mittelbare Unfallfolge; Arbeitsunfall; Folgeschaden; Heilbehandlung; Aufklärung; Anschein; Durchgangsarzt; Zurechnung; Mitwirkungspflicht;
Arthroskopie
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von unmittelbaren bzw. mittelbaren Unfallfolgen eines anerkannten Arbeitsunfalls
im Sinne des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (
SGB VII) streitig.
Am 3. Januar 2002 kam der 1941 geborene Kläger während seiner Auslieferungstätigkeit für eine Bäckerei auf glattem Untergrund
zu Fall und stürzte - bei angelegtem Arm - mit der linken Schulter und mit dem linken Ellenbogen gegen eine Mauerwand. Der
Durchgangsarzt Dr. C. (im Folgenden: der Zeuge), bei dem sich der Kläger noch am gleichen Tag vorstellte, diagnostizierte
im Durchgangsarztbericht vom 3. Januar 2002 eine schwere Schulterprellung links sowie eine Prellung am linken Ellenbogen.
Gleichzeitig äußerte er den Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenverletzung und ordnete eine Kernspintomographie (MRT) an.
In dem Befundbericht vom 7. Januar 2002 zu der am 4. Januar 2002 durchgeführten MRT gab Dr. E. degenerative Veränderungen
des AC-Gelenkes an. Zudem sei die Supraspinatussehne im ansatznahen Abschnitt deutlich signalangehoben und imponiere verdickt,
was auf eine zumindest teilweise Ruptur hinweise. Insgesamt bestünden Zeichen einer ACG-Arthrose mit Nachweis eines geringgradigen,
am ehesten traumatisch bedingten ACG-Ergusses, ein ca. 2 cm großes Os acromiale und Zeichen einer beginnenden Omarthrose.
Mit Zwischenbericht vom 9. Januar 2002 teilte der Zeuge der Beklagten daraufhin mit, dass laut Aussage des Radiologen eine
partielle Ruptur der Supraspinatussehne vorliege mit traumatisch bedingtem ACG-Erguss. Nach Therapieerörterung erfolge die
stationäre Aufnahme des Klägers am 14. Januar 2002 und die Arthroskopie am 15. Januar 2002. Die Liquidation (an die Beklagte)
folge.
Am 15. Januar 2002 erfolgte im Marienkrankenhaus Flörsheim eine Schultergelenksspiegelung (Arthroskopie) links durch den dort
als Belegarzt tätigen Zeugen, wobei die Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette bestätigt wurde. Die operative Rekonstruktion
der Manschette - in offener Technik - schloss sich unmittelbar an. In der Folgezeit entwickelte sich eine Vereiterung des
Gelenkes, die erst nach zwei weiteren Eingriffen - nach Verlegung des Klägers in das Krankenhaus Rüsselsheim - zur Ausheilung
gebracht werden konnte. Es verblieb eine Funktionsstörung der linken Schulter.
In seinem Zwischenbericht vom 28. Januar 2002 führte der Zeuge sodann aus, dass sich aus dem nach der durchgeführten Arthroskopie
nunmehr vorliegenden histologischen Gesamtpaket ergebe, dass die Veränderungen eher degenerativer Natur seien. Es handele
sich hier um eine schwere Prellung der linken Schulter. Der Aufenthalt im Marienkrankenhaus Flörsheim sei zur arthroskopischen
Abklärung notwendig gewesen. Die Weiterbehandlung erfolge zulasten der Krankenkasse. Er legte den pathologisch-anatomischen
Befundbericht von Prof. Dr. F. vom 18. Januar 2002 vor, in welchem dieser angab, dass sich am untersuchten Biopsiematerial
kein Anhalt für ein frisches, traumatisches Geschehen ergebe.
In einem weiteren Bericht vom 28. Februar 2002 teilte der Zeuge der Beklagten mit, dass die Frage, ob es sich um eine unfallbedingte
Verletzung oder durch degenerative Veränderungen bedingte Verletzung handele, erst nach Eintreffen des histologischen Untersuchungsergebnisses
habe entschieden werden können. Die stationäre Behandlung werde deshalb zulasten der Beklagten abgerechnet.
Der Kläger legte in der Folgezeit ein für seine private Unfallversicherung (G. Versicherungs-AG) erstelltes unfallchirurgisches
Gutachten von Dr. H. vom 30. August 2004 vor, welches zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die nunmehr bestehende Funktionseinschränkung
des linken Schultergelenks Ausdruck einer vorbestehenden Schadensanlage und der sich an die Arthroskopie anschließenden Infektkomplikation
sei. Die Beklagte holte daraufhin eine fachärztliche Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. J. vom 14. Februar 2005 ein,
in welcher der Beratungsarzt ausführte, dass der Unfall zwar nur zu einer Prellung/Stauchung des linken Schultergelenks geführt
habe, die aufgrund des Primärbefundes zunächst suspekt für eine unfallbedingte Schädigung der Rotatorenmanschette gewesen
sei. Der MRT-Befund und die rasche Besserung der Funktion hätten diese Verdachtsdiagnose jedoch nicht zur Wahrscheinlichkeit
verdichtet, so dass unfallbedingt nur eine Prellung eingetreten sei. Die operative Behandlung sei wegen des subacromialen
Impingements und der geringen Defektsituation der Rotatorenmanschette erfolgt und somit unfallunabhängig. Auf Nachfrage der
Beklagten schlossen sich PD Dr. K. und Dr. H. in einer Stellungnahme vom 21. Februar 2008 der Einschätzung von Dr. J. an.
Mit Bescheid vom 3. März 2008 erkannte die Beklagte eine Prellung und Stauchung der linken Schulter als Folge des Arbeitsunfalls
vom 3. Januar 2002 an. Die unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 15. Januar 2002 bestanden.
Die darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen des subacromialen Impingements und der geringen
Defektsituation an der Rotatorenmanschette links stehe nach fachärztlicher Feststellung in keinem ursächlichen Zusammenhang
zu dem Unfall vom 3. Januar 2002.
Der von dem Kläger dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2008 als
unbegründet zurück gewiesen.
Daraufhin hat der Kläger 30. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und ein weiteres - in einem zivilrechtlichen
Rechtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt eingeholtes - Gutachten von Prof. Dr. L. vom 31. Juli 2006 sowie ein Gutachten
für den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) von Dr. M. vom 8. August 2003 vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf die
Gerichtsakte verwiesen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. N. Nach Untersuchung des Klägers
am 8. Dezember 2009 hat der Sachverständige das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten vom 12. Februar 2010 erstattet.
Darin stellt er zusammenfassend fest, dass nach Prüfung aller hierzu vorhandenen einschlägigen Kriterien eine durch das Ereignis
vom 3. Januar 2002 zustande gekommene Zusammenhangstrennung an der Rotatorenmanschette der linken Schulter des Klägers nicht
festgestellt werden könne. Folglich habe das Ereignis vom 3. Januar 2002 ausschließlich zu einer Schulterprellung geführt,
die bei regelhaftem Verlauf innerhalb von 8 Tagen vollständig abklinge. Alle weiteren Einschränkungen an der linken Schulter
des Klägers seien letztlich Folge der im Zuge des operativen Eingriffs vom 15. Januar 2002 eingetretenen Gelenkinfektion.
Die eingetretene Gelenkinfektion wiederum sei weit überwiegend dem operativen Eingriff mit Eröffnung der Schulter und Intervention
an der Rotatorenmanschette anzulasten.
Mit Urteil vom 7. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung
der verbliebenen Gesundheitsschäden am linken Arm und an der linken Schulter als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 3. Januar
2002. Der Kläger habe zwar am 3. Januar 2002 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten. Nach dem Ergebnis der medizinischen
Sachermittlungen stehe jedoch zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei dem Kläger keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die
mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen seien. Bezüglich der Frage
der Nichtanerkennung der Zusammenhangstrennung an der Rotatorenmanschette der linken Schulter des Klägers als Folge des Arbeitsunfalls
schließe sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. in seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten
vom 12. Februar 2010 an. Dieser habe für die Kammer überzeugend und nachvollziehbar unter Berücksichtigung aller vorhandenen
medizinischen Unterlagen bestätigt, dass schon das Unfallereignis in seinem Ablauf nicht geeignet gewesen sei, eine Zusammenhangstrennung
der Rotatorenmanschette, insbesondere der Supraspinatussehne - wie im Falle des Klägers -, zu verursachen. Vielmehr habe das
vom Kläger beschriebene Unfallereignis lediglich zu einer Schulterprellung führen können, die - bei regelhaftem Verlauf -
innerhalb von 8 Tagen, gerechnet ab dem Schadensereignis, vollständig abklinge. Die weiterhin bestehenden Einschränkungen
an der linken Schulter seien somit, den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. folgend, ausschließlich Folge
einer wegen degenerativer Schäden durchgeführten arthroskopischen Operation, genauer: Folge der dabei entstandenen Gelenkinfektion.
Auch eine Anerkennung als mittelbare Unfallfolge komme insoweit zur Überzeugung der Kammer nicht in Betracht. Für die Kammer
stehe nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen fest,
dass die bei dem Kläger am 15. Januar 2002 durchgeführte Operation an der linken Schulter mit Eröffnung des Gelenkes auf konventionelle
Weise zur Behandlung einer bereits vorab diagnostizierten degenerativen Schädigung der Rotatorenmanschette erfolgt sei. Dass
die Veränderungen degenerativer Natur gewesen seien, sei auch durch das pathologisch-anatomische Gutachten von Prof. Dr. F.
vom 18. Januar 2002 nochmals bestätigt worden. Die arthroskopische, letztlich zur Gelenkinfektion und den verbliebenen Bewegungseinschränkungen
an der linken Schulter führende, Behandlung habe damit ausschließlich unfallunabhängige Gesundheitsstörungen betroffen. Allein
der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit der unfallbedingt durchgeführten diagnostischen Arthroskopie reiche nicht aus,
um den für die Anerkennung als Unfallfolge erforderlichen Zusammenhang im Sinne einer rechtlich wesentlichen Bedingung zu
bejahen. Werde nämlich anlässlich einer zur Erkennung von Unfallfolgen durchgeführten Operation ein zusätzlicher ärztlicher
Eingriff zur Behebung eines unfallfremden Leidens - wie dies gerade vorliegend der Fall gewesen sei - vorgenommen, so könnten
die aus diesem Eingriff resultierenden Gesundheitsstörungen dem Arbeitsunfall nicht zugeordnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1991 - 2 RU 41/90 -). Dass es insoweit auch nicht auf die subjektive Sicht des Versicherten ankommen könne, habe auch das Hessische Landessozialgericht
in einer aktuellen Entscheidung vom 15. Juni 2010 (L 3 U 22/07) eingehend begründet. Dem sei auch aus Sicht der Kammer nichts mehr hinzuzufügen.
Gegen das dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat dieser vertreten durch
seine Prozessbevollmächtigten am 10. November 2010 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Die Gesundheitsschäden
des Klägers an seinem linken Arm und der linken Schulter seien kausal auf das Unfallereignis vom 3. Januar 2002 zurückzuführen.
Vor dem Unfall habe der Kläger keinerlei Beschwerden im Bereich der linken Schulter gehabt. Durch die fehlerhafte Behandlung
des Zeugen sei es zu einer schwerwiegenden Entzündung mit den Folgen einer Nekrose im Schultergelenk gekommen, welche zu einem
Dauerschaden geführt habe. Dieser Schaden sei ursächlich allein auf das Unfallereignis zurückzuführen, da der stationäre Aufenthalt
des Klägers allein im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall gestanden habe. Das Ergebnis der Arthroskopie sei insoweit unerheblich,
da ärztliche Eingriffe, die der Erkennung der Folgen eines Versicherungsfalles dienten, grundsätzlich in den Schutzbereich
der gesetzlichen Unfallversicherung fielen. Dies bestätige auch der erstinstanzliche Gutachter Dr. N. Zudem sei der Kläger
davon ausgegangen, dass sämtliche medizinische Behandlungen mit dem Unfall im Zusammenhang gestanden hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom
3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2008 zu verpflichten, die Gesundheitsschäden des Klägers
an der linken Schulter als unmittelbare bzw. mittelbare Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 3. Januar 2002 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte darauf, dass die durchgeführte Arthroskopie der linken Schulter wegen einer
Zusammenhangstrennung an der Rotatorenmanschette durchgeführt worden sei, welche ausschließlich im Zusammenhang mit degenerativen
Schäden gestanden habe. Die Arthroskopie sei nicht zur Erkennung oder Behandlung der bei dem Unfall erlittenen Prellung erforderlich
gewesen, so dass das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat sodann - nach einem vorübergehenden Ruhen des Verfahrens wegen einer Erkrankung des Klägers
- ein Gutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei Dr. D. eingeholt. In dem Gutachten vom 18. Oktober 2012 führt Dr. D. aus, dass der Unfallmechanismus per se nicht geeignet
gewesen sei, die strittige Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen. Aufgrund des MRT-Befundes und der histologischen Ergebnisse
handele es sich um eine präexistente degenerative Schädigung an der linken Schulter des Klägers. Als Unfallfolge sei lediglich
eine Schulterprellung links anerkennungspflichtig. Der aktuell bei dem Kläger vorliegende großflächige Rotatorenmanschettendefekt
resultiere aus dem infolge der Operation enstandenen Schultergelenksempyem mit massiver Weichteildestruktion. Sein Gutachten
hat Dr. D. durch eine Stellungnahme vom 19. März 2012 ergänzt.
In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 30. August 2013 hat der damalige Berichterstatter den Kläger persönlich
angehört. Wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die Niederschrift zum Termin verwiesen. In einem weiteren Termin zur Erörterung
des Sachverhalts vom 6. März 2017 hat die Berichterstatterin zunächst den Kläger erneut persönlich gehört und sodann den Zeugen
zur Sache vernommen. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf die Niederschrift zum Termin verwiesen. Die Beteiligten haben
sich in dem Erörterungstermin zudem übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte
der Beklagten und die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG).
Die nach den §§
143 und
144 SGG statthafte und nach §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Neben der Frage, ob über den 15. Januar 2002 hinaus
bei dem Kläger noch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestand, hat die Beklagte mit ihrem
streitgegenständlichen Bescheid vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2008 auch über die
Anerkennung bestimmter Erkrankungen als Unfallfolgen entschieden, so dass der Kläger zulässig die Verpflichtung der Beklagten
zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen beantragt hat. Dem Kläger steht es insoweit frei, entweder eine kombinierte Anfechtungs-
und Feststellungsklage auf unmittelbare (gerichtliche) Feststellung von Unfallfolgen zu erheben oder aber - wie vorliegend
- seinen Anspruch im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Anerkennung von Unfallfolgen durch die
Beklagte geltend zu machen (BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R -; Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -).
Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Oktober 2010 sowie der Bescheid der Beklagten
vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2008 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG). Der Kläger hat Anspruch auf die Anerkennung des bei ihm diagnostizierten großflächigen Rotatorenmanschettendefekts als
mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 3. Januar 2002.
Anspruchsgrundlage für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung von Unfallfolgen ist §
102 SGB VII (hierzu und zum Folgenden siehe das Urteil des erkennenden Senats vom 8. Juli 2016 - L 9 U 244/15 -). Diese Vorschrift regelt nicht nur das Schriftformerfordernis, sondern ermächtigt den Unfallversicherungsträger zugleich
zur Entscheidung über das Bestehen/Nichtbestehen und über Inhalt und Umfang eines Sozialleistungsanspruchs nach dem
SGB VII. Korrespondierend hierzu beinhaltet §
102 SGB VII zugleich eine Anspruchsgrundlage für den Versicherten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, a. a. O.; Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R -). Dabei umfassen Ermächtigung und Anspruchsgrundlage nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch,
sondern auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung
gegen den Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind (vgl. dazu BSG, a. a. O.). Hierzu gehören der Versicherungsfall, die Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich
durch den infolge des Unfalls erlittenen Gesundheitserstschaden verursacht wurden (sog. unmittelbare Unfallfolgen), und die
Gesundheitsschäden, die nicht wesentlich durch den Gesundheitserstschaden verursacht wurden, die aber dem Unfallereignis aufgrund
einer besonderen gesetzlichen Zurechnungsnorm zuzurechnen sind (sog. mittelbare Unfallfolgen).
Ein Anspruch auf Feststellung als Unfallfolge besteht zunächst für Gesundheitsschäden, die in einem ursächlichen Zusammenhang
mit dem infolge einer versicherten Tätigkeit eingetretenen, von außen auf den Körper wirkenden Ereignis - dem Arbeitsunfallereignis
- stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit, die dadurch verursachte Einwirkung
und der möglicherweise dadurch bedingte Erstschaden ebenso wie der durch den Erstschaden verursachte gesundheitliche Dauerschaden
im Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststehen müssen (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R -).
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls
mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt daher nicht, wenn der Ursachenzusammenhang
lediglich nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls
keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine
wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher
zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -). Ebenso wenig gibt es einen Erfahrungssatz "post hoc, ergo propter hoc" (nach dem Unfall, also durch den Unfall - vgl.
LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. März 2008 - L 6 U 161/02 -). Zur Begründung der unfallversicherungsrechtlichen Kausalität reichen daher Beschwerden, die nach einem Unfall auftreten
und vorher nicht oder nicht in diesem Maße verspürt worden sind, für sich alleine betrachtet nicht aus.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger am 3. Januar 2002 unstreitig einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf glattem Boden ausrutschte
und bei angelegtem Arm mit der linken Schulter und mit dem linken Ellenbogen gegen eine Mauerwand stürzte. Das Unfallereignis
hat bei dem Kläger auch unstreitig zu einer Prellung der linken Schulter geführt. Die darüber hinaus bei dem Kläger im Rahmen
der Arthroskopie festgestellte Ruptur der Supraspinatussehne ist jedoch nicht kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen.
Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist
in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat das
Gericht alles Erforderliche zu tun, um diese Frage zu klären (§§
103,
128 SGG), wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den
einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden
Gesundheitsschadens ist. Maßgebend ist hierfür grundsätzlich die herrschende medizinische Lehrmeinung, soweit sie sich auf
gesicherte Erkenntnisse stützen kann. Andererseits ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich mit voneinander abweichenden medizinischen
Lehrmeinungen im Einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist (BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8 RU 24/77 -; Urteil vom 12. November 1986 - 9 b RU 76/86 -; Urteil vom 26. Februar 1997 - 9 b V 221/96 -). Weiter ist zu berücksichtigen, ob das angeschuldigte Unfallereignis nach genereller, herrschender medizinischer Lehrmeinung
überhaupt geeignet ist, die angeschuldigten Gesundheitsstörungen hervorzurufen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a. a. O., m. w. N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Ruptur der Rotatorenmanschette nicht
rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 3. Januar 2002 zurückzuführen ist. Der Senat stützt sich insoweit auf das
überzeugende erstinstanzliche Gutachten von Dr. N. vom 12. Februar 2010, in welchem der Gutachter ausführt, dass nach Prüfung
aller hierzu vorhandenen einschlägigen Kriterien eine durch das Ereignis vom 3. Januar 2002 zustande gekommene Zusammenhangstrennung
an der Rotatorenmanschette der linken Schulter des Klägers nicht festgestellt werden könne. Dieses Ergebnis wird von Dr. D.
in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2012 bestätigt, wobei der Gutachter zutreffend die für eine Rotatorenmanschettenruptur
nach der unfallrechtlichen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S.
432 f.) geeigneten Verletzungsmechanismen wiedergibt und schlüssig und nachvollziehbar darlegen, weshalb der vom Kläger erlittene
Unfall biomechanisch nicht geeignet war, die Ruptur der Supraspinatussehne zu bewirken. Zu diesem Ergebnis kommt auch Dr.
H. in seinem Gutachten vom 30. August 2004, welches er für die private Unfallversicherung des Klägers erstellt hat. Auch der
Zeuge hat in seinem Zwischenbericht vom 28. Januar 2002 ausgeführt, dass sich aus dem nach der durchgeführten Arthroskopie
ergebenden histologischen Gesamtpaket ergebe, dass die Veränderungen eher degenerativer Natur seien und es sich um eine schwere
Prellung der linken Schulter handle. Er hat hierbei Bezug auf den pathologischen-anatomischen Befundbericht von Prof. Dr.
F. vom 18. Januar 2002 genommen, in welchem dieser angegeben hat, dass sich am untersuchten Biopsiematerial kein Anhalt für
ein frisches, traumatisches Geschehen ergebe. Schließlich kommt auch Dr. J. in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2005 zu
dem Ergebnis, dass der Kläger bei dem Arbeitsunfall lediglich eine Prellung der linken Schulter erlitten habe, die festgestellte
Ruptur der Rotatorenmanschette dagegen unfallunabhängig vorgelegen habe. Dieser Auffassung haben sich auch die den Kläger
behandelnden Ärzte PD Dr. K. sowie Dr. H. in ihrer Stellungnahme vom 21. Februar 2008 angeschlossen.
Alles in allem belegen die medizinischen Befunde damit eindeutig, dass die Ruptur der Supraspinatussehne nicht Folge des erlittenen
Arbeitsunfalls vom 3. Januar 2002, sondern unabhängig vom Unfallgeschehen aufgrund degenerativer Prozesse eingetreten ist.
Unmittelbare Folge des Arbeitsunfalls ist damit nur die von der Beklagten auch anerkannte Prellung der linken Schulter des
Klägers.
Allerdings ist die infolge der Arthroskopie bzw. Operation vom 15. Januar 2002 eingetretene eitrige Gelenkentzündung der linken
Schulter mit daraus folgendem großflächigen Rotatorenmanschettendefekt als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 3. Januar
2002 im Sinne von §
11 Abs.
1 SGB VII anzuerkennen.
Nach §
11 Abs.
1 Nr.
1 und
3 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch solche Gesundheitsschäden oder der Tod eines Versicherten, die durch die Durchführung
einer Heilbehandlung nach dem
SGB VII oder durch Maßnahmen wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet
wurden. Diese Vorschrift regelt, dass auch solche Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände
wesentlich verursacht werden, dem Versicherungsfall rechtlich zugerechnet werden. Diese mittelbaren Folgen müssen - anders
als nach §
8 Abs.
1 SGB VII - nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 m. w. N.). Es genügt dabei, dass der Verletzte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, von seinem Standpunkt aus der Auffassung
sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, der Beseitigung oder Besserung
der durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen. Es ist nicht erforderlich, dass die Heilbehandlung
wegen Folgen des Arbeitsunfalls objektiv geboten war. §
11 Abs.
1 SGB VII bewirkt somit, dass die Mitwirkung an einer vom Unfallversicherungsträger angeordneten ärztlichen Maßnahme sich auch dann
als versichert erweist, wenn sich später herausstellt, dass in Wirklichkeit kein Versicherungsfall vorlag (zu allem BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -; zu § 555
Reichsversicherungsordnung -
RVO -: BSG, Urteil vom 24. Juni 1981 - 2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 58).
Allerdings setzt die Zurechnung eines Gesundheitsschadens, der rechtlich wesentlich durch eine im Sinne von §
11 Abs.
1 SGB VII vom Unfallversicherungsträger angeordnete Maßnahme verursacht wurde, voraus, dass der Träger oder seine Leistungserbringer
gegenüber dem Versicherten durch (festgestellte) Handlungen den Anschein begründet haben, die Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahme
erfolge zur Behandlung von Unfallfolgen (oder zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalles oder einer Unfallfolge)
(BSG, Urteil vom 15. Mai 2012, a. a. O.).
Im vorliegenden Fall fällt der bei dem Kläger vorliegende Rotatorenmanschettendefekt unter §
11 Abs.
1 Nr.
1 bzw. Nr.
3 SGB VII und ist deshalb als mittelbare Unfallfolge dem anerkannten Arbeitsunfall vom 3. Januar 2002 zuzurechnen.
Zur Überzeugung des Senats ist der Rotatorenmanschettendefekt an der linken Schulter des Klägers infolge einer Heilbehandlung
bzw. einer zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung eingetreten, d.h. die Behandlung
war rechtlich wesentliche Bedingung für den an der linken Schulter eingetretenen Schaden (vergleiche hierzu Schmitt,
SGB VII, 2. Auflage 2004, §
11 Rn. 5). Nach den Ausführungen von Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 31. Juli 2006, welches im Wege des Urkundsbeweises
vom Senat verwertet werden kann, ist der Rotatorenmanschettendefekt im linken Schultergelenk des Klägers direkte Folge der
Gelenkentzündung, die sich wiederum unmittelbar durch die bei dem Kläger am 15. Januar 2002 durchgeführte Arthroskopie bzw.
in offener Technik durchgeführte Wiederherstellung der Ruptur der Supraspinatussehne entwickelt hat. Professor Dr. L. führt
insoweit in seinen Gutachten für das Landgericht Darmstadt aus, dass in Auswertung aller medizinischer Unterlagen kein vernünftiger
Zweifel bestehe, dass die Infektion durch die erste Operation am 15. Januar 2002 initiiert worden sei. Diesen schlüssigen
und überzeugenden Ausführungen schließt der Senat sich an. Soweit Dr. M. in seinem Gutachten vom 8. August 2003 ausführt,
dass das Schulterempyem auf der linken Seite Folge der Kathetereinlage vom 19. Februar 2002 sei, kann sich der Senat dieser
Einschätzung nicht anschließen. Denn auch Dr. N. kommt in seinem Gutachten vom 12. Februar 2010 zu dem Ergebnis, dass die
bei dem Kläger bestehende Funktionsstörung der linken Schulter Folge des operativen Eingriffs vom 15. Januar 2002 sei. Diese
Einschätzung wird von Dr. D. in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2012 geteilt, so dass für den Senat feststeht, dass sich
die Gelenkentzündung infolge des operativen Eingriffs vom 15. Januar 2002 entwickelt hat.
Nicht aufklärbar ist in diesem Zusammenhang, ob die Infektion infolge der Arthroskopie oder erst infolge der offenen Operation
an der Rotatorenmanschette eingetreten ist, da beide Eingriffe unmittelbar hintereinander erfolgten. Bei der Arthroskopie
handelt es sich insoweit um eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls im Sinne von §
11 Abs.
1 Nr.
3 SGB VII, die Wiederherstellung der Rotatorenmanschette stellt die Durchführung einer Heilbehandlung nach §
11 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII dar. Dr. N. führt in seinem Gutachten vom 12. Februar 2010 insoweit zwar aus, dass die eingetretene Gelenkinfektion weit
überwiegend dem operativen Eingriff mit Eröffnung der Schulter und Intervention an der Rotatorenmanschette anzulasten sei
und demgegenüber die diagnostische Schulterspiegelung mit einem deutlich geringeren Infektionsrisiko behaftet sei, auch wenn
dieses selbstverständlich nicht bei Null anzusiedeln sei. Dies mag statistisch richtig sein, erbringt jedoch nicht den Vollbeweis
dafür, dass die Infektion erst infolge der Eröffnung der Schulter eingetreten ist.
Auf die Zuordnung des bei dem Kläger infolge der Operation vom 15. Januar 2002 eingetretenen Gesundheitsschadens unter §
11 Abs.
1 Nr.
1 oder Nr.
3 SGB VII kommt es im Ergebnis jedoch nicht an. Denn es ist für beide Zurechnungstatbestände - wie bereits ausgeführt - nicht erforderlich,
dass die Heilbehandlung bzw. die Aufklärungsmaßnahme wegen der Folgen des Arbeitsunfalls objektiv geboten war. Die Zurechnung
erfolgt allein aufgrund der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger zur
Sachverhaltsaufklärung angeordneten Untersuchung bzw. angeordneten Heilbehandlung. Es kommt somit in der Regel nur darauf
an, ob eine derartige Untersuchung bzw. Maßnahme gegenüber dem Versicherten angeordnet wurde und er an ihr teilgenommen sowie
wesentlich dadurch Gesundheitsschäden erlitten hat (BSG, a. a. O.).
Die Anordnung muss dabei nicht durch den Unfallversicherungsträger selbst, sondern kann auch durch einen Durchgangsarzt -
wie vorliegend den Zeugen - erfolgen. Denn nach §
27 Abs.
1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger (Vertrag gemäß §
34 Abs.
3 SGB VII zwischen dem Hauptverband der gewerblichen BGen, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen BGen, dem Bundesverband der Unfallkassen
und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art
und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen in der damals gültigen Fassung vom 1.5.2001, HVBG-Info 2001, 755) beurteilt und entscheidet der Durchgangsarzt, ob eine allgemeine Heilbehandlung nach §
10 dieses Vertrags oder eine besondere Heilbehandlung nach §
11 SGB VII erforderlich ist. Er erstattet dem Unfallversicherungsträger unverzüglich den Durchgangsarztbericht gemäß §
27 Abs. 2 des Vertrags. Soweit sodann ein Durchgangsarzt in dieser Funktion zur Feststellung von Art und Ausmaß der Gesundheitsstörungen
eines Unfallereignisses eine weitere Untersuchung anordnet, ist dies jedenfalls eine Anordnung zur Aufklärung des Sachverhalts
eines Versicherungsfalls im Sinne des §
11 Abs.
1 Nr.
3 SGB VII. Soweit er selbst zur Behandlung einer von ihm als unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren
Kontakt mit dem Unfallversicherungsträger tätig wird, kann es sich um die Durchführung einer Heilbehandlung handeln. Das Handeln
des Durchgangsarztes muss sich der Unfallversicherungsträger im Rahmen der Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des
§
11 SGB VII damit grundsätzlich zurechnen lassen (zu allem BSG, a. a. O.).
Nicht entscheidend ist, ob die Bewilligung oder Ansetzung der Heilbehandlungsmaßnahme durch den Unfallversicherungsträger
(bzw. den Durchgangsarzt) objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv ein Anspruch auf Heilbehandlung bestanden hat. Erforderlich
ist dementsprechend nur, dass der Träger die Maßnahmen gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit
des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. Es kommt somit entscheidend
darauf an, ob der Träger (durch seine Organe) oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt hat,
es solle eine Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilnehmen solle. Dies ist dann anzunehmen,
wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter an der Stelle des konkret Betroffenen die Erklärungen und Verhaltensweisen
der auf Seiten des Trägers tätig gewordenen Personen als Aufforderung zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger
gewollten Maßnahme verstehen durfte (zu allem BSG, a. a. O.). Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts kommt es somit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den gegenüber
dem Versicherten gesetzten Anschein an. Das von dem Sozialgericht zitierte Urteil des Hessischen Landessozialgerichts wurde
insoweit vom Bundessozialgericht (BSG) durch das bereits zitierte Urteil vom 5. Juli 2011 (a. a. O.) teilweise aufgehoben.
Vorliegend hat der für die Beklagte handelnde Zeuge, der den Kläger als Durchgangsarzt behandelt und operiert hat, zur Überzeugung
des Senats gegenüber dem Kläger zumindest den Anschein gesetzt, dass mit der Operation am 15. Januar 2002 eine unfallversicherungsrechtliche
Maßnahme durchgeführt werde. Dies gilt sowohl für die Arthroskopie wie auch die Wiederherstellung der Rotatorenmanschette.
Zwar hat die Vernehmung des Zeugen im Rahmen des Erörterungstermins vom 6. März 2017 im Hinblick auf den Inhalt der Beratung
bzw. der Gespräche zwischen dem Zeugen und dem Kläger vor Durchführung der Operation vom 15. Januar 2002 keine nähere Aufklärung
gebracht, da der Zeuge sich nachvollziehbar aufgrund des langen Zeitablaufs an die konkreten Gesprächsinhalte bzw. den konkreten
Inhalt der Behandlung des Klägers nicht hat erinnern können. Aus den von dem Zeugen erstellten und in der Verwaltungsakte
der Beklagten enthaltenen Berichten ergibt sich jedoch, dass der Zeuge selbst bei Anordnung der Arthroskopie und Durchführung
des gesamten operativen Eingriffs davon ausgegangen ist, eine Maßnahme zur Aufklärung eines Versicherungsfalls bzw. eine diesbezügliche
Heilbehandlung durchzuführen.
So hat der Zeuge in seinem Zwischenbericht vom 9. Januar 2002 der Beklagten mitgeteilt, dass laut Aussage des Radiologen eine
partielle Ruptur der Supraspinatussehne mit traumatisch bedingtem ACG-Erguss vorliege. Nach Therapieerörterung erfolge die
stationäre Aufnahme des Klägers am 14. Januar 2002 und die Arthroskopie am 15. Januar 2002. Die Liquidation folge. Bereits
aus dieser Mitteilung an die Beklagte ergibt sich, dass der Zeuge die stationäre Aufnahme des Klägers zur Aufklärung bzw.
Heilbehandlung von Unfallfolgen angeordnet hat, denn andernfalls hätte der Zeuge die Krankenhausbehandlung zulasten der Krankenkasse
des Klägers anordnen müssen. In seinem Zwischenbericht vom 28. Januar 2002 führt der Zeuge sodann aus, dass sich aus dem nach
der durchgeführten Arthroskopie nunmehr ergebenden histologischen Gesamtpaket ergebe, dass die Veränderungen eher degenerativer
Natur seien. Es handele sich hier um eine schwere Prellung der linken Schulter. Der Aufenthalt im Marienkrankenhaus Flörsheim
sei zur arthroskopischen Abklärung notwendig gewesen. Die Weiterbehandlung erfolge zulasten der Krankenkasse. Der Zeuge stellt
damit klar, dass er zum einen die Arthroskopie zur Aufklärung der Frage, ob es sich bei der Ruptur der Rotatorenmanschette
um eine Unfallfolge handelt, für notwendig erachtet hat. Zum anderen ergibt sich aus dem Bericht, dass der Zeuge erst aufgrund
des histologischen Untersuchungsbefundes selbst zu der Überzeugung gelangt ist, dass es sich um einen degenerativen Schaden
gehandelt hat. Dies hat der Zeuge gegenüber der Beklagten in einem weiteren Bericht vom 28. Februar 2002 auch nochmals bestätigt,
indem er ausgeführt hat, dass die Frage, ob es sich um eine unfallbedingte Verletzung oder durch degenerative Veränderungen
bedingte Verletzung handele, erst nach Eintreffen des histologischen Untersuchungsergebnisses habe entschieden werden können.
Die stationäre Behandlung werde deshalb zulasten der Beklagten abgerechnet.
Darüber hinaus hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung durch den damaligen Berichterstatter im Rahmen der nichtöffentlichen
Sitzung vom 30. August 2013 angegeben, dass der Zeuge ihm bei Besprechung der nach dem Unfall angefertigten Röntgen- bzw.
MRT-Aufnahmen gesagt habe, dass operiert werden müsse. Der Zeuge habe auf das Röntgenbild gezeigt und gesagt, das sei vom
Unfall. Auch bei der nochmaligen persönlichen Anhörung des Klägers im Rahmen des Erörterungstermins vom 6. März 2017 hat der
Kläger angegeben, dass er von dem Zeugen wegen des Unfalls ins Krankenhaus eingewiesen worden sei. Der Zeuge habe ihm nicht
gesagt, zu wessen Lasten die Operation geschehe oder dass bei einer Arthroskopie zunächst nach dem Befund geschaut und nur
gegebenenfalls etwas operiert werde.
In Auswertung der zur Verfügung stehenden Unterlagen und Angaben der Beteiligten ist der Senat deshalb davon überzeugt, dass
der Zeuge sowohl die Arthroskopie wie auch die direkt anschließende operative Sanierung der Rotatorenmanschette links bei
dem Kläger als Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3 bzw. zur Durchführung
einer Heilbehandlung im Sinne von §
11 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII ausgeführt hat. Dies ergibt sich eindeutig aus den in der Verwaltungsakte der Beklagten vorhandenen Berichten des Zeugen.
Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen hat insoweit auch nicht den Beweis dafür erbracht, dass der Zeuge den Kläger
vor Durchführung der Maßnahme darüber aufgeklärt hat, dass es sich nicht um eine Behandlung zur Erkennung oder Heilung von
Unfallfolgen handelt. Aufgrund der in der Verwaltungsakte vorhandenen Unterlagen, die die ärztliche Handlungstendenz des Zeugen,
mit Durchführung der Maßnahme Unfallfolgen zu erkennen bzw. zu behandeln, klar belegen, ist ein dahingehender Hinweis an den
Kläger auch nicht wahrscheinlich.
Da es für die Zurechnung eines Gesundheitsschadens zu einem Versicherungsfall nach §
11 Abs.
1 Nr.
1 bzw. Nr.
3 SGB VII ausreichend ist, dass der Verletzte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung bzw. die
Aufklärungsmaßnahme, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, der Beseitigung oder Besserung der durch den
Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen, spielt es somit keine Rolle, dass - wie bereits ausgeführt - die
Ruptur der Rotatorenmanschette tatsächlich degenerativ bedingt war. Es genügt, dass der Zeuge bei seinem Handeln den objektivierbaren
Anschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung
des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurde. Für den Senat steht unter Auswertung der zur Verfügung stehenden
Beweismittel fest, dass der Kläger, wie auch ein vernünftiger, billig und gerecht denkender Versicherter, aufgrund des Verhaltens
des Zeugen davon ausgehen durfte, dass eine unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werde. Es ergeben sich keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger vom Zeugen klar und deutlich erläutert worden wäre, dass die Arthroskopie bzw. der daran
angeschlossene Eingriff zur Behebung eines unfallunabhängigen Leidens erfolge. Wie bereits dargelegt, belegen insbesondere
die Berichte des Zeugen an die Beklagte genau das Gegenteil, nämlich dass der Zeuge selbst von einer Aufklärung bzw. Behandlung
von Unfallfolgen ausgegangen ist.
Im Ergebnis greift damit zu Gunsten des Klägers die Zurechnungsnorm des §
11 Abs.
1 Nr.
1 bzw. Nr.
3 SGB VII, so dass der infolge des operativen Eingriffs vom 15. Januar 2002 aufgrund der Infektion des Schultergelenks entstandene
großflächige Rotatorenmanschettendefekt links als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 3. Januar 2002 anzuerkennen ist.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Oktober 2010 war dementsprechend aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung
des Bescheides vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2008 zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 Abs.
1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.