Feststellung rentenrechtlich erheblicher Daten in einem Vormerkungsverfahren
Zurücknahme einer Berufung
Fehlende Anfechtbarkeit einer gestaltenden Prozesshandlung
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung rentenrechtlich erheblicher Daten in einem Vormerkungsverfahren.
Der 1966 geborene Kläger besuchte vom 1.8.1982 bis zum 14.6.1985 die Berufsfachschule N (Ernährung und Hauswirtschaft) und
erwarb dort die Fachoberschulreife. Anschließend besuchte er vom 1.8.1985 bis zum 31.7.1986 eine Fachschule im Bildungsgang
"Hauswirtschaftlich-technischer Assistent - Fachhochschulreife/Allgemeine Hochschulreife" in der Jahrgangsstufe 11. Am 25.5.1987
begann er eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Privaten Fachschule für Betriebswirtschaft und Datenverarbeitung E.
Der Ausbildungsvertrag endete mit dem 24.5.1990. Die Berufsschule habe er bis zum 5.6.1990 besucht. Am 29.5.1990 meldete sich
der Kläger arbeitslos. Am 12.6.1990 schloss er die Ausbildung zum Industriekaufmann mit Bestehen der mündlichen Prüfung erfolgreich
ab. Ausweislich der der Beklagten vorliegenden Daten zur Erwerbsbiografie des Klägers ist der Kläger seit Februar 2002 durchgehend
arbeitslos. Bis zum 5.10.2002 bezog er Arbeitslosengeld, vom 6.10.2002 bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe und ab dem 1.1.2005
laufend Arbeitslosengeld II. Die im Versicherungsverlauf des Klägers gespeicherten Daten stellte die Beklagte für die Zeit
bis zum 31.12.2002 verbindlich fest und berücksichtigte dabei die Zeiten vom 25.5.1987 bis zum 24.5.1990 mit "Pflichtbeitragszeit"
und vom 29.5.1990 bis zum 30.6.1990 mit "Arbeitslosigkeit". Die Verbindlichkeit der übrigen Daten (nach dem 31.12.2002) werde
zu gegebener Zeit in einem weiteren Bescheid geregelt. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen
Daten werde erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden (Vormerkungsbescheid vom 6.7.2009; Widerspruchsbescheid vom
19.10.2009). Im anschließenden gegen die Beklagte und die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klageverfahren beanstandete
der Kläger unter Hinweis auf die - bis zum 31.12.2008 im Bescheid aufgeführten - Zeiten der Arbeitslosigkeit eine Verletzung
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10.12.1948 und der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)
vom 1.8.1975. Er forderte eine Gleichbehandlung aller Zeiten der Arbeitslosigkeit und eine bedarfsgerechte, nicht ausgrenzende
Absicherung aller Arbeitslosen, die auch eine menschenwürdige Absicherung in der Rentenversicherung umfasse. Nach einem Jahr
Arbeitslosengeld II (Alg II) erwerbe man nur einen Rentenanspruch von 2,10 EUR. Insbesondere Langzeitarbeitslose würden diskriminiert.
Dies sei unangemessen, menschenrechtswidrig und menschenverachtend. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Es fehle
insbesondere an einer Beschwer, weil nur die Zeiten bis zum 31.12.2002 verbindlich festgestellt würden (Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 13.3.2013, Aktenzeichen (Az) S 44 (15) R 223/09; Urteil des LSG NRW vom 15.11.2013, Az L 14 R 338/13; Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.4.2014, Az B 13 R 4/14 BH).
Auf einen im November 2013 gestellten, erneuten Antrag des Klägers stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen
Daten nunmehr bis zum 31.12.2007 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind (Bescheid vom
28.3.2014).
Mit seinem Widerspruch bat der Kläger darum, die Zeit vom 25.5. bis 12.6.1990 als Ausbildungszeit zu berücksichtigen. Er habe
seine Ausbildung zum Industriekaufmann (erst) am 12.6.1990 (und nicht bereits am 24.5.1990) abgeschlossen, da er vom 25.5.
bis 5.6.1990 die Berufsschule besucht und erst am 12.6.1990 die Prüfung abgelegt habe. Die Prüfung sei Bestandteil der Ausbildung,
so dass diese erst mit dem Bestehen am 12.6.1990 geendet habe. Soweit der Bescheid Daten zu Zeiten, in denen er Arbeitslosenhilfe
und Arbeitslosengeld II bezogen habe, enthalte, verstoße die unterschiedliche Behandlung dieser Zeiten und der Zeiten des
Bezugs von Arbeitslosengeld I gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Beklagte lehnte in Ergänzung der mit Bescheid vom 28.3.2014 getroffenen Regelungen ab, die Zeit vom 25.5. bis 12.6.1990
als berufliche Ausbildung oder als Anrechnungszeit vorzumerken, weil es sich weder um eine Zeit der Berufsausbildung noch
um eine solche der Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung gehandelt habe (Bescheid vom 5.6.2014). Der Bescheid werde
Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Den gegen diesen Bescheid eingelegten (weiteren) Widerspruch des Klägers
wies die Beklagte zurück: Der Zeitraum 25.5.1990 bis 5.6.1990 sei nicht als Ausbildungszeit vorzumerken. Eine Anrechnungszeit
scheide aus, weil keine "Fachschulausbildung" erfolgt sei. Der Besuch einer Berufsschule erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen
der überwiegenden Inanspruchnahme von Zeit und Arbeitskraft des Auszubildenden. Für eine Anerkennung als Zeit der Berufsausbildung
fehle es an einer Entrichtung von Pflichtbeiträgen im streitigen Zeitraum (Widerspruchsbescheid vom 4.8.2014).
Hiergegen hat der Kläger unter Wiederholung seines gesamten früheren Vorbringens (insbesondere aus dem Widerspruchsschreiben
vom 14.4.2014) am 7.8.2014 Klage erhoben und wörtlich beantragt,
1.
"dass das Handeln (die Bescheidung) der Deutschen Rentenversicherung Bund und Deutschland in Übereinstimmung mit den Zielen
und Grundsätzen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stehen, weil Deutschland sich in der Schlussakte der KSZE unter VII dazu verpflichtet hat,
2.
es zu unterlassen, dass das Handeln Deutschlands nicht in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrecht steht, weil sich die Teilnehmerstaaten (auch Deutschland) in der Schlussakte der KSZE unter VII dazu verpflichtet
haben, dass ihr Handeln in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht,
3.
den Bescheid vom 28.03.2014 ff. Rentenversicherung Bund aufzuheben und mich während meiner Zeiten der Arbeitslosigkeit, in
denen ich Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II bezogen habe, in der Rentenversicherung höher (gleich) abzusichern,
4.
die Zeit vom 25.05.1990 bis 12.06.1990 zusätzlich als Anrechnungszeit `Ausbildungszeit´ zu berücksichtigen,
5.
die Zeit vom 01.08.1985 bis 19.10.1986 auch als `Fachschulausbildung´ zu berücksichtigen,
6.
das oben genannte Verfahren gem. Artikel
100 Abs
2 Grundgesetz auszusetzen und an das zuständige Bundesverfassungsgericht zu verweisen, weil es um Völkerrecht/Schlussakte der KSZE (= Konferenz
über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) geht, weil sich Deutschland in der Schlussakte der KSZE unter VII. dazu verpflichtet
hat, dass sein Handeln mit den Zielen und Grundsätzen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dazu verpflichtet hat,
dass sein Handeln mit den Zielen und Grundsätzen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Einklang steht und Deutschland/Deutsche Rentenversicherung Bund dieser Verpflichtung aus der Schlussakte der KSZE VII
(Artikel
25 Grundgesetz) zuwider handelt,
7.
meine gesamten schriftlichen Einreichungen/Anträge zu berücksichtigen."
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ablehnung der Vormerkung des streitigen Zeitraums (25.5. bis 12.6.1990) weiter für rechtmäßig gehalten.
Das SG hat die Klage abgewiesen: Die Klage sei bezüglich der Anträge zu 1. und 2. unzulässig, weil es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis
fehle. Die Anträge zu 1. und 2. beträfen keine konkrete Verletzung eigener Rechte. Bezüglich des Antrags zu 3. fehle es zwar
an einer Widerspruchsentscheidung. Diese sei jedoch im Lauf des sozialgerichtlichen Verfahrens entbehrlich geworden, weil
die Beklagte durch rügelose Einlassung auf die klägerischen Anträge auf ihren Vorrang zur Gesetzesausführung verzichtet habe.
Sie habe sowohl im schriftlichen Verfahren als auch im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, ihre Entscheidung
bezüglich der unterschiedlichen Bewertung der Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld
II entspreche der geltenden Rechtslage. Da sie diesbezüglich keinen Handlungsspielraum habe, werde sie keine andere Feststellung
vornehmen. In der Sache sei der Kläger für die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe und von Arbeitslosengeld II nicht so
zu stellen, wie er beim Bezug von Arbeitslosengeld I stünde. Ein Grund, der die ungleiche Behandlung rechtfertige, sei der
Umstand, dass das Arbeitslosengeld I eine Versicherungsleistung sei und das Arbeitslosengeld II und die Arbeitslosenhilfe
nicht. Es sei auch kein Verstoß gegen die Menschenwürde erkennbar, wenn der Gesetzgeber für Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe
oder Arbeitslosengeld II niedrigere Rentenbeiträge als beim Arbeitslosengeld I vorgesehen habe bzw. ab 2011 nur noch Anrechnungszeiten
anerkenne. Da der Kläger seit mehreren Jahren hilfebedürftig sei, erhalte er Leistungen zur Sicherung seines aktuellen Lebensunterhalts.
Sollte er auch im Alter hilfebedürftig sein, werde er auch im Alter entsprechende Leistungen erhalten. Es bestehe jedoch keine
zwingende Notwendigkeit, ihm jetzt schon Leistungen zukommen zu lassen, um eine etwaige Hilfebedürftigkeit im Alter zu verhindern.
Ein Verstoß gegen die vom Kläger zitierten Vorschriften (Abschnitt 7 der Schlussakte der KSZE und Art 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN) sei nicht erkennbar. Angesichts dessen gebe es auch keinen Grund, das Verfahren - wie vom Kläger unter 6. beantragt
- dem Bundesverfassungsgericht nach Art
100 GG vorzulegen. Bezüglich des Antrags zu 4. sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung
der Zeit vom 25.5. bis 12.6.1990 als Anrechnungszeit wegen Fachschulbesuchs, da es sich bei der Berufsschule nicht um eine
Fachschule handele. Bezüglich des Antrags zu 5. sei die Klage unzulässig, weil die Beklagte über die Zeit vom 1.8.1985 bis
19.10.1986 im Widerspruchsbescheid keine Entscheidung getroffen habe. Bezüglich des Antrags zu 6. sei auf die Ausführungen
zum Antrag zu 3. zu verweisen. Der Antrag zu 7. sei unzulässig, weil nicht klar sei, was der Kläger damit überhaupt genau
meine (Urteil vom 18.5.2016, zugestellt am 6.6.2016).
Mit seiner Berufung vom 30.6.2016 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und führt
aus, dass der Bezug von Leistungen nach dem SGB II rentenrechtlich ebenso bewertet werden müsse wie der Bezug von Leistungen nach dem
SGB III. Aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte resultiere ein Rechtsanspruch einer allgemeinen Gleichbehandlung bei dem Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit.
In einem Erörterungstermin vor dem Senat hat der Kläger am 15.11.2016 ausweislich der Sitzungsniederschrift erklärt
"Meine im erstinstanzlichen Urteil unter den Ziffern 4 und 5 wiedergegebenen Anträge nehme ich hiermit zurück und erkläre
das Berufungsverfahren insoweit für erledigt"
und nachdem die Beklagtenvertreterin sich bereit erklärt hatte, den Antrag zu 3. binnen 3 Monaten zu bescheiden, außerdem
"Ich erkläre das Berufungsverfahren in Bezug auf den im erstinstanzlichen Urteil unter Ziffer 3 formulierten Antrag für erledigt.".
Beide Erklärungen sind - ausweislich der Sitzungsniederschrift - vorläufig auf Tonträger aufgezeichnet, dem Kläger vorgespielt
und von ihm genehmigt worden.
Später hat der Kläger erklärt, seine erstinstanzlichen Anträge 1,2,3,5,6,7 (später auch 4) weiter aufrechtzuerhalten. Er habe
seine Anträge im Termin nicht zurückgenommen. Jedenfalls widerrufe er seine Erklärungen im Termin am 15.11.2016 abgegebenen
Erklärungen ausdrücklich.
Der Kläger beantragt,
nach den in der mündlichen Verhandlung vom 18.5.2016 vor dem Sozialgericht Düsseldorf gestellten Schlussanträgen 1-7 zu erkennen
und im Übrigen die Anträge in den heute eingereichten Schriftsätzen vom 12.9.2017 zu berücksichtigen sowie "Rechtsbeugung,
Nötigung und rechtswidriges Handeln zu unterlassen."
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beklagte hat abgelehnt, dem im Antrag zu 3 zum Ausdruck kommenden Begehren des Klägers des Klägers auf Bewertung des von
ihm ab dem 1.1.2005 bezogenen Arbeitslosengeldes II entsprechend der gesetzlichen Bewertung des Arbeitslosengeldes I Rechnung
zu tragen (Bescheid vom 9.6.2017). Hiergegen ist ein Widerspruch des Klägers anhängig.
Der Senat hat abgelehnt, die Sitzungsniederschrift vom 15.11.2016 zu berichtigen (Beschluss vom 14.7.2017).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte
und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsbegehren des Klägers umfasst ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Sachantrags (weiter) die
in der mündlichen Verhandlung vom 18.5.2016 vor dem Sozialgericht Düsseldorf gestellten Schlussanträge, ergänzt um die zusätzlichen
Begehren, die Anträge in den Schriftsätzen vom 12.9.2017 zu berücksichtigen und "Rechtsbeugung, Nötigung und rechtswidriges
Handeln zu unterlassen".
Soweit der Kläger damit die vor dem Sozialgericht Düsseldorf gestellten Schlussanträge 3 bis 5 weiterverfolgt, kann der Senat
hierüber nicht mehr entscheiden, weil der Kläger im Termin am 15.11.2016 die Berufung wirksam zurückgenommen hat. Damit ist
das Urteil vom 18.5.2016 in diesen Punkten rechtskräftig und sind die Bescheide vom 28.3. und 5.6.2014 bestandskräftig geworden.
Deshalb geht der mit Schriftsatz vom 12.9.2017 erneut formulierte Antrag, diese Bescheide und den Widerspruchsbescheid vom
4.8.2014 aufzuheben und abzuändern, gleichermaßen ins Leere. Insoweit ist vielmehr festzustellen, dass die Berufung durch
Zurücknahme des Rechtsmittels erledigt ist (im Folgenden 1.). Im Übrigen ist die Berufung unbegründet (im Folgenden 2.).
1. Die Berufung ist, soweit das Begehren die erstinstanzlichen Schlussanträge zu 3 - 5 betrifft, nicht (mehr) rechtshängig,
weil der Kläger die Berufung insoweit im Erörterungstermin am 15.11.2016 wirksam zurückgenommen hat. Da der Kläger bestreitet,
seine Sachanträge zurückgenommen zu haben und seine diesbezüglichen Erklärungen - hilfsweise - widerrufen hat, ist der Rechtsstreit
zur Klärung der Frage fortzusetzen, ob eine wirksame Erledigung vorliegt. Liegt eine rechtswirksame prozesserledigende Zurücknahme
vor, erfolgt eine Entscheidung durch Urteil dahingehend, dass die Erledigung des Verfahrens festgestellt wird; ansonsten erfolgt
eine Entscheidung in der Sache selbst (BSG, Urt v 28.11.2002, Az B 7 AL 26/02 R). Hier ist festzustellen, dass die erstinstanzlich gestellten Schlussanträge zu 3 - 5 im Erörterungstermin am 15.11.2016
wirksam zurückgenommen worden sind und der Rechtsstreit damit teilweise erledigt ist. Damit ist dem Berufungsgericht verwehrt,
die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils in diesen Punkten zu prüfen. Das Urteil des SG bindet die Beteiligten in der Sache, soweit es rechtskräftig über den Streitgegenstand entschieden hat, §
141 Abs
1 SGG (LSG NRW, Urt v 29.1.2004, Az L 16 P 5/03); dies gilt selbst dann, wenn darin keine abschließende materielle Entscheidung erfolgt (BSG, Beschl v 4.11.2009, Az B 14 AS 81/08 B).
Die Prozesserklärungen des Klägers, das Berufungsverfahren sei hinsichtlich der Anträge 3 - 5 erledigt, stellen eine Zurücknahme
der Berufung in diesen Punkten dar, die, soweit sie reicht, den Verlust des Rechtsmittels und die Erledigung der Hauptsache
bewirkt, §
156 Abs
3 Satz 1
SGG. Diese Erklärungen hat der Kläger nachweislich abgegeben; sein späteres Bestreiten ist widerlegt. Die Abgabe der Erklärungen
wird durch die Sitzungsniederschrift vom 15.11.2016 bewiesen, die als öffentliche Urkunde Beweis für die tatsächliche Abgabe
der darin bekundeten Erklärungen, §§
118 Abs
1 Satz 1
SGG,
415 Abs
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) und die für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten erbringt, §§
122 SGG,
165 Satz 1
ZPO. Die Sitzungsniederschrift ist geeignet, über die Abgabe einer derartigen Erklärung Beweis zu begründen, §§
122 SGG,
160 Abs
3 Nr
8 ZPO. Die Erklärung ist dem Kläger vorgespielt und von ihm genehmigt worden, §§
122 SGG,
162 Abs
1 Satz 2
ZPO. Die Niederschrift wurde vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin unterschrieben, so dass alle für die Errichtung des Protokolls
vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet worden sind, §
163 ZPO. Der Beweis, dass die Erklärungen unrichtig beurkundet worden sind, hat der Kläger nicht erbracht. Sein Antrag auf Berichtigung
der Niederschrift ist vielmehr abgelehnt worden. Anhaltspunkte für eine Fälschung des Protokolls sind weder vorgetragen noch
ersichtlich, §§
122 SGG,
165 Satz 2
ZPO.
Die Zurücknahme der Berufung ist - wie Willenserklärungen generell - nicht frei widerruflich; sie ist auch nicht entsprechend
den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung (§§
119,
123 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)) anfechtbar (Schmidt in: Meyer-Ladewig ua.
SGG. Kommentar. 12. Aufl. 20117, §102 Rn 7c mwN). Erklärungen wie die Zurücknahme von Rechtsbehelfen sind gestaltende Prozesshandlungen,
auf die die Vorschriften des
BGB über die Anfechtung von Willenserklärungen in der Regel nicht anwendbar sind. Die Anfechtung einer Prozesserklärung wegen
Irrtums ist generell unzulässig (vgl mwN LSG NRW, Urt v 29.1.2004, Az L 16 P 5/03). Soweit der Kläger zur Begründung vorträgt, er sei "hinters Licht geführt" worden (und damit die Abgabe der Erklärungen
mittelbar bestätigt), gibt es für die darin liegende Behauptung einer arglistigen Täuschung keine verwertbaren Anhaltspunkte.
Vielmehr ist nach dem im Protokoll festgehaltenen Ablauf des Termins nachvollziehbar, dass der Kläger Sachanträge nach Hinweis
des Gerichts auf deren Aussichtslosigkeit zurückgenommen hat. Das gilt ganz besonders für die Zurücknahme des Antrags zu 3,
nachdem die Beklagte sich bereiterklärt hatte, diesen Antrag des Klägers (erstmals) zu bescheiden (und dies zwischenzeitlich
auch getan hat).
Das Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Berufung (teilweise) beendeten Rechtsstreits ist allerdings ausnahmsweise
dann möglich, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§
179,
180 SGG in Verbindung mit den §§
579 (Nichtigkeitsklage) oder 580
ZPO (Restitutionsklage) vorliegen (LSG Baden-Württemberg, Urt v 24.2.1999, Az L 2 RJ 4585/98; Schmidt, aaO; Eschner in: Jansen (Hrsg).
SGG. 4. Aufl. 2012, §
102, Rn 27; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte.
SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, §
102 Rn 6, alle mwN). Ob man das dann als statthaften "Widerruf" bezeichnen sollte (so: Schmidt, Eschner und Wehrhahn jeweils
aaO), mag dahinstehen. Wiederaufnahmegründe sind vorliegend jedenfalls weder behauptet noch ersichtlich.
Eine Nichtigkeitsklage nach §
579 ZPO findet statt, (1) wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, (2) wenn ein Richter bei der Entscheidung
mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels
eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist, (3) wenn bei der Entscheidung ein Richter
mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war,
oder (4) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung
ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Derartige Verstöße gegen das Prozessrecht liegen hier erkennbar nicht vor.
Eine Restitutionsklage nach §
580 ZPO findet ausschließlich statt, (1) wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer
vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat, (2) wenn eine Urkunde, auf die das Urteil
gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war, (3) wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil
gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat,
(4) wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den
Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist, (5) wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den
Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat, (6) wenn das Urteil eines
ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist,
durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig
gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere
Entscheidung herbeigeführt haben würde; 8. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Auch diese Wiederaufnahmegründe sind
offensichtlich nicht gegeben.
2. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil das SG zu Recht entschieden hat, dass es sich bei den Anträgen zu 1 und 2 um unzulässige Klagebegehren handelt und die "Anträge"
6 und 7 nur Verfahrensanregungen sind. Sie stellen keine Sachanträge dar, sondern erschöpfen sich in allgemeinen Anliegen
zum Ablauf des Verfahrens und dienen im Übrigen der ergänzenden Begründung der in den Anträgen zu 3 bis 5 enthaltenen Sachbegehren
auf Vormerkung und Bewertung von Versicherungszeiten. Diese Anliegen, Begründungen und Anregungen gehen nunmehr ins Leere,
da die eigentlichen Sachbegehren, auf die sie sich beziehen, nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sind (s oben 1.).
Im Übrigen schließt sich der Senat bei der Beurteilung der Anträge 1 und 2 zur Zulässigkeit der Klage nach eigener Prüfung
der Sach- und Rechtslage den überzeugenden Ausführungen des SG im Urteil vom 18.5.2016 an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, §
153 Abs
2 SGG.
Soweit der Kläger allgemeine Ausführungen insbesondere dazu macht, wie das Verfahren zu betreiben sei, welche verfassungsrechtlichen
Vorschriften zu beachten seien und in welcher Weise sein gesamtes Vorbringen zu berücksichtigen sei, weist der Senat darauf
hin, dass in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich das gesamte Beteiligtenvorbringen zu beachten und zu bedenken ist. Das
bedeutet allerdings nicht, dass es in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung vollständig abzuhandeln ist. In die Entscheidung
gehen regelmäßig nur die tragenden Gründe ein.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 Satz 1,
193 Abs
1 Satz 1
SGG. Schon weil Kosten nicht zu erstatten sind, gehen die diesbezüglichen Anträge des Klägers im Schriftsatz vom 12.9.2017 ins
Leere. Das Gericht trifft überdies nur eine Kostengrundentscheidung. Über die Notwendigkeit einzelner Aufwendungen und den
konkreten Betrag der zu erstattenden Kosten entscheidet das Gericht nach rechtskräftigem Abschluss des Berufungsverfahrens
durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, §
197 Abs
1 Satz 1
SGG.
C. Anlass, die Revision zuzulassen besteht nicht, §
160 Abs
2 SGG.