LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.09.2008 - 11 AL 65/07
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.09.2008 - 11 AL 65/07
Anspruch auf Unterhaltsgeld während der Förderung der beruflichen Weiterbildung nach unberechtigtem Ausschluss vom Unterricht
Ein Umschüler kann weiterhin Unterhaltsgeld für die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsförderung verlangen, wenn er
unberechtigt vom Unterricht ausgeschlossen wurde. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
BGB §
293
,
BGB §§ 293ff
,
SchulG ND § 61a
,
SchulG ND § 65 Abs. 3 Satz 2
,
SGB III §
153
,
SGB III §
77 Abs.
1 Satz 1
Vorinstanzen: SG Lüneburg 09.03.2007 S 7/18 AL 85/04
Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 9. März 2007 wird geändert.
Der Bescheid vom 19. und 24. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2004 wird im Zeitraum
vom 24. September 2003 bis 15. Dezember 2003 aufgehoben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu einem Drittel zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Aufhebung der Förderung der beruflichen Weiterbildung und um die Aufhebung der Bewilligung von
Unterhaltsgeld ab 24. September 2003.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger verfügt über die Allgemeine Hochschulreife (Abiturzeugnis vom 4. Juni 1980, Durchschnittsnote
2,1). Nach dem Lebenslauf des Klägers studierte er im Zeitraum von 1981 bis 1982 Pädagogik und Sozialwissenschaften. Von 1983
bis 1985 absolvierte er eine Berufsausbildung als Fachangestellter für Bädertechnik. Ab 1986 übte er Tätigkeiten in diesem
Beruf aus. Danach erfolgte eine psychische Erkrankung, aufgrund derer eine berufliche Neuorientierung in Erwägung gezogen
wurde.
Am 10. September 2002 beantragte der Kläger die Weiterbildungsmaßnahme zur Umschulung als Reiseverkehrskaufmann bei der Firma
H. in I. ab 1. Oktober 2002. Unter dem 10. September 2002 schloss der Kläger antragsgemäß den Umschulungsvertrag mit dieser
Firma im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis 31. Juli 2004.
Die Beklagte bewilligte daher Unterhaltsgeld ab 1. Oktober 2002 für die beantragte Maßnahme (Bescheid vom 9.10.2002). Weitere
Leistungen wie Kosten bei auswärtiger Unterbringung und Fahrtkosten wurden bewilligt (Bescheide vom 30. September 2002 und
9. Oktober, 19. November 2002).
Mit Schreiben vom 31. Januar 2003 teilte die Berufsbildende Schule des Landkreises I. (BBS I) der Beklagten die Fehlzeiten
des Klägers ab Beginn der Ausbildung vom 1. Oktober 2002 bis 29. Januar 2003 mit (sechs entschuldigte, vier unentschuldigte
Fehltage). Der Kläger war mit Schreiben der BBS I vom 28. März 2003 ermahnt worden, weil er am 19. März 2003 erneut eine nicht
akzeptable Entschuldigung vorgelegt hatte. Beim nächsten unentschuldigten Fernbleiben vom Unterricht wurde ihm die Ausschulung
angekündigt. Daraufhin erging die Ausschulung des Klägers ab 4. September 2003, weil er am 27. August 2003 erneut ohne Entschuldigung
dem Unterricht ferngeblieben war (Schreiben der BBS I vom 28. März und 4. September 2003). Im Zeugnis der BBS vom 9.7.2003
über das Schuljahr 2002/2003 wurden dem Kläger elf Fehltage, hiervon zehn entschuldigt, bescheinigt. Mit Schreiben vom 15.
Januar 2004 teilte die BBS I der Beklagten mit, dass die näheren Umstände zu den Fehlzeiten nicht mehr aufgeklärt werden konnten.
Die im Klassenbuch enthaltenen Fehlzeiten seien im Nachhinein in "entschuldigt" geändert worden, ohne dass der Kläger schriftliche
Entschuldigungen vorgelegt hätte.
Der Kläger erhielt ferner Abmahnungen der H. mit Schreiben vom 28. August 2003 und 9. September 2003. Mit Schreiben vom 22.
September 2003 kündigte die H. das bestehende Ausbildungsverhältnis des Klägers fristlos aus wichtigem Grund. In der öffentlichen
Sitzung des Arbeitsgerichts Lüneburg am 20. Januar 2004 einigten sich der Kläger und die Firma H. darauf, dass das Umschulungsverhältnis
des Klägers aufgrund fristgemäßer Kündigung mit Ablauf des 15. Dezember 2003 endete. Die Firma H. verpflichtete sich, das
Umschulungsverhältnis bis zum Beendigungsdatum auf Basis der vertraglich vereinbarten Vergütung von zuletzt 200,- Euro abzurechnen
und zu vergüten.
Mit Bescheid vom 19. September 2003 hob die Beklagte zunächst mit Ablauf des 23. September 2003 die Leistungen gemäß §§
77 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) i.V.m § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X auf. Mit Bescheid vom 24. September 2003 hob sie die Bewilligung von Unterhaltsgeld erneut ab 24. September 2003 auf.
Mit Schreiben vom 19. September 2003 legte der Kläger gegen die Aufhebung Widerspruch ein. Der Kläger war der Auffassung,
dass er nicht verpflichtet sei, als Umschüler am Unterricht der Berufsschule teil zu nehmen. Gemäß § 65 Abs 3 des Nds. Schulgesetzes
könne ein Umschüler für die Dauer der beruflichen Umschulung die Berufsschule besuchen. Aus Sicht des Klägers sei das Erreichen
des Maßnahmezieles in keiner Weise gefährdet. Hierfür berief er sich auf seine allgemeine Hochschulreife und die bisherigen
schulischen Leistungen in der BBS I.
Der Widerspruch des Klägers gegen die Aufhebung der Förderung der beruflichen Weiterbildung (Bescheide vom 19. September und
24. September 2003) blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.01.2004). Eine Weiterförderung des Klägers über den 23. September
2003 hinaus habe die tatsächliche Teilnahme des Klägers an der Maßnahme voraus gesetzt. Diese sei nach der Ausschulung des
Klägers nicht mehr erfolgt. In die Berufsschule aufgenommene Umschüler seien auch verpflichtet, am Unterricht teilzunehmen.
Dem stehe das Nds. Schulgesetz nicht entgegen. Der Kläger habe auch keinen Nachweis erbracht, dass eine Zulassung zur Abschlussprüfung
ohne weitere Teilnahme am Berufsschulunterricht erfolgen könne.
Der Kläger hat am 27. Februar 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Im Schriftsatz vom 7. November 2005 hat der Kläger vorgetragen, auch ohne weiteren Besuch der BBS I zur
Abschlussprüfung zum Reiseverkehrskaufmann zugelassen worden zu sein. Hierfür hat er sich auf seine bisherigen schulischen
Leistungen in der BBS I und auf das Schreiben der IHK I. vom 22. Dezember 2003 bezogen. Hierin hat die IHK u.a. mitgeteilt,
dass entscheidend für die Zulassung zur Prüfung sei, ob die Ausbildungszeit zurückgelegt worden sei. Da die Rechtmäßigkeit
der Kündigung seinerzeit noch strittig war, habe eine Zulassungszusage noch nicht erfolgen können.
Mit Urteil vom 9. März 2007 hat das SG Lüneburg die Klage abgewiesen. Laut Sitzungsprotokoll hat es den im Schriftsatz vom
7. November 2005 angekündigten Klagantrag unter 2., der sich auf die Verhängung der Sperrzeit bezog, ausdrücklich nicht aufgenommen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergangene Aufhebungsentscheidung der Beklagten rechtens sei. Die Ausschulung des Klägers durch die BBS sei ein neuer Sachverhalt
gewesen, der die angefochtene Entscheidung gerechtfertigt habe. Die Beklagte habe der Umschulung ein berufliches wie betriebliches
Ausbildungskonzept zugrunde gelegt. Durch die Ausschulung des Klägers habe dieses Ausbildungsziel nicht mehr erreicht werden
können. Mindestens seit März 2003 seien Schwierigkeiten beim Schulbesuch des Klägers bekannt gewesen. Insofern komme es auch
nicht darauf an, ob der Kläger auch ohne weiteren Schulbesuch die Abschlussprüfung hätte erreichen können. Im Übrigen sei
dies aufgrund des Schreibens der IHK vom 22. Dezember 2003 zweifelhaft.
Hiergegen richtet sich die am 7. Mai 2007 eingelegte Berufung, mit der der Kläger auf die im Schriftsatz vom 7. November 2005
angekündigten Anträge verweist. Der Kläger weist darauf hin, dass das Umschulungsverhältnis mit Ablauf des 15. Dezember 2003
geendet habe, mithin über den von der Beklagten geförderten Zeitraum hinaus bestanden habe. Die Beklagte habe die zweigleisige
betriebliche wie schulische Ausbildung willkürlich bestimmt. Er habe das Ausbildungsziel auch ohne weiteren Besuch der BBS
I erreichen können. Hierfür beruft sich der Kläger erneut auf das Schreiben der IHK Lüneburg vom 22. Dezember 2003. Dem Kläger
sei in der Schulklasse eine Außenseiterrolle zugewiesen worden, da er zum damaligen Zeitpunkt 42 Jahre gewesen sei, während
die Mitschüler ca 20 Jahre jünger gewesen seien. Er sei der einzige Schüler gewesen, der mit der Anrede "Herr" angesprochen
worden sei. Durch die ihm zugewiesene Außenseiterrolle sei es zu depressiven Verstimmungen gekommen, aufgrund derer er es
vorgezogen habe, anstelle des Unterrichts im Umschulungsbetrieb zu arbeiten. Er habe sich entschieden, den Lernstoff autodidaktisch
zu erwerben. Dies sei aufgrund der Lebenserfahrung und selbst organisierter Reisen in ca. 60 Länder ohne weiteres möglich
gewesen. Die vom Gericht aufgezeigten Schwierigkeiten beim Schulbesuch hätten nicht vorgelegen.
Der Kläger hat sinngemäß angekündigt zu beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg, den Bescheid der Beklagten vom 19. September und 24. September 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die tatsächliche Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme notwendige Voraussetzung
für die Weitergewährung der Förderung und des Unterhaltsgeldes gewesen sei. Auf den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich
komme es daher nicht an. Auf Nachfrage des Gericht hat die Beklagte mitgeteilt, dass für die Vermittlung eines Abschlusses
im Sinne von §
85 Abs
3 Nr
2 SGB III der Zeitraum einer mindestens zweijährigen Ausbildung bestimmt sei, zudem auch die Absolvierung des schulischen Teils an
der BBS I vorausgesetzt werde.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der erst- und zweitinstanzlichen Prozessakte und der Leistungsakte
der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143 ff
SGG zulässige Berufung ist teilweise begründet. Es handelt sich um eine reine Anfechtungsklage im Sinne von §
54 Abs
1 Satz 1
SGG. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Förderung der beruflichen Weiterbildung zum Reiseverkehrskaufmann und gegen
die Aufhebung der Bewilligung von Unterhaltsgeld ab 24. September 2003.
Im Streit steht daher nicht etwa ein Sperrzeittatbestand. Der in der öffentlichen Sitzung des SG Lüneburg am 9. März 2007
anwesende Kläger hat dort den im Schriftsatz vom 7. November 2005 unter 2. angekündigten Klagantrag, der sich auf eine verhängte
Sperrzeit ab 23. September 2003 bezog, ausdrücklich nicht gestellt, so dass im erstinstanzlichen Urteil zu Recht nicht über
den Sperrzeittatbestand entschieden worden ist.
Die Rechtmäßigkeit der ab 24. September 2003 verfügten Aufhebung der Förderung der beruflichen Weiterbildung zum Reiseverkehrskaufmann
und der Bewilligung des Unterhaltsgeldes richtet sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit nach dieser Vorschrift in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben. Dies hängt im vorliegenden Fall davon ab, ob der Kläger ab dem streitigen Zeitpunkt noch an der Weiterbildungsmaßnahme
tatsächlich teilgenommen hat. Sowohl die Gewährung von Förderleistungen als auch von Unterhaltsgeld setzen die tatsächliche
Teilnahme an der Maßnahme voraus.
Gemäß §
77 Abs
1 Satz 1
SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I, Seite 594) a.F. können Arbeitnehmer bei Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten
und Leistung von Unterhaltsgeld gefördert werden, wenn die - hier unstreitigen - Voraussetzungen vorliegen. Gemäß §
153 SGB III a.F. können Arbeitnehmer bei Teilnahme an einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Vollzeitmaßnahme ein Unterhaltsgeld
erhalten, wenn sie die - hier unstreitigen - Voraussetzungen erfüllen.
Für den Zeitraum ab 15. Dezember 2003 lässt sich eine Teilnahme des Klägers an der Weiterbildungsmaßnahme zum Reiseverkehrskaufmann
nicht mehr feststellen. Mit Ablauf des 15. Dezember 2003 war das praktische Ausbildungsverhältnis mit der Firma J. aufgrund
des arbeitsgerichtlichen Vergleiches wirksam beendet worden. Dem lag zugrunde, dass die fristlose Kündigung der Firma in eine
ordnungsgemäße Kündigung umgedeutet worden war. Dem Senat liegen auch keine anderen tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor,
dass die fristlose Kündigung berechtigter Weise von der Flugbörse ausgesprochen worden sein könnte. Die Beendigung des praktischen
Ausbildungsverhältnisses führte dazu, dass der Kläger tatsächlich nicht mehr an der Umschulungsmaßnahme zum Reiseverkehrskaufmann
teilgenommen hat. Dies bestreitet der Kläger offensichtlich auch nicht. Ab diesem Zeitpunkt liegen auch keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass Unterhaltsgeld nach den in §
155 SGB III a.F. geregelten Sonderfällen zu zahlen war. Für den Zeitraum ab 15. Dezember 2003 war die Berufung daher zurückzuweisen.
Im Zeitraum ab 24. September 2003 bis 15. Dezember 2003 steht hingegen zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger unberechtigterweise
vom Unterricht in der BBS I ausgeschlossen worden ist. Die BBS I befand sich daher im Annahmeverzug mit der vom Kläger geschuldeten
Leistung der Teilnahme am Unterricht (§
293 ff
Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -). Insofern lässt sich ein Verschulden des Klägers daran, dass er an dem Unterricht nicht teilnehmen konnte, nicht feststellen.
Der Kläger kann daher die Leistungen der beruflichen Weiterbildung auch für die versäumten Unterrichtstage verlangen. Hierbei
handelt es sich lediglich um das entgangene Unterhaltsgeld (vgl. zur Problematik: Niewald, in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts
§ 4 Rdnr 193 m.w.N. für die Rspr.) Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger Fahrt-, Unterkunftskosten oder andere Kosten der beruflichen
Weiterbildung nach der Ausschulung entstanden sein könnten, liegen dem Senat nicht vor. Insofern waren das angefochtene Urteil
und die angefochtenen Bescheide für den ausgeurteilten Zeitraum aufzuheben.
Gemäß § 65 Abs 3 Satz 2 Nds. Schulgesetz in der Fassung vom 3. März 1998 (a.F.) kann ein Umschüler in anerkannten Ausbildungsberufen
für die Dauer der beruflichen Umschulung die Berufsschule besuchen. Gemäß § 61a Nds. Schulgesetz a.F. kann die Schule nicht
mehr schulpflichtigen Schülern das Schulverhältnis beenden, wenn aufgrund von Schulversäumnissen nicht mehr zu erwarten ist,
dass sie den Bildungsgang erfolgreich beenden können. Es lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, dass
der Kläger Fehlzeiten zu verantworten hatte, aufgrund derer er den Bildungsgang nicht erfolgreich beenden konnte. Es ist bereits
zweifelhaft, in welchem Umfang der Kläger entschuldigt bzw. unentschuldigt gefehlt hat. Die von der BBS I mitgeteilten Fehlzeiten
widersprechen sich. Die noch im Schreiben vom 31. Januar 2003 mitgeteilten sechs entschuldigten und vier unentschuldigten
Fehlzeiten wurden durch das weitere Schreiben der BBS I vom 15. Januar 2004 relativiert. Dort räumte die BBS I ein, dass die
näheren Umstände hinsichtlich der Fehlzeiten des Klägers nicht mehr aufgeklärt werden konnten. Die im Klassenbuch enthaltenen
Fehlzeiten waren jedenfalls im Nachhinein in "entschuldigt" geändert worden. Das Abschlusszeugnis des Klägers vom 9. Juli
2003 für das Schuljahr 2002/2003 bescheinigte elf Fehltage, wovon zehn als entschuldigt galten. Die Leistungen des Klägers
wurden dort mit "gut" bis "befriedigend" bewertet. Das Arbeitsverhalten des Klägers wurde als "entspricht nicht den Erwartungen",
das Sozialverhalten hingegen als "entspricht den Erwartungen" bescheinigt. Dem Zeugnis sind jedenfalls keine Hinweise zu entnehmen,
dass der Kläger das Ausbildungsziel voraussichtlich nicht erreichen werde. Darauf deutete auch nicht der im Zeugnis ausgewiesene
Leistungsstand des Klägers hin. Angesichts dieses Zeugnisses und der dort attestierten Fehlzeiten war die mit Wirkung vom
4. September 2003 verfügte sofortige Ausschulung des Klägers weder von § 61a Nds. Schulgesetz a.F. gedeckt, noch war die Ausschulung
als eine Ordnungsmaßnahme bzw. als ein Erziehungsmittel gemäß § 61 Nds. Schulgesetz a.F. gerechtfertigt. Ohne eine erneute
Androhung der Ausschulung war sie im Übrigen auch un-verhältnismäßig, da hierbei offensichtlich nur eine unentschuldigte Fehlzeit
(am 27. August 2003) nach dem Erhalt des Zeugnisses über das vorangegangene Schuljahr zugrunde gelegt worden ist. Die Ausschulung
konnte insofern keinen rechtlichen Bestand haben, so dass sich die BBS I in Annahmeverzug befand, mit der Folge, dass der
Kläger so zu stellen ist, als hätte er ordnungsgemäß bis zum 15. Dezember 2003 am Unterricht der BBS I teilgenommen. Mithin
lässt sich eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X für den genannten Zeitraum nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§
160 Abs
2 SGG).