Anspruch auf Erstattung
Widerspruch gegen eine Mahnung
Unselbstständige Vorbereitungshandlung
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung des "Bescheides" des Beklagten vom 05.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2015.
Mit dem als "Mahnung" bezeichneten Schreiben vom 05.03.2014 forderte der von dem Beklagten hierzu beauftragte Inkassoservice
der Bundesagentur für Arbeit den Kläger zur Zahlung eines geltend gemachten Erstattungsbetrags zuzüglich einer Mahngebühr
auf und wies darauf hin, dass die Forderung i.H.v. 2368,08 EUR aus dem Erstattungsbescheid des Beklagten vom 13.01.2012 resultiere
und zudem eine Mahngebühr von 12,00 Euro zu zahlen sei. Gegen die Festsetzung der Mahngebühr sei der Widerspruch zulässig.
Mit Schreiben vom 30.03.2015 legte der Kläger "gegen den Mahnbescheid vom 05.03.2015" Widerspruch ein. Das gerichtliche Verfahren
sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Solange es keinen zu Lasten des Klägers unterlegenen Titel gebe, habe die Klage
aufschiebende Wirkung.
Der Beklagte verwarf den Widerspruch als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 30.04.2015). Der Rechtsbehelf richte sich gegen
die Mahnung vom 05.03.2015, mit der aber lediglich die Zahlungsmodalitäten des Erstattungsbescheides vom 13.01.2012 bekannt
gegeben würden; Verwaltungsaktqualität komme der Mahnung nicht zu.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.12.2015 hat das Sozialgericht die hiergegen am 13.05.2015 erhobene Klage abgewiesen. Die Klage
sei unbegründet. Der Beklagte habe den gegen das Schreiben vom 05.03.2015 gerichteten Widerspruch zu Recht als unzulässig
verworfen. Bei dem Mahnschreiben handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern vielmehr um eine Mahnung im Sinne
des §
3 Abs.
3 VwVG, die als unselbstständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen
nicht anfechtbar sei. Verwaltungsaktqualität komme lediglich der Festsetzung der Mahngebühren zu, gegen diese habe der Kläger
sich aber nicht gewendet, sondern gegen die Mahnung.
Hiergegen hat der Kläger am 08.01.2016 Berufung eingelegt und Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten
für das Berufungsverfahren beantragt. Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt, es handele sich bei einer Mahnung mit der Mahngebühr
um einen Verwaltungsakt. Gegen den Mahnbescheid sei Widerspruch eingelegt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2015
sei dieser als unzulässig verworfen worden mit der Begründung, ein Verwaltungsakt läge nicht vor.
Mit Beschluss vom 21.04.2016 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren
abgelehnt. Zur Begründung hat er auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen. Ergänzend hat er ausgeführt,
dass der Beklagte den Widerspruch zutreffend als unzulässig verworfen habe. Zwar sei grundsätzlich die Festsetzung von Mahngebühren
ein anfechtbarer Verwaltungsakt, der Widerspruch des Klägers vom 30.03.2015 sei aber nicht gegen die Festsetzung der Mahngebühr,
sondern gegen die Mahnung gerichtet, die nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei. Sowohl der Wortlaut "lege gegen ihren
Mahnbescheid Widerspruch ein" als auch die Begründung "das gerichtliche Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Solange es keine zu Lasten meines Mandanten unterlegenen Titel gibt, hat auch die Klage aufschiebende Wirkung" ließen keine
andere Auslegung zu, als dass sich der Widerspruch nur gegen die Mahnung richte. Dies gelte umso mehr, wenn - wie hier - der
Widerspruch durch eine erfahrene Prozessbevollmächtigte erhoben werde, die dabei aber nicht der zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung
im Schreiben/Bescheid vom 05.03.2015 gefolgt sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 04.05.2016 Anhörungsrüge erhoben und geltend gemacht, der Beschluss sei eine Überraschungsentscheidung.
Der Widerspruch des Klägers sei selbstverständlich gegen die Festsetzung der Mahngebühr gerichtet worden. Der Wortlaut sei
eindeutig. Das Wort Mahnung komme darin nicht vor. Ein Mahnbescheid sei ein Verwaltungsakt. Der Verwaltungsakt könne nur die
Festsetzung der Mahngebühr sein. Die Begründung, "das gerichtliche Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, solange
es keinen zulasten meines Mandanten unterlegenen Titel gibt, hat auch die Klage aufschiebende Wirkung", interpretiere das
Gericht falsch. Dies gelte umso mehr, als der Widerspruch durch eine erfahrene Prozessbevollmächtigte erhoben worden sei,
der das Gericht nicht zutrauen sollte, einen falschen Rechtsbehelf einzulegen. Dieser Satz sei so gemeint, dass das gerichtliche
Verfahren gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid noch nicht abgeschlossen sei und deswegen die Klage gegen diese zu
Grunde liegenden Bescheide aufschiebende Wirkung habe und deswegen kein Mahnbescheid (keine Festsetzung von Mahngebühren)
erfolgen dürfe. Hätte das Landessozialgericht der Prozessbevollmächtigten, deren erfahrene Position nicht zu ihren Lasten,
sondern zu ihren Gunsten gewertet werden müsse, vorab mitgeteilt, wie es zu entscheiden gedenke und mit welcher Begründung,
hätte sie Obiges dargestellt und noch weiter ausgeführt, dass eine Aufklärung vor einer Auslegung komme. Spätestens vor dem
Sozialgericht in Köln hätte erkannt werden müssen, dass die Auslegung des eingelegten Rechtsmittels nur so von der Prozessbevollmächtigten
gemeint werden konnte, wie sie es erklärt habe. Das Gericht habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass einer zutreffenden
Rechtsbehelfsbelehrung im Wortlaut zu folgen sei. Der Wortlaut sei nicht entscheidend, sondern das Gemeinte.
Mit Beschluss vom 16.06.2016 hat der Senat die Anhörungsrüge zurückgewiesen. Auf den Inhalt der Begründung wird verwiesen
(Bl. 55-58 Prozessakte).
Am Tag der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte mit Fax um 9.18 Uhr mitgeteilt, dass sie nicht reisefähig
sei und um mündliche Verhandlung ohne ihre Anwesenheit bitte.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger
betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesend und auch
nicht vertreten war. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers ist auf diese prozessuale Möglichkeit mit der Terminsbenachrichtigung
hingewiesen worden. Diese ist ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 15.08.2016 zugestellt worden. Zudem hat die Prozessbevollmächtigte
mit Fax vom 01.09.2016 (9.18 Uhr) mitgeteilt, dass sie am 01.09.2016 nicht reisefähig sei und um mündliche Verhandlung ohne
ihre Anwesenheit bitte.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides, soweit sie oben wiedergegeben
worden sind, und die des Beschlusses des Senats vom 21.04.2016 Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab (§
153 Abs.
2 SGG).
Das Vorbringen im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung.
Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des Antrags nicht entscheidend sei, sondern das Gemeinte.
Bei der Erforschung des Gemeinten sind alle (erkennbaren) Umstände des Einzelfalles von Bedeutung, unerheblich ist es allerdings
mit Blick auf die strengeren Anforderungen an eine Erklärung als Verfahrenshandlung, welcher Inhalt der Erklärung von dem
erklärenden Beteiligten später - ggfs. nach Ablauf von Verfahrensfristen - klarstellend zugeschrieben wird. Wenn diese Zuschreibung
von der Auslegung bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenshandlung nicht gedeckt ist, ist die so klargestellte Erklärung erst
im Zeitpunkt der Klarstellung wirksam erfolgt.
Bei der Auslegung entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Formulierung verfahrensrechtlicher Erklärungen bei anwaltlich
vertretenen Klägern eine größere Bedeutung zukommt (vgl. etwa BVerwG Beschluss vom 13.01.2012 - 9 B 56/11). Deshalb ist es naheliegend in die Überlegungen den Umstand einzubeziehen, dass die bevollmächtigte Rechtsanwältin, wenn
sie für den Kläger hätte Widerspruch gegen die Festsetzung der Mahngebühr einlegen wollen, dieses so ja hätte erklären können,
zumal es die Rechtsbehelfsbelehrung im Schreiben vom 05.03.2015 so vorsieht. Wenn die Bevollmächtigte als Rechtsanwältin eine
Fehlbezeichnung ("Mahnbescheid") vornimmt, da ein Mahnbescheid nach den Vorschriften der
ZPO nicht ergangen ist, eröffnet sie selbst den Raum für die Auslegung. Wenn sie vom Naheliegendsten, nämlich der schlichten
sprachlichen Umsetzung der Rechtsbehelfsbelehrung abweicht, lässt dies sinnfällig die Möglichkeit zu anzunehmen, sie habe
für den Kläger diesen Rechtsbehelf nicht einlegen wollen. Als erfahrene Rechtsanwältin weiß sie darum, dass unklare und/oder
falsche Anträge zusätzliche Haftungsrisiken aus dem Mandatsverhältnis in sich bergen. Der Gehalt der danach auslegungsbedürftigen
Erklärung und Verfahrenshandlung hat sich dann für den Beklagten über die beigefügte Begründung erschlossen, die sich nur
zu der Hauptforderung verhält. Vor diesem Hintergrund war es keinesfalls fernliegend, sondern zutreffend, den Widerspruch
eben nicht als Widerspruch (auch) gegen die Festsetzung der Mahngebühr einzuordnen. Wenn der Kläger vorträgt, andere Gerichte
bezeichneten die Festsetzung der Mahngebühr als "Mahnbescheid", führt dies nicht zu der von ihm reklamierten Eindeutigkeit,
hier sei Widerspruch "gegen die Festsetzung der Mahngebühren" eingelegt worden. Der Begriff "Mahnbescheid" beinhaltet dann
immer noch eine Mehrdeutigkeit, die über die oben dargelegten Auslegungshilfen jedenfalls nicht mit der für Verfahrenshandlungen
notwendigen Klarheit zu der Auslegung führt, es habe (auch) Widerspruch gegen die Festsetzung der Mahngebühren eingelegt werden
sollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.