LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.08.2018 - 15 P 41/15
Rechtmäßigkeit des durch eine Schiedsstellenentscheidung zustande gekommenen Rahmenvertrages
Gerichtliche Kontrolldichte bei der Überprüfung von Schiedssprüchen
Gesetzlich eingeschränkte Vereinbarungsmöglichkeiten
1. Gerichtlich ist bei der Bewertung eines Schiedsspruchs ausschließlich zu prüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in
einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende
Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist und die gefundene Abwägung Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden
hat.
2. Der Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle geht nur soweit, wie der Gesetzgeber es den Vereinbarungspartnern selbst überlässt,
die Inhalte von Vereinbarungen festzulegen; wenn zwingendes Gesetzesrecht die freie Vereinbarungsmöglichkeiten einschränkt,
gilt dies auch für die Schiedsstelle, sie hat dann keinen Beurteilungsspielraum.
Der Schiedsspruch der Beklagten vom 25. Juli 2015 wird aufgehoben, soweit mit diesem Folgendes festgesetzt wurde:
1. Die Inhalte der Leistungs- und Vergütungsstruktur regelt der AI. Leistungskomplexkatalog, der als Anlage 3 dem Rahmenvertrag
beigefügt ist. Der Leistungskomplexkatalog gem. Satz 1 gilt, sofern und soweit die AI. Pflegevergütungskommission keine anderen
Regelungen dazu trifft. Abweichende Regelungen sind im Einzelfall zwischen den Vertragspartnern nach § 89 Abs. 2 SGB XI möglich.
2. Mit Ausnahme des Leistungskomplexes Nr. 7 werden der AI. Leistungskomplexkatalog, die Leistungsbeschreibung der Grundpflege
nach Zeit und Betreuung nach Zeit als Anlage 3, 3a und 3b als weitere Bestandteile dem Rahmenvertrag beigefügt.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. - 17. tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen zu 1., 2., 18., 19., 20., die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des durch Schiedsstellenentscheidung vom 25. Juli 2015 zustande gekommenen
Rahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung in AJ. vom 1. September 2015. Die Beteiligten sind sich dabei uneinig über die Inhalte
der Anpassung des Rahmenvertrages, soweit mit dem Schiedsspruch der niedersächsische Leistungskomplexkatalog als Bestandteil
des Rahmenvertrages festgelegt wurde.
Zuvor galt in AJ. der Rahmenvertrag für die ambulante pflegerische Versorgung vom 9. März 2006 in der zum 1. Januar 2011 geänderten
Fassung der Schiedsstellenfestsetzung. Die Leistungserbringerverbände der ambulanten Pflegedienste (die Beigeladenen zu 1.
bis 11.) haben im April 2013 zu Verhandlungen aufgefordert und dabei jeweils die aus den Pflegeneuausrichtungs-Gesetz (PNG)
folgenden Änderungs- und Ergänzungsbedarfe als Verhandlungsgegenstand benannt. Durch das PNG seien insbesondere die Rahmenbedingungen
hinsichtlich der neu eingeführten Leistungen der häuslichen Betreuung gem. § 124 Sozialgesetzbuch Elftes Buch ( SGB XI) sowie die Abrechnungsmodalitäten der Vergütung nach Zeitaufwand gem. § 89 SGB XI zu ergänzen. Am 30. Mai 2013 wurden die Verhandlungen aufgenommen und die Änderungsbedarfe aus Sicht der Leistungserbringer
sowie aus Sicht der Kostenträger vorgestellt. Darauffolgend fanden Verhandlungsrunden am 24. September und 13. November 2013
statt; in diesen konnte ein Teil der notwendigen Änderungen einvernehmlich beschlossen werden. Die Kläger und die Beigeladenen
haben in der Verhandlungsrunde am 13. November 2013 darüber hinaus eine Reihe von Forderungen zur Novellierung des Rahmenvertrages
erhoben, zu denen teilweise kein Konsens erzielt werden konnte. Ein ursprünglich für Januar 2014 anberaumter weiterer Verhandlungstermin
wurde seitens der Kläger abgesagt. Am 12. Mai 2014 fand die letzte Verhandlungsrunde statt. Die Beteiligten haben sich darauf
verständigt, lediglich die als "verhandelbar" bewerteten Forderungen zu verhandeln, so dass auf diesem Wege noch weitere Änderungen
konsentiert werden konnten. Für die übrig gebliebenen Punkte wurde am Ende der Verhandlung das Scheitern erklärt. Es wurde
darüber hinaus einvernehmlich festgelegt, die geeinten Änderungen nach Abschluss eines Schiedsverfahrens zusammen mit den
durch Schiedsspruch festgesetzten Änderungen im Rahmenvertrag zu ergänzen und durch Unterschriftenverfahren rechtswirksam
werden zu lassen.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2014, eingegangen am 2. Juli 2014 beim AK. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, haben die Beigeladenen zu 3 bis 17, mit Schreiben vom 1. Juli 2014, eingegangen
am 4. Juli 2014, haben die Kläger sowie der AI. Landkreistag und die Beigeladenen zu 1 und 2 und mit Schriftsatz vom 28. Juli
2014, eingegangen am 31. Juli 2014, der Beigeladene zu 16. um eine Entscheidung der Schiedsstelle zu den in den Verhandlungen
streitig gebliebenen Punkten des Rahmenvertrages nachgesucht. Die Schiedsstelle hat die streitig gebliebenen Punkte zunächst
in einem ersten Termin am 23. Januar 2015 verhandelt. Hierbei konnten in zahlreichen Punkten übereinstimmende Regelungen gefunden
werden. Sodann fand am 5. Februar 2015 wegen der strittigen Frage der Einbeziehung des Leistungskomplexsystems eine interne
Sitzung der Schiedsstelle statt. In einem zweiten Termin am 26. Februar 2015 wurde die Verhandlung fortgesetzt. Auch hierbei
konnten wiederum in weiteren Punkten Verständigungen gefunden werden. Offen blieb u.a. die Frage der Einbeziehung des Leistungskomplexsystems
in den Rahmenvertrag und dessen Ausgestaltung. Die Schiedsstelle regte sodann an, die für die ambulante Pflege zuständige
AI. Pflegevergütungskommission möge vorab klären, ob sie sich imstande sehe, eine hierzu für die Schiedsstelle geeignete Orientierungshilfe
anzubieten. Die dazu aufgenommenen Verhandlungen blieben ohne Erfolg. Am 28. Mai 2015 wurde sodann eine dritte Verhandlungsrunde
bei der Schiedsstelle durchgeführt, hierbei blieb u.a. die Regelung über die Inhalte der Leistung und die Vergütungsstruktur
streitig.
Hinsichtlich der begehrten Regelung zur Leistungskomplexsystematik trugen die Beigeladenen zu 3 bis 17 vor, dass eine entsprechende
Regelung gem. § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XI möglich sei, soweit Leistungserbringer und Kostenträger im Einzelfall abweichende Vereinbarungen davon treffen könnten. Dementsprechend
könne auch die erforderliche Gewichtung der einzelnen Leistungskomplexe durch die Schiedsstelle vorgenommen werden. Die Kläger
und die Beigeladenen zu 1 und 2 vertraten die Ansicht, dass Regelungen zum Leistungskomplexsystem im Rahmenvertrag nicht getroffen
werden könnten. Die Leistungskomplexe bildeten ein einheitliches Vergütungssystem bestehend aus Leistungsbeschreibung, Punktzahlen
und Punktwerten. Dieses System könne nicht geteilt werden und sei in der jeweiligen einrichtungsindividuellen Vergütungsvereinbarung
zu regeln. Anderenfalls wäre es nicht möglich, ggf. einrichtungsindividuelle Besonderheiten zu berücksichtigen.
Die Beklagte entschied daraufhin durch Schiedsspruch vom 25. Juli 2015 unter anderem:
- Der AI. Leistungskomplexkatalogs regele die Inhalte der Leistungs- und Vergütungsstruktur, der als Anlage 3 dem Rahmenvertrag
beigefügt sei. Der Leistungskomplexkatalog gemäß Satz 1 gelte, sofern und soweit die AI. Pflegevergütungskommission keine
anderweitigen Regelungen dazu treffe. Abweichende Regelungen seien im Einzelfall zwischen den Vertragspartnern nach § 89 Abs. 2 SGB XI möglich (Punkt 1 des Schiedsspruchs). -
- Mit Ausnahme des Leistungskomplexes Nr. 7 werde der AI. Leistungskomplexkatalog, die Leistungsbeschreibung der Grundpflege
nach Zeit und Betreuung als Anlagen 3, 3a + 3b als weitere Bestandteile dem Rahmenvertrag beigefügt (Punkt 2 des Schiedsspruchs).
-
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Entscheidung sachgerecht sei. Sie führe insgesamt zu einer angemessenen,
aber auch notwendigen Fortentwicklung des AK. Rahmenvertrages zur ambulanten pflegerischen Versorgung vor dem Hintergrund geänderter Gegebenheiten. Die Schiedsstelle
sei ihrer Verpflichtung, ggf. ein Vergütungsmodell zu bestimmen, hier nachgekommen, indem sie eine (teilweise) Einbeziehung
in das rahmenvertragliche System gem. § 75 SGB XI vornehme. Sie verstehe das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 - B 3 P 8/07R) dahingehend, dass ein Vergütungsmodell ggf. nicht nur für die einzelne Einrichtung
zu bestimmen sei, sondern einheitlich für alle in Betracht kommenden Leistungserbringer. Nur so sei es darüber hinaus in AJ.
gegenwärtig möglich, hinsichtlich des in der ambulanten Pflege anzuwendenden Vergütungsmodelles sowohl den Einrichtungen als
auch den Pflegekassen ein funktionierendes und effektives Konfliktlösungsmodell zur Verfügung zu stellen. Zwar hätten die
Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass die "Weiterentwicklung des Leistungskomplexsystems" eigentlich in der Pflegevergütungskommission
zu erfolgen habe. Die Schiedsstelle habe jedoch feststellen müssen, dass die Pflegevergütungskommission dazu gegenwärtig nicht
in der Lage sei, weil nach deren Geschäftsordnung einstimmige Entscheidungen erforderlich seien (vgl. § 4 Abs. 3 Geschäftsordnung
der Pflegevergütungskommission im Land AJ.). Einstimmige Entscheidungen seien seit Längerem aufgrund gegenseitiger Blockaden
nicht möglich, so dass sogar Punkte im Leistungskomplexsystem verblieben, obwohl diese unstreitig zwischenzeitlich obsolet
geworden seien. Weitere Folge sei, dass die Fort- bzw. Weiterentwicklung des Leistungskomplexsystems außerhalb der Pflegevergütungskommission
habe erfolgen müssen und in etwaigen nachfolgenden Schiedsverfahren allenfalls auf eine geübte Praxis habe verwiesen werden
können. Dementsprechend sei eine belastbare, funktionsfähige Grundlage für alle Leistungserbringer nicht mehr vorhanden gewesen.
Die Schiedsstelle berücksichtige bei ihrer Entscheidung auch die vorrangige Verantwortlichkeit der Pflegevergütungskommission,
indem dieser selbstverständlich ermöglicht werde, jederzeit von der Bewertung der Schiedsstelle abweichende rahmenvertragliche
Regelungen zu treffen oder entsprechende Empfehlungen auszusprechen. Der Schiedsstelle sei es nicht mehr dauerhaft tragfähig
erschienen, eine Bestimmung des Vergütungsmodelles ausschließlich in Einzelfallentscheidungen, wie sie das Bundessozialgericht
in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2009 gebilligt habe, zu treffen. Hiergegen spreche bereits der Umstand, dass es sich
um ein "Modell" handele, dass eben nicht auf den Einzelfall abstelle, sondern gerade "modellhaft" darauf angelegt sei, als
Grundlage für eine Vielzahl von Leistungserbringungen Anwendung finden zu können. Nur so lasse sich die erforderliche Transparenz
und Gleichbehandlung, wie sie insbesondere anzustellende Entgeltvergleiche erforderten, sowie ökonomische und rechtliche Sicherheit
gewährleisten. Zwar sei einzuräumen, dass sich das AI. Vergütungsmodell "Leistungskomplexsystem 2002" nach seiner Einführung
in AJ. flächendeckend durchgesetzt und bewährt habe. Nunmehr sei dieses aber offenbar mit der Einführung der Vergütung nach
Zeitaufwand an seine Grenze gelangt und es bedürfe einer ergebnisoffenen Überprüfung. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen
eine Regelung betreffend das zu verwendende Vergütungsmodell im Rahmenvertrag seien nicht erkennbar. Es sei ferner darauf
hinzuweisen, dass es den Klägern nicht möglich gewesen sei, einen Vorgang zu benennen, bei dem abweichend von der gelebten
Praxis konkrete einrichtungsindividuelle Vereinbarungen ausgehandelt worden seien. Die neue rahmenvertragliche Regelung erlaube
die Aufnahme des gelebten Leistungsmodelles in den Rahmenvertrag, ohne dass die Schiedsstelle gezwungen wäre, sich in jedem
einzelnen Verfahren erneut mit den grundsätzlichen Problemen eines Leistungskomplexsystems in seinen unterschiedlichen Ausprägungen
auseinandersetzen zu müssen. Insoweit führe die Entscheidung der Schiedsstelle zugleich zu Rechtssicherheit und Gleichbehandlung.
Es werde allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nicht zu einer "kollektiven" Verhandlung der Vergütung
führe. Dies sei eine eindeutige Fehl- bzw. Überinterpretation. Die konkrete Vergütung werde weiterhin allein durch den Punktwert
bestimmt, der entsprechend der normativen Vorgaben einrichtungsindividuell zu verhandeln und abzuschließen sei. Dies führe,
entgegen der Auffassung der Kläger, jedoch nicht zu einem unzulässigen Auseinanderfallen der einheitlichen Vergütung.
Gegen die Punkte 1. und 2. dieses Schiedsspruches wenden sich die Kläger mit ihrer am 21. September 2015 beim Landessozialgericht
(LSG) erhobenen Klage. Hinsichtlich der getroffenen Regelungen zu 1. und 2. sei der Schiedsspruch vom 25. Juli 2015 rechtswidrig,
da die Schiedsstelle ihre Regelungskompetenz überschritten habe. Gem. § 75 Abs. 1 SGB II schlössen die Landesverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen sowie
des Verbandes der privaten Krankenversicherungen e. V. mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen
gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge mit dem Ziel, eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten
sicherzustellen. Die Regelungskompetenz der Vertragsparteien gem. § 75 Abs. 1 SGB XI werde damit durch den genannten Vereinbarungszweck begrenzt. § 75 Abs. 2 Ziffern 1 bis 9 SGB XI sähen insoweit einzelne Regelungsgegenstände vor, die vor dem Hintergrund dieses Vereinbarungszweckes einer Regelung durch
Rahmenverträge zugänglich seien. Rahmenvorgaben zu einem Vergütungsmodell oder zu einzelnen Vergütungsfragen gehörten hierzu
nicht. Es sei zwar zutreffend, dass der Regelungskatalog des § 75 Abs. 2 S. 1 SGB XI nicht abschließend zu verstehen sei und somit weitere, dort nicht aufgeführte, rahmenvertragliche Regelungen denkbar seien.
Die angefochtenen Regelungsgegenstände dienten aber allein der Vergütungsfindung. Vergütungsvereinbarungen seien lediglich
nach der Vorschrift des § 89 SGB XI vorgesehen. Den Vertragspartnern der Vergütungsvereinbarung sei es insoweit überlassen, sich jeweils auf eins der in § 39 Abs. 3 SGB XI genannten Vergütungssysteme zu verständigen, hierzu gehöre ausdrücklich auch eine Vergütung nach Komplexleistungen. Es obliege
daher den Vertragspartnern der Vergütungsvereinbarungen, die jeweils konkreten Leistungskomplexe, die bestimmten Punktzahlen
und Punktwerten zuzuordnen seien, im Rahmen der Vergütungsvereinbarung festzulegen. Infolge dieser ausdrücklichen gesetzlichen
Regelung entziehe sich die Festlegung eines Vergütungssystems einer Regelung durch Rahmenvereinbarung nach § 75 SGB XI. Auch die gem. § 75 Abs. 6 SGB XI erlassenen Empfehlungen zum Inhalt der Verträge nach § 75 Abs. 1 SGB XI vom 13. Februar 1995 würden nicht vorsehen, dass Vergütungsbestandteile, insbesondere die Vergütungssystematik, durch Rahmenverträge
gem. § 75 SGB XI geregelt werden könnten.
Die Ausführungen der Beklagten erschöpften sich letztendlich in Praktikabilitätserwägungen. Die Frage, ob die Pflegevergütungskommission
derzeit in der Lage sei, dass Leistungskomplexsystem weiterzuentwickeln, begründe keine Regelungskompetenz. Gleiches gelte
für die Frage, ob eine belastbare, funktionsfähige Grundlage für alle Leistungserbringer existiere oder nicht. Auch die seitens
der Schiedskommission angeführten sonstigen Praktikabilitätserwägungen könnten die von dem Gesetzgeber vorgesehene Trennung
zwischen der gem. § 75 SGB XI in Rahmenverträgen zu regelnden Ausgestaltung der Leistungserbringung und den Vergütungsregelungen gem. § 89 SGB XI nicht außer Kraft setzen. Nichts Anderes ergebe sich auch aus der Entscheidung des BSG vom 29. Januar 2009. In dieser Entscheidung habe das BSG ausführlich dargelegt, dass dem Grundkonzept nach das Vergütungsrecht für Pflegeeinrichtungen maßgeblich von der Erwartung
bestimmt werde, durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst kostengünstigere Leistungen setzen zu können. Grundlage
hierfür sei im dort entschiedenen Fall für die stationäre Pflege die Regelung des § 85 Abs. 2 S. 2 SGB XI. Hierdurch solle, so das BSG, anstelle einer für alle Einrichtungen einheitlichen Preisgestaltung eine den Preiswettbewerb ausdifferenzierte Preisbildung
befördert werden. Diese Erwägungen stünden einer rahmenvertraglichen Festlegung von Vergütungsstrukturen grundsätzlich entgegen.
Dabei komme es nicht darauf an, ob die gelebte Praxis in AJ. derzeit überwiegend einheitliche Vergütungsstrukturen vorsehe.
Es obliege den Vertragsparteien der Pflegevergütungsvereinbarung gem. § 89 Abs. 2 SGB XI, sich hierauf zu verständigen oder hiervon ggf. abzuweichen. Letztendlich seien die Leistungserbringerverbände gem. § 75 SGB XI keine Vertragspartner der Vergütungsvereinbarung. Sie seien daher unter keinem Gesichtspunkt legitimiert, ein Vergütungsmodell
im Rahmenvertrag festzulegen.
Die Kläger beantragen, den Schiedsspruch der Beklagten vom 25. Juli 2015 aufzuheben, soweit mit diesem folgendes festgesetzt
wurde: 1. Die Inhalte der Leistungs- und Vergütungsstruktur regelt der AI. Leistungskomplexkatalog, der als Anlage 3 dem Rahmenvertrag
beigefügt ist. Der Leistungskomplexkatalog gem. Satz 1 gilt, sofern und soweit die AI. Pflegevergütungskommission keine anderen
Regelungen dazu trifft. Abweichende Regelungen sind im Einzelfall zwischen den Vertragspartnern nach § 89 Abs. 2 SGB XI möglich. 2. Mit Ausnahme des Leistungskomplexes Nr. 7 werden der AI. Leistungskomplexkatalog, die Leistungsbeschreibung der Grundpflege nach Zeit und Betreuung nach Zeit als Anlage
3, 3a und 3b als weitere Bestandteile dem Rahmenvertrag beigefügt. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Ihre Entscheidung
sei von ihrer Entscheidungskompetenz gedeckt. Sie gehe dabei vom Zweck des Gesetzes aus, mit der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI ein für alle Beteiligten faires, auf Interessenausgleich angelegtes Konfliktlösungsmodell sowohl für Einzel- als auch für
Rahmenvereinbarungen zur Verfügung zu stellen. Ein solches sei nur dann gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - Regelungen
durch die Pflegevergütungskommission nicht entschieden würden und somit entweder in Einzelvereinbarungen oder in rahmenvertraglichen
Regelungen zu treffen seien. Schiedsstellenfähige Einzelvereinbarungen lasse die angegriffene Entscheidung ausdrücklich zu,
obwohl die Kläger in den mehrmonatigen Verhandlungen vor der Schiedsstelle nicht in der Lage gewesen seien, eine einzige Vereinbarung
zu benennen, in der eine einrichtungsindividuelle Bestimmung der einzelnen Leistungen des Leistungskomplexsystems vorgenommen
worden sei. Die Leistungskomplexe in über 1000 Einzelverfahren "schiedsstellenfähig" zu stellen, könne nicht das wirkliche
Anliegen der Kläger sein. Denn dies würde zu einer Vielzahl von Verfahren mit unterschiedlichen Leistungskomplexen und Punktzahlen
führen. Eine Vergleichbarkeit von Leistung und Vergütung wäre sodann nicht gegeben. Wären nur Einzelvereinbarungen zum Leistungskomplexsystem
rechtmäßig, stelle sich darüber hinaus die Frage der rechtlichen Zulässigkeit von kollektiven Vereinbarungen mit den Leistungserbringerverbänden,
wie dies u. a. Gegenstand des ebenfalls die Zeitvergütung betreffenden Verfahrens vor dem LSG gewesen sei [L 15 P 4/14 KL].
Der von den Klägern dargestellte Konflikt zwischen Einzelvereinbarung und/oder Rahmenvereinbarung bestehe daher in Wirklichkeit
nicht. Die Schiedsstelle greife auch nicht in unzulässiger Weise in das Vergütungsgeschehen ein. Insoweit werde der Entscheidung
des BSG vom 29. Januar 2009 (B 3 P 8/07 R, Rn. 21) entnommen, dass die Schiedsstelle nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei, eine tragfähige, einheitliche
Grundlage für Vergütungsvereinbarungen zu schaffen und ggf. weiterzuentwickeln. Dieser Verpflichtung könne sie nicht nur durch
einzelne Entscheidungen nachkommen, sondern dies könne auch mit rahmenvertraglichen Regelungen geschehen. Anderenfalls wäre
dies, wie bereits die Wortwahl des BSG in diesem Zusammenhang zeige, kein "Modell". Die Bestimmung von Inhalt und Umfang einzelner Leistungen im Rahmen eines Leistungskomplexsystems
stelle selbstverständlich ebenso wie die Punktezahlbestimmung eine Ausgestaltung der Leistungserbringung dar. Hinreichende
differenzierende Leistungen und abgestimmte und ausgewogene Punktzahlen seien entscheidende Voraussetzung für eine wirksame
und wirtschaftliche Versorgung. Mit Beschluss vom 9. Mai 2018 und 20. Juni 2018 hat der Senat die Beigeladenen zu 3 bis 17
beigeladen. Diese beantragen ebenfalls, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führen sie aus, die beklagte Schiedsstelle überschreite
mit dem erlassenen Schiedsspruch nicht ihre Festsetzungskompetenz. Das Schiedsverfahren über die im Verhandlungswege nicht
konsentierten Punkte eines Landesrahmenvertrages nach § 75 Abs. 4 SGB XI stelle seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Die Kläger stützten
sich ausschließlich darauf, dass die Schiedsstelle keine Festsetzungskompetenz für die Leistungskomplexstruktur besitze. §
75 Abs. 1 S. 1 SGB XI enthalte einen Katalog von Regelungsmaterien, die ausdrücklich den Rahmenvertragspartnern zugewiesen seien und deren Festsetzung
im Falle fehlender Konsentierung also durch die Schiedsstelle zu erfolgen habe. Jedenfalls die Leistungsbeschreibungen der
Leistungskomplexe seien von der ausdrücklichen Regelungskompetenz des § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XI umfasst. Die Punktzahl- Volumina der Leistungskomplexe hätten - ähnlich der Struktur des einheitlichen Bewertungsmaßstabes
in der vertragsärztlichen Versorgung - die Aufgabe, die Leistungen hinsichtlich des Aufwandes und der Schwierigkeit zueinander
in ein Verhältnis zu setzen. Soweit es um eine solche Gewichtung der Leistung zueinander durch eine punktzahlmäßige Bewertung
gehe, sei dies zwar nicht durch § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XI vorgeschrieben. Der Kompetenzkatalog des § 75 Abs. 2 S. 1 SGB XI sei jedoch nicht abschließend, wie das vorangestellte Wort "insbesondere" aufzeige. Verstehe man den Vereinbarungszweck nach
§ 75 Abs. 1 SGB XI so, dass alle mit dem Leistungsrecht kompatiblen bzw. dessen Umsetzung dienenden leistungserbringungsrechtlichen Vorschriften
durch den Rahmenvertrag ausgestaltet werden könnten, lasse § 75 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. SGB XI ohne Weiteres die Festlegung von PunktzahlVolumina der Leistungskomplexe zu. Gem. § 7 Abs. 3 S. 1 SGB XI müssten die Pflegekassen den Pflegebedürftigen Vergleichslisten über die Leistungen und Vergütungen der Pflegeeinrichtung
übermitteln, damit die Versicherten ihr Wahlrecht i. S. des § 2 Abs. 2 SGB XI auf der Basis von wirtschaftlichen Daten wahrnehmen könnten. Durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz sei der Mindestinhalt
der Vergleichslisten mit Wirkung ab 1. Juli 2008 ausgebaut worden, in dem der Inhalt der Leistungs- und Preisvergleichslisten
noch um konkrete Informationen u. a. zu den Kosten für zugelassene Pflegeeinrichtungen ausgebaut worden sei. In AJ. sei dies
über viele Jahre nicht gesichert gewesen, weil nebeneinander mindestens vier unterschiedliche Leistungskomplexsysteme mit
unterschiedlichen Bewertungen und Zusammenstellung der Leistungen zu Komplexen existiert hätten, deren "Wechselkurse" zueinander
für die Versicherten keineswegs transparent gewesen seien. Erst unter Mithilfe der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI habe dann mit der Entwicklung des "AK. Leistungskomplexsystems 2002" mit einer Harmonisierung begonnen werden können. Die Festlegung eines einheitlichen Leistungskomplexsystems
stärke damit die Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungsangebote, die durch § 7 Abs. 3 SGB XI geschützt seien und die effektive Ausübung des Wahlrechts nach § 2 Abs. 2 SGB XI verbessern sollen. Mithin sei die Vereinbarung grundsätzlich einheitlicher Leistungskomplexe mit grundsätzlich einheitlichen
Bewertungen zueinander eine leistungserbringungsrechtliche Angelegenheit, die jedenfalls die Ausübung der Leistungsrechte
stütze und damit vom Vereinbarungszweck des § 75 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. SGB XI gedeckt sei. Dass die Bundesrahmenempfehlung gem. § 75 Abs. 6 SGB XI keine Empfehlung zur Festlegung von Leistungskomplexsystemen für den Regelfall vorsehe, ändere daran nichts. Erstens wirke
diese nicht normativ und schon gar nicht gehe von ihr eine negative Sperrwirkung dergestalt aus, dass die Partner der Landesrahmenverträge
- bzw. bei fehlender Einigung die Schiedsstelle - daran gehindert seien, eine Materie zu regeln, die die Bundesrahmenempfehlung
nicht behandele. Zweitens stamme diese Empfehlung aus dem Jahre 1995. Zu diesem Zeitpunkt sei weder abzusehen gewesen, ob
sich unterschiedliche Leitungskomplexsysteme in denselben Regionen entwickeln würden, noch ob die Partner der gemeinsamen
Selbstverwaltung auf der Ebene der Pflegesatzkommission nach § 85 SGB XI zur Weiterentwicklung der Leistungskomplexe auf einer Kollektivebene in der Lage sein würden. Die Festsetzung der Schiedsstelle
widerspreche auch nicht dem Verdikt der einrichtungsindividuellen Vereinbarung der Vergütung. Zwar gehe das BSG auch für die Vergütung ambulanter Pflegeleistungen grundsätzlich davon aus, dass für jeden Pflegedienst eine gesonderte Vergütungsvereinbarung
zu schließen sei und getrennte Schiedsverfahren durchzuführen seien. Daraus folge auch, dass der Schiedsspruch einer Schiedsstelle
nach § 76 SGB XI grundsätzlich rechtmäßig sei, soweit er ein Vergütungsmodell zwischen den Beteiligten festlege, weil die Schiedsstelle bei
entsprechend fehlgeschlagener Einigung nach vorangegangener Verhandlung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei,
auch ein Vergütungsmodell zu bestimmen (BSG, aaO, Rn. 22). Andererseits sei eine Entscheidung einer Schiedsstelle gem. § 76 SGB XI zu einer landesweiten Vereinheitlichung eines Vergütungsmodells damit zu vereinbaren (BSG, aaO, Rn. 24). Das BSG befinde es für rechtmäßig, wenn die Träger ambulanter Pflegedienste unabhängig von der Art ihrer Trägerschaft ihre Leistungen
nach einem einheitlichen Vergütungsmodell abrechneten, wenn und weil die Höhe der Vergütung "nicht in erster Linie von dem
Modell, sondern den für die Leistungen bzw. Leistungsmodule angesetzten Punktwerten bestimmt wird, die individuell auszuhandeln
sind". Vorliegend habe die Schiedsstelle keine Festsetzung zum Punktwert getroffen, so dass die Vergütung immer noch individuell
nach Maßgabe der plausiblen prospektiven Gestehungskosten und der wirtschaftlichen Betriebsführung ausgehandelt werden könne.
Zudem habe das BSG sich mit einer Entscheidung der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI des Landes AL. zu befassen gehabt. Dort bestehe ein Rahmenvertrag gem. § 75 SGB XI, der seit der Änderung vom 13. September 2001 in § 19a die Bildung eines Grundsatzausschusses vorsehe, der ausdrücklich auch über die Leistungsbeschreibung und Bewertung der Leistungskomplexe
entscheiden solle. Dessen Beschlüsse würden in den Landesrahmenvertrag inkorporiert. Das BSG habe keinen Anlass gesehen, sich mit dieser Systematik auseinanderzusetzen.
Mit Beschluss vom 10. August 2018 hat der Senat die Beigeladenen zu 18 bis 20 beigeladen. Die Beigeladenen zu 1, 2, 18, 19
und 20 haben sich inhaltlich zum Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt. Die Kläger und die Beigeladenen haben
den Schiedsspruch in § 2 Abs. 6 des Rahmenvertrags gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung vom 1. September 2015 vorbehaltlich der gerichtlichen Entscheidung ausgeführt. Wegen
der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Das LSG ist nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) im ersten Rechtszug für die Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI zuständig. Richtige Klageart ist - wie von den Klägern erhoben - die Anfechtungsklage. Klagt ein an der Normsetzung Beteiligter
nach § 75 SGB XI gegen einen Schiedsspruch nach § 76 SGB XI, ist allein die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthaft (Sächsisches LSG, U. v. 24. April 2018 - L 9 P 7/16 R). Das Klagebegehren ist primär und vollständig auf die ersatzlose Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des ergangenen Schiedsspruchs
gerichtet. Die Kläger sind als Partner der Rahmenverträge (Landesverbände der Pflegekassen, vgl. § 52 SGB XI) klagebefugt. Die Schiedsstelle ist als richtiger Klagegegner nach § 70 Nr. 4 i.V.m. § 51 Abs. 2 S. 1 SGG beteiligtenfähig und nach § 71 Abs. 4 SGG prozessfähig (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 19/00 R).
Die Klage ist auch begründet. In materieller Hinsicht hält der angefochtene Schiedsspruch (Ziffer 1 und 2) der gerichtlichen
Prüfung nach § 75 SGB XI nicht stand. Er verletzt die Kläger in ihren Rechten und war aufzuheben, weil die Beklagte die Grenzen ihrer Zuständigkeit
im Rahmen des Schiedsverfahrens verkannt hat und der Schiedsspruch gegen zwingendes Gesetzesrecht verstößt. Das BSG hat nicht zuletzt in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2009 zum Schiedsstellenverfahren im Verfahren B 3 P 7/08 R erläutert, dass der Schiedsspruch seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium
darstelle. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der Weisungsfreiheit wolle der Gesetzgeber
die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer Entscheidungsfindung
nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare sei und häufig Kompromisscharakter aufweise. Dabei hätten die Schiedsstellen
eine umfassende Aufklärungspflicht und dürften Ermittlungen durchführen. Gleichzeitig müssten sie den Beschleunigungsgrundsatz
beachten. Daran hat es auch im Folgenden auch unter Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung anderer Senate zu Schiedsstellen
nach anderen Vorschriften festgehalten (z.B. Urteil vom 25. Januar 2017, B 3 P 3/15 R, juris Rn. 29). Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle ist
nach den Ausführungen des BSG, denen sich der Senat nach eigener Prüfung bereits angeschlossen hat (vgl. z.B. Urteil vom 22. Juni 2017 - L 15 P 16/14 KL -) gerichtlich ausschließlich zu prüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des
rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten
worden ist. Dies setzt voraus, dass die gefundene Abwägung Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat. Die
Anforderungen an die Begründung dürfen jedoch nicht überspannt werden, weil die Schiedsstelle keinen eigenen Verwaltungsunterbau
unterhält und deshalb in besonderer Weise auf die Mitwirkung ihrer Mitglieder angewiesen ist. Allerdings reicht der Beurteilungsspielraum
der Schiedsstelle nur soweit, wie der Gesetzgeber es den Vereinbarungspartnern selbst überlässt, die Inhalte von Vereinbarungen
festzulegen. Soweit zwingendes Gesetzesrecht freie Vereinbarungsmöglichkeiten einschränkt, kommt auch der Schiedsstelle kein
Beurteilungsspielraum zu (BSG, Urteil vom 25. Januar 2017, B 3 P 3/15 R, juris Rn. 30). Wenn die Vertragspartner eines Rahmenvertrages von Gesetzes wegen nicht berechtigt sind, bestimmte Vergütungsregelungen
zu treffen, fehlt auch der Schiedsstelle die Zuständigkeit, in diesem Bereich durch Schiedsspruch zu entscheiden (vgl. auch
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, juris Rn. 23 zur fehlenden Zuständigkeit der Schiedsstelle betreffend die Vergütung der Beratungsbesuche nach § 37 Abs. 3 SGB XI im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI). Vorliegend mangelte es der Beklagten an der Zuständigkeit, in einem Schiedsverfahren nach § 75 Abs. 4 SGB XI die (vorrangige) Anwendung des Leistungskomplexkataloges für die ambulante Pflege in Niedersachsen per Schiedsspruch mit
der Folge der Verbindlichkeit gemäß § 75 Abs. 1 S. 4 SGB XI vorzugeben und diesen mit den Leistungsbeschreibungen und den jeweiligen Punktzahlen zu den Leistungskomplexen als Bestandteil
des Rahmenvertrages festzulegen. Die Befugnisse der Vertragsparteien eines Rahmenvertrages zur ambulanten pflegerischen Versorgung
nach § 75 SGB XI sind bestimmt durch den in Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 allgemein auf die Sicherstellung einer wirksamen und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgung der Versicherten
ausgerichteten Vereinbarungszweck sowie den Katalog einzelner Vertragsgegenstände nach Abs. 2 und 3. Hiernach können Rahmenverträge
geschlossen werden, soweit sie durch die Regelungsziele nach Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 gerechtfertigt und die Regelungsgegenstände
von dem Katalog nach Abs. 2 oder 3 umfasst sind (Schütze in: Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 75 Rn. 3). Die Regelungskompetenz nach § 75 SGB XI umfasst die leistungserbringungsrechtliche Abwicklung der vorgegebenen leistungsrechtlichen Ansprüche. Gegenstand nach §
75 SGB XI kann jede Regelung sein, die der Ausgestaltung der Leistungserbringung nach Maßgabe des Leistungsrechts dient und dessen
Anforderungen an die Leistungserbringer und ihre Zusammenarbeit mit den Pflegekassen im Hinblick auf das Ziel konkretisiert,
eine wirksame, qualitätsvolle und wirtschaftliche Versorgung sicherzustellen (Schütze, a.a.O., § 75 Rn. 4). Der Katalog des § 75 Abs. 2 SGB XI ist insoweit nicht abschließend und eine Ausweitung auf andere Vertragsgegenstände ist möglich, soweit sie diesen Regelungszielen
entsprechen.
Die Leistungsbeschreibung und die Punktzahlen des Niedersächsischen Leistungskomplexkataloges, die Auskunft über das Verhältnis
der Leistungskomplexe zueinander geben und einen wesentlichen Vergütungsfaktor bilden, unterfallen nicht der von § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XI gemeinten Regelung des Inhalts der Pflegeleistungen. Gegenstand des Rahmenvertrages nach § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XI kann sein, welche Leistungen zu der pflegerischen Versorgung gehören, nicht aber, unter welchen Voraussetzungen und nach
welchen Kriterien sie abzurechnen sind. Die Regelung in § 75 Abs. 2 S. 1 SGB XI meint überwiegend die technische Abwicklung des Leistungsgeschehens zwischen den Pflegekassen und den Leistungserbringern;
dies zeigt die Formulierung in § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 4, 5, 6 und 7 SGB XI, die das Bewilligungs- und Prüfverfahren der Pflegekassen und auch die Abrechnung der Entgelte und die Zahlungsabwicklung
regelt. Die spezifizierte Beschreibung der Abrechnung der Entgelte in § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XI weist bereits deutlich darauf hin, dass die Vornahme von Vergütungsregelungen und die Bestimmung eines Vergütungsmodells
nicht dazu (oder zur Nr. 1) gehören, sonst wären sie dort mit aufgeführt worden (vgl. zu allem auch Schütze, aaO, § 75 Rn. 6). Der in § 75 SGB XI vorgesehene Abschluss und Inhalt von Kollektiv- Rahmenverträgen für jedes Bundesland geschah in Anlehnung an § 112 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Plantholz in: LPK- SGB XI, 5. Auflage 2018, § 75 Rn. 2). Die dortige Vorschrift des Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lautet:
"Die Verträge regeln insbesondere die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich der
a) Aufnahme und Entlassung der Versicherten, b) Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen."
Auch in diesem Zusammenhang meint die Formulierung der "Abrechnung der Entgelte" lediglich technische Fragen dieses Vorganges,
wie z. B. die Erstellung von Haupt-, Schluss-, Endrechnungen, das Erheben von Zinsen sowie das Einhalten von Fristen für Beanstandungen
der Rechnungen. Diese Regelung dient dem Zweck, sicherzustellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen
des Gesetzes entsprechen. Auch hier zeigt die Formulierung des Wortes "insbesondere", dass durchaus die Kompetenz der Vertragspartner
zur Regelung weiterer Gegenstände über die dort genannten Inhalte hinaus besteht. Die Grenze der Regelungskompetenz ist aber
einerseits durch den Vereinbarungszweck, andererseits durch die gesetzlich vorgesehene Kompetenz anderer Gremien zu definieren.
Schließlich darf der Inhalt des Rahmenvertrages als Normsetzungsvertrag die Rechte der daran gebundenen Leistungserbringer
und Leistungsträger nicht verletzen (Plantholz, a.a.O., § 75 Rn. 12).
Zur Überzeugung des Senats fallen unter die Regelungskompetenz des § 75 SGB XI nicht Rahmenvorgaben zu einem Vergütungsmodell (hier: verbindliche Vorgabe der Anwendung und zugleich inhaltliche Gestaltung
des AK. Leistungskomplexkataloges unter Festlegung von Punktzahlen) oder zu einzelnen Vergütungsfragen. Vielmehr sind Vergütungsvereinbarungen
lediglich auf Grundlage des § 89 SGB XI als Individualvereinbarungen zu treffen. Anders als im kollektivvertraglichen System der vertragsärztlichen Versorgung ist
die Vergütung für jeden zugelassenen Pflegedienst und jedes zugelassene Pflegeheim gesondert festzulegen. Hierdurch soll anstelle
einer für alle Pflegedienste und Pflegeheime jeweils einheitlichen Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte
Preisbildung gefördert werden. Ausdrücklich soll ein geschlossener Markt verhindert und neuen innovativen Leistungsanbietern
der Zugang zum Pflegemarkt offengehalten und so der Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen gefördert werden (BT- Drs. 12/5262
S. 136). Von diesem Wettbewerbskonzept ist auch das Vergütungsregime des SGB XI für die ambulante und stationäre Pflege maßgeblich geprägt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, juris Rn. 46, 47).
Dies verdeutlicht auch die Entwicklungsgeschichte der Regelung des § 89 SGB XI. In der Umsetzungsphase zur 1. Stufe des Pflegevergütungsgesetzes (ab dem 1. April 1995 wurden ambulante Leistungen gewährt)
waren noch keine einrichtungsindividuellen Vergütungen vorgesehen. Dementsprechend wurden in der Regel die Vergütungsvereinbarungen
für die ambulante Pflege in der Form landesweiter Vergütungsvereinbarungen mit den Vereinigungen der Träger von Pflegediensten
in den jeweiligen Bundesländern geschlossen (dazu Brünner/Höfer in: LPK- SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 89 Rn. 10). Mit dem 1. SGB XI-Änderungsgesetz vom 14. Juni 1996 (BGBl. I, 830) wurde in § 89 Abs. 2 S. 2 SGB XI jedenfalls das Individualprinzip festgelegt. Nach dieser Regelung ist die Vergütungsvereinbarung für jeden Pflegedienst gesondert
abzuschließen. Die Regelung soll eine Stärkung der Verhandlungsmacht der Kostenträger erreichen (Brünner/Höfer, a.a.O., Rn.
10). Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung sind nach § 89 Abs. 2 S. 1 SGB XI die Träger des Pflegedienstes, die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger, die Träger der Sozialhilfe, die
für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen zuständig sind sowie unter weiteren Voraussetzungen auch die Arbeitsgemeinschaften
der Pflegekassen, der sonstigen Sozialversicherungsträger und der Sozialhilfeträger. Soweit eine Einigung nicht erzielt wird,
kann die Schiedsstelle nach § 76 SGB XI angerufen werden. Die Schiedsstelle hat dann nicht nur über die konkrete Vergütung, sondern im Streitfall auch über das System
der Vergütungsbemessung, d.h. über die Auswahl unter den zur Verfügung stehenden Abrechnungsmodellen nach § 89 Abs. 3 S. 1 SGB XI oder über die Bildung von Leistungskomplexen zu entscheiden (BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 - B 3 P 8/07 R). Das zitierte Urteil des BSG vom 29. Januar 2009 ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dahingehend zu verstehen, dass es ihr generell obliege,
ein landesweites Vergütungsmodell zu bestimmen und weiterzuentwickeln. Vielmehr ist über die Anwendung eines Vergütungsmodells
in dem Rahmen der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI zu entscheiden. Der Schiedsstelle kommt hier eine Entscheidungskompetenz allerdings auch nur insoweit zu, als die Anwendung
eines Vergütungsmodells streitig ist. Wenn die Vertragspartner einig sind, z.B. den Leistungskomplexkatalog anzuwenden (oder
auch, diesen gerade nicht anzuwenden), ist die Schiedsstelle auch nicht mehr zur Entscheidung über ein Vergütungsmodell berufen
(BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, Rn. 74, zum Leistungskomplexkatalog NRW).
Weiterhin ist in § 86 SGB XI vorgesehen, dass die Landesverbände der Pflegekassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e.V., die überörtlichen
oder ein nach Landesrecht bestimmter Träger der Sozialhilfe und die Vereinigungen der Pflegeheimträger im Land Pflegesatzkommissionen
bilden, die anstelle der Vertragsparteien nach § 85 Abs. 2 SGB XI die Pflegesätze mit Zustimmung der betroffenen Pflegeheimträger vereinbaren können (zur gesetzlichen Pflicht zur Errichtung
einer Pflegesatzkommission Hessisches LSG, Urteil vom 31. Januar 2013 - L 8 P 25/09 - juris Rn. 32ff). Dies gilt entsprechend für die Vergütung der ambulanten Pflege gemäß § 89 Abs. 3 S. 3 SGB XI. Als Pflegevergütungskommission legt die Kommission dann mit Zustimmung der Träger der betroffenen Pflegedienste die Vergütung
ambulanter Pflegeleistungen fest. Die Norm (§ 89 Abs.3 S. 3 SGB XI i.V.m. § 86 SGB XI) ermöglicht eine Vereinfachung des Pflegevergütungsverfahrens durch kollektive Pflegevergütungsvereinbarungen, die an die
Stelle der individuellen Pflegevergütungsvereinbarungen nach § 89 SGB XI treten (so für die Pflegesatzkommission Mühlenbruch in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 86 Rn. 1). § 86 Abs. 1 S. 2 SGB XI verweist auf die entsprechende Geltung des § 85 Abs. 3 bis 7 SGB XI. Daraus folgt zu einen, dass die Entscheidungen der Pflegevergütungskommission Mehrheitsentscheidungen sind (§ 85 Abs. 4 S. 1 SGB XI) und zum anderen, dass auch bei Nichteinigung im Rahmen von Verhandlungen der Pflegevergütungskommission nach der Gesetzeslage
die Schiedsstelle angerufen werden kann; dies ergibt sich aus § 89 Abs. 3 S. 3 SGB XI iVm § 86 Abs.1 S. 2 SGB XI und § 85 Abs. 5 SGB XI (so auch Hessisches LSG, aaO, Rn. 39).
Die niedersächsische Pflegevergütungskommission hat den gesetzlichen Auftrag, mit Zustimmung der betroffenen Träger der Pflegedienste
Vergütungen festzulegen, nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten bisher nicht umgesetzt, da sie laut ihrer eigenen
Geschäftsordnung (§ 1 Abs. 1, § 4 Abs. 3 der "Geschäftsordnung der Pflegevergütungskommission gemäß § 89 in Verbindung mit § 86 SGB XI im Lande Niedersachsen für ambulante Pflegeeinrichtungen") vornehmlich zur einstimmigen Entscheidung über Vereinbarungen
berufen sei, die die "Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nach § 89 SGB XI, die Vorbereitung, den Beginn und das Verfahren der Pflegevergütungsverhandlungen sowie Art, Umfang und Zeitpunkt der von
der Pflegeeinrichtung vorzulegenden Leistungsnachweise und sonstigen Verhandlungsunterlagen näher bestimmen". Unabhängig davon
kann die niedersächsische Pflegevergütungskommission nach § 1 Abs. 2 ihrer Geschäftsordnung "zusätzlich zu den in Absatz 1
genannten Aufgaben im Fall der vorherigen Zustimmung des betroffenen Pflegeeinrichtungsträgers anstelle der Vertragsparteien
gemäß § 89 SGB XI verhandeln". Auch insoweit entscheidet sie jedoch einstimmig (§ 4 Abs. 3 der Geschäftsordnung).
Das Argument der Beklagten, aufgrund von Blockadehaltungen innerhalb der AK. Pflegevergütungskommission habe es nicht zu einer Weiterentwicklung des Leistungskomplexkataloges kommen können und deshalb
sei die Notwendigkeit gesehen worden, diese Weiterentwicklung auf Antrag der Beigeladenen zu 3 bis 17 nunmehr im AK. Rahmenvertrag für die ambulante Pflege festzulegen, kann in Anbetracht der oben dargestellten Gesetzeslage nicht vollständig
überzeugen. Die in der niedersächsischen Pflegevergütungskommission vertretenen Vertragsparteien sind durch die Geschäftsordnung
nicht gehindert, ihre gesetzlich vorgesehenen Rechte wahrzunehmen und bei Nichteinigung über an die Pflegevergütungskommission
herangetragene kollektive Vergütungsvereinbarungen (die zu deren gesetzlich vorgesehener Zuständigkeit gehören) die Schiedsstelle
anzurufen. Schon rechtlich ist es unmöglich, mit einer Geschäftsordnung wirksam geltendes Bundesrecht - hier die Strukturvorgaben
zur ambulanten Pflegevergütung des SGB XI, die Zuständigkeit der Pflegevergütungskommission für kollektive Vereinbarungen zur Vergütung ambulanter Pflegeleistungen,
das gesetzlich vorgesehene Mehrheitsprinzip (§ 85 Abs. 4 S. 1 SGB XI) sowie die oben dargestellte, gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, auch aus der Pflegevergütungskommission heraus die Schiedsstelle
anzurufen - außer Kraft zu setzen. Bei der Geschäftsordnung der Pflegevergütungskommission handelt es sich um autonom gesetztes
Recht (Selbstverwaltungsrecht), das lediglich intern das Verfahren und den Geschäftsgang regeln kann, grundsätzlich aber keine
Außenwirkung entfaltet und insbesondere nicht gesetzlich vorgeschriebene Zuständigkeiten, das Mehrheitsprinzip oder Verfahrensrechte
der Vertragspartner der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI einschränken kann (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2017 - B 3 P 3/15 R - juris Rn. 19 zur Geschäftsordnung einer Schiedsstelle). Über die Rechtswirksamkeit der Geschäftsordnung der Pflegevergütungskommission
hatte der Senat hier jedoch nicht zu entscheiden.
Aus den genannten Vorschriften folgt jedenfalls, dass der Vergütung der ambulanten Pflegedienste das "Vereinbarungsprinzip"
zugrunde liegt (O´Sullivan in: Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 89 Rn. 6). Die Entgelte werden von den betroffenen Pflegediensten und beteiligten Kostenträgern einvernehmlich festgesetzt.
Ferner gilt das Individualprinzip, d.h. die Pflegevergütung ist für jeden Pflegedienst gesondert abzuschließen (§ 89 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 SGB XI). Einheitliche Vergütungen für mehrere Dienste können nur in dem besonderen Verfahren von der Pflegevergütungskommission
nach § 89 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 86 SGB XI vereinbart werden. Ansonsten stünde eine Vereinheitlichung nur dem Verordnungsgeber nach § 90 SGB XI zu, der aber davon bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Daher ist auch die Schiedsstelle nicht befugt, in einem Verfahren
nach § 85 Abs. 5 SGB XI eine Vergütung anhand überregionaler Sätze zu beschließen oder auf mehrere Pflegedienste ohne Prüfung im Einzelfall die gleichen,
ggf. linearen Erhöhungen anzuwenden (LSG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2007, L 6 B 30/06 P ER, juris Rn. 33, O'Sullivan a.a.O., § 89 Rn. 34).
Aufgrund dieser ausdrücklichen Regelungen in §§ 86, 89 SGB XI entzieht sich die Festlegung eines Vergütungssystems einer Regelung durch eine Rahmenvereinbarung nach § 75 SGB XI. Der Gesetzgeber hat die Regelungskompetenz für Vergütungssysteme den Parteien der Vergütungsvereinbarungen zugewiesen. Zwar
würde die landesweite Vorgabe des Leistungskomplexsystems über eine Rahmenvereinbarung zu schnelleren und praktikableren Lösungen
führen, jedoch begründen diese Erwägungen aufgrund der dargestellten entgegenstehenden Regelungen im SGB XI keine Regelungskompetenz der Vertragspartner des Rahmenvertrages und damit auch der Schiedsstelle, die bei Nichteinigung
von den Vertragspartnern des Rahmenvertrages angerufen wird. Der Gesetzgeber sieht ausdrücklich eine Trennung zwischen der
gemäß § 75 SGB XI in Rahmenverträgen zu regelnden Ausgestaltung der Leistungserbringung und den gemäß § 89 SGB XI zu treffenden Vergütungsvereinbarungen vor. Zudem bestimmt das Gesetz teilweise verschiedene Vertragspartner bei Rahmenvereinbarungen
einerseits und Vergütungsvereinbarungen andererseits. Die Leistungserbringerverbände, die im Rahmen des § 75 SGB XI Vertragspartner sind, sind nach der Regelung des § 89 SGB XI keine Vertragspartner von Vergütungsvereinbarungen. An Vergütungsvereinbarungen sind vielmehr als Ausdruck des Individualisierungsgebotes
der Träger des Pflegedienstes und die Träger der Sozialhilfe, die für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen
zuständig sind, beteiligt. Die Vertragspartner des Rahmenvertrages und der Pflegevergütungsvereinbarung bzw. der Pflegevergütungskommission
sind folglich nicht identisch. Auch aus diesem Grunde kommt eine landesweite Regelung der Vergütungsstruktur im Rahmenvertrag
nicht in Betracht, weil sie die Vertragskompetenz der an Vergütungsverhandlungen gemäß § 89 SGB XI zu beteiligenden Vertragspartner verletzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG nicht ersichtlich ist. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Antwort auf die streitige Rechtsfrage, welche Kompetenz der Schiedsstelle in einem Verfahren nach § 75 Abs. 4 S. 1 SGB XI zukommt, ergibt sich allein aus der Gesetzessystematik.
Die Festsetzung des Streitwerts hat der Senat aufgrund von § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) vorgenommen, da keine greifbaren Anhaltspunkte für einen anderen Wert ersichtlich sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 - B 3 P 8/07 R - juris Rn. 30).
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