LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.09.2016 - 14 R 873/14
Vorinstanzen: SG Köln 15.08.2014 S 23 R 1368/13
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.08.2014 wird zurückgewiesen. Die gerichtlichen
und außergerichtlichen Kosten werden der Beklagten auch hinsichtlich des Berufungsverfahrens auferlegt. Die Revision wird
nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.046,00 EUR festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Auferlegung von Säumniszuschlägen (in Höhe von 4046,- EUR) auf Nachversicherungsbeiträge
und hierbei um die Frage, ob die Beklagte Säumniszuschläge auch für den Zeitraum auferlegen kann, in dem sie die Vollziehung
des die Nachversicherungsbeiträge fordernden Bescheides nach § 86 a Absatz 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) ausgesetzt hatte. Mit Schreiben von März 2006 informierte die Klägerin die Beklagte (erstmals) darüber, dass Herr B I (im
folgenden: der Versicherte) in der Zeit vom 01.09.1992 bis zum 31.08.1995 als Beamter versicherungsfrei bei der Deutschen
Bundespost / Deutschen Post AG beschäftigt war, berief sich aber hinsichtlich der Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen
auf die Einrede der Verjährung gemäß § 25 Sozialgesetzbuch Viertes Buch ( SGB IV). Mit Bescheid vom 18.04.2006 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten für
die Zeit vom 01.09.1992 bis zum 31.08.1995 gemäß § 8 Absatz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ( SGB VI) i.V.m. § 233 Absatz 2 SGB VI zu zahlen und hierfür die beitragspflichtigen Entgelte mitzuteilen; die Beiträge seien zum 01.09.1995 fällig gewesen; anzuwenden
sei hier die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV, die auch greife, wenn Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten worden seien; ein Rechtsbehelf habe keine aufschiebende
Wirkung, die geforderten Beiträge seien daher sofort zu zahlen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend,
sie sei ihren Aufgaben und Meldungen zur Nachversicherung stets nachgekommen, so dass nicht von vorenthaltenen Beiträgen im
Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV die Rede sein könne; da zur Verjährungsfrage ein Musterstreitverfahren anhängig sei, werde um ein Ruhen des Widerspruchsverfahrens
gebeten; zudem werde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides beantragt. Mit bestandskräftigem
Bescheid vom 10.05.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit: " ...Ihrem Antrag vom 26.04.2006 auf Aussetzung der sofortigen
Vollziehung wird hiermit im Rahmen des § 86 a Absatz 3 Satz 1 SGG rückwirkend entsprochen; die mit unserem Bescheid geforderten Nachversicherungsbeiträge sind somit vorerst nicht zu zahlen
" Nach Abschluss einer u.A. auch den Versicherten betreffenden Vereinbarung zwischen Klägerin und Beklagter vom 31.10.2011
"über die mögliche Rückzahlung von Nachversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen", in der die Beklagte der Klägerin bestätigte,
sich nicht auf § 214 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB) zu berufen und die Nachversicherungsbeiträge zurückzuzahlen, wenn diese zum Zeitpunkt der Zahlung nach § 25 SGB IV verjährt waren und die Klägerin die Beiträge zurückfordert, übersandte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 16.11.2011
eine Ausfertigung der Nachversicherungsbescheinigung nach § 185 Absatz 3 SGB VI vom 16.11.2011 für den Versicherten, nach der sich die beitragspflichtigen Entgelte auf 37.921,66 EUR und der Nachversicherungsbeitrag
für die Zeit vom 01.09.1992 bis zum 31.08.1995 unter Zugrundelegung eines Beitragssatzes von 19,9 % auf 7.546,41 EUR belaufen.
Anschließend führte die Klägerin entsprechend der Nachversicherungsbescheinigung vom 16.11.2011 - ohne eine Berufung auf Verjährung
- die Nachversicherung für die Dienstzeit des Versicherten vom 01.09.1992 bis zum 31.08.1995 mit WertsteIlung des Gesamtnachversicherungsbeitrages
i.H.v. 7.546,41 EUR bei der Beklagten zum 24.11.2011 durch. In Reaktion auf einen Hinweis der Beklagten im Februar 2013, dass
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R) die Verjährungseinrede gegen Nachversicherungsbeiträge gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn der Arbeitgeber
zum Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens des Nachzuversichernden seiner Verpflichtung zur Erteilung einer Nachversicherungsbescheinigung
nicht nachgekommen sei, nahm die Klägerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.04.2006 mit Schreiben von Ende Februar
2013 zurück.
Die Beklagte leitete anschließend gegenüber der Klägerin ein Verfahren zur Erhebung von Säumniszuschlägen für eine Nachversicherungsschuld
vom 01.09.1992 bis zum 31.08.1995 ein und berechnete den Nachversicherungsgesamtbeitrag (Bundesgebiet) und die fiktive Nachversicherungsschuld
(Bundesgebiet). Hierbei berechnete sie den Nachversicherungsgesamtbeitrag für die Zeit bis zum 31.12.2001 i.H.v. 62.652,66
DM und die fiktive Nachversicherungsschuld (Bundesgebiet) für die Zeit bis zum 31.12 2001 i.H.v. 11.653,39 DM, legte den niedrigeren
Betrag (gerundet 11.600 DM) für die Berechnung der Säumniszuschläge für die Zeit vom 01.12.1995 bis zum 31.12.2001 zugrunde
und bestimmte den Säumniszeitraum auf denjenigen vom 01.12.1995 bis zum 31.12.2001 (= 73 Monate); daraus ergab sich ein Säumniszuschlag
i.H.v. 8.468,00 DM = 4.329,62 EUR (11.600 DM x 73 Monate x 1 %). Des Weiteren legte sie den niedrigeren Betrag der fiktiven
Nachversicherungsschuld (gerundet 5.950 EUR (vormals 11.600 DM)) für die Berechnung der Säumniszuschläge für die Zeit vom
01.01.2002 bis zum 24.11.2011 zugrunde und bestimmte den Säumniszeitraum auf denjenigen vom 01.01.2002 bis zum 24.11.2011
(= 119 Monate); daraus ergab sich ein Säumniszuschlag i.H.v. 7.080,50 EUR (5.950 EUR x 119 Monate x 1 %). Insofern ergab sich
ein Gesamtsäumniszuschlag i.H.v. 11.410,12 EUR. Einwände gegen die Berechnung und die Gesamthöhe des Säumniszuschlags hat
die Klägerin nicht erhoben.
Die Beklagte hörte die Klägerin zu der Erhebung von Säumniszuschlägen unter Nennung der Rechtsgrundlagen - § 24 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 2 SGB VI - an (Schreiben vom 19.04.2013).
Eine Reaktion der Klägerin auf die Anhörung erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 05.06.2013 erhob die Beklagte gegenüber der Klägerin unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben auf die
gezahlten Nachversicherungsbeiträge einen Säumniszuschlag i.H.v. 11.410,12 EUR.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Die Vollziehung des Beitragsbescheids sei rückwirkend
zum April 2006 nach § 86 a Absatz 3 SGG ausgesetzt worden sei. Mithin dürften für den Aussetzungszeitraum - und damit für das Zeitfenster ab Erlass des die Nachversicherungsbeiträge
fordernden Bescheides (18.04.2006) bis zum Eingang der Nachversicherungsbeiträge bei der Beklagten (24.11.2011) - keine Säumniszuschläge
erhoben werden. Unabhängig von der weiter bestehenden Fälligkeit der Beitragsforderung habe eine Entscheidung über die Aussetzung
der Vollziehung dieselben Rechtswirkungen, als habe der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung. Insoweit dürften während dieses
Schwebezustandes keine Folgerungen aus dem Beitragsbescheid gezogen werden. Dies sei im Rundschreiben der Spitzenverbände
der Sozialversicherungsträger vom 30.10.2003 (Seite 19 unter Ziffer 2.) auch in diesem Sinne ausgeführt worden. In dem Rundschreiben
heiße es, dass Säumniszuschläge für den Aussetzungszeitraum nicht zu erheben seien. Auch wenn diese Ausführungen im Zusammenhang
mit Betriebsprüfungen ergangen seien, sei nicht ersichtlich, warum die Auswirkungen einer behördlichen Aussetzungsentscheidung
im Zusammenhang von Säumniszuschlägen außerhalb von Betriebsprüfungen anders ausfallen solle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Versicherte sei am 31.08.1995 ohne Anspruch
und Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden, so dass Nachversicherungsbeiträge am 01.09.1995 fällig
gewesen seien. Hieraus ergebe sich eine Säumnis der Klägerin bis zur erfolgten Zahlung mit Wertstellung vom 24.11.2011 von
192 Monaten. Die Aussetzung der Vollziehung habe keinen Einfluss auf die Bestimmung des Zeitraums der Säumnis für die Berechnung
des Säumniszuschlags. Die Zeit des Widerspruchsverfahrens sei hierbei nicht heraus zu rechnen. § 86a Abs. 3 sowie § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG würden nichts darüber aussagen, ob die Zeit der Aussetzung der Vollziehung oder der aufschiebenden Wirkung bei der Berechnung
des Säumniszuschlages heraus zu rechnen sei. Die aufschiebende Wirkung lasse die Fälligkeit einer Schuld unberührt. Von Seiten
der Beklagten bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides. § 86 a Absatz 3 Satz 2 SGG verbiete nicht, andere Kriterien für die Ermessensentscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu berücksichtigten.
Die Durchsetzung der Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung hätte einen erhöhten Verwaltungsaufwand gefordert, der nach
Stattgabe des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung vermieden worden sei.
Mit der hiergegen am 23.09.2013 erhobenen Klage verwies die Klägerin darauf, dass für den Zeitraum nach einer Aussetzungsentscheidung
keine Säumniszuschläge entstehen könnten, weil dies schon aus der Natur der Säumniszuschläge als "Druckmittel eigener Art"
zur Durchsetzung fälliger Sozialversicherungsbeiträge folge. Mit der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung des
Beitragsbescheides würden die gleichen Wirkungen eintreten, als wäre der Beitragsbescheid von vornherein nicht sofort vollziehbar.
Dann nämlich könne der Gläubiger des Beitragsanspruchs die Beitragsentrichtung nicht verlangen und denknotwendig auch keine
Säumniszuschläge für die Zeit des "Nicht-Verlangen-Könnens" rechtmäßig geltend machen. Es wäre offensichtlich widersprüchlich,
die Vollziehung auszusetzen, durch die Verwirkung von Säumniszuschlägen den Adressaten aber sofort zur Zahlung zu zwingen.
Während der Aussetzung der Vollziehung dürften aufgrund deren Wirkung keine unmittelbaren oder mittelbaren Folgerungen aus
dem Verwaltungsakt gezogen werden. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung werde darauf abgestellt, dass für die Zeit
der Aussetzung der Vollziehung keine Säumniszuschläge erhoben werden dürften, was damit begründet werde, dass die Beitragsforderung
aufgrund der Vollzugshemmung der aufschiebenden Wirkung nicht durchgesetzt werden könne und vor diesem Hintergrund auch nicht
vom Druckmittel der Säumniszuschläge Gebrauch gemacht werden könne (so z.B. Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts
vom 12.10.2005 (5 B 471/04)). Auch in der sozialrechtlichen Literatur werde in Bezug auf Säumniszuschläge die Ansicht vertreten, dass bei einer Vollzugsaussetzung
keine Säumniszuschläge erhoben werden dürften (KSW/Rossbach, § 24 SGB IV, Rdn. 3 und jurisPK- SGB IV, (alter) Stand 2014, Schlegel/Voelzke (Segebrecht) § 24 SGB IV, Rdn. 30). Zudem verwies die Klägerin erneut auf das Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 30.10.2003; nach diesem
Rundschreiben sei die Vereinbarung getroffen worden, dass bei Betriebsprüfungen im Fall der Aussetzung der Vollziehung keine
Säumniszuschläge erhoben würden; diese Vereinbarung müsse in der Gesamtschau letztlich auch für die hier maßgebliche Nachversicherungsangelegenheit
gelten. Vor dem Hintergrund des Rundschreibens vom 30.10.2003 sei sie im Übrigen bislang immer davon ausgegangen, dass die
Beklagte rechtlich der Auffassung gewesen sei, keine Säumniszuschläge für die Zeit einer Aussetzung der sofortigen Vollziehung
eines Beitragsbescheides fordern zu dürfen. Da es seit 1995 in § 24 SGB IV ein Ermessen bei der Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr gebe, gehe das Argument der Beklagten fehl, dass die Sozialversicherungsträger
im Rundschreiben vom 30.10.2003 beim Verzicht auf Säumniszuschläge auf die Besonderheit von Betriebsprüfungen abstellen würden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2013 insofern aufzuheben, als
dass damit von der Beklagten Säumniszuschläge für die Zeit vom 18.04.2006 bis zum 24.11.2011 gegenüber der Klägerin erhoben
worden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, sie habe inzwischen die seinerzeitige großzügige Linie aufgegeben und lehne nunmehr entsprechende Anträge
der Nachversicherungsschuldner auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung grundsätzlich ab. Die Aussetzung der Vollziehung
des Verwaltungsaktes über die Hauptforderung - die Nachversicherungsbeiträge - habe keinen Einfluss auf die Säumnis der Forderung.
Bis zur Erfüllung der Hauptforderung sei der Schuldner säumig. Die von der Klägerin aufgeführte Vereinbarung zwischen den
Sozialversicherungsträgern regele die Fälle der Betriebsprüfung. Hiernach sei vereinbart worden, auf die Erhebung von Säumniszuschlägen
für den Aussetzungszeitraum zu verzichten (und stattdessen Verzugszinsen von 4 % p.A. zu verlangen); dies mache deutlich,
dass Säumniszuschläge rechtlich zustünden und diese nur nicht erhoben werden sollen. Wäre mit dieser Vereinbarung gemeint
gewesen, dass eine Erhebung von Säumniszuschlägen nicht zulässig sei, wäre im Rahmen der von der Klägerin angesprochenen Vereinbarung
der Sozialversicherungsträger eine andere Formulierung gewählt worden, nämlich, dass Säumniszuschläge für den Aussetzungszeitraum
nicht anfallen. Auf die Forderung der Säumniszuschläge zu verzichten, möge bei vielen Arbeitgebern im Rahmen der Betriebsprüfungen
gerechtfertigt sein. Im Rahmen der Nachversicherung, bei der im Allgemeinen große Arbeitgeber Beitragsschuldner seien, sei
eine solche großzügige Regelung jedoch nicht angezeigt. Mit Urteil vom 15.08.2014 hat das Sozialgericht Köln den Bescheid
vom 05.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2013 insoweit aufgehoben, als damit von der Beklagten auch
Säumniszuschläge für die Zeit vom 18.04.2006 bis zum 24.11.2011 gegenüber der Klägerin erhoben worden sind, und hat zur Begründung
ausgeführt: "Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten ist in dem von der Klägerin beantragten Umfang
rechtswidrig und verletzt die Klägerin somit in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Beklagten hat nach der nach im Bescheid vom 10.05.2006 gewährten Aussetzung der Vollziehung und dem im Bescheid vom
10.05.2006 enthaltenen Zusatz "die mit unserem Bescheid geforderten Nachversicherungsbeiträge sind vorerst nicht zu zahlen"
zu Unrecht gegenüber der Klägerin mit dem Bescheid vom 05.06.2013 die Säumniszuschläge für die Zeit vom 18.04.2006 bis zum
24.1.2011 geltend gemacht. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Säumniszuschlägen durch die Beklagte als Beitragsgläubiger
ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen
Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen.
Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (§ 184 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV ist erst mit Wirkung vom 01. Januar 2008 eingefügt und gilt nicht rückwirkend, vgl. Urteil des BSG vom 01. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R -). Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere
keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorliegen. Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig
mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vor (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Insofern geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge nach dem unversorgten Ausscheiden
des Versicherten zum 01.09.1995 grundsätzlich fällig geworden ist. Vorliegend ist die Beklagte jedoch durch den Bescheid vom
10.05.2006, durch den die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides rückwirkend gewährt und der Klägerin zudem mitgeteilt
worden ist, dass "die mit unserem Bescheid geforderten Nachversicherungsbeiträge vorerst nicht zu zahlen" sind, daran gehindert,
gegenüber der Klägerin für die Zeit vom 18.04.2006 (Erlass des zu vollziehenden Bescheids zu den Nachversicherungsbeiträgen)
bis zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge am 24.11.2011 noch Säumniszuschläge geltend zu machen. Denn unabhängig von dem
Eintritt der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge gemäß der gesetzlichen Vorgaben in § 23 Abs. 4 SGB IV i.V.m. § 184 SGB VI hat die Beklagte gegenüber der Klägerin gerade ausdrücklich bestätigt, dass die geforderten Nachversicherungsbeiträge "vorerst
nicht zu zahlen sind". Auch wenn nach den gesetzlichen Regelungen eine Fälligkeit für die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge
eingetreten ist, musste die Klägerin jedoch nach der erfolgten ausdrücklichen Bestätigung der Beklagten eben nicht von einer
aktuell bestehenden Zahlungspflicht ausgehen. Hinzu kommt, dass die mit dem Beitragsbescheid verbundene grundsätzliche Zahlungsverpflichtung
der Klägerin durch den Aussetzungsbescheid durch die Klägerin nicht zu befolgen gewesen ist. Gerade vor diesem Hintergrund
sind aber für den Zeitraum der gewährten Aussetzungen keine Säumniszuschläge zu erheben gewesen (so auch Segebrecht in: jurisPK- SGB IV 2. Aufl. 2011, § 24 SGB IV, Rn. 30). Zudem erscheint es der Kammer auch mit dem Sinn und Zweck der Erhebung von Säumniszuschläge nicht vereinbar, wenn
die Beklagte einerseits die Aussetzung der Vollziehung eines Beitragsbescheides gewährt und somit auf den Einsatz von weiteren
Druckmitteln in Hinblick auf die Durchsetzung der Forderung vorerst verzichtet, andererseits aber nach der Klärung der bestehenden
Zahlungsverpflichtung in der Hauptsache gegenüber dem Beitragsschuldner weitere Säumniszuschläge geltend macht. Mithin würde
die Regelung zur Aussetzung der Vollziehung letztlich für den Beitragsschuldner keinen sonderlichen Nutzen mit sich bringen,
wenn dieser - nach Klärung der Rechtsfragen in der Hauptsache - durchgehend mit dem Risiko der Zahlung von Säumniszuschlägen
konfrontiert wäre. Insofern folgt die Kammer sinngemäß den Ausführungen des Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Entscheidung
vom 12.10.2005 (Az: 5 B 471/04), wenn es darin heißt: "Dabei kann dahinstehen, ob die aufschiebende Wirkung zur Hemmung der (inneren) Wirksamkeit des Beitragsbescheids
oder lediglich zur Hemmung seiner Vollziehbarkeit führt (vgl. zum Streitstand Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO» Stand September 2004, § 80 RdNr. 72 ff.). Auch wenn man der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur die Funktion der
Vollziehbarkeitshemmung beimisst, durfte die Beklagte die Beitragsforderung nicht durchsetzen und daher in ihrer Hinsicht
auch nicht von dem Druckmittel der Säumniszuschläge Gebrauch machen (vgl. auch BFH, Beschl. v. 10.12.1986, BFHE 149. 6 [8];
OVG Lüneburg, Urt. v. 14.3.1989, OVGE 41, 382 [383 f.]). Denn der Begriff der Vollziehbarkeitshemmung ist weit zu verstehen;
er erfasst jede Art der Realisierung des Verwaltungsakts, gegen den ein Hauptsacherechtsbehelf aufschiebende Wirkung entfaltet."
Zusammenfassend ist daher nach der Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall, in dem neben der Aussetzung der Vollziehung
sogar nochmals ausdrücklich die Bestätigung abgegeben worden ist, dass die Nachversicherungsbeiträge vorerst nicht zu zahlen
sind, die Erhebung von Säumniszuschlägen für den Zeitraum der Aussetzung des Beitragsbescheids vom 18.04.2006 nicht gerechtfertigt.
Etwas anderes lässt sich im Übrigen auch aus den von den Beteiligten herangezogenen Rundschreiben der Sozialversicherungsträger
von 05.09.2013 (Anmerkung des Senats: hier müsste wohl ein "nicht" eingefügt werden) herleiten. Denn dieses Rundschreiben
und die darin getroffenen Vereinbarung betrifft ausdrücklich nur die Erhebung von Säumniszuschlägen im Rahmen von Betriebsprüfungen
und nicht unmittelbar den vorliegenden Fall der Erhebung von Nachversicherungsbeiträgen. Mithin kann aus der Sicht der Kammer
auch unter Berücksichtigung der darin getroffenen Formulierungen kein hinreichender Rückschluss auf eine grundsätzliche Haltung
der Sozialversicherungsträger auf die vorliegende Fallkonstellation gezogen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a i.V.m. § 154 VwGO." Das Urteil ist der Beklagten am 09.09.2014 zugegangen. Mit ihrer am 25.09.2014 eingelegten Berufung trägt die Beklagte
vor, der Versichertengemeinschaft müsse in jedem Fall ein finanzieller Ausgleich zustehen, wenn sich ein Beitragsschuldner
gegen einen Beitragsbescheid wende, der Beitragsgläubiger auf eine Vollstreckung der Beitragsforderung verzichte und die Beitragsschuld
erst mit erheblicher Verspätung nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit beglichen werde. Ansonsten könnten Beitragsschuldner Zinsvorteile
erwirtschaften und mit jedem stattgegebenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bereits erreichen, jeglicher Sanktionierung
der Säumnis zu entgehen. Die Sozialversicherungsträger würden im Rahmen von Betriebsprüfungen die Ansicht vertreten, dass
bei Vollzugsaussetzung als Ausgleich für die verspätet erhaltenen Beiträge im Rahmen einer Auflage nach § 86a Absatz 3 Satz 4 SGG eine Verzinsung des Beitragsanspruchs (in Höhe von 4 % p.A.) in Betracht komme (Rundschreiben der Sozialversicherungsträger
vom 30.10.2003, Seite 19). In mehreren Entscheidungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hätten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
diese Auffassung jedoch zurückgewiesen; mangels rechtlicher Grundlage komme die Verzinsung der Beitragsschuld als Auflage
im Sinne des § 86a Absatz 3 Satz 4 SGG nicht in Betracht; in diesem Zusammenhang hätten die Gerichte auf die Regelung des § 24 SGB IV verwiesen; unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sei die Rechtsauffassung der Klägerin nicht haltbar. Im Rahmen der
Nachversicherung sehe sich die Beklagte auch nicht an das Rundschreiben vom 30.10.2003 gebunden. Soweit die Beklagte im Bescheid
vom 10.05.2006 mitgeteilt habe, die geforderten Nachversicherungsbeiträge seien somit vorerst nicht zu zahlen, sollte ersichtlich
nicht ausgedrückt werden, dass die Zahlungsverpflichtung im Sinne des § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV aufgehoben werde. Die Aussage müsse im Zusammenhang mit dem vorherigen Satz gesehen werden, wonach dem Antrag auf Aussetzung
der sofortigen Vollziehung im Rahmen des § 86a Absatz 3 Satz 1 SGG rückwirkend entsprochen wurde. Damit habe nur klargestellt werden sollen, dass die Beklagte von der sofortigen Vollstreckung
ihrer Rechte aus dem Forderungsbescheid Abstand nehme. Einfluss auf den Säumniszeitraum komme dieser Aussage nach ihrer Auffassung
im Hinblick auf die oben angeführten und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes getroffenen Entscheidungen verschiedener
Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.08.014 aufzuheben
und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie erwidert, die Beklagte treffe eine für
sie rechtlich nicht nachvollziehbare Unterscheidung zwischen einer Beitragsnachforderung im Rahmen einer Betriebsprüfung und
im Rahmen der Nachversicherung. Die streitgegenständliche Erhebung von Säumniszuschlägen auf den Nachversicherungsbeitrag
für die Zeit der Vollzugsaussetzung widerspreche der Druck- und Schadensausgleichsfunktion für die Erhebung von Säumniszuschlägen.
Die Aussetzungsentscheidung sei in Abwägung von widerstreitenden Interessen von Versichertengemeinschaft und Klägerin zugunsten
der Klägerin getroffen worden. Gerade vor diesem gesetzlichen Hintergrund des § 86a Absatz 2 Satz 3 SGG sei ein Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft nicht gerechtfertigt. Der Senat hat von den Beteiligten den Text der
Vereinbarung vom 31.10.2011 angefordert und die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den weiteren Inhalt
der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung, denn sie betrifft einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt
im Sinne des § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG; hierbei ist der Beschwerdewert von 750 EUR überschritten, weil es um strittige Säumniszuschläge in Höhe von 4.046,- EUR
geht.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den angefochtenen Bescheid vom 05.06.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 09.09.2013 zu Recht insoweit aufgehoben, als die Beklagte der Klägerin damit auch Säumniszuschläge für die Zeit vom 18.04.2006
bis zum 24.11.2011 auferlegt hat, denn in diesem Umfang ist die Klägerin beschwert, § 54 Absatz 2 Satz 1 SGG.
Zwar waren die Voraussetzungen des § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV zur Erhebung von Säumniszuschlägen durch die Beklagte gegenüber der Klägerin auch für die hier strittige Zeit vom 18.04.2006
bis zum 24.11.2011 grundsätzlich gegeben (dazu I.). Weil die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2006 die sofortige Vollziehung
des Bescheides vom 18.04.2006 rückwirkend ausgesetzt hat, könnte es ihr aber verwehrt gewesen sein, aus dem (Nachversicherungsbeiträge
fordernden) Bescheid vom 18.04.2006 Folgerungen zu ziehen, hier in Form der Auferlegung der strittigen Säumniszuschläge für
die Zeit der Vollziehungsaussetzung vom 18.04.2006 bis zum Eingang der Nachversicherungsbeiträge bei der Beklagten am 24.11.2011
(dazu II.). Jedenfalls aber war es der Beklagten verwehrt, der Klägerin für den Zeitraum vom 18.04.2006 bis zum 24.11.2011
Säumniszuschläge nach § 24 Absatz 1 SGB IV aufzuerlegen, weil sie der Klägerin gegenüber mit Bescheid vom 10.05.2006 ausdrücklich auch erklärt hat, dass die mit ihrem
Bescheid vom 18.04.2006 geforderten Nachversicherungsbeiträge vorerst nicht zu zahlen sind (dazu III.).
I.
Die Voraussetzungen des § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV zur Erhebung von Säumniszuschlägen durch die Beklagte gegenüber der Klägerin waren auch für die hier strittige Zeit vom 18.04.2006
bis zum 24.11.2011 grundsätzlich gegeben.
Gemäß § 24 Absatz 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen
Monat ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf Euro 50,- nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen.
Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Dienstherrn des Versicherten war Nachversicherungsschuldner des nach §
233 SGB VI bestehenden Nachversicherungsanspruchs des Versicherten und damit zahlungspflichtig für die Nachversicherungsbeiträge. Diese
waren gemäß § 184 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten waren, was regelmäßig mit dem unversorgten
Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis der Fall ist, § 8 Absatz 2 Nr. 1 SGB VI; da der Versicherte bis zum 31.08.1995 in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis als Beamter zur Rechtsvorgängerin der
Klägerin stand, war die Nachversicherungsschuld damit grundsätzlich am 01.09.1995 entstanden und fällig. Bis zum Ablauf dieses
Fälligkeitstags hatte die Klägerin Nachversicherungsbeiträge an die Beklagte jedoch nicht entrichtet.
Die Beklagte war daher grundsätzlich berechtigt, Säumniszuschläge zu erheben, die auch in Nachversicherungsfällen durch Verwaltungsakt
geltend zu machen (BSG, Urteil vom 29.11.2007, B 13 R 48/06 R, BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr. 1 und vom 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2, Rdn. 10 bis 21) und seit der mit Wirkung vom 01.01.1995 eingefügten Neufassung von § 24 Absatz 1 SGB IV grundsätzlich zwingend zu erheben sind, da ihre Erhebung nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen
des Versicherungsträgers gestellt ist (BSG, Urteile vom 12.02.2004, a.a.O. (Rdn. 25 f.), vom 29.11.2007, a.a.O. (Rdn. 28), vom 17.04.2008, B 13 R 123/04, BSGE 100, 215 ff. = SozR 4-2400 § 25 Nr. 2, und vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400, § 24 Nr. 5 (Rdn. 32)); insofern entstehen nach § 24 Absatz 1 SGB IV Säumniszuschläge kraft Gesetzes; ein entsprechender Bescheid, mit dem Säumniszuschläge festgesetzt werden, hat insoweit allein
deklaratorische Bedeutung (Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht-Seewald, § 24 SGB IV, Rdn. 3).
II.
Weil die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2006 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 18.04.2006 rückwirkend ausgesetzt
hat, könnte es ihr verwehrt gewesen sein, aus dem (Nachversicherungsbeiträge fordernden) Bescheid vom 18.04.2006 Folgerungen
zu ziehen, hier in Form der Auferlegung der strittigen Säumniszuschläge für die Zeit der Vollziehungsaussetzung vom 18.04.2006
bis zum Eingang der Nachversicherungsbeiträge bei der Beklagten am 24.11.2011.
In Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist es umstritten, welche konkreten Rechtswirkungen einer Vollziehungsaussetzung
nach § 86a Absatz 3 Satz 1 SGG hinsichtlich der Frage nach der Berechtigung zur Verhängung von Säumniszuschlägen während der Dauer der Aussetzung zukommen
(zum Meinungsstand vgl. Meyer-Ladewig (Keller), SGG, Kommentar, 11. Auflage 2014, § 86a, Rdn. 5 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.07.2016, S 32 AS 317/16 ER, dort Rdn. 81 bis 89 ([...]). Nach der sog. Wirksamkeitstheorie (vertreten von Schoch, in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO), Kommentar, § 80, Rdn. 90 ff. m.w.N., und von Kopp in Kopp /Schenke, VwGO, Kommentar, § 80, Rdn. 22) lässt die aufschiebende Wirkung schon die Wirksamkeit des Beitragsbescheides entfallen, so dass auch keine Fälligkeit
der Forderung besteht und Säumniszuschläge nicht anfallen können. Nach den Anhängern der sog. weiten Vollziehbarkeitstheorie,
wie die Klägerin sie offenbar vertritt, lässt die Vollziehungsaussetzung die Wirksamkeit des Beitragsbescheides und die Fälligkeit
der Beitragsforderung unberührt; es dürfen aber keine Säumniszuschläge erhoben werden, weil die Aussetzung dazu führt, dass
während des durch die aufschiebende Wirkung bedingten Schwebezustandes keine Folgerungen aus dem Beitragsbescheid gezogen
werden dürfen. Nach den Anhängern der sog. engen Vollziehbarkeitstheorie, wie die Beklagte sie offenbar vertritt, lässt die
Vollziehungsaussetzung die Wirksamkeit des Beitragsbescheides und die Fälligkeit der Beitragsforderung unberührt und es fallen
Säumniszuschläge an, nur muss die Leistung vom Adressaten des Beitragsbescheides vorläufig nicht erbracht werden, solange
die aufschiebende Wirkung anhält.
Der Senat braucht allerdings nicht zu entscheiden, welcher der drei maßgeblich vertretenen Theorien er hier zuneigt und ob
es der Beklagten infolge der rückwirkenden Vollziehungsaussetzung des Bescheides vom 18.04.2006 verwehrt gewesen sein könnte,
für die Dauer der Aussetzung bis zum Eingang der Nachversicherungsbeiträge Folgerungen aus dem Beitragsbescheid vom 18.04.2006
zu ziehen, weil der Wirksamkeitstheorie oder der sog. weiten Vollziehbarkeitstheorie der Vorzug vor der sog. engen Vollziehbarkeitstheorie
zu geben ist.
III.
Der Beklagten war es nämlich jedenfalls verwehrt, der Klägerin für den Zeitraum vom 18.04.2006 bis zum 24.11.2011 Säumniszuschläge
nach § 24 Absatz 1 SGB IV aufzuerlegen. Die Auferlegung von Säumniszuschlägen für den hier strittigen Zeitraum der Aussetzung der sofortigen Vollziehung
stellt eine unzulässige - da treuwidrige - Rechtsausübung der Beklagten dar, § 242 BGB, weil die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2006 nicht nur der Aussetzung der sofortigen Vollziehung rückwirkend entsprochen
hat, sondern gegenüber der Klägerin in diesem Bescheid ausdrücklich auch erklärt hat: "Die mit unserem Bescheid geforderten
Nachversicherungsbeiträge sind somit vorerst nicht zu zahlen." (dazu 1.). Ob sich eine Treuwidrigkeit der Auferlegung der
hier strittigen Säumniszuschläge zudem aus der Handhabung der Geltendmachung von Säumniszuschlägen im Rahmen von Betriebsprüfungen
gemäß dem Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 30.10.2003 ergibt, wie die Klägerin meint, kann
insofern dahinstehen (dazu 2).
1.
Die Auferlegung von Säumniszuschlägen für den hier strittigen Zeitraum der Aussetzung der sofortigen Vollziehung stellt eine
unzulässige - da treuwidrige - Rechtsausübung der Beklagten dar, § 242 BGB.
Die Beklagte hat mit der Erklärung im Bescheid vom 10.05.2006, die Nachversicherungsbeiträge seien vorerst nicht zu zahlen,
bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen diese als Beitragsschuldnerin berechtigterweise davon
ausgehen durfte, dass Säumniszuschläge für die verspätet gezahlten Nachversicherungsbeiträge trotz deren Fälligkeit nicht
erhoben werden; das spätere Verhalten der Beklagten, nämlich die Auferlegung von Säumniszuschlägen, steht hierzu in Widerspruch,
ist insofern treuwidrig und stellt mithin eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben
im Sinne des § 242 BGB abgeleitete und der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist insofern auch für das
Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten
und für die Verhängung von Säumniszuschlägen anerkannt (BSG, Urteile vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R (SozR 4 2400 § 24 Nr. 5, Rdn. 32) und vom 27.06.2012, B 5 R 88/11 R (BSGE 111, 107 ff., Rdn. 18 m.w.N.)).
Verhält sich ein Sozialversicherungsträger treuwidrig, steht dies der Ausübung der ihm eigentlich zustehenden Rechte entgegen.
Ein Sozialversicherungsträger verhält sich treuwidrig im Sinne eines "venire contra factum proprium", wenn durch sein Verhalten,
das zu seinem späteren Verhalten in Widerspruch steht, ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, aufgrund dessen der Beitragsschuldner
berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass Säumniszuschläge für verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge trotz deren
Fälligkeit nicht erhoben werden.
Einen solchen Vertrauenstatbestand hat die Beklagte hier geschaffen, indem sie im Bescheid vom 10.05.2006 neben der Erklärung
im ersten Satz, dass die Vollziehung ausgesetzt wird, der Klägerin gegenüber ausdrücklich im zweiten Satz auch erklärt hat,
dass die geforderten Nachversicherungsbeiträge vorerst nicht zu zahlen sind. Die Klägerin kann sich zu Recht darauf berufen,
dies dahingehend verstanden zu haben, dass eine Säumnis ihrerseits nicht entsteht und Säumniszuschläge nicht anfallen, weil
die Auslegung der Erklärung der Beklagten, die geforderten Nachversicherungsbeiträge seien vorerst nicht zu zahlen, ein solches
Verständnis rechtfertigt. Insofern folgt der Senat der Auffassung der Beklagten nicht, dass der zweite Satz im Bescheid vom
10.05.2006 im Zusammenhang mit dem ersten Satz gesehen werden müsse und damit nur habe klargestellt werden sollen, dass die
Beklagte von der sofortigen Vollstreckung ihrer Rechte aus dem Forderungsbescheid Abstand nehme.
Maßstab der Auslegung von Behördenerklärungen ist ein objektiver Adressat der Äußerung, der sich gegebenenfalls fachliches
Sonderwissen des tatsächlichen Adressaten zurechnen lassen muss. Auf die Auslegung von Willenserklärungen finden dabei - sofern
das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft - die Vorschriften des BGB, insbesondere die §§ 133, 157 BGB analog, Anwendung. Neben dem Wortlaut der Erklärung spielen insbesondere die Beweggründe des Betroffenen, die Begleitumstände
und die Interessenlage eine Rolle.
Die Erklärung der Beklagten, die geforderten Nachversicherungsbeiträge seien vorerst nicht zu zahlen, kann auch aus Sicht
eines objektiven Adressaten mit dem fachlichen Sonderwissen der Klägerin nicht dahingehend reduziert ausgelegt werden, die
Beklagte habe damit allein mitteilen wollen, von einer sofortigen Vollziehung und damit der zwangsweisen Einziehung der Nachversicherungsbeiträge
gegenüber der Klägerin absehen zu wollen. Eine auf diesen Erklärungsgehalt reduzierte Auslegung würde die damaligen Beweggründe
der Klägerin für ihre Antragstellung, ihre Interessenlage und die damaligen Begleitumstände der Antragstellung außer Acht
lassen.
Beweggrund der Klägerin für ihre im April 2006 parallel zur Widerspruchseinlegung erfolgte Antragstellung auf Aussetzung der
sofortigen Vollziehung kann nur gewesen sein, sich des Druckmittels der Säumniszuschläge zu entheben. Ihre Interessenlage
kann hingegen nicht gewesen sein, mit dem Antrag allein zu erreichen, dass die Beklagte von der sofortigen Vollstreckung ihrer
Rechte aus dem Forderungsbescheid Abstand nimmt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung brauchte die Klägerin nämlich nicht damit
zu rechnen, dass die Beklagte von ihrer Berechtigung zur Vollziehung des Beitragsbescheides vom 18.04.2006 Gebrauch machen
wird, was schon daraus folgt, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt - mangels vorliegender Nachversicherungsbescheinigung
und mangels Kenntnis der beitragspflichtigen Entgelte - eine konkrete, d.h. bezifferte Zahlungsaufforderung an die Klägerin
weder gerichtet hatte noch richten konnte und eine sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides vom 18.04.2006 zu diesem Zeitpunkt
somit mangels höhenmäßig konkretisierter Beitragsforderung nicht möglich war. Mit dem Bescheid vom 18.04.2006 hatte sie die
Klägerin insofern auch nur aufgefordert, die Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten für die Zeit vom 01.09.1992 bis
zum 31.08.1995 gemäß § 8 Absatz 2 SGB VI i.V.m. § 233 Absatz 2 SGB VI zu zahlen und hierfür die beitragspflichtigen Entgelte mitzuteilen. Erst die Nachversicherungsbescheinigung vom 16.11.2011
bezifferte die beitragspflichtigen Entgelte und den Nachversicherungsbeitrag dann konkret.
Auch die Begleitumstände der damaligen Antragstellung der Klägerin im Jahr 2006 stützen es, dass die Beklagte bei der Klägerin
einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen diese als Beitragsschuldnerin berechtigterweise davon ausgehen
durfte, dass Säumniszuschläge für die verspätet gezahlten Nachversicherungsbeiträge trotz deren Fälligkeit nicht erhoben werden.
Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, vor dem Hintergrund des Rundschreibens der Sozialversicherungsträger vom 30.10.2003 sei
sie bislang immer davon ausgegangen, dass die Beklagte rechtlich der Auffassung gewesen sei, keine Säumniszuschläge für die
Zeit einer Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines Beitragsbescheides fordern zu dürfen. Wenn die Beklagte der Klägerin
dann im Bescheid vom 10.05.2006 neben der Aussetzung der sofortigen Vollziehung zudem ausdrücklich erklärt, die Nachversicherungsbeiträge
seien vorerst nicht zu zahlen, rechtfertigt dies im Kontext mit der Kenntnis des Rundschreibens vom 30.10.2003 aus Sicht eines
objektiven Adressaten mit dem fachlichen Sonderwissen der Klägerin, die Erklärungen der Beklagten dahingehend zu verstehen,
dass Säumniszuschläge von der Klägerin nicht gefordert werden. Ausweislich ihres Berufungsvortrags hat die Beklagte in der
Vergangenheit außerdem Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung nach § 86 a Absatz 3 Satz 4 SGG regelmäßig mit Auflagen versehen, indem sie Stundungszinsen im Wege der Auflage auferlegt hat; es ist davon auszugehen, dass
diese Verwaltungspraxis auch der Klägerin bekannt war. Im Bescheid vom 10.05.2006 hat die Beklagte der Klägerin jedoch uneingeschränkt
erklärt, dem Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung werde rückwirkend entsprochen und die Klägerin habe die geforderten
Nachversicherungsbeiträge vorerst nicht zu zahlen; Auflagen hat die Beklagte daran damals nicht geknüpft. Auch dieser Kontext
stützt es, aus Sicht eines objektiven Adressaten mit dem fachlichen Sonderwissen der Klägerin die Erklärungen der Beklagten
dahingehend zu verstehen, dass Säumniszuschläge von der Klägerin nicht gefordert werden. Schließlich hätte die Beklagte im
Bescheid vom 10.05.2006 den zweiten Satz ("die Nachversicherungsbeiträge sind somit vorerst nicht zu zahlen") um den ausdrücklichen
Hinweis ergänzen können, dass Säumniszuschläge dennoch anfallen; diese Handlungsalternative hat sie aber nicht gewählt. Auch
dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, davon auszugehen, dass die Beklagte bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand dahingehend
geschaffen hat, dass Säumniszuschläge für die verspätet gezahlten Nachversicherungsbeiträge trotz deren Fälligkeit von ihr
nicht erhoben werden. Dem gefundenen Ergebnis steht der Berufungsvortrag der Beklagten nicht entgegen, der Versichertengemeinschaft
müsse in jedem Fall ein finanzieller Ausgleich zustehen, wenn sich ein Beitragsschuldner gegen einen Beitragsbescheid wende,
der Beitragsgläubiger auf eine Vollstreckung der Beitragsforderung verzichte und die Beitragsschuld erst mit erheblicher Verspätung
nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit beglichen werde, weil Beitragsschuldner ansonsten Zinsvorteile erwirtschaften und mit jedem
stattgegebenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bereits erreichen könnten, jeglicher Sanktionierung der Säumnis zu entgehen.
Denn dieser Vortrag berücksichtigt die hier gegebene individuelle Besonderheit nicht, dass die Beklagte hier gegenüber der
Klägerin die Aussetzung der sofortigen Vollziehung erklärt hat und diese Erklärung ausdrücklich um die weitere Erklärung ergänzt
hat, dass die geforderten Nachversicherungsbeiträge vorerst nicht zu zahlen sind.
2.
Ob sich eine Treuwidrigkeit der Geltendmachung von Säumniszuschlägen hier auch aus der Handhabung der Geltendmachung von Säumniszuschlägen
im Rahmen von Betriebsprüfungen gemäß dem Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 30.10.2003 ergibt,
wie die Klägerin meint, kann der Senat insofern dahinstehen lassen, auch wenn hier einiges dafür spricht, mit dem Sozialgericht
im angefochtenen Urteil davon auszugehen, dass aus dem Rundschreiben vom 30.10.2003 kein ausreichender Rückschluss auf eine
grundsätzliche Haltung der Sozialversicherungsträger für die vorliegende Fallkonstellation - Nachversicherungsbeiträge und
Säumniszuschläge bei Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Nachversicherungsbeitragsbescheides - gezogen werden kann,
weil es sich bei der Erhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Betriebsprüfungsverfahren "privater Arbeitgeber" und
der Erhebung von Nachversicherungsbeiträgen ehemaliger öffentlicher Arbeitgeber außerhalb eines Betriebsprüfungsverfahrens
um ganz unterschiedliche Verfahren handelt.
Nicht zu befinden hatte der Senat über die auch erfolgte Auferlegung von Säumniszuschlägen gegenüber der Klägerin für die
im Übrigen säumige Zeit vom 01.09.1995 bis zum 17.04.2006. Über die Rechtmäßigkeit der für diesen Zeitraum auferlegten Säumniszuschläge
besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Absatz 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG i.V.m. §§ 161 Absatz 1, 154 Absatz 1 VwGO. Als erfolglose Rechtsmittelführerin hat die Beklagte dem Grunde nach auch die Kosten des Berufungsverfahrens, d.h. nach
§ 162 VwGO auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren notwendigen Aufwendungen der Klägerin zu tragen,
da weder diese noch sie zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.
Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren in Höhe von 4.046,00 EUR beruht auf § 197 a Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i.V.m. §§ 63 Absatz 2 Satz 1, 52 Absatz 1, 47 Absatz 1 Satz 1, 43 Absatz 1, 40 Gerichtskostengesetz (GKG). Ausgehend von § 40 GKG, wonach der Streitwert für den jeweiligen Rechtszug festgesetzt wird und für die Wertberechnung der Zeitpunkt der die Instanz
einleitenden Antragstellung entscheidend ist, war für die Höhe des Streitwerts maßgeblich der zwischen den Beteiligten streitige
Säumniszuschlag für die Zeit vom 18.04.2006 bis zum 24.11.2011, der sich auf 4.046,00 EUR beläuft.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 SGG. Der Senat vermag weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Abweichen seiner Entscheidung von höchstrichterlicher
Rechtsprechung zu erkennen, § 160 Absatz 2 Nr. 1 und 2 SGG, nachdem der Senat in diesem Verfahren nicht entscheiden musste, ob der Wirksamkeitstheorie, der weiten Vollziehbarkeitstheorie
oder der engen Vollziehbarkeitstheorie zu folgen ist.
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