum N lässt sich vorliegend aber nicht feststellen. Sie wird auch vom
Kläger mit seinem Berufungsvorbringen nicht behauptet.
Eine Versorgungsverbesserung liegt weiter vor bei einer qualitativen Verbesserung der Versorgung der Versicherten vor Ort.
Das BSG hat eine qualitative Verbesserung der Versorgung in Betracht gezogen etwa bei einer weitergehenden Abrechnungsgenehmigung
des hinzutretenden Arztes oder bei dem Angebot eines differenzierteren Leistungsspektrums. Eine qualitative Verbesserung der
Versorgung wurde auch erwogen, wenn der hinzutretende Arzt eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anbietet,
die besonders schonend ist oder bessere Diagnoseergebnisse liefert (Urteil des BSG vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R). Diese Voraussetzungen sind hier aber sämtlich nicht gegeben. Der Beklagte geht unwidersprochen davon aus, dass der Kläger
aus Rechtsgründen keine weitergehenden Leistungen anbieten und abrechnen darf, als von den bereits vor Ort zugelassenen und
tätigen Vertragsärzten erbracht werden.
Auch eine Verbesserung der quantitativen vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort N hat der Beklagte
verneint, ohne dass ihm insoweit eine Rechtsverletzung vorgeworfen werden kann. Zwar können besondere organisatorische Vorkehrungen
wie etwa das Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden eine solche quantitative Verbesserung des Versorgungsangebots darstellen
(BSG vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 42/08 R -juris Rn. 52). Dass eine beabsichtigte Zweigpraxis ein solches Angebot vorhalten will, führt aber entgegen der Rechtsauffassung
des Klägers noch nicht zwingend dazu, dass der Beklagte im Ergebnis eine Verbesserung der Versorgung feststellen müsste. Vielmehr
handelt es sich insoweit nur um ein abwägungsrelevantes Element neben anderen, das von den zur Entscheidung berufenen Zulassungsgremien
in Betracht zu ziehen ist.
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass das Angebot des Klägers, zusätzliche Sprechzeiten am Freitagnachmittag und Samstagmorgen
abzuhalten, ein Vorteil von einem solchen Gewicht ist, dass mögliche Nachteile dahinter zurücktreten müssten. Der Senat vermag
den Vortrag des Klägers über den insoweit bestehenden besonderen Bedarf vor Ort nur im begrenzten Umfang nachzuvollziehen.
Wenn sich das Angebot der Wochenendsprechzeiten insbesondere an ältere Menschen richten soll, die auf ihre Verwandten angewiesen
sind, damit sie zum Arzt gebracht werden können, ist nämlich zu bedenken, dass die Mobilität dieser Menschen an den Wochenenden
dann eher höher ist als unter der Woche, wenn ihre berufstätigen Verwandten keine Zeit haben. Deswegen erscheint es nicht
zwingend, dass nur ortsnahe Ärzte mit Sprechzeiten am Wochenende in der Lage sein könnten, den Versorgungsbedarf der Versicherten
angemessen zu decken. Unter der Bedingung, dass die Versicherten ohnehin von ihren Verwandten, die nur am Wochenende Zeit
haben, mit dem Auto zum Arzt gebracht werden, ist nicht ersichtlich, warum dann nicht auch ein etwas weiter entfernter praktizierender
Arzt, etwa in E, in Anspruch genommen werden könnte. Im Übrigen könnte der Kläger den von ihm geltend gemachten Nöten der
älteren Bevölkerung dadurch entgegnen, dass er Hausbesuche anbietet - was ebenfalls zur hausärztlichen Tätigkeit gehören würde.
Dazu dürfte er aber schon zeitlich nicht in der Lage sei, solange er seine Praxis in D im bisherigen Umfang aufrechterhält.
Kein Beleg für einen besonderen Versorgungsbedarf ist auch, dass der Kläger nach seinem Vortrag am Wochenende, das er regelmäßig
in N verbringt, auch ohne zugelassene Zweigpraxis regelmäßig von einer Vielzahl von Patienten aufgesucht und um Rat gefragt
wird. Das Hinzukommen eines weiteren Arztes an einem bestimmten Ort begründet noch keine relevante Verbesserung der Versorgung
(BSG v. 5. Juni 2013 - B 6 KA 29/12 R). Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob dem hinzutretenden Arzt von der ansässigen Bevölkerung ein besonderes Vertrauen
entgegengebracht wird.
Beurteilungsrelevante Nachteile bei ausschließlich angebotenen Wochenendsprechzeiten können sich aber daraus ergeben, dass
dann von den Versicherten für die weitere Behandlung unter der Woche ein anderer Arzt aufgesucht werden muss, was zusätzlichen
Aufwand und zusätzliche Kosten hervorruft und die Versorgung durch eine Zweigpraxis unwirtschaftlich werden lässt (Hannes
in Hauck-Noftz,
SGB V, §
96 Rn. 73). Der Beklagte ist nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der Kläger nicht in der Lage sein wird, die von ihm am
Wochenende behandelten Patienten auch in der Woche zu betreuen. Die Entfernung zwischen dem Sitz der bisherigen Praxis und
dem Ort der beabsichtigen Zweigpraxis lässt ausgeschlossenen erscheinen, dass der Kläger in Notfällen zeitnah vor Ort sein
könnte, um die begonnene Behandlung fortzusetzen. Die hausärztliche Behandlung der Versicherten kann auch außerhalb von Notfällen
nicht ausschließlich an Wochenenden erfolgen, da sie regelmäßig auch eine kurzfristige wiederholte Vorstellung der Patienten
erfordert. Der Kläger will im Kern eine notärztliche Versorgung zu bestimmten Sprechzeiten anbieten, nicht aber eine hausärztliche
Versorgung im eigentlichen Sinne. Vor diesem Hintergrund ist nicht fehlerhaft, wenn der Beklagte von einem Überwiegen der
Nachteile ausgegangen ist und die beabsichtigte Zweigpraxis nicht genehmigt hat. Auf die vom Sozialgericht erörterte Frage,
ob die eintretende Verbesserung wegen der geringen Einwohnerzahl des Ortes der beabsichtigten Zweigpraxis nicht ohnehin schon
unterhalb der Geringfügigkeitsschwelle liegen würde, kommt es daneben nicht ab.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor.