Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz
Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit
Tätigkeit in Form der Heimarbeit
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 15. Januar 2015.
Die im Jahre 1956 geborene Klägerin ist promovierte Chemikerin. Sie war von 1995 bis 31. Dezember 2009 als wissenschaftliche
Redakteurin bei dem Fachinformationszentrum Chemie B GmbH (FIZ Chemie) beschäftigt und in dieser Zeit mit dem Erstellen von
Fachreferaten und Schlagworten für den Chemical Abstracts Service (CAS) befasst. Der CAS ist eine Unterabteilung der American
Chemical Society. Sein Publikationsorgan Chemical Abstracts (CA) hat zum Ziel, weltweit sämtliche Chemie-relevanten Veröffentlichungen
zu indexieren und zusammenzufassen.
Im Januar 2010 bezog die Klägerin Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Ab dem 1. Februar 2010 war die Klägerin als "Auftragnehmerin" auf der Grundlage eines im September 2009 abgeschlossenen "Werkvertrages"
mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe, Gesellschaft für wissenschaftlich-technische Information mbH (FIZ Karlsruhe), an
dessen Standort in B tätig. Das FIZ Karlsruhe besaß, wie zuvor das FIZ Chemie, einen Auftrag des CAS zur "Input-Erstellung"
für die Datenbank CA und war insoweit bei der Beklagten als abgabepflichtiges Unternehmen erfasst. Der "Werkvertrag" enthielt
auszugsweise folgende Regelungen:
§ 1 Vertragliche Leistung des Auftragnehmers
(1) Der Auftragnehmer liefert fachgerecht erstellte inhaltliche Beschreibungen zu wissenschaftlichen Fachartikeln, vorwiegend
in englischer und deutscher Sprache, auf dem Gebiet der Chemie zur Einstellung in die Datenbank CA (im Folgenden: Dokumentationseinheiten
oder DE). Die DE beinhalten die Indexierung der Fachartikel auf Basis einer inhaltlichen Analyse. Diese Indexierungstätigkeiten
sind Teil der Input-Erstellung für die Datenbank CA.
Der Auftragnehmer selektiert selbständig Artikel aus dem Pool an Dokumenten (baskets), die CAS seinem Fachgebiet zugeordnet
hat, und die er in dem von CAS vorgegebenen Zeitraum (due date) fertigstellen will. (.....) Der Auftragnehmer wählt in Absprache
mit FIZ Karlsruhe ein Fachgebiet entsprechend seiner Spezialisierung.
Die inhaltliche Analyse der Fachartikel beinhaltet im Wesentlichen die Vergabe folgender Datenelemente (Indexierung): Parents
(compounds), Concepts, Keywords, CAS Roles. Die korrekte Vergabe dieser Datenelemente wird in den Manuals und Guidelines exakt
beschrieben. Die Manuals und Guidelines werden von CAS zur Verfügung gestellt; sie können vom Auftragnehmer jederzeit eingesehen
werden und sind von ihm genau zu beachten. Darüber hinaus prüft der Auftragnehmer Titel und Abstracts auf Korrektheit und
verfasst gegebenenfalls ein englisches Abstract oder eine Titelergänzung.
(2) Als Ansprechpartner bei FIZ Karlsruhe steht dem Auftragnehmer ein Koordinator zur Verfügung.
(3) Der Auftragnehmer ist in keiner Weise weisungsgebunden. Er kann die zu bearbeitenden Dokumente in Absprache mit dem Koordinator
selbst auswählen und stellt die Dokumente nach Bearbeitung ebenfalls selbständig in die CA-Datenbank (...) ein.
(4) Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Auftragnehmer insbesondere keinerlei Vorgaben des Auftraggebers zur Arbeitszeit
und zum Arbeitsort unterliegt. FIZ Karlsruhe stellt einen Büroarbeitsplatz in Berlin zur Verfügung. Es besteht für den Auftragnehmer
jedoch keine Verpflichtung, die vereinbarten Werkleistungen dort zu erbringen.
(5) Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer am Büroarbeitsplatz in Berlin einen elektronischen Zugang zur Datenbank, einen
Internetzugang sowie Zugang zu Chemie-relevanten Lexika und sonstigen relevanten Informationen und Materialien (...) zur Verfügung.
Der Auftragnehmer kann die beiden erstgenannten Zugänge auch in der Weise nutzen, dass er sich über den bereitgestellten PC
einwählt. (...)
(6) Der Auftragnehmer kann seine Tätigkeit vollkommen selbständig gestalten, insbesondere über seine Zeiteinteilung frei disponieren.
Auftragsbezogene Zeitvorgaben, insbesondere für die Abgabe an CAS (due date), sind einzuhalten. Abweichungen sind mit dem
Koordinator zu klären. Der Auftraggeber kann jederzeit Auskunft über den Stand und den Umfang der zu erbringenden Leistungen
verlangen.
(7) Der Auftragnehmer ist berechtigt, bei der Erfüllung dieses Auftrags eigenes Personal einzusetzen, er bleibt jedoch für
die auftragsgemäße Erfüllung gegenüber dem Auftraggeber verantwortlich und trägt die Kosten für zusätzlich eingesetztes Personal.
§ 2 Abnahme
Die Vertragsparteien vereinbaren eine förmliche Abnahme. Im Übrigen gilt eine DE als abgenommen, wenn sie nicht innerhalb
einer Frist von 8 Wochen nach Einstellung in die Datenbank gegenüber dem Auftragnehmer schriftlich beanstandet worden ist.
Die Abnahme beinhaltet eine stichprobenartige Überprüfung der Dokumente auf deren inhaltliche und formale Qualität. Der Auftragnehmer
ist verpflichtet, mögliche Hinweise zur Qualitätsverbesserung z. B. durch das erneute Studium der Guidelines, unverzüglich
umzusetzen.
§ 3 Gewährleistung und Haftung
(1) Der Auftragnehmer sichert die Beachtung der in § 1 Abs. 1 dieses Vertrags festgelegten Richtlinien bei der Durchführung
der Arbeiten zu. Mängel werden von ihm kostenlos in angemessener Zeit beseitigt. (...)
§ 4 Honorare/Vergütung
(1) Die Abrechnung erbrachter Leistungen erfolgt nach Anzahl der erstellten DE gegen Nachweis unter Vorlage einer spezifizierten,
prüffähigen, rechtsgültigen Rechnung. (...)
(2) Der Auftragnehmer ist selbst für die Abführung der sozialversicherungspflichtigen Beiträge verantwortlich und führt die
erforderlichen Steuern ab.
(3) Für die vom Auftragnehmer im Rahmen dieses Auftrages zu erbringenden Leistungen wird eine Untergrenze von 160 DE pro Monat
festgelegt, die ohne schriftliches Einverständnis von FIZ Karlsruhe, bezogen auf den durchschnittlichen Umfang von 3 Monaten,
nicht unterschritten werden darf.
(4) Im 4. Quartal eines jeden Kalenderjahres wird das voraussichtliche Maximalvolumen an Dokumenten für das kommende Kalenderjahr
von FIZ Karlsruhe festgelegt. (...)
(5) Es werden folgende Honorare pro erarbeiteter DE festgelegt:
Biochemie:
|
11,33 €
|
Makromolekulare Chemie:
|
18,54 €
|
Organische Chemie:
|
25,75 €
|
alle sonstigen Fachgebiete:
|
10,30 €
|
(6) Im Dezember eines jeden Kalenderjahres wird eine Büropauschale in Höhe von 1.100,00 € gezahlt, sie dient der Kompensation,
u.a. von Pflichtbesprechungen und EDV-Ausfallzeiten.
(7) Für die Erstellung von Abstracts ein englischer Sprache erhält der Auftragnehmer eine Bruttovergütung von 6,80 € pro Abstract.
(8) Ergänzend zum DE-bezogenen Honorar gemäß Absatz 5 wird ein umsatzbezogener jährlicher Fixkostenzuschlag in folgender Höhe
gezahlt:
Honorar
|
Prozentsatz
|
0,00 Euro - 44.000,00 Euro
|
21 %
|
>44.000,00 Euro - 65.000,00 Euro
|
12,5 %
|
>65.000 €
|
-
|
(...)
(9) Mit den in diesem Vertrag vorgesehenen Zahlungen sind alle vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen einschließlich
Fahrtzeiten, Reise- und Aufenthaltskosten abgegolten. (...)
§ 6 Rechte am Werk
(1) Der Auftragnehmer versichert, Inhaber der ausschließlichen Rechte an den von ihm an den Auftraggeber gelieferten Werkleistungen
zu sein. (...)
(2) Der Auftragnehmer räumt FIZ Karlsruhe an allen von ihm im Rahmen dieses Auftrags erzielten Werkleistungen jeweils mit
Wirkung zum Zeitpunkt ihres Entstehens weltweit, exklusiv, unwiderruflich und ohne jede sachliche und für die Dauer des Schutzes
zeitliche Beschränkung alle übertragungsfähigen Rechte und Ansprüche an den Arbeitsergebnissen ein. (...)
§ 8 Urlaubsanspruch
Ein vertraglicher Urlaubsanspruch besteht nicht. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass dem Auftragnehmer ein gesetzlicher
Urlaubsanspruch nach § 2 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz zusteht.
§ 9 Ausfallzeiten
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, Ausfallzeiten, z. B. Krankheitszeiten, dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen.
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, dem Status als selbstständiger Auftragnehmer entsprechend, nicht.
§ 11 Laufzeit und Kündigung
(1) Die Laufzeit dieses Werkvertrages beginnt am 11.01.2010 und endet am 31.12.2012.
(2) Eine außerordentliche Kündigung des Vertrages ist für beide Seiten nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach Maßgabe
von §
314 BGB möglich. (...)
§ 12 Schlussbestimmungen
(1) Nebenabreden, Ergänzungen und Änderungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Mündliche
Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind unwirksam.
(...)
Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 und mit Geltungsdauer bis 31. Dezember 2015 wurde der Vertrag zwischen Klägerin und FIZ Karlsruhe
neu ausgehandelt. In seinen wesentlichen Aussagen entsprach der am 27. November 2012 unterzeichnete Vertrag demjenigen für
den vorangegangenen Zeitraum. Die Tätigkeit eines Koordinators war nun nicht mehr vorgesehen; die Honorare wurden neu geregelt
und angehoben. Wegen der Einzelheiten des Vertrages vom 27. November 2012 wird auf Blatt 229 bis 234 der Gerichtsakte Bezug
genommen.
Aktenkundig sind die Rechnungen, die die Klägerin für die Zeit von Februar 2010 bis März 2014 an das FIZ Karlsruhe gerichtet
hat. Diese weisen monatliche Rechnungsbeträge einschließlich 19 Prozent Mehrwertsteuer zwischen 991,98 Euro (Juli 2013) und
10.415,25 Euro (Juli 2010) aus und beinhalten wiederholt die Abrechnung von "Urlaub" (z.B. April 2013, 5.527,20 Euro) sowie
im Zeitraum Juni 2011 bis November 2012 Entgelt für "Training" (insgesamt 158,5 Stunden à 45 Euro).
Der Inhalt ihrer Tätigkeit bei dem FIZ Karlsruhe entsprach nach eigenem Bekunden der Klägerin derjenigen, die sie von 1995
bis Ende 2009 in ihrer Beschäftigung bei dem FIZ Chemie ausgeübt hatte. Hier wie dort war sie mit dem Bestücken der Datenbank
des CAS befasst. Die von ihr zu bearbeitenden chemiewissenschaftlichen Fachartikel konnte sie frei aus einem Pool des CAS
auswählen und nach ihrer Bearbeitung in die Datenbank einstellen. Vom CAS durchgeführte stichprobenartige Qualitätskontrolle
führte nach Angaben der Klägerin bei ihr nie zu Beanstandungen, anders als bei anderen Kollegen; die Tätigkeit eines "Koordinators"
seitens des FIZ Karlsruhe diente der Prüfung der von ihr monatlich erstellten Rechnungen. Ihre Arbeit erledigte sie überwiegend
vom heimischen Arbeitsplatz aus. Zu diesem Zweck stellte das FIZ Karlsruhe ihr eine sichere Datenverbindung zum Server des
CAS zur Verfügung; bei ihrer Tätigkeit nutzte sie die vom CAS entwickelte Software mit entsprechenden Eingabemasken und hatte
die Eingaberegeln ("Guidelines") des CAS zu beachten. In den Räumen des FIZ Karlsruhe, Standort Berlin, stand der Klägerin
kein persönlicher Arbeitsplatz zur Verfügung, doch sie konnte auch dort jederzeit an einem PC mit entsprechender Ausstattung
arbeiten. Als erfahrene Kollegin arbeitete sie dort eine neu hinzugekommene Mitarbeiterin ein und unterwies sie in der Bearbeitung
wissenschaftlicher Fachartikel. Hierfür rechnete sie gesondert die Zeiten für "Training" ab.
Neben der Vergabe der im Einzelnen vorgegebenen Datenelemente arbeitete die Klägerin auch an der Erstellung von Kurzzusammenfassungen
("Abstracts"). Insoweit hat die Klägerin, von der Beklagten unbestritten, erklärt: Etwa 20 Prozent der für das FIZ Karlsruhe
zu bearbeitenden Artikel seien deutschsprachig und enthielten keine eigene Zusammenfassung. Für diese habe sie englischsprachige
Abstracts erstellt. Weitere 30 Prozent der Artikel hätten über einen nicht den Richtlinien entsprechenden englischsprachigen
Abstract verfügt. Hier habe sie neue englischsprachige Abstracts erstellen müssen. Die eigenständige Erstellung englischsprachiger
Abstracts habe über 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit ausgemacht. Die übrigen 50 Prozent der bearbeiteten Artikel hätten
über Autoren-Abstracts verfügt, die zu redigieren, mit dem Inhalt des Artikels zu vergleichen und mit sprachlichen Korrekturen
und Ergänzungen zu versehen gewesen seien. Grundsätzlich habe sie keine wörtliche Übersetzung von durch Dritte verfassten
Abstracts erstellt; erfolgt sei eine sinngemäße und um weitere Aussagen ergänzte Übersetzung in die englische Sprache. Hierauf
seien ungefähr 20 Prozent der gesamten Arbeitszeit entfallen. Nur etwa drei Prozent der Arbeitszeit habe sie auf das Aussortieren
und Verwerfen von Artikeln verwendet. Die verbleibenden ca. 25 Prozent der Zeit seien auf die Indexierungstätigkeit, also
auf die Vergabe der Datenelemente, entfallen.
Aufgrund einer Kündigung seitens des FIZ Karlsruhe vom 5. Mai 2014 endete die Tätigkeit der Klägerin bei diesem am 15. Januar
2015; zugrunde lag dem, dass der CAS seinerseits den Kooperationsvertrag mit dem FIZ Karlsruhe zum 15. Januar 2015 gekündigt
hatte.
Am 28. Dezember 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem KSVG für die Zeit ab 1. Februar 2010. Sie werde selbständige publizistische Tätigkeit im Bereich Wort (Lektor, Journalist, Redakteur,
Wissenschaftlicher Autor) entfalten.
Mit Bescheid vom 4. März 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. In der Erstellung von inhaltlichen Beschreibungen zu wissenschaftlichen Fachartikeln zur Einstellung in eine
Datenbank liege keine journalistische oder publizistische Tätigkeit, selbst wenn die Arbeitsergebnisse veröffentlicht würden.
Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin an, ihre Tätigkeit - das Erstellen der Zusammenfassungen
bzw. Abstracts - sei getragen von einer überwiegend eigenschöpferischen Wortgestaltung. Sie entfalte typisch redaktionelle
Tätigkeit, denn sie wähle die Inhalte aus, bearbeite und präsentiere sie.
Nach Einschaltung des Bundesversicherungsamtes (§ 21 Abs. 2 der Verordnung über den Beirat und die Ausschüsse bei der Künstlersozialkasse)
wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 2011 zurück. Den an das Vorliegen
einer "publizistischen Tätigkeit" zu stellenden Anforderungen werde die Tätigkeit der Klägerin mit dem Selektieren, Redigieren
und Verfassen von Abstracts nicht gerecht. Denn eine eigenschöpferische Leistung sei dabei nicht gegeben. Die Klägerin erstelle
lediglich kurze Beschreibungen bzw. Zusammenfassungen von Fachartikeln und verschlagworte diese. Eigenschöpferische Wortgestaltung
und Gestaltungsfreiraum blieben hierbei die Ausnahme. Erstellt würden technische Zusammenfassungen, die zwar inhaltlich korrekt
und sprachlich einwandfrei zu sein, im Ergebnis aber nur konkrete Aussagen des Originaltextes wiederzugeben hätten; es verbleibe
bei dem fachspezifischen Wortschatz der bearbeiteten Originaltexte. Weder bewerte die Klägerin die Originalartikel noch stelle
sie eigene wissenschaftliche Ergebnisse vor.
Im Klageverfahren hat die Klägerin angeführt, der schöpferische Kern ihrer Tätigkeit bestehe im Erstellen wissenschaftlicher
Abstracts; sie entscheide eigenständig, wie und in welcher Form sie wissenschaftliche Artikel zusammenfasse, um den komponierten
Inhalt dann in eine Datenbank einzustellen. Die Textarbeit präge das Gesamtbild ihrer Tätigkeit und sei als publizistisch
anzusehen. Von nur "technischen Zusammenfassungen" könne nicht die Rede sein. Denn eigenständig entscheide sie intellektuell,
welche Grundgedanken des jeweiligen Autors für die interessierte Fachwelt von besonderem Interesse seien. Die notwendige sprachliche
Kürze eines Abstracts erfordere in besonders hohem Maße sprachliche Kreativität. Ihre Einbindung in den Betrieb des FIZ Karlsruhe
sei denkbar schwach: Weder gebe es Dienstpläne noch sonst irgendeine Einbindung in die betrieblichen Aktivitäten des FIZ Karlsruhe.
Letzteres sei nur dafür verantwortlich, dass sie über eine sichere Datenleitung von zuhause über Berlin und das FIZ Karlsruhe
alle Arbeiten im Computersystem und mit den Mitteln des CAS ausführen könne. Die fünf Aktenordner umfassenden Guidelines des
CAS gewährleisteten eine einheitliche Qualität und Suchbarkeit in einer Literaturdatenbank, für die jedes Jahr etwa eine Million
Einheiten weltweit von hunderten Mitarbeitern wie ihr zu bearbeiten seien. Urlaub müsse nicht genehmigt werden. Eine Mitteilung
sei lediglich zur besseren Übersicht des Koordinators erforderlich. Einen Büroarbeitsplatz habe sie nur bei Ausfällen des
eigenen PC oder des Zugangs zur Datenleitung genutzt bzw. um gelegentlich Kollegen bei Fachfragen zu helfen. Ein unternehmerisches
Risiko bestehe im Fehlen eines Ausgleichs für nicht selbst verschuldete Produktionsausfälle wie etwa Problemen mit der Datenleitung,
mit den Servern oder der Software von CAS oder einem eingeschränkten Angebot im Dokumentenpool.
Mit Urteil vom 20. Februar 2015 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Bedenken bestünden schon am Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, weil die Klägerin auf das vom FIZ Karlsruhe zur Verfügung
gestellte Computersystem angewiesen sei, eine vorgegebene Eingabemaske benutze, Urlaubsgeld erhalte und an Guidelines gebunden
sei. Dies könne jedoch dahinstehen, weil die Klägerin nicht im Sinne von § 2 KSVG publizistisch tätig sei. Das Gesamtbild ihrer Tätigkeit zeichne sich durch schematisches Erfassen von Fachartikeln aus. Das
System gebe genau vor, wie sie dabei zu verfahren und was sie einzugeben habe. Selbst wenn man in dem Formulieren von Abstracts
eine eigenschöpferische Leistung sähe, so fehle es doch an der erforderlichen Tiefe der Gedanken. Denn wiedergegeben werde
nur, womit sich die Autoren der Fachartikel bereits befasst hätten. Etwa mit der Tätigkeit eines Fachredakteurs sei dies nicht
zu vergleichen, denn dieser erstelle aus Agenturmeldungen eigenständig einen neuen Artikel. Die vorgelegten Arbeitsproben
zeigten, dass die Abstracts möglichst präzise und umfassend nur den tatsächlichen hochwissenschaftlichen Inhalt wiedergeben.
Gegen das ihr am 12. März 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. März 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung vertieft
sie ihr bisheriges Vorbringen. Am Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sei nicht zu zweifeln. Es habe an irgendeiner Eingliederung
in den Betrieb des FIZ Karlsruhe, Standort Berlin, gefehlt. Nur alle zwei Wochen sei sie dort für zwei bis drei Stunden anwesend
gewesen, um Neuigkeiten zu erfahren und mit anderen Mitarbeitern zu sprechen. Sie sei in keinen Dienst- oder Urlaubsplan eingebunden
gewesen. Zeit, Ort und Dauer ihrer Arbeit habe sie immer selbst bestimmt. Allein aus der Vernetzung mit dem Computersystem
des FIZ Karlsruhe sei keine abhängige Beschäftigung ableitbar. Inhaltlich sei sie keinen detaillierten Weisungen unterworfen
gewesen. Die CAS-Guidelines beträfen allein das Vertragsverhältnis zwischen dem CAS und dem FIZ Karlsruhe. Gearbeitet habe
sie tatsächlich nur im Computersystem des CAS und nicht in einem solchen des FIZ Karlsruhe. Tatsächlich sei sie an keine Mindestanzahl
von Dokumentationen gebunden gewesen; Unterschreitungen der vertraglich genannten Menge seien ohne Sanktion geblieben. Was
die publizistische Natur ihrer Tätigkeit betreffe, so seien die Ausführungen des Sozialgerichts diffamierend und ignorant.
Sie sei tätig gewesen wie eine Redakteurin ohne inhaltliche oder stilistische Vorgaben eines Dritten. Ihre Arbeit habe sich
nicht im schematischen Erfassen von Fachartikeln erschöpft, denn sie habe auf der Grundlage ihrer jahrelangen Erfahrung herausarbeiten
müssen, welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen. Diese eigenständige Analyse sei von besonderer Wichtigkeit
für die Qualität der Datenbank gewesen. Abstracts habe sie ohne irgendwelche Vorgaben nach ihrer eigenen Einschätzung sprachlich
ausformuliert. Gegeben sei also eine eigenständige und schöpferische Darstellungsleistung und nicht etwa nur das Abschreiben
eines Textes. Sie habe den jeweiligen Fachartikel gewichtet und bewertet. Hierin liege auch die vom Sozialgericht vermisste
"Tiefe der Gedanken". Folge man dem Sozialgericht, seien auch Konzert-, Kunst- oder Sportkritiken lediglich die Wiedergabe
eines Bezugsobjekts ohne gedankliche Tiefe. Unverständlich sei es, warum die Beklagte einerseits bei dem FIZ Karlsruhe Verwertergebühren
für die Bearbeitung der Abstracts erhebe, andererseits aber ihr, der Klägerin, den Zugang zur Künstlersozialkasse verwehre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2011 aufzuheben und festzustellen, dass sie vom 1. Februar 2010 bis zum 15. Januar
2015 der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zu Recht habe das Sozialgericht angedeutet, dass es sich bei der
Tätigkeit der Klägerin um eine abhängige Beschäftigung gehandelt haben könne, denn sie sei auf das Computersystem des FIZ
Karlsruhe angewiesen gewesen, habe kein unternehmerisches Risiko tragen und die umfangreichen Vorgaben der Guidelines einhalten
müssen. Zu Recht habe das Sozialgericht der Tätigkeit der Klägerin auch einen publizistischen Charakter abgesprochen. Denn
ein Abstract sei lediglich eine prägnante Inhaltsangabe bzw. ein Abriss ohne Interpretation und Wertung der jeweiligen wissenschaftlichen
Arbeit. Mit der Tätigkeit eines Schriftstellers oder Journalisten sei die Erstellung von Abstracts nicht vergleichbar, denn
die Klägerin sei nicht die geistige Urheberin eines Werks. An einer eigenschöpferischen Leistung fehle es; erbracht würden
nur fachwissenschaftliche Leistungen für den Auftraggeber. Soweit das FIZ Karlsruhe bei der Beklagten als Beitragsschuldner
geführt worden sei, seien nur Beiträge auf die verhältnismäßig geringen Entgelte erhoben worden, die für die Erstellung von
Abstracts abgerechnet worden seien.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.https://www.gesetze-im-internet.de/ksksav/index.html
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin unterliegt nicht
der Versicherungspflicht nach dem KSVG.
1. Nach § 1 KSVG werden selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung
und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie künstlerische oder publizistische Tätigkeiten erwerbsmäßig und
nicht nur vorübergehend ausüben (Nr. 1) und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr
als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne
von §
8 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (Nr. 2).
Künstler in diesem Sinne ist nach § 2 Satz 1 KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Wer Publizist ist, bestimmt § 2 Satz 2 KSVG. In der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung war Publizist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise
publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt; mit Wirkung vom 1. Januar 2012 hat der Gesetzgeber die Formulierung "oder
in anderer Weise durch die Formulierung "oder in ähnlicher Weise" ersetzt. Die Änderung sollte klarstellen, "dass eine publizistische
Tätigkeit im Sinne des KSVG eine dem Schriftsteller oder Journalisten vergleichbare Tätigkeit sein muss" (BT-Drs. 17/7991, S. 18).
2. Hieran gemessen ist die Klägerin nicht versicherungspflichtig nach dem KSVG, denn zur Überzeugung des Senats war sie in ihrer Tätigkeit bei dem FIZ Karlsruhe vom 1. Februar 2010 bis zum 15. Januar
2015 nicht "selbständig" im Sinne von § 1 KSVG, sondern abhängig beschäftigt, so dass sie nicht dem Regelungsbereich des KSVG unterfällt.
a) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer "Selbständigkeit" ausschließenden abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV). Beschäftigung ist danach die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind nach Satz 2 dieser Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer
Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei
einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets
das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse
in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen
Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es
im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis
der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung
erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die
sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung
vor, soweit eine (formlose) Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich
ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört
daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen
Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert
wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, und des Senats, vgl. Urteil vom 20. November 2013, L 9 KR 294/11, jeweils juris).
Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" i.S.v. §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien
für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen
gegenläufiger, d.h. für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände
oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese
Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien
jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig
größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung
setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend -
voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und
gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen
der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, juris).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten
getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen
schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente
Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die
Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel"
handelt, der u.U. als Scheingeschäft i.S.d. §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts
festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende
Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren
Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R, juris).
b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes stellt sich die Tätigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum als Beschäftigung
dar, denn die hierfür maßgeblichen Anhaltspunkte überwiegen.
Die Klägerin war wie eine Beschäftigte mit klaren inhaltlichen Vorgaben zur Arbeitsleistung in die Organisation des FIZ Karlsruhe
eingebunden, selbst wenn sie überwiegend vom heimischen Arbeitsplatz aus tätig war; allein die Leistung von Heimarbeit schließt
das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus. Ihre Kernaufgabe bestand in der Bestückung der Datenbank des CAS,
für die sie fachwissenschaftliche Aufsätze auswählte, zur Kenntnis nahm, inhaltlich analysierte und nach einem streng vorgegebenen
Raster in die Datenbank einspeiste ("Indexierung"), versehen mit einem eigenständig erstellten Abstract, das die wesentlichen
neuen Erkenntnisse der Veröffentlichung zusammenfasste. In welchem Zeitverhältnis die an exakte Vorgaben gebundene Indexierungstätigkeit
einerseits und die freiere Erstellung von Abstracts andererseits zu einander standen, vermochte sich dem Senat nicht vollständig
zu erschließen, kann aber auch auf sich beruhen. Nach dem Vorbringen der Klägerin machte die Erstellung von Abstracts den
zeitlichen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit aus. In Widerspruch hierzu steht jedoch das Bild, das sich aus ihren Abrechnungen ergibt:
Hier überwiegen durchweg die für die Indexierung abgerechneten Werte bei weitem die für die Abstracterstellung abgerechneten
Beträge (stichprobenartig: Rechnung vom 12. April 2010, Summe Indexierung = 5.895,72 Euro, Abstracterstellung = 285,60 Euro;
Rechnung vom 4. April 2011, Summe Indexierung = 4.993,44 Euro, Abstracterstellung = 507,00 Euro; Rechnung vom 17. April 2012,
Summe Indexierung = 1.205,10 Euro, Abstracterstellung = 7,80 Euro; Rechnung vom 7. Mai 2013, Summe Indexierung = 6,209,40
Euro, Abstracterstellung = 198,45 Euro; Rechnung vom 7. April 2014, Summe Indexierung = 6.497,60 Euro, Abstracterstellung
= 453,60 Euro). Diese Werte zeigen, dass die Indexierungstätigkeit jedenfalls einen nennenswerten Anteil der Arbeitszeit der
Klägerin ausmachte. Nach § 1 Abs. 1 des Werkvertrages in beiden Fassungen hatte die Klägerin bei der Vergabe der Datenelemente
("Parents, Concepts, Keywords, CAS Roles") die Manuals und Guidelines "genau zu beachten". Diese denkbar enge Bindung an strukturelle
Vorgaben eines "Auftraggebers" bei einem Hauptteil der zu erledigenden Aufgaben stellt für den Senat ein Indiz für das Vorliegen
abhängiger Beschäftigung dar.
Mit ihrer Arbeit erfüllte die Klägerin als Erfüllungsgehilfin Aufgaben, die das FIZ Karlsruhe vertraglich gegenüber dem CAS
übernommen hatte. Dabei bediente sie sich nicht eigener Arbeitsmittel, sondern ausschließlich der vom CAS über das FIZ Karlsruhe
zur Verfügung gestellten Software; die zu bearbeitenden Fachaufsätze waren einem von Dritten bestückten Pool zu entnehmen;
bei der Arbeit vom heimischen Rechner aus bediente sie sich einer vom FIZ Karlsruhe eingerichteten sicheren Datenleitung.
Zwar war die Klägerin insoweit frei, als sie die zu bearbeitenden Aufsätze aus dem Pool auswählen durfte und insbesondere
die Formulierung der Abstracts ihrem Gutdünken oblag; hierin liegt aber nichts anderes als eine wissenschaftlich-intellektuelle
Tätigkeit höherer Art, die allein die Arbeit noch nicht zu einer selbständigen macht. Die Klägerin unterlag dabei auch der
Kontrolle seitens des CAS, denn ihre Bearbeitungen wurden regelmäßig auf ihre Qualität und die Einhaltung der Regularien hin
geprüft. Diese regelhaft durchgeführte Qualitätskontrolle ist ein gravierendes Indiz für abhängige Beschäftigung, denn letztlich
manifestiert sich hier eine spezielle Art von Weisungsunterworfenheit; dass die Qualitätskontrolle gegenüber der Klägerin
nach ihrem Vorbringen eher zu Belobigungen und nicht zu Beanstandungen führte, ist demgegenüber unerheblich, denn entscheidend
ist die potentielle Weisungsgewalt des Qualitätskontrolleurs.
Die Eingliederung der Klägerin in den Betrieb des FIZ Karlsruhe hat sich dem Senat besonders auch auf der Grundlage ihrer
Bekundungen in der mündlichen Verhandlung erschlossen. So hat sie die Räumlichkeiten des FIZ Karlsruhe regelmäßig aufgesucht,
um kollegiale Rückkoppelung zu erfahren und sich mit Kolleginnen und Kollegen zu besprechen. Von besonderer Bedeutung ist
hierbei die von ihr übernommene Aufgabe, eine neue Mitarbeiterin einzuarbeiten; diese Einarbeitung, für die im Zeitraum Juni
2011 bis November 2012 insgesamt 158,5 Stunden und damit im Schnitt 8,8 Stunden monatlich abgerechnet wurden, zeigt in besonderem
Maße die Zugehörigkeit der Klägerin zum Betrieb bzw. zu einem Team, in dem nicht freischwebend neben einander, sondern in
dem kollegial und - von Seite der Klägerin aus - auch anleitend gearbeitet wurde.
Ein wichtiges Indiz für die abhängige Beschäftigung der Klägerin liegt weiter darin, dass sie ab dem 1. Februar 2010 inhaltlich
keine andere Aufgabe erfüllte als bis zum 31. Dezember 2009 für das FIZ Chemie; auch für letzteres bestückte sie die Datenbank
des CAS, und zwar unstreitig im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Der Kern der Tätigkeit der Klägerin ist
damit nach dem 1. Februar 2010 gleich geblieben. Dass sie, wie in der mündlichen Verhandlung angegeben, im Rahmen ihrer Tätigkeit
für das FIZ Karlsruhe nicht mehr als Betriebsrätin fungierte, fällt dagegen nicht maßgeblich ins Gewicht. Entscheidend ist
vielmehr, dass die Arbeit der Klägerin nach dem 1. Februar 2010 mit einer anderen Etikette versehen werden sollte, um sie
wie eine Selbständige aussehen zu lassen, obwohl sich in der Hauptsache an ihrer Tätigkeit nichts geändert hatte.
Untypisch für die Tätigkeit als Selbständige ist zudem die von der Klägerin in erheblichem Umfange abgerechnete und bezogene
Urlaubsvergütung. Insoweit sollte gemäß § 8 des "Werkvertrages" in seinen beiden Fassungen § 2 Abs. 2 des Bundesurlaubsgesetzes zur Anwendung kommen; danach gelten als Arbeitnehmer auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als
arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als "arbeitnehmerähnlich" wurde die Klägerin in dem am 27. November 2012 abgeschlossenen
Vertrag auch ausdrücklich bezeichnet. Jedenfalls sind der Erhalt von Urlaubsgeld bzw. die Einräumung eines vierwöchigen Urlaubs
typisch gerade für ein Beschäftigungsverhältnis und dem Erwerbsleben eines selbständig Tätigen fremd. In dieselbe Richtung
weist die vertraglich festgelegte Mindestanzahl von zu bearbeitenden Dokumentationseinheiten, nämlich 160 pro Monat bis Ende
2012 und 80 pro Monat für die Zeit danach. Diese Bindung nahm der Klägerin für den Vertragszeitraum die für einen Selbständigen
typische Freiheit, über den Umfang seiner Tätigkeit unabhängig zu disponieren. Vielmehr bestand dauerhaft eine (auch erfüllte)
unmittelbare vertragliche Verpflichtung zur Erbringung einer Mindestleistung.
Der Tätigkeit der Klägerin fehlte auch unternehmerisches Risiko. Mit den jeweils auf mehrere Jahre abgeschlossenen "Werkverträgen"
hatte sie die Gewähr regelhafter Beschäftigung sowie kontinuierlichen und garantierten Einkommens.
Die genannten Aspekte lassen sich unmittelbar auch den vertraglichen Regelungen entnehmen, mit denen die Klägerin sich an
das FIZ Karlsruhe band. Dass die Vertragspartner die Klägerin als weisungsunabhängige Selbständige darstellen wollten, fällt
nicht entscheidend ins Gewicht, denn maßgeblich sind die materiellen Regelungen des Vertrages und nicht die deklaratorischen
Verlautbarungen.
3. Ob die Klägerin im streitigen Zeitraum ihrer Tätigkeit für das FIZ Karlsruhe als Publizistin im Sinne von § 2 Satz 2 KSVG anzusehen war, kann der Senat danach offen lassen, denn darauf kommt es in Ermangelung von Selbständigkeit nicht an. Rechtlich
unerheblich ist auch, ob die Beklagte zu Recht das FIZ Karlsruhe als beitragspflichtiges Unternehmen erfasste und die für
die Abstracterstellung gezahlten Entgelte der Beitragserhebung unterwarf.