Hausverbot für Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber einem Leistungsempfänger
Sozialrechtsweg
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet (§
17a Abs.
4 Satz 3
Gerichtsverfassungsgesetz [GVG] i. V. m. §
172 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Beschluss des Sozialgerichts ist aufzuheben. Das Sozialgericht hat den zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
beschrittenen Rechtsweg gemäß §
17a Abs.
2 Satz 1
GVG zu Unrecht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Arnsberg verwiesen.
Bei dem Streit über die Rechtmäßigkeit eines verhängten Hausverbots für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende
gegenüber einem Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
4a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und nicht zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten oder den ordentlichen
Gerichte eröffnet ist (BSG, Beschluss vom 21.07.2014 - B 14 SF 1/14 R, RdNrn. 6 ff bei [...]; Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNrn. 8 ff. bei [...]). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Nach §
51 Abs.
1 Nr.
4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung
für Arbeitsuchende. Demgegenüber entscheiden die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß §
40 Abs.
1 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit diese nicht einem anderen Gericht
ausdrücklich zugewiesen sind. Eine solche ausdrückliche Zuweisung an die Sozialgerichte liegt hier mit §
51 Abs.
1 Nr.
4a SGG aber vor. Das gegenüber dem Antragsteller verhängte Hausverbot ist eine Maßnahme, die zu den Angelegenheiten der Grundsicherung
für Arbeitsuchende zu zählen ist.
Die Auslegung des Merkmals "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende" ist in den Fällen, in denen die Beteiligten
nicht unmittelbar um Rechtsfolgen aus der Anwendung von Normen des SGB II streiten, daran auszurichten, dass eine sach- und interessengerechte Abgrenzung zwischen der Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte
und der Verwaltungsgerichte hergestellt wird. Bei Maßnahmen, die - wie das hier streitige Hausverbot - keine unmittelbare
normative Grundlage im SGB II haben, ist danach zu fragen, ob die Maßnahme in engem sachlichem Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit der Behörden nach
dem SGB II steht (BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 15 bei [...]). Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn das Hausverbot im Rahmen oder aus Anlass eines zwischen
den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens (§ 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) ausgesprochen wird.
Die Kompetenz des Sozialleistungsträgers für Ordnungsmaßnahmen ergibt sich dann aus dem Sachzusammenhang mit den vom ihm wahrgenommenen
Sachaufgaben. Dieser Sachzusammenhang ist in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen des nach den Vorstellungen
des Gesetzgebers erforderlichen persönlichen Kontaktes des Hilfebedürftigen mit den Mitarbeitern des Trägers der Grundsicherung
besonders eng. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Hausverbotes kann daher, insbesondere auch wegen des bestehenden Aktivierungskonzeptes
des SGB II, kaum von den weiteren Rechten und Pflichten des betroffenen Hilfeempfängers im Rahmen der "Dauerrechtsbeziehung" getrennt
werden. Diese Sachnähe rechtfertigt die Zuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (vgl. im Einzelnen BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 16 bei [...]).
Eine solche Sachnähe prägt auch das zwischen den Beteiligten streitige Hausverbot. Dem steht nicht entgegen, dass das als
unerlaubtes Fotografieren bewertete Verhalten des Antragstellers in den Diensträumen des Antragsgegners nicht während eines
Besuchs als Leistungsberechtigter in eigenen Angelegenheiten, sondern während einer Vorsprache als Beistand nach § 73 Abs. 7 SGB II erfolgt ist. Unerheblich ist auch, dass das Fotografieren keinen Bezug zu der Anwesenheit als Beistand hatte, sondern nach
den eigenen Angaben des Antragstellers dazu diente, die Datenschutzbeauftragte über einen Verstoß gegen den Datenschutz zu
informieren. Das zwischen den Beteiligten bestehende Dauerrechtsverhältnis wird durch das Hausverbot dennoch berührt. Hierzu
ist es nicht erforderlich, dass der Anlass für die Ordnungsmaßnahme in erkennbarem Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren
wegen bewilligter oder beantragter Leistungen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass die Folgen der Ordnungsmaßnahme das Dauerrechtsverhältnis
betreffen, weil gerade die Abwägung, inwieweit diese Ordnungsmaßnahmen im Rahmen der zwischen den Beteiligten bestehenden
Rechtsbeziehung verhältnismäßig sind, eng mit den Regelungen des SGB II verknüpft ist. Auch die Einschränkung von künftig möglichen Vorsprachen in eigenen Angelegenheiten begründet deshalb eine
Sachnähe (vgl. BSG, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr. 17 bei [...]).
Dies ist hier der Fall, weil künftige Vorsprachen des Antragstellers, der fortlaufend Leistungen nach dem SGB II bezieht, durch das Hausverbot zwar nicht verhindert, aber eingeschränkt worden sind. In dem Hausverbot wird diesbezüglich
bestimmt, dass der Antragsteller die Diensträume des Antragsgegners nur nach vorheriger Anmeldung/Einladung und nur in Begleitung
eines Mitarbeiters des Antragsgegners betreten darf. Seine Rechte werden damit gegenüber anderen Leistungsberechtigten, die
die Diensträume auch ohne Anmeldung betreten können, eingeschränkt. Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich eine die
Annexkompetenz für Ordnungsmaßnahmen rechtfertigende Sachnähe. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese Sachnähe darüber
hinaus auch bei einem Besuch der Diensträume als Beistand angenommen werden kann, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R, RdNr.19 bei [...], und vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R, RdNr. 20 bei [...], beide m.w.N.). Dies gilt seit Einführung des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 05.05.2004 auch für Verfahren, in denen - wie der Antragsteller des vorliegenden Falles - einer der Hauptbeteiligten
zum Personenkreis des §
183 SGG gehört (BSG, Beschluss vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R, RdNr. 20 bei [...]).
Vorliegend wäre es unbillig, dem Antragsgegner die Kosten des Antragstellers für das Rechtswegbeschwerdeverfahren aufzuerlegen,
da die Verweisung nicht auf seine, des Antragsgegners, Anregung hin erfolgt ist, sondern von Amts wegen durch das Sozialgericht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Die Beschwerde an das Bundessozialgericht ist nicht zuzulassen. Die Rechtsfrage nach der
Rechtswegzulässigkeit hat nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts mit Beschluss vom 21.07.2014 (B 14 SF 1/14 R) keine grundsätzliche Bedeutung mehr (§
177 SGG i. V. m. §
17a Abs.
4 Satz 4
GVG).