Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für eine ambulante Blutwäschebehandlung
(LDL-Apherese) zur Absenkung des Lipoprotein (Lp) (a) Wertes durch die Antragsgegnerin, bei der er gesetzlich krankenversichert
ist.
Der am 00.00.1972 geborene Antragsteller leidet an Hypercholesterinämie und einer dadurch bedingten mittelgradigen koronaren
Mehrgefäßerkrankung mit Zustand nach Dilation und Stentlmplantation des RIVA-Gefäßes bei ursprünglich 90%-iger Stenose sowie
an einer linksventrikulären Fehlfunktion mit funktioneller Herzleistungsstörung und arterieller Hypertonie. Im Rahmen einer
stationären Behandlung im K Klinikum O, bei der eine Herzkathederuntersuchung und die Stentlmplantation durchgeführt wurde,
wurde eine starke Lp (a)-Erhöhung von bis zu 131,6 mg/dl (Normwert ( 30 mg/dl) festgestellt (vgl. Herzkatheterbericht vom
20.05.2011 und Arztbericht des K Klinikums O vom 20.05.2011) festgestellt. Bei einer Progredienz der Erkrankung müsse mangels
einer effektiven medikamentösen Therapie mittelfristig eine Lipidapherese in Betracht gezogen werden. Die Einholung eines
lipidologischen Gutachtens wurde empfohlen. In ihrer lipidologischen Stellungnahme vom 01.06.2011 empfahl Dr. K eine medikamentöse
Behandlung mit Tredaptive®, durch die eine Lp (a)-Reduktion möglicherweise zu erwarten sei, die jedoch bei der Ausgangslage
nicht so stark sein werde, wie es zur Prophylaxe der weiteren Progredienz der nachgewiesenen koronarsklerotischen Veränderungen
notwendig sei. Unter Berücksichtigung des noch jugendlichen Alters des Antragstellers und der "Risikosituation, die durch
ein erhöhtes Lp (a) hervorgerufen werde, sei eine Lipidapherese zur Senkung der Werte dringend angezeigt.
Die Anwendung des Medikaments Tredaptive® führte zwar zu einer Senkung des Lp (a)-Wertes auf 89 mg/dl, musste jedoch am 12.07.2011
abgesetzt werden, da es zu allergischen Reaktionen ("massiver Juckreiz") bei dem Antragsteller gekommen war (vgl. ärztliches
Attest vom 02.09.2011).
Unter Vorlage der Stellungnahmen von Dr. K sowie des o.a. Arztberichtes des K Klinikums O vom 18.05. und 20.05.2011 beantragte
der Antragsteller im Juni 2011 bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme einer LDL-Eliminationsbehandlung. Die Antragsgegnerin
holte daraufhin eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein vom 02.08.2011 ein, die mitteilte, die
Mitglieder der "Beratungskommission LDL-Apherese" stimmten nach Durchsicht der Antragsunterlagen der Antragstellerin der LDL-Eleminationsbehandlung
nicht zu. Die vorgelegten Unterlagen wiesen nicht ausreichend die Progression der Erkrankung nach, sodass eine Indikation
nicht bestehe. Auf Grundlage dieser medizinischen Einschätzung lehnte die Antragsgegnerin den Antrag am 08.08.2011 ab. Der
Antragsteller erhob hiergegen unter dem 06.09.2011 Widerspruch und wies darauf hin, dass trotz fortlaufender ärztlicher Behandlung
sein Lp (a)-Wert lediglich auf 89 mg/dl habe abgesenkt werden können. Damit sei eine Behandlungsindikation gegeben, da diese
nach § 3 Abs. 3.1 der Richtlinien Methoden vertragsärztliche Versorgung des Gemeinsamen Bundesausschusses (RMvV) bei einem
ständig erhöhten Wert von 60 mg/dl anzunehmen sei, zumal er das einzig einsetzbare Medikament zur Senkung des LP (a)-Wertes,
Tredaptive, wegen Unverträglichkeit habe absetzen müssen. Zur Senkung des LP (a)-Wertes komme daher nur die Durchführung einer
LP (a)-Apherese in Betracht.
Mit seinem beim Sozialgericht (SG) Duisburg am 30.09.2011 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller die gerichtliche
Anordnung der beabsichtigten Behandlung beantragt. Es liege weiterhin ein Lp(a)-Wert von 88 mg/dl vor. Darüber hinaus sei
ein massiver Anstieg des LDL-Cholesterins von 96 mg./dl während der medikamentösen Behandlung auf 118 mg/dl festgestellt worden.
Bei seinen Eltern sei ebenfalls eine Erhöhung der Lp (a)-Werte festzustellen (Vater 90 mg/dl; Mutter 45 mg/dl). Die erhöhte
Lp(a)-Konzentration begründe die Gefahr des Todes oder irreversibler gesundheitlicher Beeinträchtigungen und sei wegen erheblicher
Nebenwirkungen medikamentös nicht absenkbar. Er erfülle alle Voraussetzungen für die Durchführung einer LDL-Apherese als ultima
ratio nach § 3 Nr. 3.1 RMvV. Ergänzend hat der Antragsteller eine fachkardiologische Stellungnahme von Dr. C, Leitender Oberarzt
im Herzzentrum E, vom 13.12.2011 vorgelegt, der sich wie folgt äußerte:
"Die in den Unterlagen geführte Diskussion, ob bei (dem Antragsteller) eine Progression der Erkrankung unter Therapie abgewartet
werden müsse, ist dem Patienten gegenüber ebenso zynisch, wie sachlich unbegründet. Eine über viele Jahre bestehende Progression
der Erkrankung ist durch den angiographischen Koronarstatus einer anatomischen Dreigefäß-Erkrankung wie auch im Kalzium-Score
im Computertomogramm hinreichend und ausreichend belegt. Eine noch weitere Progression wird sich am wahrscheinlichsten als
akutes Koronarsyndrom (NSTEMI oder STEMI) manifestieren, was mit einem erheblichen Mortalitätsrisiko belastet ist. Aus Sicht
des Kardiologen ist daher eine Behandlung der persistierenden, ausgeprägten Erhöhung des Lp(a) mittels Apherese-Therapie indiziert,
da eine anderweitig nicht therapierbare ausgeprägte Lp(a)-Erhöhung vorbesteht und es aufgrund der vorliegenden koronaren Herzerkrankung
bishin zu einer anatomischen Deigefäßerkrankung gekommen ist."
Der Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig die LDL-Apherese-Behandlung als Sachleistung
zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat gestützt auf die Stellungnahme der KV und einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 14.05.2012 die Auffassung vertreten,
dass die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung nach der RmvV nicht erfüllt seien. Die LDL-Zielwerte könnten durch konservative
Behandlung erreicht werden. Eine Progression des Krankheitsverlaufs sei nicht zu erkennen. Dem Bericht des Herzzentrums E
vom 18.05.2011 sei nur zu entnehmen, dass bei einer Progression der Erkrankung bei dem Antragsteller in Ermangelung einer
effektiven medikamentösen Therapie mittelfristig eine Lipidapherese in Betracht gezogen werden müsse. Aus dem von ihr vorgelegten
Schreiben der KV Nordrhein vom 18.10.2011 sei herzuleiten, dass die Kommissionsmitglieder auch nach erneuter Beratung am 17.10.2011
bei ihrer Auffassung blieben, es liege keine Indikation gemäß den Richtlinien vor. Ausweislich der weiteren Stellungnahme
des MDK vom 10.10.2011 bestünden aufgrund neuerer wissenschaftlicher Studien "jetzt" verschiedene Behandlungsmöglichkeiten:
Vitamin C, Vitamin B3, Omega-Fettsäuren und Östrogene. Ob es für den Antragsteller noch verschreibungspflichtige Alternativpräparate
zur Absenkung der Lp (a)-Werte gebe, könne aktuell nicht beurteilt werden. Eine akute Lebensbedrohung sei nicht zu erkennen.
Zweifelsfrei liege eine Behandlungsbedürftigkeit vor, nach derzeitigem Stand sollte der Lp (a)-Wert auf den Normwert gesenkt
werden. Ansonsten sei "wahrscheinlich eine weitere Progredienz abzuwarten".
Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte Dr. K vom 06.03.2012, Dr. H vom 28.02.2012
und Dr. C vom 13.12.2011 und sodann die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 13.04.2012 vorläufig für ein halbes Jahr, höchstens
bis zum bestands-/rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verpflichtet, LDL-Apherese-Behandlungen nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen als Sachleistung zu gewähren. Es hat u.a. ausgeführt: Die beigezogenen Befundberichte sprächen
dafür, dass die bislang noch nicht anhängige Hauptsacheklage Erfolg haben werde. Zumindest sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens
offen, sodass nach einer Folgenabwägung zugunsten des Antragstellers zu entscheiden sei. LDL-Apheresen könnten nach den derzeit
gültigen Richtlinien als vertragsärztliche Leistung im ambulanten Bereich nur durchgeführt werden bei Patienten mit isolierter
Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren
dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit,
zerebrovaskuläre Erkrankungen). Im Vordergrund der Abwägung der Indikationsstellung solle dabei das Gesamt-Risikoprofil des
Patienten stehen. Die behandelnden Ärzte hätten übereinstimmend ausgeführt, dass für die Senkung des Lp(a)-Wertes aktuell
keine andere diätetische, medikamentöse oder anderweitige nicht medikamentöse Therapiemöglichkeit zur Verfügung stehe. Als
einzige Behandlungsalternative verbleibe mithin die Apherese, insbesondere weil die medikamentöse Behandlung mit Trepdative
infolge allergischer Reaktionen habe abgesetzt werden müssen. Hinzu komme, dass die behandelnden Ärzte die Apheresebehandlung
bereits empfohlen hätten, als die medikamentöse Behandlung noch nicht abgesetzt worden sei, was verdeutliche, dass sie nach
dem Wegfall der pharmazeutischen Behandlung um so dringender sei. Wie sich aus den übereinstimmenden Befundberichten ergebe,
leide der Antragsteller unter einer lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden und die Lebensqualität auf Dauer
nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung. Ihm sei nicht zuzumuten, eine weitere Progression der Erkrankung abzuwarten, denn
es sei zu befürchten, dass eine weitere Progression der Erkrankung sich in einem weiteren Gefäßverschluss und damit höchstwahrscheinlich
in einem sogenannten akuten Koronarsyndrom oder Herzinfarkt manifestiere, was einen akut lebensbedrohlichen Zustand darstelle.
Hinzu komme, dass der Antragsteller aufgrund seiner vielfältigen Erkrankungen und der eingeschränkten Diagnosemöglichkeiten
als Hochrisikopatient einzustufen sei. So habe Dr. C ausgeführt, dass die diffuse Ausbreitung der koronaren Herzerkrankung
in einem solch jungen Alter von einer sehr aggressiven Form der Arteriosklerose zeuge, zumal der Antragsteller familiär vorbelastet
sei. Ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren sei überwiegend wahrscheinlich. Zur Abwendung des lebensbedrohlichen
Zustandes sei es deshalb geboten, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die streitgegenständliche
Therapie zunächst für ein halbes Jahr zu finanzieren. Ein Anordnungsgrund sei in finanzieller Hinsicht nicht näher dargelegt
worden. Jedoch sei gerichtsbekannt, dass eine LDL- Apheresetherapie monatlich Kosten in vierstelliger Höhe verursache, weswegen
das Gericht davon ausgehe, dass der Antragsteller als Alleinverdiener und Angestellter diesen Betrag nicht vorfinanzieren
könne.
Mit ihrer am 08.05.2012 eingelegten Beschwerde (anhängig zum Az.: L 11 KR 292/12 B ER) macht die Antragsgegnerin weiterhin geltend, die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung nach der RmvV, die u.a. eine
Progredienz der kardiovaskulären Erkrankung erfordere, seien nicht erfüllt. Im Übrigen verweise sie betreffend von Alternativen
auf das MDK-Gutachten vom 10.10.2011, in welchem auf die studienrelevante Therapieoption von Vitamin C und Omega-3-Fettsäuren
hingewiesen worden sei. Auch hierzu sei kein erfolgloser Therapieversuch nachgewiesen worden.
Mit weiterem Schriftsatz vom 04.05.2012 begehrt die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollstreckung. Sie beurteile ihre Aussichten
in der Hauptsache unter Bezugnahme auf das nachgereichte MDK-Gutachten vom 14.05.2012 als gut. Die vorliegende Indikation
sei im Bericht zum GBA-Richtlinienbeschluss explizit als nicht ausreichende Indikation bewertet und für diese Krankheitssituation
keine Lebensbedrohlichkeit festgestellt worden. Ein Leistungsanspruch sei zu verneinen. Soweit der Antragsteller die hohen
Kosten einer Apheresebehandlung nicht vorfinanzieren könne, müsse sie - die Antragsgegnerin - davon ausgehen, dass auch eine
Rückzahlung nicht getätigt werden könne. Ein eventueller Rückforderungsanspruch nach Abschluss des allerdings ohnehin noch
nicht anhängigen Hauptverfahrens wäre angesichts der finanziellen Situation des Antragstellers daher wirtschaftlich wertlos.
Insgesamt lasse sich daher festhalten, dass den erheblichen zu erwartenden Einbußen für die Versichertengemeinschaft durch
eine Vollstreckung keine belegbaren gesundheitlichen Nachteile für den Antragsteller gegenüberstünden. Die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung solle sie gegen die Herstellung "vollendeter Tatsachen" absichern, die anderenfalls bei einer Entscheidung zu ihren
Gunsten nur schwer bzw. gar nicht mehr reversibel wären. Die im einzelnen streitigen Punkte könnten angesichts der vorgetragenen
Sachlage ohne weiteres auch im Rahmen der Beschwerde bzw. im noch nicht anhängigen Hauptsacheverfahrens geklärt werden, ohne
dass dem Antragsteller hierdurch wesentliche Nachteile entstünden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung des SG Duisburg in der Sache S 7 KR 626/11 ER nach §
199 Abs.
2 S. 1
SGG auszusetzen, hilfsweise: die Vollstreckung nach §199 Abs. 2 S. 1 und 2
SGG gegen Sicherheitsleistung in vom Gericht festzusetzender Höhe auszusetzen.
Der Antragsteller hat keine Stellungnahme abgegeben.
II.
Nach §
199 Abs.
1 Nr.
1 SGG stellen alle gerichtlichen Entscheidungen Vollstreckungstitel dar, wenn sie keine aufschiebende Wirkung haben. Eine Zwangsvollstreckung
ist zulässig, wenn gegen eine Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt wird oder bei Durchführung des Rechtsmittelverfahrens
keine aufschiebende Wirkung eintritt. Die Entscheidungen brauchen nicht rechtskräftig zu sein. Die Entscheidungen dürfen keine
aufschiebende Wirkung haben. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung stellt eine Ausnahme dar, er ist im
SGG für Einzelfälle bei der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens angeordnet (vgl. §§
154,
165,
175 SGG). Einstweilige Anordnungen nach §
86b Abs.
2 SGG sind Vollstreckungstitel (§
199 Abs.
1 Nr.
2 SGG). So liegt es hier. Der von der Antragsgegnerin angegriffene Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg beruht auf §
86b Abs.
2 SGG.
Nach der überwiegenden Auffassung handelt es sich bei der Entscheidung nach §
199 Abs.
2 SGG um eine Ermessensentscheidung, bei der eine Interessenabwägung zu erfolgen hat (BSG, Beschlüsse vom 26.11.1991 - 1 RR 10/91 - und 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R - m.w.N.; Straßfeld, in: Jansen,
SGG, 3. Auflage, 2008, §
199 Rdn. 15). Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten, wenn der Vollstreckungsaussetzungsantrag abgelehnt, das Urteil anschließend
aber aufgehoben wird, gegenüber den Folgen, die eintreten, wenn dem Vollstreckungsaussetzungsantrag stattgegeben, die Berufung
später aber zurückgewiesen wird. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Vollstreckbarkeit von nicht rechtskräftigen
Entscheidungen ein Ausnahmefall von der Grundregel darstellt, wobei ein obsiegender Beteiligter ein gesetzlich geschütztes
Interesse hat, die ihm zustehenden Leistungen umfassend und zügig zu erhalten (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch; vgl. BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 -). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt, wenn der Vollstreckungsschuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil
erleiden würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht (BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 -; LSG Bayern, Beschluss vom 27.05.2009 - L 18 R 178/09 ER -). Inwieweit bei der Ermessensentscheidung die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels berücksichtigt werden muss, ist umstritten.
Hierzu wird vertreten, dass der in §
154 Abs.
2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Rechtsmittel i.d.R. keine aufschiebende Wirkung nur hinsichtlich
der für die Zeit nach Erlass der Entscheidung zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt danach nur in Ausnahmefällen,
z.B. wenn das Rechtsmittel offensichtlich Erfolg hat, in Betracht (LSG, Bayern, Beschluss vom 28.04.2009 - L 20 R 299/09 ER -). Teilweise wird vertreten, dass eine Aussetzung der Vollstreckung auch angeordnet werden kann, wenn es nur überwiegend
wahrscheinlich ist, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem Rechtsmittel in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (LSG
Bayern, Beschluss vom 20.04.2009 - L 13 R 57/09 ER -). Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen
unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren
Rückgängigmachung des Ausspruchs an. Dazu gehört auch die Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
die gewährten Leistungen zurückzuerhalten (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 26.01.2006 - L 8 AS 403/06 ER - und 27.04.2007 - L 8 AS 1503/07 ER -; LSG Bayern, Beschluss vom 13.11.2008 - L 18 U 392/08 ER -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner konkret und glaubhaft vorzutragen
sind (LSG Bayern, Beschluss vom 27.05.2009 - L 18 R 178/09 ER -). In Verfahren nach §
86b Abs.
2 SGG, deren Gegenstand die vorläufige Gewährung von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII sind, ist im Wesentlichen auf die Folgen einer Aussetzungsentscheidung für die Hilfesuchenden abzustellen. Im Streit über
existenzsichernde Leistungen ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Nachteile, die dem Antragsteller bei Versagung der
erstinstanzlich zugesprochenen existenzsichernden Leistungen entstünden, die Nachteile überwiegen, die einem Leistungsträger
durch die vorläufige Gewährung von Leistungen entstehen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2008 - L 7 AS 2955/08 ER -; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, 2008, § 199 Rdn.8). Die Entscheidung erfolgt nach summarischer
Prüfung der Sach- und Rechtslage, das Gericht entscheidet aufgrund präsenter Beweismittel. Die Beteiligten haben die für ihre
Interessen bedeutsamen Umstände vorzutragen und glaubhaft zu machen (Straßfeld, a.a.O. § 199 Rdn. 15).
Ausgehend hiervon ergibt sich: Wird mit dem LSG Bayern (Beschluss vom 28.04.2009 - L 20 R 299/09 ER -) angenommen, dass eine Aussetzung nur Ausnahmefällen in Betracht kommt, etwa weil das Rechtsmittel offensichtlich Erfolg
haben wird, so hat der Aussetzungsantrag schon deswegen keinen Erfolg. Ausweislich der Stellungnahme des MDK vom 14.05.2012
&8243;kann bei fehlendem Progredienznachweis die Leistungsübernahme durch die Kasse sozialmedizinisch weiterhin nicht empfohlen
werden&8243;. Indessen ist umstritten, ob und inwieweit eine weitere Progredienz droht und diese dem Antragsteller ggf. zuzumuten
ist. Soweit vertreten wird, dass eine Aussetzung der Vollstreckung auch angeordnet werden kann, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich
ist, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem Rechtsmittel in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (LSG Bayern, Beschluss
v. 20.04.2009 - L 13 R 57/09 ER -), führt auch das aus den genannten Gründen nicht weiter. Vorliegend sind die Erfolgsaussichten derzeit nicht überschaubar.
Demzufolge sind die betroffenen Interessen unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit
oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung des Ausspruchs an abzuwägen. Angesichts der umstrittenen Frage,
ob und inwieweit eine Progredienz droht und wegen der insoweit ggf. lebensbedrohlichen Auswirkungen sind die finanziellen
Interessen der Antragsgegnerin nachrangig. Allerdings wird der Antragsteller binnen der tenorierten Frist das Hauptsacheverfahren
anhängig machen und dies dem Senat nachweisen müssen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Antragsteller sich am Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung nicht beteiligt hat.
Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§
177 SGG); er kann jederzeit abgeändert werden (Leitherer, a.a.O., §
199 Rdn. 8c).