Rechtsnatur des Ersatzkassenvertrags-Zahnärzte (EKV-Z)
Auslegung untergesetzlicher Normsetzungsverträge
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, für das Quartal I/2010 unter Berufung auf § 17 Abs. 1 Satz 5 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z) einen Betrag von 5.322,67 EUR endgültig einzubehalten.
§ 17 Abs. 1 EKV-Z ("Abrechnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen") in der seit dem Jahr 2010 geltenden Fassung lautet:
"Die KZV überprüft die Abrechnungen der Vertragszahnärzte rechnerisch und gebührenordnungsmäßig und stellt sie richtig. Danach
übersendet die KZV die Abrechnungen an die Ersatzkassen. Teilrechnungen und Vorbehaltsvermerke sind unzulässig. Berichtigungen
von Fehlern bei der Anwendung des BEMA, von Rechenfehlern und sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten sind binnen sechs Monaten
nach Eingang der Rechnung bei der Ersatzkasse von dieser bei der KZV geltend zu machen. Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb
von sechs Monaten bearbeitet worden sind, berechtigen die Ersatzkasse zur Einbehaltung von 75 v. H. der mit den Berichtigungsanträgen
geltend gemachten Forderungen. Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von weiteren zwölf Monaten bearbeitet worden sind,
berechtigen die Ersatzkassen zur Einbehaltung von weiteren 25 v. H."
Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 15. Oktober 2010, bei der Beklagten eingegangen am 19. Oktober 2010, einen Berichtigungsantrag
betreffend die Abrechnung konservierend-chirurgischer Leistungen für das Quartal I/10 in einem Umfang von 10.142,29 EUR für
265 Behandlungsfälle.
Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 7. April 2011 mit, dass sie im Hinblick auf 24 Behandlungsfälle die Beanstandung
nicht anerkenne. Bei den restlichen Fällen müsse man die Zahnärztinnen und Zahnärzte um Stellungnahme bitten; man werde sich
dann unaufgefordert melden. Mit weiterem Schreiben vom 7. April 2011 bat die Klägerin um Übersendung der für die Prüfung notwendigen
Unterlagen (Heil- und Kostenpläne zur prothetischen Versorgung sowie der entsprechenden Parodontalstaten).
Mit Schreiben vom 19. April 2011 wies die Beklagte die Klägerin auf die noch fehlende Bearbeitung der weiteren Fälle sowie
auf § 17 EKV-Z hin und gewährte eine "letzte Frist" bis zum 3. Mai 2011.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2011 bat die Beklagte um Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2011. Mit Schreiben vom 6. Mai
2011 übersandte sie die erbetenen Unterlagen und erklärte, für einen der Behandlungsfälle (Fallnummer xxx1) halte sie ihre
Beanstandung nicht aufrecht.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin dann mit, wegen der nicht fristgerechten Bearbeitung mache
man nunmehr von dem Recht aus § 17 EKV-Z Gebrauch und behalte einen Betrag von 6.894,05 EUR ein. Mit Schreiben vom 30. August 2011 nahm die Klägerin zu den weiteren
Behandlungsfällen konkret Stellung. Sie gab in 51 Behandlungsfällen den Anträgen auf Berichtigung statt und erklärte, die
weiteren Beanstandungen halte sie für unbegründet. Den sich aus den stattgegebenen Berichtigungsanträgen ergebenden Betrag
von 1.571,38 EUR überwies sie an die Beklagte zurück. Sie forderte die Beklagte zugleich auf, den noch offenen Differenzbetrag
in Höhe von 5.322,67 EUR zu begleichen. Diese erwiderte mit Schreiben vom 6. Oktober 2011, dies komme nicht in Betracht, weil
es sich insoweit um den Einbehalt nach § 17 EKV-Z handele.
Mit Bescheid vom 7. November 2011 entschied die Klägerin, unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 5. Mai 2011,
dass die Beanstandungen im Hinblick auf 3 Fallnummern nicht anerkannt werden könnten, im Hinblick auf eine Fallnummer (xxx2)
dagegen schon. Den sich aus dieser anerkannten Beanstandung ergebenden Rückzahlungsbetrag in Höhe von 68,42 EUR schrieb sie
dem Abrechnungskonto der Beklagten im Folgenden gut.
Die Beklagte erhob gegen den Bescheid vom 7. November 2011 keinen Widerspruch.
Am 9. März 2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben, mit der sie von der Beklagten die Zahlung von weiteren
5.322,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % ab Rechtshängigkeit gefordert hat. § 17 Abs. 1 EKV-Z lasse nur einen vorläufigen und nicht, wie die Beklagte meine, endgültigen Einbehalt zu.
Mit Beschluss vom 28. Dezember 2012 hat das Gericht den GKV-Spitzenverband der Krankenkassen sowie die Kassenzahnärztliche
Bundesvereinigung zu dem Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 27. November 2013, der Beklagten am 9. Dezember 2013 zugestellt, hat das Gericht der Klage dann in vollem Umfang
stattgegeben. Die Forderung sei fällig, denn die Klägerin habe eine Berichtigung der Behandlungsfälle mit bestandskräftigem
Bescheid vom 30. August 2011 im Umfang des strittigen Honorarvolumens abgelehnt. § 17 Abs. 1 Satz 5 EKV-Z gebe keine Rechtsgrundlage ab für einen endgültigen Einbehalt. Wie die Argumente der Beteiligten zeigten, sei die getroffene
Regelung nicht eindeutig. Eine eindeutige Regelung sei aber erforderlich, wenn der Einbehalt zum endgültigen Forderungsverlust
nach Ablauf einer Frist führen solle. Die Kammer vermöge nicht zu erkennen, dass der Forderungsverlust dem übereinstimmenden
Vertragswillen der Bundesmantelvertragsparteien entspreche. Auch bestehe offensichtlich keine entsprechende Vertragspraxis.
Wenn eine Vertragspraxis bestehe, dann allenfalls derart, dass ein Einbehalt nur vorläufig erfolge. Eine abweichende Regelungen,
was der Bundesmantelvertrag in § 17 Abs. 6 EKV-Z zulasse, hätten die Gesamtvertragsparteien nicht getroffen. Daher brauche auch nicht der Frage nachgegangen werden, ob
die Bundesmantelvertragsparteien überhaupt berechtigt gewesen wären, einen endgültigen Forderungsverlust zu vereinbaren, was
zweifelhaft sei. Bei der strittigen Forderung handele es sich um einen Teil der Gesamtvergütung. Die Gesamtvergütung werde
aber von den Gesamtvertragsparteien auf Landesebene beschlossen, also von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen
und den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, und nicht von den hier beigeladenen Bundesmantelvertragsparteien. Die Bundesmantelvertragsparteien
könnten nur den Bundesmantelvertrag mit dem "allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge", zu dem aber Vergütungsfragen gerade nicht
gehören, abschließen. Ein endgültiger Einbehalt führe zwangsläufig zur Kürzung der Gesamtvergütung. Dies spreche im Übrigen
auch dafür, dass die Bundesmantelvertragsparteien eine solche Regelung bisher nicht getroffen hätten und auch nicht hätten
treffen wollten. Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folge aus §§
291 i. V. m. 288 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB).
Die Beklagte hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung am 24. Dezember 2013 Berufung eingelegt.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) sind der Ansicht, dass es sich bei dem Einbehalt nur um einen endgültigen Einbehalt
handeln könne. Dies ergebe die Auslegung des § 17 Abs. 1 S. 5, 6 EKV-Z. Der Duden definiere den "Einbehalt" als "1. An- und aufrechnend zurückbehalten, 2. a. (Amtssprache) zurückbehalten, nicht
mehr zurückgeben, 3. (Amtssprache) in Haft behalten, dabehalten". Beschrieben würden danach eindeutig keine vorübergehenden,
sondern endgültige Zustände. Ginge es nur um einen vorübergehenden bzw. vorläufigen Einbehalt, hätten die Vertragsparteien
dies durch die Verwendung des Begriffs "Sicherungseinbehalt" zum Ausdruck gebracht oder, in Anlehnung an §
273 BGB, von einem Zurückbehaltungsrecht gesprochen und Modalitäten hinsichtlich der Rückzahlung getroffen. Auf den baurechtlichen
Begriff des Sicherungseinbehalts könne nicht abgestellt werden, denn hier handelte es sich um einen völlig anderen Regelungsbereich.
Der Wortlaut der Bestimmung sei eindeutig. Sinn und Zweck der Vertragsvorschrift bestätigten diese Interpretation. Das Ziel,
die Kassenzahnärztliche Vereinigung zu einer zeitnahen Bearbeitung der Anträge auf sachlich-rechnerische Berichtigung anzuhalten,
werde nicht bzw. nicht so effektiv erreicht, wenn der Einbehalt nur ein vorläufiger sei, denn dann könne die Bearbeitung sanktionslos
hinausgezögert werden. Auch sei nur bei einem endgültigen Einbehalt eine ausreichende Planungs- und Rechtssicherheit für die
Ersatzkassen gewährleistet. Soweit die Ersatzkassen nicht binnen sechs Monaten einen Berichtigungsantrag stellten, verlören
sie nach § 17 Abs. 1 S. 3 EKV-Z dieses Recht ebenfalls gänzlich. Beide Parteien würden insofern gleichermaßen sanktioniert. Auf die Frage, wie die Vertragspraxis
sei, komme es nicht an. Der Einbehalt sei auch nicht Teil der Gesamtvergütung. Betroffen sei ausschließlich das Verhältnis
zwischen Kassenzahnärztlicher Vereinigung und Ersatzkasse. Aufgrund ihres Gestaltungsspielraums seien die Partner der Bundesmantelverträge
auch berechtigt, einzelne Bereiche detailliert, umfassend und abschließend zu normieren. § 17 Abs. 1 S. 5, 6 EKV-Z treffe, vergleichbar z. B. mit den ebenfalls geregelten Verzugszinsen, eine Abrechnungsbestimmung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) sind der Ansicht, der Begriff des Einbehalts in § 17 Abs. 1 S. 5, 6 EKV-Z sei im Sinne eines nur vorläufigen Einbehalts zu verstehen. Für die Wortlautauslegung sei die Verwendung in der Rechtssprache
maßgeblich; dort werde die Formulierung stets im Zusammenhang mit einem vorübergehenden Zustand eingesetzt, wie etwa beim
Sicherungseinbehalt in Form der Sicherheitsleistung durch Stundung einer Forderung oder bei Abschlagszahlungen nach §
632a BGB. Einen endgültigen Einbehalt hätte man dementsprechend eindeutig als solchen ausgestalten müssen. Für einen lediglich vorläufigen
Einbehalt spreche weiter die Staffelung der einzubehaltenden Beträge. Durch die Rückzahlung der einbehaltenen Beträge nach
erfolgter Bearbeitung werde der Ersatzkasse auch nicht ihre Planungssicherheit genommen. Die für die Ersatzkassen geltende
Frist zur Einreichung von Berichtigungsanträgen sei nicht das Gegenstück zu dem in § 17 Abs. 1 S. 5, 6 EKV-Z geregelten Einbehalt, denn Kassenzahnärztliche Vereinigung und Ersatzkassen hätten im Berichtigungsverfahren unterschiedliche
Positionen inne. Die KZV sei die allgemeine Vertragsinstanz, der die Feststellung obliege, ob die Vertragsärzte ihren vertragszahnärztlichen
Pflichten nachkämen. Ein Recht der Ersatzkassen, im Verhältnis zur Kassenzahnärztlichen Vereinigung im Rahmen der Abrechnungsprüfung
einseitig Sanktionen auszusprechen, sei systemfremd. Die Entscheidung der KZV über den Berichtigungsantrag sei ein Verwaltungsakt
mit Drittwirkung, weil sie auch in die Rechte des betroffenen Vertragszahnarztes eingreife. Die KZV müsse auf ein gleichlaufendes
Verhältnis sowohl zu den Krankenkassen als auch den Vertragszahnärzten achten. Die Ersatzkasse sei erst dann berechtigt, einen
(Teil-)Betrag von der Gesamtvergütungsforderung abzusetzen, wenn hierüber eine verbindliche, sprich bestandskräftige, Entscheidung
herbeigeführt worden sei. Schließlich fehle den Bundesmantelvertragsparteien auch die Zuständigkeit für die Vereinbarung eines
endgültigen Forderungsverlustes, denn hierdurch werde die Gesamtvergütung betroffen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge.
Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung war zurückzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, aber unbegründet.
Eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung kommt nicht in Betracht. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt,
an die Klägerin 5.322,67 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5.322,67 EUR nebst Zinsen.
Die Beklagte war verpflichtet, der Klägerin als Teil der Gesamtvergütung für die vorliegend betroffenen 265 Behandlungsfälle
Honorar in Höhe von 8.502,49 EUR zu zahlen. Dieser Betrag ergibt sich daraus, dass von den für diese Behandlungsfälle zunächst
geforderten 10.142,29 EUR das Honorar für die Fälle, die fehlerhaft abgerechnet worden sind (1.639,80 EUR), in Abzug zu bringen
ist. Hierbei handelt es sich um das Entgelt für insgesamt 52 Behandlungsfälle, für die die Klägerin die Unrichtigkeit der
Abrechnung anerkannt hat, nämlich in Bezug auf 51 Fälle mit Schreiben vom 30. August 2011 (in Höhe eines Gesamtbetrages von
1.571,38 EUR) und für einen weiteren Fall mit Schreiben vom 7. November 2011 (in Höhe von 68,42 EUR).
Auf diese Forderung hat die Beklagte bisher jedenfalls nicht mehr als 3.179,82 EUR erbracht. Zum einen hat sie von der bereits
entrichteten Gesamtvergütung - durch die zunächst alle 265 Behandlungsfälle honoriert worden waren - unter Berufung auf §
17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z in der Folgezeit eine Summe von 6.894,05 EUR durch Verrechnung mit der nächsten Mantelrechnung einbehalten, sich diesen
Betrag also im Wege der Aufrechnung "zurückgeholt". Zum anderen hat die Klägerin weitere 68,42 EUR von sich aus an die Beklagte
zurücküberwiesen.
Die Beklagte ist verpflichtet, den infolgedessen noch offenen Betrag von 5.322,67 EUR (8.502,49 EUR abzüglich 3.179,82 EUR)
an die Klägerin zu entrichten.
Die Forderung ist fällig. Aufgrund der Schreiben der Klägerin vom 30. August 2011 und 7. November 2011, die unter Berücksichtigung
des Empfängerhorizonts ungeachtet der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrungen als Bescheide anzusehen sind (zur rechtlichen Zulässigkeit
und Üblichkeit, über Berichtigungsanträge von Krankenkassen durch Verwaltungsakt zu entscheiden, s. nur BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, B 6 KA 30/10 R, juris, Rn. 16 f.), steht mangels Widerspruchseinlegung durch die Beklagte bestandskräftig fest, dass diese für 213 Behandlungsfälle
eine Vergütung in Höhe der Klageforderung zu erbringen hat.
Aus § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z ergibt sich nichts anderes.
Allerdings hat die Beklagte mit ihrem Verhalten die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, denn sie hat die Berichtigungsanträge
der Beklagten nicht binnen sechs Monaten bearbeitet, d. h. beschieden. Die Frist begann nämlich mit dem Eingang des Antrages,
also am 19. Oktober 2010, so dass sie mit Ablauf des 19. April 2010 endete. In diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte lediglich
für 24 der 265 Behandlungsfälle eine Entscheidung gefällt. Die Frist fängt auch nicht - wie die Klägerin meint - erst dann
an zu laufen, wenn alle für die Prüfung notwendigen Unterlagen eingereicht worden sind. § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z sieht keine entsprechende Bedingung bzw. Einschränkung vor. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung hat es selbst in der Hand,
durch rechtzeitige Anforderung der aus ihrer Sicht fehlenden Unterlagen die Frist zu wahren. Dass es - bei ordnungsgemäßer
Organisation - in der Praxis nicht möglich ist, Berichtigungsanträge binnen sechs Monaten zu bearbeiten, ist nicht ersichtlich.
Es kann dahingestellt bleiben, ob Zeiträume, in denen der Eingang von Unterlagen abgewartet werden muss und eine weitere Antragsbearbeitung
nicht in Betracht kommt, in die Fristberechnung einfließen dürfen oder nicht. Denn selbst wenn man hier den Monat, währenddessen
die Klägerin auf Unterlagen, die sie bei der Beklagten angefordert hatte, warten musste (Anforderung mit Schreiben vom 7.
April 2011, Bl. 93 der Gerichtsakte, Übersendung mit Schreiben vom 6. Mai 2011, Eingang am 10. Mai 2011, Bl. 94 der Gerichtsakte),
bei der Ermittlung des Fristablaufs unberücksichtigt lässt, war die Frist bereits lange vor der Entscheidung über die weiteren
Behandlungsfälle am 30. August 2011 verstrichen.
Anders als die Beklagte annimmt, folgt aus § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z jedoch nicht das Recht, bei Versäumung der dort genannten Fristen die entsprechenden Teile der mit den Berichtigungsanträgen
geltend gemachten Forderungen endgültig zu behalten. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift.
Beim EKV-Z handelt es sich um einen untergesetzlichen Normsetzungsvertrag, also einen Vertrag, der nicht nur die vertragschließenden
Parteien bindet, sondern der auch gegenüber Dritten - z. B. Zahnärzten und Krankenkassen - unmittelbare rechtliche Außenwirkung
entfaltet (s. nur BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 46/13 R, juris, Rdnr. 25). Bei der Interpretation solcher Normsetzungsverträge ist statt auf den subjektiven Willen der Beteiligten
auf die objektive Erklärungsbedeutung abzustellen, d. h. die Erklärungsbedeutung ist umfassend zu ermitteln. Die Auslegung
ist nicht beschränkt wie etwa bei Bewertungs- und Vergütungsregelungen. Vielmehr können, ebenso wie bei Normen, außer der
Deutung nach dem Wortlaut und der Grammatik, auch eine systematische, eine teleologische und eine entstehungsgeschichtliche
Interpretation in Betracht kommen (BSG, Urteil vom 3. März 1999, B 6 KA 18/98 R, Rdnr. 15 m. w. N.).
Schon der Wortlaut des § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z spricht dafür, dass die Vorschrift nur ein vorläufiges Behalten von Honorar gestattet. Zwar hat die Beklagte zu Recht darauf
hingewiesen, dass der Begriff des "Einbehaltens" im allgemeinen Sprachgebrauch jedenfalls auch im Sinne des endgültigen Behaltens
einer Sache (oder Person) verstanden wird. Bei der Deutung einer Norm ist aber, soweit eine Formulierung im juristischen einen
anderen Gehalt hat als im allgemeinen Sprachgebrauch, in der Regel ersterer für die Auslegung maßgeblich. Im juristischen
Bereich ist, bezogen auf Geldforderungen, mit einem "Einbehalt" typischerweise ein lediglich zum vorläufigen Behaltendürfen
berechtigender "Sicherungseinbehalt" gemeint, wie z. B. die Verwendung des Ausdrucks in §
632a Abs.
3 S. 2
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) oder in § 17 Abs. 2 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B zeigt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien bei der Schaffung des § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z bei den verwendeten Begriffen entgegen der üblichen Handhabung an den allgemeinen statt den juristischen Sprachgebrauch
anknüpfen wollten, bestehen nicht.
Auch aus der Systematik der Bestimmung ergibt sich nichts gegenteiliges. Insbesondere kann nicht - unter dem Gesichtspunkt
der Gleichbehandlung beider Vertragsparteien - aus der in § 17 Abs. 1 S. 4 EKV-Z festgelegten Ausschlussfrist für das Stellen von Berichtigungsanträgen durch die Krankenkasse geschlossen werden, dass
die Nichteinhaltung der in § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z genannten Fristen für die Kassenzahnärztliche Vereinigung gleichfalls zu einem endgültigen (teilweisen) Forderungsverlust
führen müsse. Bei dieser Argumentation wird nämlich übersehen, dass Krankenkasse und Kassenzahnärztliche Vereinigung, ungeachtet
ihrer prinzipiellen Gleichrangigkeit, bei der Prüfung der Abrechnungen nach § 17 EKV-Z unterschiedliche Funktionen ausüben, die auch eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen bzw. sogar erfordern. Bei
der Durchführung von sachlich-rechnerischen Abrechnungsberichtigungen handelt die KZV zulässigerweise durch Verwaltungsakt
(s. hierzu nur Hess. LSG, Urteil vom 11. August 2010 - L 4 KA 94/09 -, BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 30/10 R, juris Rdnr. 12 ff.), d. h. sie agiert als Behörde und ist berechtigt, gegenüber der Krankenkasse einseitig und verbindlich
über deren Berichtigungsantrag zu entscheiden. § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z stellt sich damit als eine von ihrer Aufgabe her mit §
88 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) vergleichbare, die letztgenannte Vorschrift unterstützende Regelung dar, die die Behörde zu einer zeitnahen Entscheidung
anhalten soll. Demgegenüber ist die Ausschlussfrist des § 17 Abs. 1 S. 4 EKV-Z ein Instrument, mit dem die Geltendmachung von Ansprüchen zeitlich begrenzt wird und welches auch in verschiedenen anderen
Bereichen des SGB existiert (z. B. § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -).
Entgegen der Auffassung der Beklagten verlangt schließlich auch nicht der Sinn und Zweck der Norm, den dort vorgesehenen Einbehalt
als einen endgültigen anzusehen. Weder ist erkennbar, dass der nur vorläufige Einbehalt kein ausreichendes Mittel wäre, um
die KZV zu einer schnellen Bearbeitung von Berichtigungsanträgen zu veranlassen noch ist davon auszugehen, dass er keine ausreichende
Planungs- und Rechtssicherheit für die Beteiligten gewährleisten würde. Schon angesichts der hohen prozentualen Anteile von
den jeweiligen Forderungen, die zurückbehalten werden können, ist anzunehmen, dass die KZV in aller Regel darauf achten wird,
die ihr gesetzten Fristen zu wahren. Auch bei einer Versäumung der Frist und einem daraufhin durch die Krankenkasse vorgenommenen
Einbehalt wird sie bestrebt sein, den Antrag nunmehr zügig zu bearbeiten, um baldmöglichst eine Auszahlung bzw. Gutschrift
des zurückbehaltenen Honorars zu erreichen. Damit bleibt ein Nichthandeln der Klägerin gerade, anders als die Beklagte meint,
nicht sanktionslos, denn - vereinfacht gesagt - gilt, dass die KZV, solange sie nicht handelt, kein Geld erhält (bzw. ihr
bereits erhaltenes Honorar durch Verrechnung wieder entzogen wird). Darüber hinaus steht der Krankenkasse als weitere Maßnahme,
um die KZV zu einer zeitnahen Bescheidung zu zwingen, die Untätigkeitsklage nach §
88 SGG zur Verfügung (zur - zulässigen - Untätigkeitsklage einer Krankenkasse gegen den Prüfungsausschuss einer Kassenzahnärztlichen
Vereinigung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung eines Kassenzahnarztes s. nur BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 14a RKa 1/93 - juris). Dass die Interpretation als nur vorläufiger Einbehalt unter diesen
Voraussetzungen zu Schwierigkeiten bei der Planungssicherheit für die Beklagte führen würde, ist nicht plausibel, zumal es
sich bei den einbehaltenen Beträgen, bezogen auf das Gesamthonorar, typischerweise um eher geringe Summen handeln dürfte.
Die erstinstanzlich aufgeworfene Frage, ob die Vertragsparteien überhaupt berechtigt gewesen wären, im Falle der nicht fristgerechten
Entscheidung einen endgültigen Anspruchsverlust als Rechtsfolge festzulegen, braucht, weil § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z keine solche Regelung enthält, nicht entschieden zu werden.
Das sich aus § 17 Abs. 1 S. 5 EKV-Z damit ergebende (nur) vorläufige Zurückbehaltungsrecht kann der Forderung der Klägerin nicht mehr mit Erfolg entgegenhalten
werden. Dieses Zurückbehaltungsrecht ist mittlerweile entfallen, weil die Klägerin über alle den Berichtigungsantrag betreffenden
Behandlungsfälle abschließend entschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Beklagte hat, weil sie in beiden Instanzen unterlegen ist, die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der
Klägerin für beide Instanzen zu tragen. Eine Verpflichtung ihr gegenüber, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
zu tragen, war dagegen nicht auszusprechen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass es nicht gerechtfertigt
ist, ihnen Kosten zu erstatten. Aus dem gleichen Grunde ist es auch nicht angemessen, ihnen Kosten, soweit sie die unterlegene
Seite unterstützt haben, aufzuerlegen.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens zuzulassen.