LSG Bayern, Urteil vom 14.09.2016 - 12 KA 35/15
Obergrenze eines Regelleistungsvolumens
Qualifikationsabhängige Zusatzvolumen
Umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen
Honorarverteilungsgerechtigkeit
Fallzahlzuwachsregelungen
1. Das Bundessozialgericht hat wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit
haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen.
2. Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sogenannten Honorarverteilungsgerechtigkeit
- die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner
Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit dem Berufskollegen zu verbessern.
3. Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls
bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen.
4. Das BSG hat jedoch klargestellt, dass, soweit in Teilen des Senats ausgeführt worden sei, neu gegründete Praxen seien für die Zukunft
des Aufbaus "von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen", klarzustellen sei, dass sich dies nicht auf Umsatzsteigerungen
generell bezog, sondern allein auf Fallzahlzuwachsregelungen.
Vorinstanzen: SG München 05.12.2014 S 39 KA 72/13
Tenor I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Dezember 2014, S 39 KA 72/13, wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Streitgegenständlich ist die Obergrenze Regelleistungsvolumen (RLV) und qualifikationsabhängige Zusatzvolumen (QZV) sowie der Honoraranspruch des Klägers im Quartal.
Der Kläger ist als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 28.02.2011 wurde dem Kläger die Obergrenze RLV und QZV für das Quartal in Höhe von 12.656,79 Euro zugewiesen. Die Berechnung des RLV erfolgte unter Heranziehung des arztgruppenspezifischen Fallwertes für die Arztgruppe der Physikalisch-Rehabilitativen Mediziner
von 25,66 Euro und der RLV-relevanten Fallzahl aus dem Quartal 2/2010 von 170. Zusätzlich wurden QZV für Akupunktur, Psychosomatische Grundversorgung,
Physikalisch-rehabilitative Diagnostik und Therapie aus den jeweiligen Fallwerten und den Fallzahlen des Vorjahresquartals
berechnet. Unter der Überschrift "I. Erläuterungen" war unter "3) Obergrenze bei Neupraxen und Jungpraxen" ausgeführt, unter
einer Jungpraxis verstehe man die Praxis eines "Jungarztes", die sich noch im Aufbau befinde. Eine Praxis sei dann nicht mehr
im Aufbau, wenn seit der ersten Niederlassung des Arztes mehr als 20 Quartale vergangen seien und/oder der Fachgruppendurchschnitt
(Fallzahl) im Vorjahresquartal erreicht sei. Mit der Zuweisung würden bei diesen Praxen zunächst die im Vorjahresquartal abgerechneten
RLV- bzw. QZV-relevanten Fallzahlen mitgeteilt. Bei der Honorarabrechnung werde dann die eigene (RLV- bzw. QZV-relevante) Fallzahl angesetzt und der Abrechnung zugrunde gelegt. Soweit diese Fallzahl allerdings im Abrechnungsquartal
über dem Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals liege, komme diese zum Ansatz. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger
mit Schreiben vom 21.03.2010 Widerspruch und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erhöhung von RLV und QZV. Die RLV-Fallwerte für Physikalisch-Rehabilitative Mediziner seien wie auch die QZV-Fallwerte abgesenkt worden. Es ergebe sich ein
Minus von 23,- Euro pro Patient. In der klägerischen Praxis seien folgende Praxisbesonderheiten gegeben: Hoher Altersschnitt,
vorwiegend chronische Schmerzpatienten, sehr viele Osteoporosepatienten, Multimorbidität. Weiter seien folgende für die Versorgung
bedeutsame fachliche Spezialisierungen gegeben: Akupunktur, Psychosomatische Grundversorgung, Physikalisch-rehabilitative
Diagnostik und Therapie. All dies führe dazu, dass eine Erhöhung der Fallwerte für RLV und QZV nötig seien. Mit Bescheid vom 14.06.2011 erfolgte eine Anpassung des RLV wegen der Praxisbesonderheit der für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung. Man habe bereits dem klägerischen
Antrag für das Quartal 3/2010 entsprochen und seine Obergrenze angepasst. Der für das QZV Psychosomatische Grundversorgung
relevante Fallwert sei um den Faktor 1,8093, der für das QZV Physikalisch-rehabilitative Diagnostik und Therapie relevante
Fallwert um den Faktor 1,1593 und der für das QZV Akupunktur relevante Fallwert um den Faktor 1,2572 erhöht worden. Dem aktuellen
Antrag werde entsprochen und die drei QZVs entsprechend erhöht. Die Obergrenze (RLV und QZV) werde auf 15.080,82 Euro angepasst. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Widerspruch.
Mit Honorarbescheid vom 16.11.2011 wurde eine Gesamthonorarsumme von 25.948,29 Euro festgesetzt. Für die Berechnung der Obergrenze
für Jungpraxis/Neupraxis wurde für das RLV die tatsächliche Fallzahl aus dem Abrechnungsquartal von 216 herangezogen, der Berechnung des QZV Akupunktur, Physikalisch-rehabilitative
Diagnostik und Therapie, Psychosomatische Grundversorgung und Neurophysiologische Übungsbehandlung lag die jeweilige Fallzahl
des Fachgruppendurchschnittes zugrunde. Der Leistungsanforderung von 33.813,78 Euro stand damit eine Obergrenze von 24.778,13
Euro entgegen. Im Bereich der Überschreitung von 9.035,65 Euro erfolgte eine abgestaffelte Vergütung.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15.12.2011 Widerspruch ein und beantragte eine Vergütung der erbrachten Arbeit
sowie die Überweisung des Differenzbetrages zur Leistungsanforderung. Mit Schreiben vom 14.12.2011 wurde eine Anpassung der
Fallzahl für die Quartale 1-4/2011 und 1-4/2012 mit der Begründung beantragt, man betreue bei vollem Kassensitz und einer
Arbeitszeit von 40 Stunden 216 Patienten pro Quartal, der Fachgruppendurchschnitt liege bei 674. Dies liege an dem Patientengut
mit Multimorbidität, chronischen Schmerzpatienten und hohem Alter. Im Übrigen habe er nach Ablauf des Vorjahresquartals die
Genehmigung für das QZV sensomotorische Übungsbehandlung erworben.
Mit Informationsschreiben vom 23.02.1012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, im Rahmen der Anerkennung als Jungpraxis sei
vorbehaltlich der tatsächlichen abgerechneten individuellen RLV-Fallzahl und/oder QZV-Leistungsfallzahlen im Abrechnungsquartal eine Erhöhung bis maximal zum Fachgruppendurchschnitt möglich.
Daraufhin bat der Kläger zunächst um Anhebung der QZV-Leistungsfallzahl auf 216 Patienten, später auf die tatsächlich erbrachten
Fälle (Schreiben vom 25.11.2012).
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2012 wurden die Widersprüche des Klägers gegen den Obergrenzenzuweisungsbescheid sowie
den Honorarbescheid zurückgewiesen. Rechtsmängel bei der Zuweisung der Obergrenze oder der Honorierung seien sowohl in formeller
als auch in materieller Hinsicht nicht erkennbar. Der Kläger sei seit 01.05.2006 niedergelassen und werde im Quartal noch
als Jungpraxis geführt. Nach 2.1 B Nr.4 Absatz 2 des Honorarvertrages 2011 gelte für Jungpraxen, dass in der Zuweisung die
eigenen Fallzahlen im Vorjahresquartal angesetzt würden. Für die Abrechnung sei grundsätzlich die eigene Fallzahl maßgeblich.
Überschreite diese den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt, verbleibe es beim Ansatz des Fachgruppendurchschnittes.
In der hiergegen zum Sozialgericht München erhobenen Klage trug der Kläger vor, er sei in erster Linie schmerztherapeutisch
tätig. Wegen der lediglich abgestaffelten Vergütung für Leistungsanforderungen oberhalb der Obergrenze ergebe sich ein Differenzbetrag
von 7.902,70 Euro. Die Jungpraxisregelung im Honorarvertrag 2011 (2.1.B Ziff. 4.1 Abs.2) sei rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts sei eine Jungpraxis für die Zeit des Aufbaus von Wachstumsbegrenzungen völlig freizustellen. Die
Aussage des Bundessozialgerichts, dass dem Vertragsarzt die Chance bleiben müsse, neue Patienten für sich zu gewinnen und
jährlich im Ergebnis seinen Umsatz zu steigern, ziele nicht auf bestimmt Honorarverteilungsregelungen, sondern auf das Ergebnis
der Honorarverteilung ab. Letztendlich komme es daher darauf an, wie sich die Honorarverteilungsregelungen auf den Honoraranspruch
des Vertragsarztes auswirkten. Hier wirke sich diese aber wie eine Honorarbegrenzungsregelung aus. Jungpraxen müsse eine Steigerung
auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein. Der Kläger könne in der Aufbauphase nicht darauf verwiesen werden, seine
Fallzahlen nur zeitlich versetzt steigern zu können. Aufgrund der fast ausschließlich schmerztherapeutischen Tätigkeit des
Klägers sei es ihm nur möglich, 216 Patienten - dann jedoch intensiv - zu behandeln, während die Fachgruppe 680 Patienten
im Quartal behandle.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2014 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, die Jungpraxisregelung
im Honorarvertrag nicht rechtswidrig. § 87b SGB V sehe die Zuweisung von RLV und QZV vor. Der Bewertungsausschuss habe das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung von RLV und QZV in seinem Beschluss vom 26.3.2010, Teil F) detailliert vorgegeben. Der Kläger unterfalle als Facharzt für physikalisch-rehabilitative
Medizin dem RLV und könne QZV abrechnen. Zu Recht habe die Beklagte die Obergrenze RLV und QZV für das Quartal 2/11 unter Heranziehung des arztgruppenspezifischen Fallwertes für die Arztgruppe der Physikalisch-Rehabilitativen
Mediziner sowie der jeweiligen Fallwerte für die QZV und den jeweiligen Fallzahlen aus dem Vorjahresquartal berechnet sowie
zutreffend die Jungpraxisregelung angewandt. Auch die Berechnung der Obergrenze für die Abrechnung im Honorarbescheid für
das Quartal begegne keinen rechtlichen Bedenken. Unter Anwendung der mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.06.2011 erfolgten
Anpassungen hinsichtlich der Fallwerte für die QZV psychosomatische Grundversorgung, physikalisch-rehabilitative Diagnostik
und Therapie und Akupunktur sowie entsprechend der Regelung im Honorarvertrag hinsichtlich der Fallzahl begegne die Berechnung
keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte habe die Regelung im Honorarvertrag, nach der grundsätzlich die eigenen Fallzahlen
im Abrechnungsquartal maßgeblich seien und es bei Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts beim Ansatz des jeweiligen Fachgruppendurchschnitts
verbleibe, umgesetzt. Die Jungpraxisregelung im Honorarvertrag sei auch nicht rechtswidrig, da der Rechtsprechung des BSG zu den Grundsätzen zur Berücksichtigung unterdurchschnittlich abrechnender Praxen Rechnung getragen worden sei. Danach müssten
umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe
zu erreichen. Diese Wachstumsmöglichkeit beziehe sich auf eine Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten. Das Wachstum,
dass unterdurchschnittlichen Praxen durch Gestaltung der Honorarverteilung nicht verbaut werden dürfe, dürfe aber nicht durch
reine Leistungsausweitungen erzielt werden. Die von Klägerseite angegriffene Regelung ermögliche dem Kläger problemlos, seinen
Umsatz durch Gewinnung neuer Patienten bis zum Durchschnittsumsatz zu steigern. Der Kläger könne aber nicht verlangen, dass
er durch vermehrte Leistungserbringung bei gleich bleibender im Vergleich zum Durchschnitt deutlich erniedrigter Patientenzahl(ca.
ein Drittel) im Rahmen einer Jungpraxisregelung ohne weitere Steigerung der Patientenzahl den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe
erreiche. Den im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Praxisbesonderheiten seines Patientengutes (Multimorbidität, viele chronische
Schmerzpatienten, hohes Alter, die es ihm nur ermöglichten, 216 Patienten zu behandeln) habe die Beklagte durch die Erhöhung
der Fallwerte der QZV Psychosomatische Grundversorgung, Physikalisch-Rehabilitative Diagnostik und Therapie und Akupunktur
Rechnung getragen. Da der diesbezügliche Bescheid vom 14.06.2011 bestandskräftig geworden sei, könne der Kläger eine weitere
Erhöhung der Fallwerte im vorliegenden Klageverfahren nicht erreichen. Das SG verneinte auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung. Ein subjektives Recht auf ein höheres
Honorar komme erst dann in Betracht, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen in einem fachlichen Teilbereich
kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr bestehe, vertragsärztlich tätig zu werden und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit
der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei. Eine solche Situation sei weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung zum Bayer. Landessozialgericht, in der er auf seine bisherige Argumentation
verweist. Ihm stehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Honorar bis zum durchschnittlichen Honorarumsatz
der Arztgruppe zu. Die Jungpraxisregelung trage diesem Grundsatz in seinem Fall nicht Rechnung. Es müsse ihm als Jungpraxis
eine Steigerung auf den Durchschnittsumsatz möglich sein. Darüber hinaus sei er in der Zeit des Aufbaus hinsichtlich der Fallzahlen
von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen. Der Kläger legte eine Berechnung vor, wonach ihm im Abrechnungsquartal ein
erheblicher Fallwertverlust entstehe, wenn Fallzahl und Gesamtumsatz im Aufsatzquartal regelmäßig deutlich unter den Werten
des aktuellen Abrechnungsquartals lägen. Die HV-Regelung wirke sich als Honorarbegrenzungsmaßnahme aus, wenn die Fallzahl
im QZV-Bereich über dem Fachgruppendurchschnitt liege, ohne dass das durchschnittliche Honorar der Fachgruppe erreicht werde.
Auch mit einer Steigerung der RLV-Fallzahlen hätte der Kläger nicht auf ein durchschnittliches Budget kommen können. Der Kläger habe andere Praxisstrukturen
als die Durchschnittsstruktur der Fachgruppe, zum Beispiel sei er auf den Schwerpunkt Akupunktur spezialisiert und könne deshalb
nicht mehr Patienten aufnehmen. Eine Steigerung der Patientenzahl um 307 RLV-Fälle, die nötig wäre, um den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu erreichen, sei aufgrund der Spezialisierung und dem damit
einhergehenden hohen Zeitaufwand pro Patient für den Kläger nicht möglich. Das Problem des Klägers sei die Begrenzung der
Fallzahlen im QZV, das den klägerischen Leistungsschwerpunkt darstelle. Der Kläger habe einen Gesamtumsatz erwirtschaftet,
der unter dem Fachgruppendurchschnitt liege und werde trotzdem wegen der Begrenzung der Fallzahlen im QZV gekürzt. Dies stelle
einen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und gegen das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung
dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2014, S 39 KA 72/13 aufzuheben sowie den Zuweisungsbescheid vom 28.02.2011 für das Quartal und den Honorarbescheid des Beklagten vom 16.11.2011
(Quartal 2/11) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, eine Nachvergütung
des Honorars zum Quartal in Höhe von 7902,70 EUR an den Kläger zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Jungpraxisregelung im maßgeblichen Honorarvertrag für rechtmäßig. Die vom Bundessozialgericht Jungpraxen
zugebilligten Wachstumsmöglichkeiten bezögen sich auf eine Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten; das Wachstum, das
unterdurchschnittlichen Praxen durch Gestaltung der Honorarverteilung nicht verbaut werden dürfe, dürfe nicht durch reine
Leistungsausweitungen erzielt werden. Die Jungpraxisregelung genüge diesen Voraussetzungen - wie das Sozialgericht München
zutreffend feststelle -, indem sie dem Kläger problemlos die Möglichkeit einräume, seinen Umsatz durch Gewinnung neuer Patienten
bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu steigern. Der Kläger habe durch die Aufnahme weiterer Patienten die Möglichkeit,
seine RLV-Fallzahlen zu steigern und den Durchschnittsumsatz auszuweiten. Nicht möglich sei aber die Erweiterung des Behandlungsumfangs
gegenüber einer gleich bleibenden Zahl von Patienten. Die klägerische Praxis habe bei 216 Behandlungsfällen einen Fallwert
von 120,13 EUR im Vergleich zum durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe von 65 EUR. Bei weit unterdurchschnittlicher RLV-Fallzahl des Klägers liege es nahe, dass er mit seinem Honorarumsatz unterhalb des Durchschnitts seiner Fachgruppe liegen
werde. Dies liege aber nicht an den Mechanismen der Honorarverteilung, sondern sei der Struktur der Praxis geschuldet. Zudem
seien - worauf das SG zu Recht hingewiesen habe - die Praxisbesonderheiten bereits im Verfahren zur Anpassung der Obergrenze mit Bezug zum Fallwert
berücksichtigt worden, wobei die dort getroffene Entscheidung in Bestandskraft erwachsen sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten
beider Instanzen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zunächst wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen, denen sich der Senat anschließt, § 153 Abs. 2 SGG.
Auch die in zweiter Instanz vorgetragenen Argumente, die im Wesentlichen denen der ersten Instanz entsprechen, führen zu keinem
anderen Ergebnis.
Das Bundessozialgericht hat wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit
haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (vgl. z.B. BSG vom 17.07.2013, - B 6 KA 32/12 R = BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76; vom 10.3.2004, - B 6 KA 3/03 R = BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9). Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der
so genannten Honorarverteilungsgerechtigkeit - die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder
auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position
im Wettbewerb mit dem Berufskollegen zu verbessern. Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit
einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 03.02.2010, B 6 KA 1/09 R jedoch klargestellt, dass, soweit in Teilen des Senats ausgeführt worden sei, neu gegründete Praxen seien für die Zukunft
des Aufbaus "von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen", klarzustellen sei, dass sich dies nicht auf Umsatzsteigerungen
generell bezog, sondern allein auf Fallzahlzuwachsregelungen. Der Kläger jedoch möchte mit seinem Begehren erreichen, dass
er von Wachstumsbegrenzungen während seiner Zeit als Jungpraxis bis zum Erreichen des Durchschnittsumsatzes der Fachgruppe
vollkommen freigestellt wird. Da er die Fallwertzuweisungen der QZV nicht angegriffen hat, bedeutet dies im Endeffekt, dass
er von jeglichen Fallzahlbegrenzungen freigestellt werden möchte und demnach seine tatsächlichen Honorarabrechnungen vergütet
haben möchte, soweit diese den Fachgruppendurchschnitt nicht überschreiten. Dieses Begehren deckt sich aber nicht mit der
Regelung im HVV (Abschnitt 2.1 B Ziffer 4.1 Abs. 2), die der Beklagte unstreitig korrekt umgesetzt hat. Der Kläger bemängelte
auch nicht die unkorrekte Umsetzung, sondern die Rechtswidrigkeit der Bestimmung. Die Bestimmung, nach der bei Jungpraxen
statt der Abrechnungszahlen des Vorjahresquartals die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal maßgeblich sind, begrenzt durch
den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt, begegnet jedoch keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat hier ebenso wie der
Bewertungsausschuss für die Vorgaben für den Inhalt der RLV und QZV und zur Bestimmung des Verfahrens für deren Berechnung ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit. Dadurch, dass die
Beklagte in ihrem HVV für Jungpraxen in Bezug auf die Fallzahl nicht auf die Fallzahlen des Vorjahresquartales, sondern auf
die Zahlen des jeweiligen Abrechnungsquartal bis zur Höhe des Fachgruppendurchschnitts abstellt, wird sie dem Ziel, Jungpraxen
die Möglichkeit zur Umsatzsteigerung bis zum Durchschnitt der Fachgruppe zu gewähren, gerecht. Die Regelung ist daher rechtmäßig.
Dass der Kläger von dieser Regelung vorliegend nicht profitiert, ist seiner speziellen Praxisausgestaltung geschuldet. Ihm
wäre es auch durchaus möglich, zum Fachgruppendurchschnitt aufzuschließen, indem er nicht seine QZV- Fälle, sondern seine
RLV-Fälle steigert. Dass er durch seine spezielle Ausrichtung der Schmerztherapie hier durch die QZV-Fallzahlen beschränkt ist,
ist seiner speziellen Ausrichtung geschuldet, die jedoch Ausfluss seiner unternehmerischen Entscheidung ist. Die HVV Regelung
als generalisierende Ausnahmevorschrift für Jungpraxen muss jedoch nicht auf sämtliche möglichen Konstellationen eingehen.
Die vom Kläger bevorzugte Auslegung, ohne Fallzahlbegrenzung bis zum Fachgruppendurchschnitt abrechnen zu können, wäre auch
rein praktisch schwer umsetzbar und würde dem grundsätzlichen Ziel der RLV- und QZV Systematik - Leistungsausweitungen zu vermeiden - zuwiderlaufen. Sofern die Honorarberechnung anhand der Fallzahlen
des Klägers (RLV und QZV) bei seinen individuellen Fallwerten zu einem Honorar oberhalb des Fachgruppendurchschnitts führen würde, könnte
nur das Gesamthonorar auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt werden, wofür es wiederum keine Rechtsgrundlage gibt. Es ist
dem Kläger auch durchaus zuzumuten, das einjährige Moratorium unter Berücksichtigung der einschlägigen Honorarvertragsregelungen
für die Vergütung von erhöhten Fallzahlen abzuwarten oder seine Praxisausrichtung umzustellen, um auf das von ihm gewünschte
Honorar zukommen. Ein Anspruch auf ein Honorar bis zum Fachgruppendurchschnitt ohne Fallzahlbegrenzung entbehrt jedenfalls
jeder Rechtsgrundlage. Ein Anspruch kann auch nicht aus der Anerkennung eines Härtefalls abgeleitet werden, denn dieser setzt
neben der Existenzgefährdung der Praxis (die hier weder vorgetragen wurde und oder im Raum steht) und einem bestehenden Sicherstellungsbedarf
voraus, dass die maßgeblichen Umstände nicht von der Praxis zu vertreten sind. Hier ist jedoch allein der Praxisschwerpunkt
Schmerztherapie innerhalb der QZV Leistungen für die Fallzahlbegrenzung und die damit verbundene QZV-Obergrenze verantwortlich.
Zudem wurde der speziellen Praxisausrichtung des Klägers durch eine Erhöhung der Fallwerte Rechnung getragen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.07.2013, B6 KA 44/12 verweist, führt dies
zu keiner anderen Betrachtung. Gegenstand dieses Urteils war keine Jungpraxis, sondern eine lediglich unterdurchschnittlich
abrechnende Praxis. In diesem Fall hatte das BSG es ebenfalls für rechtmäßig erachtet, dass die entsprechende Regelung im HVV in Umsetzung der Vorgaben des Bewertungsausschusses
ein einjähriges Moratorium vorgesehen hatte, denn Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen müssten nicht von jeder Begrenzung
des Honorarwachstums verschont werden. Ein Anspruch darauf, dass die Gesamtzahl der in einem Quartal behandelten Fälle jeweils
sogleich dem RLV für dieses Quartal zu Grunde gelegt würde, bestehe nicht. Praxen müssten nur in der nach Ablauf des Moratoriums verbleibenden
Zeit noch die effektive d.h. realistische Möglichkeit zu haben, den Durchschnittsumsatz erreichen. Diese Möglichkeit verbleibt
dem Kläger auch im vorliegenden Fall.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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