Tatbestand
Der 1958 geborene, nicht unter Betreuung stehende Kläger ist voll erwerbsgemindert und bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung
und seit Jahren Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Er leidet an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (Querulantenwahn bzw. querulatorische Entwicklung) sowie mehreren internistischen
Erkrankungen (Diabetes mellitus Typ 2, arteriellen Hypertonie, koronaren Herzkrankheit, periphere arteriellen Verschlusskrankheit,
diabetischen periphere Polyneuropathie, Fettstoffwechselstörung).
Mit Schreiben vom 20. April 2011 beantragte er die zusätzliche Gewährung von laufenden Leistungen in Höhe von 120,53 € monatlich
für spezielle natriumverminderte Diabetikermenüs von Essen auf Rädern im Rahmen der Grundsicherung nach dem dritten Kapitel
des SGB XII.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2012 mit dem Hinweis ab, der Kläger habe mit Bescheid vom 19.
Februar 2010 die Kosten einer besonderen Pflegekraft für hauswirtschaftliche Versorgung bis zu 51 Minuten täglich (zuzüglich
der entsprechenden Hausbesuchspauschalen) zuerkannt bekommen. Die geleistete Hilfe zur Pflege entspreche damit im Umfang dem
Bedarf des Klägers im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung laut Pflegegutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen
Hessen vom 14. Dezember 2009. Hiernach sei der Bedarf für hauswirtschaftliche Versorgung mit einem Zeitaufwand von sechs Wochenstunden
beziffert inklusive der einmal täglichen Zubereitung eines warmen Essens. Die Mithilfe des Klägers werde hierbei als möglich
erachtet. Bei der gewährten Hilfe durch eine besondere Pflegekraft bestehe kein weitergehender Bedarf im Bereich der Zubereitung
von Mahlzeiten, der zu einer Übernahme der Kosten für Essen auf Rädern führen könnte. Unter Verweis auf § Abs. 5 SGB XII sei festzustellen, dass ein ernährungsbedingter Mehrbedarf nur gewährt werde, wenn er aus medizinischen Gründen nachgewiesen
werde. Ein solcher Mehrbedarf bestehe auch nach den aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1. Oktober 2008
weder für die geltend gemachte Erkrankung Hypertonie (Bluthochdruck), noch für die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 1.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 23. März 2012 hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. November
2012 unter Hinweis auf die Begründung des ablehnenden Bescheids zurückgewiesen.
Die hiergegen rechtzeitig erhobene Klage hat das Sozialgericht Gießen durch Urteil vom 14. Juni 2013 wegen der Prozessunfähigkeit
des Klägers als unzulässig verworfen.
Gegen dieses dem Kläger am 28. Juni 2013 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 29. Juli 2013 (einem Montag) eingegangene
Berufung, mit der er sein Anliegen weiter verfolgt.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2015 hat der Senatsvorsitzende für das weitere Verfahren Herrn Justizinspektor B. als besonderen
Vertreter des Klägers bestellt. Dieser hat die bisherigen Verfahrenshandlungen des Klägers genehmigt und in Übereinstimmung
mit dem Beklagten sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senatsvorsitzenden bzw.
Berichterstatter erklärt.
Der Kläger beantragt sinngemäß
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Juni 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 2012 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. November 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm höhere laufende Leistungen der
Grundsicherung in Höhe von 120,53 € monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die angegriffenen Bescheide rechtmäßig und verweist zusätzlich auf das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12.
September 2012 (S 18 SO 11/10 VR).
Entscheidungsgründe
Der Vorsitzende konnte ohne mündliche Verhandlung anstelle des Senats entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden
erklärt haben.
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet, die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Dem Kläger fehlt zwar die Prozessfähigkeit, er wird jedoch durch den vom Senat nach §
72 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bestellten besonderen Vertreter rechtswirksam vertreten.
Ein Beteiligter ist gemäß §
71 Abs.
1 SGG prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder
durch einen selbst bestellten Prozessbevollmächtigten zu führen, Verfahrenshandlungen (Prozesshandlungen) selbst oder durch
einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen und entgegenzunehmen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Kommentar zum
SGG, 11. Auflage, §
71 Rn. 1a, 3). Die Prozessfähigkeit ist eine Prozessvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen
(§
71 Abs.
6 SGG in Verbindung mit §
56 Abs.
1 Zivilprozessordnung -
ZPO).
Im Hinblick auf die Durchführung sozialgerichtlicher Streitverfahren gegen den Sozialhilfeträger ist die zumindest seit April
2008 bestehende partielle Prozessunfähigkeit des Antragstellers festgestellt. Diesbezüglich wird auf den Beschluss des Hessischen
Landessozialgerichts vom 23. Februar 2011 (Az.: L 9 SO 58/09 B) und die Beschlussgründe Bezug genommen. Der Senat hat sich
im Rahmen der persönlichen Anhörung des Klägers am 26. September 2012 im Verfahren mit dem Az.: L 4 SO 81/12 B nochmals von
dem Fortbestehen der partiellen Prozessunfähigkeit des Klägers überzeugt, auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 26.
September 2012 (Az.: L 4 SO 81/12 B) wird Bezug genommen. Das BSG teilt in mehreren Entscheidungen (s. z.B. Beschluss vom 25. September 2014 Az: B 8 SO 48/14 B) diese Einschätzung. Hinweise
auf eine Änderung der Verhältnisse liegen nicht vor.
Der Kläger leidet - wovon auch das BSG ausgeht - an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung. Der Sachverständige Dr.
G. führt hierzu in seinem Gutachten vom 9. Januar 2010 (S. 26) u.a. aus:
" als andere Begrifflichkeit der paranoiden Persönlichkeitsstörung kann auch der eines Querulantenwahns bzw. einer querulatorischen
Entwicklung genannt werden. In der Folge hat sich entwickelt, dass sich Herr A. grundsätzlich als ungerecht behandelt fühlt
und dann entsprechend dagegen gerichtlich vorgehen muss, auch wenn das Verhältnis zwischen Anliegen und Verhaltensweisen völlig
unverhältnismäßig erscheint. So ist auch der als verbissen anzusehende Kampf des Herrn A. anzusehen, der mannigfaltige Prozesse
auf Grund vermeintlicher Ansprüche verfolgt."
Mit Beschluss vom 24. Januar 2011 hat das Amtsgericht Friedberg - Betreuungsgericht die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung
für den Kläger mit der Begründung abgelehnt, dass bei dem Kläger eine schwere paranoide Persönlichkeitsstörung mit rezidivierenden
depressiven Episoden und eine Benzdiazepinabhängigkeit vorliege. Dies entspreche dem Ergebnis des durch das Hessische Landessozialgericht
eingeholten psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie Dr. G. vom 9. Januar 2010. Auch das im Auftrag des Betreuungsgerichts
eingeholte Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. H. komme zu dem Ergebnis, dass bezüglich des
Aufgabenkreises Prozessangelegenheiten der Kläger zu realitätsgerechtem und situationsadäquatem Denken und Handeln nicht in
der Lage sei. Der pathologische Geisteszustand des Klägers führe ihn nämlich ersichtlich nicht dazu, dass er eigene Rechte
nicht wahrnehmen oder Ansprüche nicht geltend machen würde und dadurch in Gefahr geriete, erhebliche Nachteile zu erleiden.
Vielmehr führe ihn seine pathologische Querulanz dazu, eine Unzahl von Anträgen vor allem an Sozialbehörden zu stellen und
sozialgerichtliche Verfahren anhängig zu machen. Dies stelle ohne Zweifel für die betroffenen Behörden und Gerichte einen
erheblichen Nachteil dar, nicht jedoch für den Kläger selbst, da diese Verfahren typischer Weise kostenfrei seien und deshalb
eine Vermögensgefährdung nicht zu befürchten sei.
Mit neuerlichem Beschluss vom 13. Januar 2015 hat das Amtsgericht Friedberg abermals entschieden, dass für den Kläger kein
Betreuer bestellt wird.
Nach Berechnung des Sozialgerichts (z.B. Beschluss vom 2. September 2014 (Az: S 18 SO 91/14 ER) hat der Kläger von September
2004 bis September 2014 mehr als 860 sozialgerichtliche Antrags- und Klageverfahren angestrengt.
Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des 8. Senats des BSG, der im Falle der Prozessunfähigkeit des Klägers die Bestellung eines besonderen Vertreters grundsätzlich für notwendig erachtet,
es sei denn es liegt ein völlig "haltloses Begehren" ohne jeden Rückhalt im Gesetz vor, hat der Senat im vorliegenden Verfahren
einen besonderen Vertreter für den Kläger bestellt. Nachdem dieser die bisherigen Prozesshandlungen des Klägers nachträglich
genehmigt hat, ist die Berufung insgesamt zulässig.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Kostenübernahme für spezielle natriumverminderte Diabetikermenüs "Essen auf Rädern".
Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass neben der mit Bescheid vom 19. Februar 2010 bewilligten Kostenübernahme
für eine besondere Pflegekraft für hauswirtschaftliche Versorgung bis zu 51 Minuten täglich der geltend gemachte Bedarf des
Klägers gedeckt war. Der festgestellte Bedarf für hauswirtschaftliche Versorgung mit einem Zeitaufwand von sechs Wochenstunden
beinhaltete auch die einmal tägliche Zubereitung einer warmen Mahlzeit. Ein darüber hinausgehender Bedarf für ein Essen auf
Rädern besteht nicht. Zutreffend ist auch der Hinweis des Beklagten dass auch nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins
vom 1. Oktober 2008 für die bei dem Kläger bestehenden Erkrankungen Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 1 kein Mehrbedarf
anzuerkennen ist, insoweit ist eine Vollkost ausreichend, die durch den Regelsatz gedeckt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG sind nicht gegeben.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte daher mangels Erfolgsaussicht nicht stattgegeben werden.