Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Mehrbedarf für Alleinerziehende
Tatbestand:
Die 1971 geborene Klägerin (K) begehrt für die Zeit von Mai 2007 bis März 2008 höhere gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Zweites
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gemeinhin in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen,
nämlich unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF (so genannter Mehrbedarf für Alleinerziehende,
im Folgenden auch so bezeichnet).
Sie ist erwerbsfähig, ledig und hat zwei Kinder, die 1991 geborene Tochter J (J) und den 2003 geborenen Sohn F (F). Deren
Väter waren und sind an Pflege und Erziehung der Kinder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. K bewohnte im
streitigen Zeitraum mit ihren Eltern, ihrer 1947 geborenen Mutter und ihrem 1943 geborenen Vater, die seit Oktober bzw November
2007 Rentner sind, sowie ihrer 1969 geborenen Schwester S, die seinerzeit ebenfalls Arbeitslosengeld II bezog, und den beiden
Kindern in einem in ihrem (K's) Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Das Haus steht auf einem 603 m² großen, nicht teilbaren
Grundstück. Es hat eine Gesamtwohnfläche von 97 m² und sieben Wohnräume. Im Erdgeschoss liegen drei von K's Eltern genutzte
Räume (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer) sowie die von allen Bewohnern genutzte Küche. Im Obergeschoss bewohnten seinerzeit
K, die beiden Kinder und K's Schwester jeweils einen Wohnraum; außerdem gibt es dort ein gemeinschaftlich genutztes weiteres
Bad. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" fand lediglich zum einen zwischen K und ihren Kindern und zum anderen zwischen ihren
Eltern statt.
K und ihre Kinder bezogen bis Dezember 2004 Sozialhilfe, bei deren Berechnung gemäß § 23 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung berücksichtigt wurde. Ab Januar 2005 bezogen K, ihre Eltern sowie ihre Schwester Arbeitslosengeld
II, wobei weder eine Bedarfs- noch ein Haushaltsgemeinschaft angenommen und zunächst wiederum zu Gunsten von K ein Mehrbedarf
für Alleinerziehende berücksichtigt wurde, nunmehr gestützt auf § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF.
Mit Bescheid vom 20. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25. September 2007 bewilligte der Beklagte K für
den hier streitigen Zeitraum 01. Mai 2007 bis 31. März 2008 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 353,61 € (Regelleistung
iHv 318,23 €; Leistungen für Unterkunft und Heizung iHv 35,38 €). Zugleich lehnte er die Bewilligung von Arbeitslosengeld
II für J bzw von Sozialgeld für F (wie schon in den Vorzeiträumen) sinngemäß ab, weil es deren jeweiligen Bedarf durch Einkommen
(Kindergeld und Unterhalt bei J bzw Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bei F) als gedeckt ansah. Bei der Berechnung der K
zustehenden Leistungen war auf der Bedarfsseite der Mehrbedarf für Alleinerziehende erstmals nicht berücksichtigt worden;
zur Begründung wurde im Bescheid darauf verwiesen, dass K in einem Haushalt mit ihren Eltern und ihrer Schwester lebe. Auf
der Einkommensseite war K das nach der Berechnung des Beklagten den Bedarf von J und F übersteigende Kindergeld unter (einmaligem)
Abzug der Versicherungspauschale von 30,- € angerechnet worden. Weiteres Einkommen hatte K im Bewilligungszeitraum nicht;
auch nennenswertes (iSv § 12 SGB II zu berücksichtigendes) Vermögen war neben dem selbstgenutzten Eigenheim nicht vorhanden.
Mit ihrem Widerspruch machte K mit Blick auf die mangelnde Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende geltend,
sie versorge ihre Kinder allein. Dass die Großeltern in ihrer Abwesenheit gelegentlich auf die Kinder aufpassten, sei unerheblich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 wies der Beklagte den Widerspruch mit folgender Begründung zurück: Es sei
in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 23 Abs 2 BSHG anerkannt gewesen, dass das Merkmal der Alleinerziehung jedenfalls dann verneint werden müsse, wenn Eltern den betreffenden
Elternteil so nachhaltig und wirksam bei der Pflege und Erziehung des Enkelkindes unterstützten, wie es sonst der andere Elternteil
zu tun pflege; es sei zu berücksichtigen, dass auch in einer Ehe bei Erwerbstätigkeit eines Elternteils dieser nicht rund
um die Uhr, sondern in der Regel nur zeitweise, etwa abends oder am Wochenende, zur Kinderbetreuung zur Verfügung stehe. Ob
die Mitwirkung eines Dritten an der Pflege und Erziehung von Kindern den Mehrbedarf ausschließe, bestimme sich nach dessen
Zweck, der vom Gesetz nicht näher beschrieben werde, aber im Gesetzgebungsverfahren Ausdruck gefunden habe. Da sich der SGB
II-Gesetzgeber bei Schaffung des § 21 Abs 3 SGB II auf die entsprechenden Vorschrift im BSHG bezogen habe, könne auf die Motive zum Vierten BSHG-Änderungsgesetz vom 21. Juni 1985 zurückgegriffen werden. Danach sei der Mehrbedarf für Alleinerziehende vor dem Hintergrund
eingeführt worden, dass bei Personen, die bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes nicht auf Hilfe Dritter zurückgreifen
könnten, ein höherer Bedarf für den vom Regelsatz erfassten notwendigen Lebensunterhalt bestehe, weil sie aufgrund der Beanspruchung
durch die Beaufsichtigung des Kindes nicht die Zeit für einen preisgünstigen Einkauf hätten, vielmehr regelmäßig die nächstgelegene
Einkaufsmöglichkeit nutzen müssten. Ferner sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege
und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen entstünden, weil häufiger externer Rat in Erziehungs- und Gesundheitsfragen benötigt
werde. Die Kosten etwa für kurzzeitige, bezahlte Kinderbetreuung, mehr Spielzeug, teurere Einkäufe etc würden vom Mehrbedarfszuschlag
abgedeckt. Folglich komme es für die Frage, ob jemand alleinerziehend sei, nicht darauf an, ob er im rechtlichen Sinne die
alleinige Erziehungsverantwortung habe; entscheidend sei vielmehr, ob der oder die Betreffende bei den im Zusammenhang mit
der Betreuung und Erziehung eines Kindes anfallenden Tätigkeiten auf die Hilfe anderer zurückgreifen könne. Werde die erziehende
Person mindestens in dem Umfang unterstützt wie dies in einer Ehe zugunsten der die Hauptlast bei der Pflege und Erziehung
tragenden Mutter durch den wegen Berufstätigkeit tagsüber abwesenden Ehemann geschehe, sei der Mehrbedarfszuschlag zu versagen.
So liege der Fall hier, da K insbesondere zur Betreuung ihrer Kinder auf die Unterstützung ihrer Eltern und ihrer Schwester
zurückgreifen könne. Ob sie diese Hilfe tatsächlich in Anspruch nehme, sei unerheblich.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat K geltend gemacht, sie nehme ihre Eltern und ihre Schwester für die Pflege und Erziehung
ihrer Kinder nicht in Anspruch. Infolge ihrer Arbeitslosigkeit sei sie auf deren Unterstützung auch nicht angewiesen. Sie
habe hinreichend Zeit, für sich und die Kinder einzukaufen, zu waschen und zu kochen sowie die Hausarbeiten zu verrichten,
zumal F in den Kindergarten gehe. Auch die ihrem Alter entsprechend schon weitgehend selbstständige J erhalte Anleitung und
Kontrolle ausschließlich von ihr (K).
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht (SG) Neuruppin am 17. Juni 2010 hat zunächst K Angaben zur Erziehung und Pflege ihrer Kinder gemacht. Anschließend sind ihre
Eltern zur Frage des Umfangs der Pflege und Erziehung von J und F als Zeugen vernommen worden. Insofern wird auf das Sitzungsprotokoll
verwiesen (Bl 20 ff der Gerichtsakten [GA]).
Mit Urteil vom selben Tag hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September
2007 verurteilt, K für den Zeitraum vom 01. Mai 2007 bis zum 31. März 2008 den Mehrbedarf für Alleinerziehende iHv monatlich
124,20 € für die Monate Mai und Juni 2007 sowie iHv monatlich 124,92 € für die Monate Juli 2007 bis März 2008, mithin insgesamt
1372,68 €, zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Begriffe "Pflege" und "Erziehung" in § 21 Abs 3 SGB II umfassten
die gesamte materielle und immaterielle Sorge für das Kind. Die Pflege betreffe die Sorge für das körperliche Wohl, die Erziehung
die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung, die Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder. Die alleinige
Sorge für die Pflege und Erziehung eines Kindes obliege dann (nur) einer Person, wenn sich keine weitere Person in nachhaltiger
Weise daran beteilige. So liege der Fall hier. Nach dem persönlichen Eindruck, den die Kammer von K und den Zeugen habe gewinnen
können, liege die alleinige Sorge für die Pflege und Erziehung von J und F bei K. Sie werde dabei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
nicht nachhaltig, sondern nur gelegentlich durch ihre Schwester und, in geringerem Umfang, durch ihre Mutter unterstützt.
Mit seiner Berufung macht der Beklagte insbesondere geltend, für ihn stehe nicht fest, dass K ihre Eltern und ihre Schwester
bei der Erziehung und Pflege der Kinder nicht nachhaltig in Anspruch genommen habe bzw nehme. Die diesbezüglichen Angaben
von K und ihrer Mutter vor dem SG seien nicht glaubhaft. Es sei lebensfremd, dass letztere sich nicht um ihren Enkel kümmere, wenn dieser zB krank sei. Erst
recht lebensfremd sei die K's Angabe, dass sie mit den Eltern nicht oder nur sehr wenig über alltägliche Probleme, auch die
Kinder betreffend, spreche. Dies sei selbst dann nicht nachvollziehbar, wenn sie nicht in einem Haus zusammen lebten, und
erst recht bei der hier gegebenen Wohnsituation unplausibel, zumal die Mahlzeiten des Öfteren gemeinsam eingenommen würden,
was mit Unterhaltungen verbunden sein dürfte. Im Übrigen habe zumindest K's Vater bekundet, dass sie eine harmonische und
normale Familie seien, in der jeder jedem helfe, und dass K in Erziehungsfragen auch von ihrer Schwester unterstützt werde.
Wohnten Großeltern wie hier mit ihren Kindern und Enkelkindern in einem Haushalt, entstehe durch den täglichen Umgang zwangsläufig
ein intensiveres Verhältnis als im Normalfall nur besuchsweisen Kontaktes.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Entscheidungssatz des Urteils des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni
2010 wie folgt geändert wird: Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25. September 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01. Mai 2007 bis zum
31. März 2008 höhere in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen zu gewähren, nämlich
unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II.
Sie hält die Ausführungen des SG für zutreffend.
Der Senat hat K im Verhandlungstermin am 11. August 2011 zum Zusammenleben mit ihren Kindern, ihren Eltern und ihrer Schwester
befragt. Insofern wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen (Bl 83 ff der GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die GA sowie die K betreffende Leistungsakte des Beklagten,
die vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, seit jeher ein beteiligtenfähiger zugelassener kommunaler Träger gemäß § 6a SGB II, der (wie die
gemeinsamen Einrichtungen) von Gesetzes wegen (§ 6d SGB II) seit dem 01. Januar 2011 die Bezeichnung "Jobcenter" führt, ist
unbegründet. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum Mai 2007 bis März 2008 dem Grunde nach Anspruch auf höhere gemäß
§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II gemeinhin in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen,
als ihr mit Bescheid vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 bewilligt worden
sind. Mit der Bezugnahme auf § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II werden üblicherweise die - hier allein in Rede stehenden (dazu sogleich)
- Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs gemäß § 20 SGB II einschließlich etwaigen Mehrbedarfs gemäß § 21 SGB II von den
Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II abgrenzt (vgl nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.
November 2006 - B 7b AS 8/06 R, juris = SozR 4 - 4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18); diese allgemeine Form der Abgrenzung beider Leistungen wurde im vorliegenden
Fall beibehalten, obwohl hier der Beklagte (ausnahmsweise) als zugelassener kommunaler Träger gemäß § 6a SGB II anstelle der
Bundesagentur Träger der Aufgaben nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II ist.
Gegenstand des Rechtsstreits (iS von §
95 SGG) ist nach der ausdrücklichen Antragstellung, von der gemäß §
123 SGG abzuweichen keine Veranlassung bestand, der Änderungsbescheid vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. September 2007, soweit damit für den Bewilligungszeitraum Mai 2007 bis März 2008 die Gewährung weiterer gemeinhin
in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen zugunsten von K abgelehnt worden ist.
Mit dem Änderungsbescheid vom 25. September 2007 wurde der ursprüngliche Bescheid vom 20. April 2007 (nur) insofern iS von
§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ersetzt. Hingegen sind die monatlichen Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß
§ 22 Abs 1 SGB II für den benannten Zeitraum nicht streitbefangen; über deren (zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitige)
Höhe ist (allein) mit dem Bescheid vom 20. April 2007 bestandskräftig entschieden worden (zur Selbständigkeit der Verfügungen
über die von der Bundesagentur für Arbeit und vom kommunalen Träger zu erbringenden Leistungen für den Lebensunterhalt nach
dem bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Recht des SGB II: BSG, aaO.). Der Änderungsbescheid vom 25. September 2007 hat die
diesbezügliche, unverändert gebliebene Regelung im Bescheid vom 20. April 2007 lediglich wiederholt (vgl zur Abgrenzung zwischen
wiederholender Verfügung und selbständige Regelung BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 19/07 R, juris = SozR 4-4200 § 11 Nr 14, jeweils RdNr 10).
K erfüllte im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach § 7 Abs 1 Satz
1 SGB II. Insbesondere war sie erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II) und hilfedürftig (§§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 9 SGB
II). In welcher Höhe genau ihr deswegen Leistungen für den Lebensunterhalt (neben den bereits bestandskräftig bewilligten
Unterkunftsleistungen) zustanden, wird insofern Gegenstand weiterer Prüfung des Beklagten sein, als zu klären sein wird, ob
und ggfs in welcher Höhe für J und F gezahltes Kindergeld ihr deshalb als Einkommen zurechenbar ist, weil es nicht zu deren
Unterhaltssicherung benötigt wurde (vgl § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II). Dazu wird der Beklagte zunächst jeweils den Bedarf von
J und F auch für Unterkunft und Heizung (allgemein zu den diesbezüglichen Kosten bei selbst genutzten Hausgrundstücken und
speziell zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeit von in einer Summe anfallenden Kosten BSG, Urteil vom 24. Februar 2011
- B 14 AS 61/10 R -, juris, RdNr 14ff) zu ermitteln und sodann den Bedarfen jeweils deren Einkommen aus Unterhalt bzw Unterhaltsvorschuss
sowie Kindergeld abzüglich 30,- € Versicherungspauschale (dazu BSG, Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 39/08, juris RdNr 19) gegenüberzustellen haben. Von den ggfs "überschießenden" Beträgen - nunmehr als Einkommen der K zu werten
- ist wiederum eine Versicherungspauschale in derselben Höhe abzuziehen (BSG, aaO. RdNr 25); über anderweitiges anrechenbares
Einkommen oder zu berücksichtigende Vermögenswerte (§ 12 SGB II) verfügte K im streitigen Zeitraum nicht. Eine Bedarfsgemeinschaft
von K mit ihren Eltern mit der Folge, dass ggfs deren Einkommen und Vermögen auf ihren (K's) Bedarf anzurechnen ist (vgl §
9 Abs 2 SGB II), scheidet bereits deshalb aus, weil das Gesetz eine Bedarfsgemeinschaft zwischen über 25-jährigen Kindern
und ihren Eltern nicht vorsieht (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II und dazu BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 32/08 R, juris RdNr 13). K lebte mit ihren Eltern - gleiches gilt im Ergebnis für das Zusammenleben mit der Schwester - auch nicht
in einer Haushaltsgemeinschaft iSv § 9 Abs 5 SGB II, so dass die gesetzliche Vermutung, dass sie von ihnen Leistungen erhielt,
unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern nicht greift. Das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft setzt
ein "Wirtschaften aus einem Topf" voraus (vgl Thie/Schoch in LPK-SGB II, 4. Aufl, § 9 RdNr 58), das hier nicht stattgefunden
hat. Die Vermutungswirkung des § 9 Abs 5 SGB II ist im Übrigen auch deshalb nicht eingetreten, weil das (Renten-)Ein-kommen
und Vermögen der Eltern nicht so deutlich über deren SGB II-Bedarf (vgl zur Berechnung Thie/Schoch aaO. RdNr 61) lagen, dass
ein Einsatz zugunsten von K erwartet werden konnte.
Für die Belange des erlassenen Grundurteils (§
130 Abs
1 Satz 1
SGG) - hier im Rahmen des Höhenstreits - kann sich der Senat auf diese Ausführungen zur möglichen Berücksichtigung von Einkommen
und Vermögen beschränken. Denn der Erlass eines Grundurteils setzt im Höhenstreit (nur) voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen
der Höhe nach so weit geklärt sind, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein höherer Leistungsanspruch angenommen werden
kann (vgl zum Ganzen BSG, Urteile vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 16 und vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R, juris = SozR 4-4200 §
12 Nr 4, jeweils RdNr 15 sowie Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, RdNr 2b ff zu §
130, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt; es kann sogar ausgeschlossen werden, dass K Einkommen aus "überschießendem
Kindergeld" in einer Höhe zugerechnet werden muss, die dem hier streitigen Anspruch auf höhere Leistungen zum Lebensunterhalt
(ohne Unterkunftsleistungen; vgl zur Reihenfolge der Einkommensanrechnung auf die verschiedenen Leistungen § 19 Abs 1 Satz
2 SGB II aF) unter Berücksichtigung des in Rede stehenden Mehrbedarfs für Alleinerziehende (dazu sogleich) entgegen stehen
könnte.
Der Regelleistungsbedarf (§ 20 Abs 2 Satz 1 idF des Gesetzes vom 24. März 2006, Abs 4 SGB II) von K betrug 345,00 € monatlich
in der Zeit von Mai bis Juni 2007 und 347,00 € monatlich in der Zeit von Juli 2007 bis März 2008.
Zusätzlich ist zugunsten von K ein Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF (der für sie im Vergleich
zu der Nr 2 der Norm günstigeren Regelung) zu berücksichtigen. Denn sie lebte im streitigen Zeitraum mit einem Kind unter
sieben Jahren, dem am 2003 geborenen F zusammen (im streitigen Zeitraum bis zum 19. September 2007, dem 16. Geburtstag von
J, zudem mit zwei Kindern unter sechzehn Jahren) und hat allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt.
Die in den Normen verwendeten Begriffe "Pflege" und "Erziehung" umschreiben die umfassende Verantwortung für die Lebens- und
Entwicklungsbedingungen des Kindes. Pflege konkretisiert die Sorge für das körperliche Wohl, Erziehung die Sorge für die seelische
und geistige Entwicklung, die Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder. Dabei ist, da das Arbeitslosengeld II eine
bedarfsbezogene Leistung ist, ausschließlich auf die tatsächlichen Umstände und nicht etwa darauf abzustellen, wem das Personensorgerecht
iSd §§
1626 ff
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) zusteht. Es geht um die gesamte Sorge für das Kind, mithin die Ernährung, Bekleidung, Gestaltung des Tagesablaufs und emotionale
Zuwendung. Alleinige Sorge und Pflege ist dabei anzunehmen, wenn keine andere Person in erheblichem Umfang mitwirkt, der Erziehende
also keine nachhaltige Unterstützung bzw nachhaltige Entlastung erfährt (BSG, Urteil vom 03. März 2009 - B 4 AS 50/07 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 5 RdNr 17, 19; Urteil vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R, juris, RdNr 15). Diese Voraussetzungen nach § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II sieht der Senat erfüllt, weil F (wie im Übrigen auch
J) ohne wesentliche, dem typischen Pflege- und Erziehungsbeitrag ihrer Väter entsprechenden Beteiligung Dritter von K versorgt
und erzogen wurden. Dass diese Situation bestanden hat, hat die Anhörung der K durch den Senat und die Beweisaufnahme im Verhandlungstermin
des SG am 17. Juni 2010 ergeben.
K und ihre Eltern haben im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass K (jedenfalls) seinerzeit nahezu allein insbesondere
für die Ernährung, die Bekleidung, die Erziehung und das seelische Wohl ihrer Kinder zuständig war und dabei von ihren Eltern
oder ihrer Schwester nicht in erheblichem Maße unterstützt wurde. Sie (K) stand frühmorgens auf, um F für den Kindergarten
fertig zu machen, sie bereitete die Mahlzeiten für F und J vor, sie holte F mittags vom Kindergarten ab und kümmerte sich
auch anschließend um ihn. Ggfs nahm sie ihn zum Einkaufen sowie bei Arzt- und Behördengängen mit. Übereinstimmend wurde weiter
bekundet, dass weder die Großeltern noch K's Schwester maßgeblich an der Erziehung des Kinder beteiligt waren und K von ihnen
auch keine diesbezüglichen Ratschläge einholte, wobei diese Angaben nicht verfahrensangepasst wirkten. Die Verhältnisse wurden
vielmehr stimmig und anschaulich beschrieben. So bezeichnete K's Mutter J und F allgemein als "Mamakinder" (Bl 23 GA), an
anderer Stelle formulierte sie, bei F gebe es nur "Mama, Mama, Mama". Auch äußerte sie vor dem SG wiederholt Kritik am Erziehungsstil der K sowie am Verhalten der Enkel, die eine fehlende kontinuierliche Einbeziehung in
die Betreuung der Enkel bei nur losem Kontakt plausibel erscheinen lassen. Wolle F, so K's Mutter anschaulich, mehr Essen
oder Trinken, schreie er von oben, die Tochter (K) renne dann und bediene (ihn); so sei das auch schon bei J gewesen. Die
Enkelkinder hätten nicht "mit uns abends beim Tisch gesessen", sondern für sich allein oben in ihren Zimmern gegessen; "bei
Oma essen wollten die Kinder auf keinen Fall". Die Enkel hätten ihr (das von der Zeugin zubereitete) Essen nicht gemocht (jeweils
Bl 23 der GA). An anderer Stelle: F lasse sich von ihr "nicht mal Stulle machen" (Bl 22 der GA). Überzeugungskräftig und nicht
zum Zwecke der Anspruchsbegründung weitgehend abgestimmt wirkten die Aussagen auch deshalb, weil zu dem Rahmen des Zusammenlebens
keine realitätsfern erscheinenden Angaben gemacht wurden. So wurden die Verhältnisse in der Familie nicht etwa als zerrüttet
beschrieben, was nicht in Einklang mit dem dauerhaften Zusammenleben unter einem Dach gestanden hätte; vielmehr hat insbesondere
K's Vater das Familienleben als insgesamt harmonisch beschrieben, wobei auch er, danach gefragt, inwiefern er K unterstütze,
seine positive Antwort nicht auf die Betreuung der Enkel, sondern auf Hilfen handwerklicher Art bezog (Bl 24 der GA).
Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Mitwirkung bei der Erziehung und Pflege der Kinder gegeben war, kann offen bleiben,
ob bzw inwieweit bei den Eltern und der Schwester der K Bereitschaft bestand, insoweit mitzuwirken. Eine diesbezügliche Bereitschaft
könnte K schon deshalb nicht unter Heranziehung des Selbsthilfegrundsatzes bzw des Grundsatzes des Forderns (vgl § 2 SGB II)
entgegengehalten werden, weil Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht (ausschließlich) der Eltern sind (Artikel
6 Abs
2 Satz 1
Grundgesetz [GG]); darüber zu befinden war folglich wegen des "Ausfalls" der Väter von J und F allein Sache der K.
Der Senat sieht im Ergebnis keine Möglichkeit, zu einer demgegenüber an tatsächlichen Bedarfslagen und deren Abdeckung orientierten
(einschränkenden) Auslegung des § 21 Abs 3 SGB II in einem der Auffassung des Beklagten nahe kommenden Sinne, dass bei Ausgleich
durch Dritte von Erschwernissen, die Alleinerziehende treffen, die Voraussetzungen des § 23 Abs 3 SGB II nicht erfüllt sind.
Das BSG hat im Urteil vom 03. März 2009 - B 4 AS 50/07 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, jeweils RdNr 18, zum Zweck der Mehrbedarfsregelung ausgeführt:
"Dieser wird zwar vom Gesetz selbst nicht näher beschrieben, er hat aber im Gesetzgebungsverfahren hinreichenden Ausdruck
gefunden. Da nach dem Willen des Gesetzgebers inhaltlich an die entsprechende Vorschrift im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) angeknüpft werden sollte (vgl BT-Drucks 15/1516 S 57), kann auf die Motive zum Vierten Änderungsgesetz des BSHG zurückgegriffen werden (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 [BT-Drucks 10/3079 S 5]). Zum Zeitpunkt dieser
Gesetzesinitiative war in § 23 Abs 2 BSHG bereits ein Mehrbedarfszuschlag für solche Personen vorgesehen, die mit zwei oder mehr Kindern unter 16 Jahren zusammenleben
und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen. Die Rechtfertigung dieses Mehrbedarfszuschlages ergab sich nach den Materialien
vor allem dadurch, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder weniger Zeit haben, preisbewusst einzukaufen sowie
zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssen. Nach dem Gesetzentwurf
sei die Situation bei Alleinerziehenden mit nur einem Kind ähnlich, solange das Kind noch nicht schulpflichtig sei. Auch sie
seien weniger mobil, fänden keine ausreichende Zeit zum Preisvergleich, müssten die nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit nutzen
und hätten ein höheres Informations- und Kontaktbedürfnis. Für sie werde deshalb ein Mehrbedarfszuschlag vorgesehen. § 23 Abs 2 BSHG idF vom 21.6.1985 (BGBl I 1081) hatte daher folgenden Wortlaut: 'Für Personen, die mit einem Kind unter 7 Jahren oder die
mit 2 oder 3 Kindern unter 16 Jahren zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf von
20 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht ...'.
Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liegt mithin darin, den höheren Aufwand des Alleinerziehenden
für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für
Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen (vgl nur Lang/Knickrehm
in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Gutachtliche
Äußerung: Mehrbedarf nach §§ 23, 24 BSHG und Einkommensgrenzen nach §§ 79, 81 BSHG, 1991, S 19 ff)."
Eine solche am Bedarf orientierte Begründung des "Mehrbedarfs" gemäß § 21 Abs 3 Satz 1 SGB II trägt nicht allein den Motiven
des historischen Gesetzgebers Rechnung, sie erscheint auch bei systematischer Auslegung die allein überzeugende, da § 21 Abs
3 SGB II seinen Standort in einem strikt bedarfsbezogenen Leistungssystem hat. Zieht man daraus die Konsequenz, dass eine
erhebliche Mitwirkung Dritter bzw eine nachhaltige Unterstützung der allein erziehenden Person (vgl dazu neben der zitierten
Entscheidung das Urteil vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = SozR 4 - 1500 § 71 Nr 2, jeweils RdNr 15) bereits dann vorliegt, wenn die genannten Bedarfslagen abgedeckt werden, ist
diese Situation hier gegeben - und wäre der Bedarf folglich nicht gemäß § 21 Abs 3 SGB II zu erhöhen -, denn die oben bereits
im Blick auf den aktiven Beitrag zu Pflege und Erziehung zurückhaltend gewürdigten Verhältnisse waren doch so, dass keineswegs
eine Abwendung von Tante und Großeltern von J und F zur Darstellung gelangt ist, so dass für den Senat ohne wesentliche Zweifel
feststeht, dass es gelegentliche, zeitlich begrenzte Fürsorge für die Kinder gegeben hat bzw dass allein durch die Anwesenheit
familiär verbundener Erwachsener der K Freiräume eröffnet waren, die ihr erlaubt haben, den beschriebenen Bedarfslagen ohne
zusätzlichen finanziellen Aufwand gerecht zu werden.
Dennoch ist eine an die Bedarfslagen anschließende Auslegung der beschriebenen Art nicht tragfähig, da die in dem zum Vierten
BSHG-Änderungsgesetz dargelegten, vom BSG aufgegriffenen Bedarfslagen regelhaft nicht bestehen. Zwar würde ausreichen, wenn bei
typisierender Betrachtung die aufgezeigten Bedarfe die erhöhte Leistung rechtfertigen, um aus diesem Zusammenhang einschränkende
Auslegungskriterien für § 21 Abs 3 SGB II in dem Sinne zu gewinnen, dass eine Leistungspflicht dann nicht begründet ist, wenn
die Bedarfe typischerweise gedeckt sind. Die insoweit vorauszusetzende Ausgangslage besteht indes nicht. Es lassen sich nur
in geringem Umfang Fallgruppen bezeichnen, in denen die vom historischen Gesetzgeber genannten Bedarfslagen auftreten; in
der überwiegenden Zahl der Fälle bzw den von § 21 Abs 3 SGB II erfassten Familien- und Alterskonstellationen ist dies nicht
der Fall. Zudem - und auch dies beeinträchtigt die Relevanz der Gesetzesmaterialien und teleologischer Gesichtspunkte für
die Auslegung entscheidend - kommt den Bedarfslagen, die Erwähnung finden, nicht mehr ihr ursprünglicher Stellenwert zu.
Zu diesem zuletzt genannten Aspekt erscheint wesentlich, dass Preisvergleiche im Computerzeitalter sekundenschnell per Mausklick
möglich sind, Lebensmitteldiscounter heutzutage von fast jedem Haushalt gut erreichbar sind und auch die Befriedigung von
Informations- und Kontaktbedürfnissen bei der inzwischen nahezu flächendeckenden Verbreitung von Flatrates für Telefon und
Internetzugang regelmäßig nicht mehr mit Mehrkosten verbunden ist (vgl dazu Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 21 RdNr 32 ff
mwN). Was den Umstand angeht, dass Alleinerziehung (von je her) nicht regelhaft zusätzliche Bedarfslagen begründet, ist festzuhalten,
dass die in den Gesetzmaterialien angeführten Gründe für einen Mehrbedarf von Alleinerziehenden insoweit ohne Überzeugungskraft
sind, als mit ihnen auch der schon vor Erweiterung des § 23 Abs 2 BSHG durch das Vierte Änderungsgesetz des BSHG bestehende Zuschlag für ältere Kinder bzw Jugendliche (zwei Kinder unter sechzehn Jahren) gerechtfertigt wurde. Denn bei
einem allein erziehenden Elternteil von zwei zB dreizehn und fünfzehn Jahre alten Kindern fallen die herangezogenen Mehrkosten
nicht an, da Kinder in diesem Alter nur noch eingeschränkt aufsichtsbedürftig sind. Gänzlich lebensfremd wäre es, auch den
von § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II - mit dem der Anwendungsbereich des Mehrbedarfs gegenüber der sozialhilferechtlichen Regelung erheblich
erweitert worden ist - erfassten Fall der Alleinerziehung eines 17-jährigen "Kindes" mit der Erwägung rechtfertigen zu wollen,
der betroffene Elternteil sei wegen des 17-Jährigen zu wenig mobil, um preisgünstig einzukaufen oder Kontakte zu pflegen.
Eine weitere Relativierung der bedarfsbezogenen Rechtfertigung der Regelung des § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II ergibt sich zudem im
Blick auf regelhafte außerfamiliäre Betreuung. Der Schulbesuch der Kinder sowie das (zunehmend vorhandene) Angebot von Krippen-,
Kindergarten- und Hortplätzen (und der häufig privilegierte Zugang Alleinerziehender zu diesen Angeboten) weisen ebenfalls
in die Richtung, dass vermeintlich höhere Kosten durch Alleinerziehung die Ausnahme sind, wobei dieser Zusammenhang auch insoweit
als Unstimmigkeit zu kennzeichnen ist, als ein Wegfall des Mehrbedarfszuschlags wegen Schulbesuchs bzw Wahrnehmung der genannten
Betreuungsangebote "klassische" Alleinerziehungsfälle beträfe, die sicherlich durch die Bedarfsargumentation der Gesetzesbegründung
nicht ausgeschlossen werden sollten. Aus Kostengesichtspunkten macht die Zuerkennung eines allgemeinen Mehrbedarfs für Alleinerziehende
unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Lebensverhältnisse nur insofern Sinn, als der allein erziehende Elternteil eines
Kleinkindes oder mehrerer Kleinkinder gelegentlich auf Babysitterdienste angewiesen ist, um insbesondere abends Kontakte pflegen
oder am kulturellen Leben teilzunehmen zu können, weil ein anderer Elternteil zur zeitweisen Kinderbetreuung nicht zur Verfügung
steht und dieses Defizit auch nicht durch anderweitige familiäre Unterstützung kostenfrei ausgleichbar ist (wie das bei K
der Fall gewesen ist). Allerdings wäre allein mit dieser Erwägung im Bedarfsdeckungssystem des SGB II keinesfalls ein Mehrbedarf
in einer Höhe zu begründen, wie sie § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II vorsieht.
Kurz gefasst ergibt sich aus alledem: Die Rechtfertigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende, zumal in dem in § 21 Abs
3 SGB II bestimmten Umfang, ist zu dürftig, als dass die Formulierung "allein für deren Pflege und Erziehung sorgen" gegen
den Gesetzeswortlaut auf Sinn und Zweck des Mehrbedarfs gestützt so ausgelegt werden könnte, dass einer Alleinerziehenden
wie K der Mehrbedarf deshalb versagt werden kann, weil sie mit Familienangehörigen unter einem Dach lebt, die zwar die zur
Rechtfertigung des Mehrbedarfs allgemein herangezogenen (typischerweise allerdings nicht bestehenden) Bedarfslagen ausgleichen,
ansonsten an Pflege und Erziehung der Kinder aber nicht substantiell beteiligt sind. Der Senat wendet daher die Vorschrift
trotz der aufgezeigten Ungereimtheiten - die Vorschrift ist in einem auf Bedarfsdeckung ausgerichteten System ein Fremdkörper
- mangels sinnvoller Alternative gemäß ihrem Wortlaut an.
Für verfassungswidrig hält der Senat die Vorschrift im so verstandenen Sinne nicht, so dass er sich nicht veranlasst gesehen
hat, gemäß Art
100 Abs
1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen. Insbesondere widerspricht sie bei diesem Verständnis
weder dem Gleichheitsgrundsatz des Art
3 Abs
1 GG, noch verstößt sie gegen das spezielle Diskriminierungsverbot von Ehe und/oder Familie (Art
6 Abs
1 GG; dazu, ebenfalls im Zusammenhang mit dem Mehrbedarf für Alleinerziehende, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 15. September 2010 - L 20 AS 902/10 PKH, juris RdNr 9 f). Wird K als Alleinerziehender der Mehrbedarf ohne erkennbaren besonderen Bedarf zuerkannt, eine entsprechende
Begünstigung hingegen einer mit (erwerbstätigem) Partner zusammen lebenden vergleichbaren Mutter nicht gewährt, liegt keine
relevante Ungleichbehandlung vor, da mit der bekanntermaßen mit vielfältigen Nachteilen verbundenen Alleinerziehung ein zulässiges
Differenzierungskriterium gewählt ist (vgl von Münch/Kunig [Hrsg],
GG, Art
6 RdNr
16a ff). Ein Verstoß speziell gegen die Wertentscheidung von Art
6 Abs
1 GG liegt nicht vor, da eine Ehefrau, der im eben geschilderten Beispielsfall nach hiesigem Verständnis von § 21 Abs 3 SGB II
kein Mehrbedarf zusteht, von Gesetzes wegen im Ergebnis nicht allein deshalb geringere Leistungen erhält, weil sie verheiratet
ist. Vielmehr hat der insofern über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügende Gesetzgeber mit dem Merkmal der Alleineinerziehung
einen Sachgrund für die Leistungsdifferenzierung angeführt, der den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widerstreitet.
Schon gar nicht kann insofern von einer willkürlichen Leistungsverteilung gesprochen werden (vgl zu alledem BVerfG, Beschluss
vom 12. Februar 1964 - 1 BvL 12/62, juris RdNr 24 f).
Die aufgezeigten Unstimmigkeiten zu beseitigen, ist allein Sache des Gesetzgebers, der sich die Frage vorlegen mag, inwiefern
es sinnvoll ist, am Mehrbedarf für Alleinerziehende festzuhalten, bzw ob den Erschwernissen dieser Bevölkerungsgruppe, die
nach wie vor etwa einem erheblich größeren Armutsrisiko ausgesetzt ist (vgl Krauß aaO. RdNr 35 mwN), nicht besser außerhalb
eines bedarfsbezogenen Leistungssystems der Existenzsicherung entgegen gewirkt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).