LSG Hessen, Urteil vom 13.09.2017 - 4 KA 34/14
Vertragsarzthonorar
Höhe des Regelleistungsvolumens
Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten
Gestaltungsfreiheit des BewA
Praxisbesonderheit im Rahmen der Honorarverteilung
Besonderer Versorgungsbedarf
1. In der Rechtsprechung des BSG ist bereits geklärt, dass die dem BewA zustehende Gestaltungsfreiheit ihn berechtigt, innerhalb der hierfür maßgeblichen
Grenzen - insbesondere dem Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG - zu entscheiden, für welche Arztgruppen er RLV vorsieht und für welche nicht.
2. Speziell in Bezug auf die Fachgruppe der Nephrologen und die von diesen erbrachten Leistungen nach Nr. 13600 bis 13621 EBM-Ä hat das BSG ausgeführt, dass die im Dialysebereich bestehenden Besonderheiten den BewA zwar berechtigten, aber nicht verpflichteten,
die Nephrologen und die Dialyseleistungen von der Einbeziehung in RLV freizustellen.
3. Dabei gehören zu diesen Besonderheiten auch der Umstand, dass im Dialysebereich eine Leistungs- und Mengenausweitung zwar
nicht ausgeschlossen ist, diese Gefahr aber im Hinblick auf die Zuweisung von Versorgungsaufträgen sowie auch die Vorgaben
für die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung gering ist.
4. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist Praxisbesonderheit im Rahmen der Honorarverteilung als Synonym für
atypische Umstände zu begreifen.
5. Ebenso wie nach der Rechtsprechung des BSG zum "besonderen Versorgungsbedarf", der neben einer im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommenden Spezialisierung
eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung erfordert, reicht demnach auch beim Vorliegen eines besonderen
Versorgungsbedarfs im Sinne der streitgegenständlichen Regelung ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen nicht aus; die
Überschreitung des RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden.
Normenkette: ,
EBM-Ä Nr. 13600 ff. ,
Vorinstanzen: SG Marburg 02.04.2014 S 12 KA 889/11 , SG Marburg 02.04.2014 S 12 KA 888/11
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 2. April 2014 aufgehoben und die Klagen werden
abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 48.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars und des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/10 und hierbei insbesondere
über die Frage, ob die Leistungen für die Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten außerhalb des Regelleistungsvolumens
zu vergüten sind.
Die Klägerin ist eine seit dem 1. Januar 2006 bestehende Gemeinschaftspraxis mit einer Ärztin, die als Internistin, und drei
Ärzten, die als Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen
sind. Alle vier Ärzte haben einen Versorgungsauftrag zur nephrologischen Betreuung mit Dialyse nach der Anlage 9.1 zu den
Bundesmantelverträgen. Zusammen sind sie berechtigt zur kontinuierlichen Betreuung von bis zu 200 Dialysepatienten. Es bestand
und besteht eine Kooperation mit der Gemeinnützigen Stiftung "F. - FX." mit Sitz in B Stadt, die als zugelassener Leistungserbringer
nach § 126 Abs. 2 SGB V die Sach- und Dienstleistungen der Dialyse erbringt und diese direkt mit den Krankenkassen abrechnet.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 18. Juni 2010 das Regelleistungsvolumen und die qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina
der Klägerin für das streitbefangene Quartal III/10 unter Vorbehalt wegen weiterer Beschlüsse des Bewertungsausschusses auf
insgesamt 48.905,17 € fest. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. Juli 2010 Widerspruch ein, den die Beklagte
als Antrag auf Sonderregelung wertete. Die Klägerin legte insbesondere dar, dass die nephrologischen Leistungen des Kapitels
13.3.6 EBM nicht dem Regelleistungsvolumen unterfallen dürften. Die Vorgaben des Bewertungsausschusses seien insofern rechtswidrig.
Auch müsse Frau C. das Regelleistungsvolumen für Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie zugestanden werden, da sie nach
der Übergangsregelung der Anlage 9.1 zu den Bundesmantelverträgen diesen gleichgestellt werde.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 setzte die Beklagte aufgrund ihres Vorbehalts das Regelleistungsvolumen der Klägerin und der
qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina für das streitbefangene Quartal III/10 auf insgesamt 47.627,18 € und das Regelleistungsvolumen
im Einzelnen wie folgt neu fest:
|
RLV-relevante Fallzahl
|
Fallwert in €
|
Fallwert-abstaffelung
|
Altersstrukturquote
|
Aufschlag fachgleiche BAG
|
Regelleistungsvolumen in €
|
C., Internistin ohne SP Nephrologie
|
156
|
33,63
|
1,000
|
1,0221
|
1,100
|
5.898,45
|
D., Internist mit SP Nephrologie
|
158
|
74,78
|
1,000
|
1,0264
|
1,100
|
13.339,88
|
A., Internist mit SP Nephrologie
|
155
|
74,78
|
1,000
|
1,0265
|
1,100
|
13.087,86
|
E., Internist mit SP Nephrologie
|
158
|
74,78
|
1,000
|
1,0176
|
1,100
|
13.225,51
|
|
|
|
|
|
|
45.551,70
|
Die Beklagte gab mit Bescheid vom 23. Mai 2011 dem Antrag auf Sonderregelung insoweit statt, als sie Frau C. ebenfalls den
RLV-Fachwert der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie in Höhe von 74,78 € zuerkannte. Dem Antrag auf Anerkennung
von Praxisbesonderheiten gab sie nicht statt, da die nephrologischen Leistungen vom überwiegenden Teil der Fachgruppe der
Nephrologen erbracht würden. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten setze einen besonderen Versorgungsauftrag oder eine
besondere, für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung voraus, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten
resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Fachgruppe von mindestens 20 % vorliege. Ihr Vorstand habe
am 14. Februar 2011 beschlossen, dass zunächst eine Prüfung erfolge, ob der Fallwert des RLV um mehr als 20 % überschritten worden sei, ggf. eine weitergehende Prüfung, ob einzelne Leistungen/Leistungsbereiche die
dem RLV unterlägen, mehr als 20 % der Leistungsanforderungen des RLV ausmachten und ggf. die weitergehende Prüfung, ob ein besonderer Versorgungsauftrag vorliege. Die Prüfung für das streitbefangene
Quartal habe folgende arztindividuellen Fallwerte unter Berücksichtigung der für Frau C. ausgesprochenen Sonderregelung sowie
die prozentuale Abweichung zum Fachgruppen-Fallwert ergeben:
Name
|
RLV-Volumen in €
|
RLV-Fallzahl
|
Fallwert FG/RLV-Gruppe in €
|
Arztindividueller Fallwert in €
|
Fallwertüberschreitung in %
|
Frau C.
|
33.852,95
|
156
|
74,78
|
217,01
|
190,19
|
Herr D.
|
26.451,50
|
158
|
74,78
|
167,41
|
128,88
|
Dr. A.
|
28.356,60
|
155
|
74,78
|
182,95
|
144,65
|
Dr. E.
|
54.599,03
|
158
|
74,78
|
345,56
|
362,11
|
Auch wenn der praxisindividuelle Fallwert den RLV-Fallwert um mehr als 20 % übersteige, dies auch für die von der Klägerin geltend gemachten Leistungen nach Nr. 13600 bis
13620 EBM gelte, lägen die Voraussetzungen nicht vor, da diese Leistungen vom überwiegenden Teil der anderen Praxen der Fachgruppe
der Nephrologen mit Dialyse ohne Dialysesachkosten (VFG/VTG 33-16) erbracht würden und somit als sog. Kernleistungen für die
Fachgruppe der Klägerin anzusehen seien:
|
Frau C.
|
Her D.
|
Dr. A.
|
Dr. E.
|
Nr. EBM
|
Ausf. Praxen/ 13 gesamt
|
Betrag in €
|
Leistunganteil
in %
|
Betrag in €
|
Leistungsanteil
in %
|
Betrag in €
|
Leistungsanteil
in %
|
Betrag in €
|
Leistungsanteil
in %
|
13601
|
13
|
2.545,20
|
7,52
|
0,00
|
0,00
|
0,00
|
0,00
|
0,00
|
0,00
|
13602
|
12
|
1.376,78
|
4,07
|
1.376,78
|
5,20
|
2.214,82
|
7,81
|
1.856,00
|
1,69
|
13610
|
11
|
27.209,70
|
80,38
|
16.155,30
|
61,08
|
19.918,50
|
70,24
|
46.819,50
|
42,52
|
13611
|
8
|
0,00
|
0,00
|
2.697,45
|
10,20
|
0,00
|
0,00
|
44,10
|
0,04
|
13612
|
6
|
222,30
|
0,66
|
222,30
|
0,84
|
200,07
|
0,71
|
200,07
|
0,18
|
13620
|
5
|
0,00
|
0,00
|
955,50
|
3,61
|
117,60
|
0,41
|
191,10
|
0,17
|
Gesamtvolumen d. Leistungsbereichs in €
|
31.353,98
|
92,62
|
21.407,33
|
80,93
|
22.450,99
|
79,17
|
49.110,77
|
44,60
|
: RLV-Fallzahl
|
156
|
|
158
|
|
155
|
|
158
|
|
Fallwert des Leistungsbereichs in €
|
200,99
|
|
135,49
|
|
144,85
|
|
310,83
|
|
Sie habe die Vorgaben des Bewertungsausschusses im Honorarverteilungsvertrag umgesetzt. Dabei würden die Dialyseleistungen
nach den Nrn. 13600 bis 13620 EBM innerhalb des RLV vergütet. Ein Abweichen hiervon sehe der Honorarverteilungsvertrag nicht vor.
Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 16. Juni 2011 Widerspruch ein. Ergänzend wies sie darauf hin, die Zuweisungsbescheide
seien nicht vier Wochen vor Quartalsbeginn ergangen und damit verspätet. Die von der Beklagten vorgelegten Abrechnungswerte
zeigten deutlich die Honorarverwerfungen. Nach den Vorgaben des Bewertungsausschusses komme es ab dem Quartal III/10 für eine
Sonderregelung nicht mehr auf einen Vergleich mit der Fachgruppe an. Entscheidend sei allein der besondere Versorgungsauftrag.
Mit Widerspruchbescheid vom 2. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Dezember 2011 zum Az.: S 12 KA 889/11 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben.
In dem streitbefangenen Quartal III/2010 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin durch Honorarbescheid wie folgt fest:
Honorarbescheid vom
|
28.12.2010
|
Anzahl der Praxen/Ärzte
|
14/32
|
Nettohonorar gesamt in €
|
114.315,04
|
Bruttohonorar PK +EK in €
|
112.373,88
|
Fallzahl PK + EK
|
1.463
|
Honoraranforderung PK + EK in €
|
210.395,19
|
Honoraranteile PK + EK
|
|
Regelleistungsvolumen (RLV) in €
|
43.865,40
|
Qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) in €
|
1.380,40
|
Quotiertes RLV/QZV in €
|
9.067,41
|
Freie Leistungen in €
|
3.389,51
|
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV)
|
54.671,16
|
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (AMG)
|
|
|
|
QZV-Überschreitung gesamt in €
|
501,07
|
RLV
|
|
Obergrenze in €
|
45.551,70
|
Anforderung in €
|
147.138,10
|
Überschreitung in €
|
101.586,40
|
RLV
|
|
Dr. E.
|
|
Obergrenze in €
|
13.225,51
|
Anforderung in €
|
48.333,49
|
Überschreitung in €
|
35.107,98
|
Dr. A.
|
|
Obergrenze in €
|
13.087,86
|
Anforderung in €
|
40.874,52
|
Überschreitung in €
|
27.786,66
|
Dr. D.
|
|
Obergrenze in €
|
13.339,88
|
Anforderung in €
|
28.441,42
|
Überschreitung in €
|
15.101,54
|
Frau C.
|
|
Obergrenze in €
|
5.898,45
|
Anforderung in €
|
29.488,67
|
Überschreitung in €
|
23.590,22
|
Nach Korrektur im Bescheid v. 10.10.2011
|
|
Obergrenze in €
|
13.115,84
|
Überschreitung in €
|
16.087,00
|
Hiergegen legte die Klägerin am 17. März 2011 Widerspruch ein. Sie trug vor, der Honorarbescheid werde vollumfänglich zur
Überprüfung gestellt. Sie wende sich aber insbesondere gegen die Einbeziehung der nephrologischen Leistungen des Kap. 13.3.6
EBM in das Regelleistungsvolumen und verwies auf ihre Ausführungen im Verfahren zur Festsetzung des Regelleistungsvolumens.
Weiter führte sie aus, im Vergleich zum Vorjahresquartal habe sie eine Honorareinbuße von 70.000,00 € erlitten.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 10. Oktober 2011 aufgrund der Heraufsetzung des Fallwerts für Frau C. eine Nachvergütung
in Höhe von 6.348,69 € nach Abzug der Verwaltungskosten vor.
Mit weiterem Widerspruchbescheid vom 2. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung
verwies sie auf die einzelnen Abrechnungsdaten und bzgl. des Regelleistungsvolumens auf den Widerspruchsbescheid bzgl. einer
Sonderregelung.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Dezember 2011 zum Az.: S 12 KA 888/11 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben.
Zur Begründung ihrer Klagen hat die Klägerin vorgetragen, sie erbringe schwerpunktmäßig Dialyseleistungen. Ausgehend von steigenden
Fallzahlen habe sich ihr Honorar kontinuierlich verschlechtert und habe sich im streitbefangenen Quartal nochmals deutlich
verschlechtert. Bei einer Honoraranforderung in Höhe von 210.395,19 Euro sei das Honorar lediglich auf 114.315,04 Euro festgesetzt
worden, ca. 96.000,00 Euro weniger. Im Vorjahresquartal habe sie noch ein Honorar von 196.055,84 Euro erzielt. Im Rahmen ihrer
besonderen Versorgungsaufträge Dialyse nach § 3 Abs. 3a der Anlage 9.1 zu den Bundesmantelverträgen seien sie verpflichtet,
bis zu 200 Dialysepatienten mit Dialyse zu versorgen. Die Honorarverluste seien auf Grund der Umstellung der Mengensteuerung
entstanden. Der Bewertungsausschuss sehe für diese Fälle den Ausgleich von Praxisbesonderheiten vor. Die Vergütung der nephrologischen
Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens sei rechtswidrig. Des Weiteren habe der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss
vom 26. März 2010 unter Teil F.3.7 mit Wirkung ab dem Quartal III/10 den Vertragspartnern auf Landesebene die Möglichkeit
geben wollen, für einzelne Praxen oder auch ganze Arztgruppen entstandene Verwerfungen, die ihre Ursache in der Umstellung
der Mengensteuerungssystematik gehabt hätten, aufzufangen bzw. auszugleichen. Er stelle bei der Beurteilung der Frage, ob
Praxisbesonderheiten vorlägen, allein auf das Vorliegen eines besonderen Versorgungsauftrages bzw. auf eine für die Versorgung
bedeutsame fachliche Spezialisierung ab. Ein Hinweis auf den Vergleich mit der Fachgruppe finde sich nicht mehr. Es komme
gerade nicht auf einen Vergleich mit der Fachgruppe an. Entscheidend sei allein, ob ein besonderer Versorgungsauftrag bzw.
eine für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung vorliege. Dies sei in der Dialyseversorgung zweifelsohne der
Fall. Die Beklagte habe in dreierlei Hinsicht ihren Gestaltungsspielraum nicht ordnungsgemäß genutzt. Sie habe bei der Bemessung
der Regelleistungsvolumina für Nephrologen keine Differenzierung vorgenommen und im Rahmen bestehender Regelungen über die
Anerkennung von Praxisbesonderheiten ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie behandele damit Ungleiches gleich. Zu Unrecht habe
die Beklagte ferner den Antrag auf Anerkennung einer Praxisbesonderheit im Bereich der Leistungen nach Nummer 13600 bis 13620
EBM und auf Gewährung eines Zuschlags auf den Fallwert abgelehnt. Die Beklagte habe ab dem Quartal IV/10 eine Differenzierung
in der Weise vorgenommen, dass sie die Dialysebetreuungsleistungen (Nr. 13602, 13610, 13611 und 13612 EBM) als "freie" Leistungen
vergütet und die Fallwerte der Nephrologen entsprechend abgesenkt habe. Dies habe aber nur zu einer leichten Verbesserung
der Honorierung geführt. Erst für das Quartal III/13 habe der Bewertungsausschuss die Empfehlung ausgesprochen, die nephrologischen
Leistungen des Kap. 13.3.6 EBM extrabudgetär zu vergüten. Jedenfalls hätte die Beklagte die Empfehlung des Bewertungsausschusses
umsetzen müssen. Die Problematik sei der Beklagten aufgrund der Verfahren für die Quartale bis 2008 hinreichend bekannt gewesen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, im Honorarverteilungsvertrag würden die rechtlichen Vorgaben zutreffend umgesetzt,
eine Sonderregelung komme bei sog. Kernleistungen nicht in Betracht. Sie habe ferner bereits im Widerspruchsbescheid zutreffend
ausgeführt, dass die Genehmigung für Dialyseleistungen lediglich die Art und Weise bzw. den Umfang der Leitungserbringung,
jedoch keine im Vergleich zur Fachgruppe atypisches Leistungsspektrum begründe. Der Antrag auf Härtefallregelung sei in diesem
Verfahren nicht anhängig. Die Fachgruppe der Nephrologen sei in drei Untergruppen gegliedert:
- Vfg 33-06: Internisten mit Schwerpunkt Nephrologie ohne Dialyseleistungen und Dialyse-Sachkosten
- Vfg 33-16: Internisten mit Schwerpunkt Nephrologie mit Dialyseleistungen, aber ohne Dialyse-Sachkosten
- Vfg 33-16: Internisten mit Schwerpunkt Nephrologie mit Dialyseleistungen und Dialyse-Sachkosten.
Für die RLV-Berechnung sei die Summe aller Internisten mit Schwerpunkt Nephrologie relevant. Die differenzierte Angabe in der Anzahl-
und Summenstatistik diene lediglich Plausibilitätszwecken. Die Beigeladene zu 2) habe im Einzelnen dargelegt, dass die Entscheidung
des Bewertungsausschusses sachgerecht gewesen sei. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, Modifikationen zu vereinbaren. Die
Regelung ab dem Quartal IV/10 zeige, dass sie ihrem Beobachtungsspielraum nachgekommen sei. Die Sachkosten seien ein Teil
des Honorars und nicht herauszurechnen.
Die Beigeladene zu 2) hat die Auffassung vertreten, die Frage, ob nephrologische Leistungen in die Regelleistungsvolumina
einbezogen würden, unterfalle dem Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses. In den Quartalen III/09 bis II/10 seien
die nephrologischen Leistungen den sog. freien Leistungen zugeordnet gewesen. Der Bewertungsausschuss habe im Bereich der
Nephrologen Verwerfungen festgestellt. Es habe sich gezeigt, dass die durchschnittliche Leistungsmenge je Fall sehr unterschiedlich
gewesen sei, abhängig vom praxisspezifischen Anteil der Dialysepatienten. Ab dem Quartal III/10 seien wieder alle Leistungen
einer Mengensteuerung durch Regelleistungsvolumina unterworfen worden, ausgenommen nur die Arztgruppen wie bereits in den
Quartalen I und II/09. Ende des Jahres 2009 habe sich gezeigt, dass für die "freien" Leistungen mehr Finanzmittel hätten aufgebracht
werden müssen, als dafür von der Gesetzlichen Krankenversicherung bereitgestellt worden seien. Dies sei insbesondere auf die
Anreizwirkung der unquotierten Vergütung dieser Leistungen zurückzuführen. Er habe dafür aber die qualitätsgebundenen Zusatzvolumina
eingeführt. Diese seien für Leistungen, die von drei bis maximal 50 % der Ärzte einer Fachgruppe erbracht werden, eingeräumt
worden. Die nephrologischen Leistungen würden aber mehr als von 50 % der Ärzte der Fachgruppe erbracht werden, weshalb qualitätsgebundenen
Zusatzvolumina nicht eingeräumt worden seien. Hinsichtlich der damit verbundenen Problematik habe der Bewertungsausschuss
bei der schon bestehenden Möglichkeit, Arztgruppen zu differenzieren, die Nephrologen explizit aufgeführt. Damit sei den regionalen
Gesamtvertragspartnern ein Hinweis für die Beobachtung des Sachverhalts gegeben und nahegelegt worden, der beschriebenen Problematik
der unterschiedlichen RLV-Fallwerthöhen in Abhängigkeit von der Erbringung bzw. Nichterbringung von Blutreinigungsverfahren ggf. durch Bildung zweier
Arztgruppen zu begegnen.
Der Beigeladene zu 1) hat die Ausführungen der Beigeladene zu 2) für zutreffend gehalten und ergänzend ausgeführt, die Einführung
der qualitätsgebundenen Zusatzvolumina sei nach allgemeinen Kriterien erfolgt und daher sachgerecht. Für eine verbindliche
Vorgabe zur Herausnahme der nephrologischen Leistungen aus dem Regelleistungsvolumen fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Aufgrund einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung am 2. April 2014 hat das Sozialgericht in den Verfahren S 12 KA 888/11 und S 12 KA 889/11, ohne diese förmlich zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden, mit Urteil vom selben Tag den Bescheid vom 23. Mai 2011 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011 sowie den Honorarbescheid für das Quartal III/10 vom 28. Dezember
2010, geändert durch Bescheid vom 10. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011 aufgehoben
und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klagen
seien begründet.
Unter Berücksichtigung der insofern eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei weder die Regelung des Bewertungsausschusses
noch die Umsetzung durch die Beklagte mit ihren Vertragspartnern zu beanstanden. Zutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass
auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens aufgrund einer Spezialisierung
nicht in Betracht komme, da es sich bei den nephrologischen Leistungen um typische Leistungen der Fachgruppe handele, die
von mehr als der Hälfte der Fachgruppe erbracht würden. Allerdings gehe die Beklagte offensichtlich grob fehlerhaft im angefochtenen
Ausgangsbescheid vom 23. Mai 2011 bei ihrer Prüfung nur von der Untergruppe VFG/VTG 33-16 aus, obwohl das Regelleistungsvolumen
einheitlich für die gesamte Honorargruppe der Nephrologen gebildet werde. Im Ergebnis sei dies dennoch nicht zu beanstanden,
da die Kammer davon ausgehe, dass sämtlich geprüfte Leistungen auch bei Heranziehung der gesamten Honorargruppe von mehr als
der Hälfte der Fachgruppe erbracht würden und es sich insofern um fachgruppentypische Leistungen handele. Dies sei auch in
der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten unstreitig gewesen. Die Beklagte verkenne aber, dass mit den Regelungen
in §§ 4, 6 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä und zum EKV-Ä ein besonderer Versorgungsauftrag vorliege, aufgrund dessen das Regelleistungsvolumen zu erhöhen sei. Nach den Vorgaben
des Bewertungsausschusses würden die Praxisbesonderheiten zwischen den Partnern der Gesamtverträge geregelt. Praxisbesonderheiten
ergäben sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung.
Über das Verfahren der Umsetzung einigten sich die Partner der Gesamtverträge. Entsprechend sehe der HVV 2010 aufgrund der
2. Nachtragsvereinbarung vor, dass der Vorstand der KV Hessen außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung
von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen
beschließen könne. Dies gelte insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder
einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten
resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliege (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheide hierüber im Einzelfall und informiere die Vertragsparteien
(Abschnitt II.5.4 Satz 4-6 HVV 2010). "Besonderer Versorgungsauftrag" sei hierbei von der "für die Versorgung bedeutsamen
fachlichen Spezialisierung" zu unterscheiden, die insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konkretisiert
worden sei und wesentlich auf die frühere Rechtsprechung zum "besonderen Versorgungsbedarf" als Voraussetzung für eine Erweiterung
von Praxis- und Zusatzbudgets zurückgreife. Ein besonderer Versorgungsauftrag liege abweichend von der oft synonym gebrauchten,
aber dennoch zu unterscheidenden bloßen fachlichen Spezialisierung vor, weil der Dialysearzt zur "Übernahme des Versorgungsauftrags"
einer besonderen Genehmigung bedürfe (§§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä). Hierdurch werde ihm ein besonderer
Versorgungsauftrag zugewiesen mit Vorgaben für die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung und für die Gewährleistung
einer kontinuierlichen wirtschaftlichen Versorgungsstruktur. Bei der Genehmigung der Durchführung eines Versorgungsauftrags
nach § 3 Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä handele es sich zwar nicht um eine Statusentscheidung, komme ihr aber doch sehr nahe. Die
Beklagte habe aber von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, weil sie irrtümlich vom Nichtvorliegen der tatbestandlichen
Voraussetzungen ausgegangen sei. Bei der Ausübung des Ermessens müsse die Beklagte berücksichtigen, in welchem Umfang die
strittigen Dialyseleistungen bereits im Regelleistungsvolumen enthalten seien und in welchem Umfang die Klägerin bzw. ihre
einzelnen Ärzte Mehrleistungen erbrächten. Der Umfang dieser Mehrleistungen sei Grundlage der Sonderregelung. Insoweit würden
diese Leistungen faktisch den sog. freien Leistungen gleichgestellt. Soweit im Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabs im streitbefangenen
Quartal für die sog. freien Leistungen eine allgemeine Quotierung wie in den Vorläuferquartalen III/09 bis II/10 stattgefunden
habe, könne diese Quote entsprechend auf das neu festzusetzende Regelleistungsvolumen im Rahmen einer allgemeinen Gleichbehandlung
ebenfalls angewandt würden.
Gegen das ihr am 17. April 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. Mai 2014 Berufungen beim Hessischen Landessozialgericht
eingelegt, die unter den Aktenzeichen L 4 KA 33/14 (S 12 KA 888/11) und L 4 KA 34/14 (S 12 KA 889/11) geführt worden sind. Mit Beschluss vom 13. September 2017 hat der Senat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden.
Die Beklagte trägt vor, das Vorliegen einer Genehmigung nach §§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä führe nicht
zum Vorliegen eines besonderen Versorgungsauftrags, der für die Klägerin zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit führe. Bei
der Bewertung, ob eine Praxisbesonderheit vorliege, müsse auch bei einem in Frage kommenden besonderen Versorgungsauftrag
ein Vergleich mit der Fachgruppe des Arztes vorgenommen werden. Wenn der Arzt keine von seiner Fachgruppe bzw. vom Großteil
seiner Fachgruppe abweichenden Leistungen erbringe, sei kein Raum für eine Sonderregelung gegeben. Nahezu alle Nephrologen
hätten eine Genehmigung nach §§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä. Es könne daher von einem besonderen Versorgungsauftrag
innerhalb der Fachgruppe nicht ausgegangen werden. Da die Nephrologen sich - jedenfalls in Bezug auf die Genehmigung - nicht
unterschieden, müssten für sie die gleichen Kriterien gelten, wie dies bei anderen Fachgruppen der Fall sei. Für die Frage,
ob eine Praxisbesonderheit vorliege, müssten sie sich miteinander vergleichen lassen. Es müssten spezielle Leistungen erbracht
werden, die nicht von der Mehrheit der Fachgruppe erbracht würden. Die für eine Praxisbesonderheit in Frage kommenden Leistungen
würden von mehr als der Hälfte der Fachgruppe erbracht. Dies gelte auch für die anderen Untergruppen der Nephrologen. Der
besondere Versorgungsauftrag gemäß Anlage 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä sei auf die Art und Weise bzw. den Umfang der Leistungserbringung
bezogen. Allein das Vorliegen der Genehmigung führe daher nicht zu einem im Vergleich zur Fachgruppe atypischen Leistungsspektrum.
Darüber hinaus habe sie die Möglichkeit, Anfangs- und Erprobungsregelungen zu schaffen. Dass die Beklagte von ihrer Beobachtungspflicht
Gebrauch gemacht habe, lasse sich an der veränderten Vergütung der Dialyseleistungen in den Folgequartalen erkennen.
Sinn und Zweck der Praxisbesonderheiten im honorarrechtlichen Sinne sei es, die Beschränkung auf Durchschnittsfallwerte wegen
bestehender Besonderheiten zu befreien. Es sei davon auszugehen, dass die nephrologischen Leistungen, die die Klägerin erbringt,
von mehr als 50% der Fachgruppe erbracht würden, sonst wären sie nach der Regelungssystematik des Bewertungsausschusses gar
nicht dem RLV unterfallen. Würde man für diese Leistungen eine Sonderregelung treffen, würde man diese Systematik konterkarieren. Selbst
bei Vorliegen einer Praxisbesonderheit sei die Beklagte nicht verpflichtet, eine Sonderregelung zu beschließen, sie könne
allenfalls dazu verpflichtet werden, von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch zu machen. Für eine Sonderregelung müsse sich die
Klägerin von ihrer Fachgruppe abheben, dies ergebe sich schon aus dem Begriff Sonderregelung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 2. April 2014 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, ab dem 1. Januar 2009 sei für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten im Zusammenhang mit der Vergütung
der ärztlichen Leistungen innerhalb von RLV Voraussetzung allein das Vorliegen eines besonderen Versorgungsauftrages oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen
fachlichen Spezialisierung. Die Regelung sei abschließend und lasse darüber hinaus kein Vergleich der erbrachten Leistungen
mit den Leistungen der Fachgruppe zu. Aus dem "oder" ergebe sich, dass "Praxisbesonderheiten" der Oberbegriff sei, der gleichsam
gesetzlich definiert werde durch den besonderen Versorgungsauftrag einerseits und die für die Versorgung bedeutsame fachliche
Spezialisierung. Der Unterschied zwischen der Genehmigung des Versorgungsauftrags und der Übernahme des besonderen Versorgungsauftrages
folge aus der Tatsache, dass nur ein Teil der besonderen Versorgungsaufträge des § 3 Abs. 3 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä
genehmigungspflichtig seien, nämlich die Versorgungsaufträge nach den Buchstaben a), d) und e), nicht hingegen die Versorgungsaufträge
gem. § 3 Abs. 3 Buchstabe b) und c). Die Klägerin sei im Besitz der Genehmigung nach § 3 Abs. 3 Buchstabe d) (sog. besonderer
Versorgungsauftrag Dialyse), mit der Übernahme dieses besonderen Versorgungsauftrags seien auch umfassende Verpflichtungen
des Arztes verbunden, nämlich zu vollständigen Erfüllung der Anforderungen, die in § 3 Abs. 1 i. V. m. Anhang 9.1.3 der Anlage
9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä definiert seien. Hierin liege gerade auch der Unterschied zum allgemeinen Versorgungsauftrag nach der
Ärzte-ZV, den jeder Vertragsarzt aufgrund seiner Zulassung übernehme. Eine weitere Besonderheit bei der Erbringung von Dialyseleistungen
ergebe sich aus § 5 Abs. 7c der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren, wonach eine Dialysepraxis
ab einer bestimmten Patientenzahl einen weiteren qualifizierten Arzt in die Praxis aufnehmen müsse. Aufgrund der einheitlichen
Terminologie und dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung sei der Begriff "besonderer Versorgungsauftrag" auch einheitlich
zu verwenden. Dies auch, weil der Gesetzgeber genau zwischen Genehmigung, Versorgungsauftrag und besonderem Versorgungsauftrag
unterscheide. Ab den Quartal IV/2010 habe die Beklagte bei der Bemessung der RKV für Nephrologen zwischen Praxen mit und ohne
Dialyse und den Fallwert von ca. 78,00 € auf ca. 38,00 € im Quartal IV/2010 reduziert sowie aus dem Honorartopf der Nephrologen
vorab die Dialysebetreuungsleistungen vergütet, was bei der Klägerin dazu geführt habe, dass die Honorareinbußen in den Folgequartalen
nicht mehr annähernd so hoch gewesen seien wie im streitgegenständlichen Quartal III/2010. Die Klägerin sei auf die Betreuung
von dialysepflichtigen Patienten spezialisiert, sie könne nicht mit demselben Fallwert auskommen, wie nephrologische Praxen,
die neben der Dialyse eine umfangreiche internistische Praxis betrieben oder nephrologische Praxen, die gar keine Dialysebehandlungen
durchführten. Die Einführung von RLV für Nephrologen zum Quartal III/2010 habe in Hessen für die nephrologischen Praxen, die Dialyseleistungen erbrächten, zu
Honorareinbrüchen von bis zu 60% geführt. Die Praxisbesonderheit ergebe sich daraus, dass die Klägerin infolge der Umstellung
der Mengensteuerungssystematik zum Quartal III/2010 aufgrund des besonderen Versorgungsauftrages Dialyse einen erheblichen
Honorarverlust erlitten habe, ohne ihre Praxisstruktur und ihr Leistungsverhalten verändert zu haben. Nach ständiger Rechtsprechung
des BSG resultierten Praxisbesonderheiten nicht nur aus einem atypischen Leistungsspektrum sondern auch aus einer wesentlich über
dem Fachgruppendurchschnitt liegenden Abrechnungshäufigkeit bestimmter Leistungen. Sofern ihre Tätigkeit nicht als Praxisbesonderheit
anzuerkennen sei, hätte die Beklagte die Vorgaben des BSG im Urteil vom 3. Februar 2010 (B 6 KA 13/08 R), dass Ausgleichsregelungen geschaffen werden müssten, nicht umgesetzt. Die im streitgegenständlichen Quartal maßgeblichen
Honorarverteilungsregelungen sähen darüber hinaus keine weitere Möglichkeit des Ausgleichs von Honorareinbußen vor. Die in
Streit stehende Regelung sei ungeeignet und damit rechtswidrig.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Der Beigeladene zu 1) nimmt im Berufungsverfahren nicht explizit zur Sache Stellung.
Die Beigeladene zu 2) trägt vor, der Bewertungsausschuss habe in Ziffer des Teils F 3.7 seines Beschlusses vom 26. März 2010
(218. Sitzung) den regionalen Gesamtvertragsparteien die Möglichkeit gegeben, die genaue Ausgestaltung der Praxisbesonderheiten
im Zusammenhang mit dem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung
zu konkretisieren und darüber hinaus das Verfahren zur Anerkennung der Praxisbesonderheiten näher zu regeln. Der Bewertungsausschuss
habe es den regionalen Gesamtvertragspartnern ermöglichen wollen, regional spezifische Lösungen zur ldentifikation der Praxisbesonderheit
anhand der Merkmale "besonderer Versorgungsauftrag" oder der "besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung"
zu finden. Insofern könne schon aus der Formulierung des Bewertungsausschusses selbst heraus nicht die Rede davon sein, dass
die Beklagte die entsprechende Regelung lediglich zu subsumieren gehabt habe. Insbesondere seien ihr nämlich ausweislich der
Formulierung der Ziffer 3.7 nähere Konkretisierungen nicht verboten gewesen. Soweit hierbei zwischen der Klägerin und der
Beklagten die 30 % Regelung umstritten sei, bleibe dabei festzuhalten, dass sich die 20 % Rechtsprechung des BSG insofern als Mindestquote verstehe, ab der Praxisbesonderheiten anerkennt werden könnten, aber nicht müssten. Aus der entsprechenden
Änderung der Ziffer 3.7 zu folgern, dem Bewertungsausschuss sei es darum gegangen, jegliche Einbeziehung von relativen Größen
zu verhindern, widerspreche der gebotenen Ausdifferenzierung eines "besonderen Versorgungsauftrags".
Die Klägerin repliziert hierzu, die Beigeladene zu 2) verwechsle die Begrifflichkeiten "besonderer Versorgungsauftrag" und
"besonderer Versorgungsbedarf", die Rechtsprechung des BSG befasse sich mit der Anerkennung eines besonderen Versorgungsbedarfs. Eine Definition des Begriffes "besonderer Versorgungsauftrag"
werde nicht gegeben.
Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats den bestandskräftigen Bescheid vom 30. Mai 2016 über u.a. die Ablehnung einer
Ausgleichszahlung nach Abschnitt II des HV 2010 vorgelegt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Beigeladenen aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13. September 2017 entscheiden,
denn die Beigeladenen haben ordnungsgemäße Terminmitteilung erhalten, in der sie darauf hingewiesen worden sind, dass auch
im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Die Berufungen der Beklagten sind zulässig.
Mit ihren Berufungen richtet sich die Beklagte gegen das Urteil des Sozialgerichts in den Verfahren S 12 KA 888/11 und S 12 KA 889/11, mit dem es jeweils über den gesamten Streitgegenstand der beiden - von ihm nicht förmlich nach § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) verbundenen - Klageverfahren entschieden hat.
Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
2. November 2011 und der Honorarbescheid für das Quartal III/2010 vom 28. Dezember 2010, geändert durch Bescheid vom 10. Oktober
2011, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist demgegenüber
der Bescheid vom 30. Mai 2016, mit dem die Beklagte die Ausgleichszahlung nach Abschnitt II des HV 2010 abgelehnt hat, nicht Gegenstand des Verfahrens geworden.
Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen
Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach Maßgabe des § 96 SGG wird der neue Verwaltungsakt automatisch Klagegegenstand, ohne dass es einer gewillkürten Klageänderung oder eines Vorverfahrens
bedarf; es handelt sich also um eine Klageänderung kraft Gesetzes (vgl. nur Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 1a). Voraussetzung für die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes ist, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt abgeändert
oder ersetzt wird. Geändert oder ersetzt wird ein Verwaltungsakt immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsverwaltungsakt
betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl.
BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 1/15 R - juris Rdnr. 12; Urteil vom 17. Dezember 2015 B 8 SO 14/14 R - juris Rdnr.
11; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - juris Rdnr. 14; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 96 Rdnr. 28; Schmidt, a.a.O. Rdnrn. 4 ff.). Abändern oder Ersetzen setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden
Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten
getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden. Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen
sein, wobei es unschädlich ist, dass die Verwaltungsakte auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt sind (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 56/08 B - juris Rdnr. 13). Keine Abänderung oder Ersetzung i.S. des § 96 SGG liegt deshalb bei einem anderem Streitgegenstand vor (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 37/14 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143 - juris Rdnr. 13; Beschluss vom 18. August 1999 - B 4 RA 25/99 B - juris Rdnrn. 11 f., 14; Urteil vom 20. März 1996 6 RKa 51/95 - BSGE 78, 98 - juris Rdnr. 19; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 11; Schmidt, a.a.O. Rdnr. 4).
Diese Voraussetzungen liegen für den Bescheid vom 30. Mai 2016 nicht vor, denn der Regelungsgegenstand dieses Verwaltungsakts
ist mit dem Regelungsgegenstand des hier einzig in Betracht kommenden - Honorarbescheids für das Quartal III/2010 nicht identisch,
sondern regelt mit der Ablehnung einer Ausgleichszahlung wegen überproportionalen Honorarverlustes nach Abschnitt II, Nr.
3.7 HV 2010 einen eigenständigen Prozessgegenstand. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass gesonderte Feststellungen
(Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelemente und Vorfragen zur Bestimmung des Quartalshonorars losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids
geklärt werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 9/98 R -, BSGE 83, 218; BSG, Urteil vom 24. September 2003 - B 6 KA 37/02 R -, SozR 4-2500 § 87 Nr. 3 Rn. 11; BSG, Urteil vom 22. März 2006 B 6 KA 80/04 R -, SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 Rn. 9; BSG, Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 38/11 R -, SozR 4-2500 § 87b Nr. 1, Rn. 13). Der Streit darüber wird deshalb nicht gegenstandslos, wenn die auf dem Bemessungsgrundlagenbescheid
basierenden Honorarbescheide ergangen sind (BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 B 6 KA 71/97 R -, BSGE 83, 52-62, SozR 3-2500 § 85 Nr. 28, Rn. 14).
Die Berufungen sind auch begründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 2. November 2011 ist ebenso wie der Honorarbescheid für das Quartal III/2010 vom 28. Dezember 2010, geändert durch Bescheid
vom 10. Oktober 2011, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2011 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht
in ihren Rechten. Sie hat weder einen Anspruch auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen noch Anspruch auf die Neubescheidung
ihres Honoraranspruchs.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanstandete Vergütung der nephrologischen Leistungen des Abschnittes 13.3.6 EBM
innerhalb des arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumen ist die Regelung unter Abschnitt II Nr. 2.1 des Honorarvertrags
2010 (HV) und Anlage 1 zum HV, wonach Regelleistungsvolumina für Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie zur Anwendung kommen. Diese Regelungen
stehen mit höherrangigem Recht in Einklang.
Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs
in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) mit Geltung ab 1. April 2007, BGBl. I S. 378 (im Folgenden: SGB V a. F.) wurden abweichend von § 85 SGB V die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der regional
geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V a. F. vergütet. Nach § 87b Abs. 2 SGB V a. F. waren zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene
RLV festzulegen (Satz 1). Ein RLV nach Satz 1 war die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen
Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V a. F. enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten war (Satz 2). Abweichend von Absatz
1 Satz 1 war die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl
der behandelten Versicherten konnte hiervon abgewichen werden (Satz 3). Bei der Bestimmung des Zeitraums, für den ein RLV festgelegt wurde, war insbesondere sicherzustellen, dass eine kontinuierliche Versorgung der Versicherten gewährleistet war
(Satz 4). Weitere vertragsärztliche Leistungen konnten außerhalb der RLV vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollten oder soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten
bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich war (Satz 7). Nach § 87b Abs. 4 SGB V a. F. bestimmte der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung
der RLV nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen
Daten (Satz 1). Er bestimmte darüber hinaus ebenfalls erstmalig bis zum 31. August 2008 Vorgaben zur Umsetzung von Absatz
2 Satz 3, 6 und 7 sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach Abs. 3 Satz 5 (Satz 2). Nach § 87b Abs. 5 SGB V a. F. oblag die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet wurden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgte erstmals
zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV (Satz 1). § 85 Abs. 4 Satz 9 galt (Satz 2).
Der Bewertungsausschuss (BewA) hat in seiner 7. Sitzung am 27./28. August 2008 unter Teil F einen Beschluss gemäß § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V a.F. gefasst (DÄBl 2008, A-1988). Gemäß Teil F Nr. 2.1 des Beschlusses, der insoweit auf der Ermächtigung des § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V a.F. beruht, kamen RLV für Ärzte der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung. Anlage 1 Nr. 4 zu dem vorgenannten Beschluss benennt u. a.
als für RLV relevante Arztgruppen Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-) Schwerpunkt Nephrologie. Mit weiterem Beschluss vom
26. März 2010 hat der BewA mit Wirkung ab 1. Juli 2010 in Teil F Abschnitt I Nrn. 1 und 2 und Anlage 2 Nr. 4 u. a. vorgeben,
dass auch sämtliche Leistungen der Fachärzte für Innere Medizin mit dem (Versorgungs-)Schwerpunkt Nephrologie in die RLV-Systematik einzubeziehen sind. Ergänzend hierzu können die Gesamtvertragspartner auf Landesebene nach der Nr. 2.3 vereinbaren,
"besonders förderungswürdige Leistungen außerhalb der Regelleistungsvolumen und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen" zu
vergüten, für die dann nach der Nr. 3.1.4 ein zusätzlicher Vergütungsbereich aus dem arztgruppenspezifischen Verteilungsvolumen
zu bilden ist.
Aufgrund dieser Vorgaben waren die Gesamtvertragspartner auf Landesebene dazu verpflichtet, auch die seit dem 1. April 2005
weitestgehend durchgehend (bis auf die Quartale I und II/2009) als freie Leistungen vergüteten nephrologischen Behandlungsmaßnahmen
nach dem Kapitel 13.3.6 des EBM in die RLV-Systematik mit einzubeziehen.
In der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 31/09 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 53; Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - B 6 KA 48/16 B, B 6 KA 68/16 B, B 6 KA 69/16 B) ist bereits geklärt, dass die dem BewA zustehende Gestaltungsfreiheit ihn berechtigt, innerhalb der hierfür maßgeblichen
Grenzen insbesondere dem Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG - zu entscheiden, für welche Arztgruppen er RLV vorsieht und für welche nicht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 58 RdNr. 27 ff; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr. 8 RdNr. 24 sowie BSG, Urteil vom 15.6.2016 - B 6 KA 18/15 R - RdNr. 44). Speziell in Bezug auf die Fachgruppe der Nephrologen und die von diesen erbrachten Leistungen nach Nr. 13600
bis 13621 EBM Ä hat das BSG ausgeführt, dass die im Dialysebereich bestehenden Besonderheiten den BewA zwar berechtigten, aber nicht verpflichteten,
die Nephrologen und die Dialyseleistungen von der Einbeziehung in RLV freizustellen (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 53, RdNr. 27). Dabei gehören zu diesen Besonderheiten auch der Umstand, dass im Dialysebereich eine Leistungs- und Mengenausweitung
zwar nicht ausgeschlossen ist, diese Gefahr aber im Hinblick auf die Zuweisung von Versorgungaufträgen sowie auch die Vorgaben
für die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung (vgl. Senatsurteil vom 23. April 2008, L 4 KA 69/07) gering ist. Wegen dieser Besonderheiten durfte der BewA von der Einbeziehung der Nephrologen und der Dialyseleistungen in
die RLV auch absehen. Andererseits sind die Besonderheiten - auch zusammengenommen - nicht von so großem Gewicht, dass der BewA verpflichtet
gewesen wäre, von einer Einbeziehung der Nephrologen und/oder der Dialyseleistungen in die RLV abzusehen. Vielmehr hat der BewA insoweit Gestaltungsfreiheit (Senatsurteil vom 28. September 2016, L 4 KA 37/13 unter Hinweis auf: BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 31/08 R -, BSGE 105, 236-243, SozR 4-2500 § 85 Nr. 53, SozR 4-5540 Anl. 9.1 Nr. 1, Rn. 29), die er mit der Einbeziehung der Nephrologen in die RLV im streitgegenständlichen Quartal nicht überschritten hat.
Auch die Partner der Gesamtverträge in Hessen haben den ihnen bundesrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten,
wenn sie - wie im streitgegenständlichen Quartal - davon abgesehen haben, von der ihnen in Teil F Abschnitt I Nr. 2.3 des
Beschlusses des BewA vom 26. März 2010 eingeräumten Ermächtigung, besonders förderungswürdige Leistungen außerhalb der Regelleistungsvolumen
und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen zu vergüten, hinsichtlich der nephrologischen Leistungen keinen Gebrauch zu machen.
Soweit diese Gestaltungsfreiheit durch das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG begrenzt (vgl. zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit in Bezug auf nephrologische Leistungen auch BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 31/08 R -, BSGE 105, 236-243, SozR 4-2500 § 85 Nr. 53, Rn. 28) ist und eine sachgerechte Bemessung von RLV schwierig sein kann, weil bei den im Dialysebereich abrechnenden Praxen und Gemeinschaftspraxen das Verhältnis zwischen dem
Anteil an Dialyseleistungen- und demjenigen an anderen internistischen Leistungen sehr unterschiedlich ist und deshalb bei
schematisierender Einbeziehung in vereinheitlichende RLV in erheblichem Umfang Stützungszahlungen erforderlich werden könnten (BSG a. a. O.), haben die Gesamtvertragspartner dem mit der Regelung in Abschnitt II Nr. 3.7 HV 2010 (in der Fassung der 2. Nachtragsvereinbarung) Rechnung getragen und von der Ermächtigung zu Schaffung einer Ausgleichsregelung
in Teil F Abschnitt II Nr. 3.8 des Beschlusses vom 26. März 2010 Gebrauch gemacht, nach der die Beklagte im Einzelfall auf
Antrag der betroffenen Praxis befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten kann, wenn sich das Honorar einer Arztpraxis
um mehr als 15% gegenüber dem Vorvorjahresquartal verringert, sofern die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung
auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten
extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben, Abschnitt II Nr. 3.7 HV 2010. Mit dieser Regelung ist der Einbeziehung nephrologischer Leistungen in die RLV-Systematik im Quartal III/2010 hinreichend Rechnung getragen (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 8. Juni 2016,
L 3 KA 12/14).
Die Klägerin kann weiterhin die geltend gemachte Sonderregelung zum RLV nicht für sich beanspruchen, der diesbezügliche Bescheid vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.
November 2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden, ein Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honorarabrechnung besteht nicht.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist die Regelung unter Abschnitt II Ziffer 3.5 S. 5 bis 7 des HV 2010 in der Fassung der ab 1. Juli 2010 geltenden 2. Nachtragsvereinbarung, die wie folgt lautet: "Der Vorstand der KV Hessen
kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf
Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten,
die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung
ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes
der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheidet hierüber im Einzelfall und informiert die Vertragsparteien."
Auch diese Regelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar, abweichende Bestimmungen des SGB V oder des Bewertungsausschusses gab es in dem streitigen Quartal nicht (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 30. November 2016,
L 4 KA 60/14). Insbesondere die Regelungen des Bewertungsausschusses erschöpften sich in der Festlegung, dass die Praxisbesonderheiten
zwischen den Partnern der Gesamtverträge zu regeln seien und sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag
oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben (vgl. Teil F, Ziffer I, 3.7 des Beschlusses
des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 mit Wirkung zum 1. Juli 2010). Eine darüber hinausgehende inhaltliche Normierung,
wie sie noch in Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 getroffen worden war, bestand im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr.
Soweit die Klägerin hierzu geltend macht, eine eine Sonderregelung rechtfertigende Praxisbesonderheit liege bei ihr wegen
der ihr nach § 3 Abs. 3 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä erteilten Genehmigung zur Erbringung von Dialyseleistungen vor, ist
ihr zunächst zuzugestehen, dass diese Genehmigung einen "besonderen Versorgungsauftrag" im Sinne von Ziffer 3.5 S. 6 HV 2010 bzw. Teil F, Ziffer I, 3.7 des Beschlusses des BewA vom 26. März 2010 darstellt. Dies ergibt sich daraus, dass worauf
das Sozialgericht zutreffend hinweist - der Dialysearzt zur Übernahme des Versorgungsauftrags der besonderen Genehmigung nach
§§ 3, 4 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä bedarf und die Leistungserbringung mit speziellen Vorgaben für die Sicherung der Qualität
und für die Gewährleistung einer kontinuierlichen wirtschaftlichen Versorgungsstruktur verbunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R a. a. O. Rn. 28).
Indessen reicht die Übernahme des besonderen Versorgungsauftrags als solche nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung sowohl
von Ziffer 3.5 S. 6 HV 2010 als auch Teil F, Ziffer I, 3.7 des Beschlusses des BewA vom 26. März 2010 nicht zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen
einer Sonderregelung aus, da erforderlich ist, dass sich aus dem besonderen Versorgungsauftrag (oder einer besonderen, für
die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung) eine Praxisbesonderheit "ergeben" muss. Die Praxisbesonderheit muss
also eine Folge der Übernahme des besonderen Versorgungsauftrags darstellen und besteht nicht aus der Übernahme des Versorgungsauftrags
selbst.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (siehe nur BSG; Urteil vom 22. Juni 2005 - B 6 KA 80/03 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 10, juris Rn. 47) ist Praxisbesonderheit im Rahmen der Honorarverteilung als Synonym für atypische
Umstände zu begreifen. Ebenso wie nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. Juni 2011, B 6 KA 17/10 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 66) zum "besonderen Versorgungsbedarf", der neben einer im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck
kommenden Spezialisierung eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung erfordert, reicht demnach auch beim
Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs im Sinne der streitgegenständlichen Regelung ein "Mehr" an fachgruppentypischen
Leistungen nicht aus. Die Überschreitung des RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden (BSG a. a. O, juris Rn. 22).
Solche gegenüber ihrer Vergleichsgruppe atypischen Verhältnisse bestehen in der Praxis der Klägerin nicht, insbesondere auch
nicht unter Berücksichtigung des von ihr aufgrund der Genehmigung nach §§ 3, 4 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä übernommenen
besonderen Versorgungsauftrags der Dialysebehandlung. Zwar sind Dialyseleistungen als Leistungen aus einem arztgruppenübergreifenden
Versorgungsbereich grundsätzlich besonders geeignet, eine spezielle Ausrichtung im Sinne einer Praxisbesonderheit zu begründen.
Allerdings stellen innerhalb der Fachgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-) Schwerpunkt Nephrologie die
nephrologischen Leistungen des Abschnitts 13.3.6 EBM-Ä keine atypischen Leistungen dar.
Dies ergibt sich zunächst schon daraus, dass nach dem unwidersprochenen erstinstanzlichen Vortrag der Beigeladenen zu 2) mehr
als 50% der Ärzte der Fachgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie nephrologische Leistungen erbringen
(was nach der Systematik der RLV/QZV dazu führte, dass dieser Arztgruppe für die nephrologischen Leistungen keine qualifikationsgebundenes
Zusatzvolumen eingeräumt wurde). Auch der Umstand, dass im streitgegenständlichen Quartal von 82 Ärzten mit der Genehmigung
nach §§ 3, 4 der Anlage 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä in Hessen, von denen sechs nicht über die Schwerpunktbezeichnung Nephrologie verfügen,
mithin nicht der Fachgruppe der Klägerin angehören, nach dem ebenfalls unwidersprochenen Vortrag der Beklagten lediglich 17
keine Leistungen des Abschnitts 13.3.6 EBM-Ä abrechneten, spricht dafür, dass eine von der Typik der Arztgruppe abweichende
Praxisbesonderheit bei der Klägerin nicht gegeben ist.
Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht aus der von der Klägerin geltend gemachten Inhomogenität der
Vergleichsgruppe. Wie bereits ausgeführt, sahen die Honorarverteilungsregelungen in Hessen für das streitgegenständliche Quartal
mit Abschnitt II Nr. 3.7 HV 2010 zum Ausgleich etwaiger Honorarverluste aufgrund der Einbeziehung der noch im Vorquartal als Vorwegleistung außerhalb
des Regelleistungsvolumens vergüteten Leistungen des Abschnitts 13.3.6 EBM-Ä eine Härtefallregelung vor, die geeignet war,
die aufgrund der Einbeziehung der Leistungen in das RLV entstehende Honorarverwerfungen auszugleichen. Die Klägerin hat indessen ausweislich des Bescheids der Beklagten vom 30.
Mai 2016 bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausgleichsregelung nicht erfüllt, da sie im streitgegenständlichen
Quartal gegenüber dem Vorvorjahresquartal lediglich einen Honorarverlust in Höhe von 9,27 % erlitten hat. Soweit die Klägerin
hierzu vorträgt, dass für das von der Beklagten insoweit der Berechnung zugrundegelegte Quartal III/2008 erhebliche Honorarnachzahlungen,
welche sich aus der seinerzeit rechtswidrigen Einbeziehung ihrer Fachgruppe in die RLV ergaben, nicht berücksichtigt wurden, kann sie hiermit nicht gehört werden, da der Bescheid vom 30. Mai 2016 bestandskräftig
(§ 77 SGG) geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO). Danach hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist. Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen
ist nicht veranlasst, weil diese keine Anträge gestellt haben.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben, da die Beteiligten über die Auslegung ausgelaufenen Rechts streiten. Soweit die Beklagte darauf hinweist,
dass der Begriff "besonderer Versorgungsaufwand" auch noch in ihren aktuellen Honorarverteilungsregelungen Verwendung findet,
liegt revisibles Recht im Sinne von § 162 SGG nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 22/10 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 65).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Neubescheidung der Quartalsabrechnung für das Quartal
III/2010, welches mit ihrem Interesse an der Neubescheidung des Antrags auf Sonderregelung identisch ist.
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