Tatbestand:
In Streit steht die Vergütung einer teilstationären psychiatrischen Behandlung.
Die 30jährige bei der Beklagten Versicherte befand sich im Zeitraum 17. November 2011 bis 13. Januar 2012 in teilstationärer
Behandlung in der klägerischen Klinik. Die dafür in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 5.500,42 EUR bezahlte die Beklagte
zunächst in vollem Umfang, beauftragte jedoch den MDK mit der Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der teilstationären
Behandlung.
In seinem Gutachten vom 20. Juni 2012 bewertete der MDK die teilstationäre Behandlung ab 1. Dezember 2011 als sekundäre Fehlbelegung.
Auf Grund komplexer psychiatrischer Vorerkrankungen und einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik sei zwar eine Krisenintervention
nachvollziehbar, jedoch wäre nach 14 Behandlungstagen eine ambulante Weiterbehandlung ausreichend gewesen. Gegen die weitere
teilstationäre Behandlungsbedürftigkeit spreche weiter die mangelnde Motivation der Versicherten; im Übrigen könne die Diagnose
einer schweren depressiven Episode nicht nachvollzogen werden, da die Versicherte ein gepflegtes Äußeres zeigte und das formale
Denken geordnet verlief.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte dar, dass die Versicherte im vorangegangenen Zeitraum vom 4. August 2011
bis 18. Oktober 2011 stationär behandelt worden sei. Im Übrigen hätte während des streitigen teilstationären Behandlungszeitraumes
eine schwerwiegende depressive Episode vorgelegen mit Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen, mangelnder Zukunftsperspektive
und wenig Selbstvertrauen. Darüber hinaus hätte die Versicherte eine Affekt- und Antriebsstörung gezeigt und zusätzlich an
einer Borderline- und Essstörung gelitten, so dass eine 14tägige Krisenbehandlung nicht ausreichend gewesen wäre.
Der MDK blieb auch in seinem zweiten Gutachten vom 24. Juli 2012 bei seiner Einschätzung und hielt weiterhin eine zweiwöchige
Krisenbehandlung für medizinisch ausreichend auch zur Vermeidung einer Hospitalisierung. Die Krankenakte weise darüber hinaus
auch auf keine schwer depressive Symptomatik hin.
Daraufhin verrechnete die Beklagte am 25. Juli 2012 einen Betrag in Höhe von 4.194,05 EUR mit anderen unstreitigen Forderungen
der Klägerin.
Am 16. Dezember 2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 10. Mai 2014. Darin
kam der medizinische Sachverständige Prof. Dr. Dr. M. zu dem Ergebnis, dass die teilstationäre Behandlung über den gesamten
Zeitraum medizinisch notwendig gewesen sei.
Der MDK hat in einem weiteren Gutachten vom 19. September 2014 an seiner bisherigen Auffassung festgehalten und ergänzend
darauf verwiesen, dass die Versicherte in den ersten zwei Wochen der Behandlung keine psychische Destabilisierung gezeigt
habe, die eine Intervention erfordert habe.
Das Sozialgericht ist dem Gutachten gefolgt und hat der Klage mit Urteil vom 18. Mai 2017 stattgegeben. Die Behandlung sei
aus medizinischen Gründen in vollem Umfang erforderlich gewesen. Damit habe die Beklagte die klägerischen Rechnungen zu Recht
bezahlt und ihr stehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, mit dem sie wirksam hätte aufrechnen können. Im
Gutachten vom 10. Mai 2014 werde die Schwere der Erkrankung, die die teilstationäre Behandlung in vollem Umfang erforderte,
insbesondere daran festgemacht, dass der Versicherten bereits 4 Wochen nach der vorausgegangenen 10wöchigen stationären Behandlung
von ihrem ambulanten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit der Diagnose rezidivierende depressive Störung - schwere
Episode erneut eine Krankenhausbehandlung verordnet worden sei. Es werde weder vom MDK ausgeführt noch sei der Krankenakte
zu entnehmen, auf welche Ursachen der erhebliche Stimmungseinbruch nach relativ kurzer Zeit zurückzuführen sei. Es sei nicht
erkennbar, warum unter diesen Umständen die vom MDK vorgeschlagene kurze Krisenintervention in jedem Fall ausreichend gewesen
sein soll. Die hierfür vom MDK angeführte Begründung, dass nach 10wöchiger stationärer Behandlung es der Versicherten bei
einem Aufflammen der schweren Depression möglich sein müsste, sich nach zwei Wochen soweit zu stabilisieren, dass eine weitere
ambulante Behandlung ausreichend sei, werde nicht weiter durch Argumente untermauert. Zu berücksichtigen sei hier insbesondere,
dass gerade nicht erkennbar gewesen sei, dass bestimmte konkrete Ereignisse diese gesundheitliche Verschlechterung ausgelöst
hätten. Der medizinische Sachverständige habe jedenfalls festgestellt, dass die ärztliche Erfahrung unter den gegebenen Umständen
gegen einen hinreichenden medizinischen Erfolg einer kurzen Krisenbehandlung spreche. Im Übrigen sehe der medizinische Sachverständige
in der Tatsache, dass die Versicherte während der teilstationären Behandlung wenig Motivation gezeigt habe, gerade eine Folge
der diagnostizierten Depression und zugleich auch ein Hindernis in Bezug auf eine ambulante Weiterbehandlung, die auch vom
MDK als notwendig erachtet worden sei. Auch diese Schlussfolgerung des medizinischen Sachverständigen sei für die Kammer nachvollziehbar,
da eine ambulante Weiterbehandlung unmittelbar von einer entsprechenden Mitwirkung und damit entsprechenden Motivation der
Versicherten abhängig sei. Auch das gepflegte äußere Erscheinungsbild der Versicherten und auch das Fehlen von Einschränkungen
des formalen Denkens würden nicht unmittelbar gegen das Krankheitsbild einer schweren depressiven Episode sprechen. Auch der
Einwand des MDK im Gutachten vom 19. September 2014, dass die Versicherte in den ersten beiden Behandlungswochen keine psychische
Destabilisierung zeigte, die eine Intervention erforderte, führe zu keiner anderen Beurteilung. Dies gelte insbesondere, da
die Versicherte gerade nicht auf konkrete äußere Ereignisse mit interventionsbedürftigen Stimmungsschwankungen reagiert habe,
sondern im Gegenteil über die gesamte teilstationäre Behandlungszeit ein relativ konstantes und sich nur langsam besserndes
Krankheitsbild gezeigt habe, was aber nicht gegen die Diagnose einer schweren depressiven Episode spreche. Auch die zuletzt
in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten monierte unzureichende medizinische Dokumentation in der Krankenakte, könne
den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht hinreichend begründen. Es treffe zwar zu, dass in der
Pflege- und Behandlungsdokumentation für den 18.11., 24.11, 2.12., 16.12. und 30.12.2011 entsprechende Einträge des Pflege-
und Behandlungsteams fehlten. Es gebe aber andererseits keine ernsthaften Hinweise, dass die Versicherte an den genannten
Tagen nicht behandelt worden sei, da an den entsprechenden Tagen zumindest eine Medikamentengabe mit Handzeichen in der Krankenakte
vermerkt worden sei. Im Übrigen hätten weder der MDK noch der medizinische Sachverständige eine mangelnde Dokumentation bemängelt.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, der Gutachter habe vor allem den MDK "schelten" wollen. Die Annahme einer schweren
depressiven Episode (F33.2) sei nach dem psychopathologischen Befund nicht nachvollziehbar. Die Dokumentation der Behandlung
sei lückenhaft. Es seien in einem Behandlungszeitraum von 2 Monaten nur 19 Therapieeinheiten durchgeführt worden. In dieser
Intensität sei die Behandlung auch ambulant möglich gewesen. Dafür spreche auch, dass es innerhalb der ersten, als notwendig
anerkannten 14 Behandlungstage nicht zu einer psychischen Destabilisierung gekommen sei. Die Aussage des Gutachters, die fehlende
Motivation der Versicherten hätte im ambulanten Setting zu viel mehr Fehlzeiten geführt, sei eine Spekulation.
Die Beklagte beantragt,
ein weiteres Gutachten einzuholen durch einen Facharzt für Psychologie und Psychotherapie.
Die Beklagte hat diesen Antrag wie folgt erläutert:
1. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nicht nach 14 Tagen die Behandlung hätte beendet werden können.
2. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Behandlung nicht nach 14 Tagen in einer Institutsambulanz hätte erfolgen können,
wie vom MDK ausgeführt.
3. Die Aussagen des Gutachtens von Dr. M. seien tendenziös zu Lasten der Beklagten.
Hilfsweise beantragt die Beklagte,
das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die vorbereitenden
Schriftsätze der Beteiligten, den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat den Fall im Ergebnis wie auch in der Begründung zutreffend erfasst. Hierauf wird nach §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen.
Aus dem Berufungsvortrag ergibt sich keine andere Beurteilung.
Zunächst scheint die Beklagte zwei Gesichtspunkte mitunter zu vermischen: Eine Frage ist, ob und wie lange die teilstationäre
Behandlung medizinisch erforderlich war (dazu unter 1.). Eine andere Frage ist, ob die Behandlung bei bestehender Erforderlichkeit
inhaltlich tatsächlich qualitätsgerecht durchgeführt wurde (dazu unter 2.). Dem Anliegen der Beklagten, ein weiteres Gutachten
einzuholen, war nicht zu entsprechen (dazu unter 3.).
1. Prof. M. hat gut nachvollziehbar dargelegt, dass diese Notwendigkeit für den gesamten streitigen Zeitraum bestand. Der
Senat kann nicht der Argumentation der Beklagten folgen, dass nach einem kurz zuvor stattgefundenen langen stationären Aufenthalt
davon ausgegangen werden müsse, dass die Versicherte so gut auf Krisen vorbereitet sein müsse, dass eine max. 14tägige Krisenintervention
ausreichend sein müsse. Der Ansatz von Prof. M. erscheint überzeugender: Der lange vorherige stationäre Aufenthalt zeigt gerade,
dass eine vielschichtige und kompliziert in Griff zu bekommende Erkrankung vorliegt. Wenn dann nach so kurzer Zeit die Versicherte
wieder dekompensiert, zeigt das, dass die Behandlung offensichtlich immer noch nicht durchgreifend zum Erfolg geführt hat.
In gewisser Weise widerspricht sich die Beklagte auch selbst, wenn sie zum einen behauptet, es sei eine Krisenintervention
nötig gewesen, zum anderen aber angibt, in den ersten 14 Tagen sei es zu gar keiner kritischen Situation gekommen. Zutreffend
weist das Sozialgericht darauf hin, dass keine einmalige Zuspitzung der Situation vorlag, sondern das schon lange bestehende
Grundproblem der Versicherten (Schlafstörung, Abgeschlagenheit, fehlende Motivation, Depressivität) wieder zu Tage getreten
war und weiter grundlegend behandelt werden musste. Die Situation ist also nicht vergleichbar mit beispielsweise einem Patienten,
der an bestimmten Ängsten leidet und "nur" aus einer zugespitzten Angstsituation befreit werden muss, um wieder alleine zu
Recht kommen zu können.
Prof. M. hat auch dargelegt, dass eine schwere Depression einem Menschen nicht immer sofort anzusehen ist und gerade das Vorschieben
einer Fassade, wie hier bei der Versicherten das gepflegte äußere Erscheinen, durchaus typisch ist.
Auch was das Argument der fehlenden Motivation angeht, folgt der Senat der Einschätzung von Prof. M ... Diese ist ganz offensichtlich
Teil des Krankheitsbildes. Sie zu ändern, ist also Teil der Behandlung. Wie dies in einem ambulanten Setting eher als in dem
teilstationären Setting möglich sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Dass die fehlende Motivation die Behandlung -
gerade im teilstationären und erst recht im ambulanten Bereich - erschwert, weil der Patient aufgrund dieser z.B. - wie hier
- nicht immer zur Behandlung erscheint, ist sicher richtig - nur ändert dies nichts an der Notwendigkeit einer solchen Behandlung.
2. Da es so etwas wie ein Gewährleistungsrecht zwischen den Beteiligten auf der Abrechnungsebene nicht gibt, wären die angeblichen
qualitativen Mängel erst dann relevant, wenn durch sie aus der teilstationären Behandlung im Sinne eines aliuds eine ambulante
Versorgung geworden ist.
Dies vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Beklagte stellt maßgeblich darauf ab, dass die Versicherte oftmals nicht zur
Therapie erschienen ist. Hier ist zu fragen, was denn die Klägerin hätte tun sollen. Dieser Umstand liegt nur sehr begrenzt,
nämlich in dem Rahmen, in dem man die fehlende Motivation behandeln kann, in ihrem Einflussbereich. Und es schließt sich hier
der Kreis zu oben Gesagtem: die motivationsbedingten Fehlzeiten wären im ambulanten Setting sicher nicht besser, sondern eher
im stationären Setting in den Griff zu bekommen gewesen.
3. Es bestand keine Notwendigkeit, ein weiteres Gutachten einzuholen. Soweit die Beklagte mit dem Ergebnis des Gutachtens
von Prof. M. nicht einverstanden ist, begründet dies keine Notwendigkeit, ein neues Gutachten einzuholen. Es liegt in der
Natur der Sache, dass sich das Ergebnis eines gerichtlich eingeholten Gutachtens für eine der beteiligten Seiten negativ auswirkt.
In diesem Sinne sind die Ausführungen eines Sachverständigen auch immer "tendenziös", da es gerade seine Aufgabe ist, Stellung
zu beziehen. Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass Prof. M. dabei in irgendeiner Form unsachlich, beleidigend oder sachfremd
argumentiert hat. Vielmehr hat er sich - seinem Auftrag entsprechend - kritisch mit dem Vortrag der Beteiligten - und damit
auch mit den Ausführungen des MDK - auseinandergesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.