Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte von dem Kläger Pflichtbeitragsanteile zur gesetzlichen Krankenversicherung
und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 1.629,34 Euro nacherheben darf.
Der am ... 1943 geborene Kläger, der zuletzt freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hatte und
freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung war, erhielt von der Beklagten
ab dem 01. Dezember 2002 zunächst eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Bescheid vom 21. Mai 2003) und ab dem 01.
Dezember 2003 auf der Grundlage des Bescheides vom 09. Juli 2003 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Nach diesem
Bescheid erhielt er monatliche Zuschüsse zu seinen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Die Höhe dieser Zuschüsse regelte
die Beklagte mit Bescheid vom 08. März 2004 ab dem 01. April 2004 neu.
Nachdem der Beklagten durch die AOK S.-A., die Kranken- und Pflegekasse des Klägers, bekannt geworden war, dass dieser seit
dem 01. Dezember 2003 der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung unterlag,
berechnete sie mit Bescheid vom 04. Juli 2005 die Altersrente des Klägers unter Berücksichtigung seiner Beitragsanteile zur
gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung ab 01. September 2005 neu und stellte für die Zeit vom 01.
Dezember 2003 bis zum 31. August 2005 eine Überzahlung in Höhe von 1.629,34 Euro fest. Ferner hob sie mit Wirkung ab dem 01.
August 2005 den Bescheid hinsichtlich der Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung auf. Mit seinem Widerspruch
vom 27. Juli 2005 machte der Kläger geltend, dass für ihn seine freiwillige Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung
außer Frage gestanden habe, und er eine Nachforderung in Höhe von 1.629,34 Euro nicht akzeptieren könne.
Gleichfalls im Bescheid vom 04. Juli 2005 hatte die Beklagte den Kläger hinsichtlich einer Aufhebung des Rentenbescheides
(vom 09. Juli 2003) im Hinblick auf die Zahlung der Zuschüsse für die Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.
Dezember 2003 bis zum 31. Juli 2005 in Höhe von 1.296,71 Euro und deren Rückforderung angehört. Mit Bescheid vom 15. August
2005 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 09. Juli 2003 hinsichtlich der Bewilligung der Zuschüsse für die freiwillige Kranken-
und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01. Dezember 2003 auf, errechnete eine Überzahlung für die Zeit bis zum 31. August
2005 in Höhe von 1.356,36 Euro und forderte den Kläger zur Erstattung auf. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch
ein. - Mit Schreiben vom 24. November 2005 hörte die Beklagte den Kläger wegen einer Aufrechnung ihrer gesamten Forderung
(2.985,70 Euro) mit der zu zahlenden Altersrente an, erließ unter dem 19. Januar 2006 einen entsprechenden Bescheid und wies
den Widerspruch des Klägers vom 27. Januar 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2006 zurück. Im nachfolgenden Klageverfahren
vor dem Sozialgericht Halle (S 6 R 257/06) hob die Beklagte nach einem Hinweis des Gerichts, dass die Gesamtforderung noch nicht bestandskräftig festgestellt worden
sei, den Aufrechnungsbescheid vom 19. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 auf.
Sodann wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 2008 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom
04. Juli 2005 zurück. Auf die Nachforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Dezember
2003 bis zum 31. Juli 2005 könne nicht verzichtet werden. Der Träger der Rentenversicherung sei nach §
255 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) gehalten, die auf die Rente entfallenden Beiträge zu erheben. Diese Regelung sei abschließend. Verschulden spiele dabei
keine Rolle.
Daraufhin hat der Kläger am 10. November 2008 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger ab dem 01. Dezember
2003 in der Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert gewesen sei. Die Erhebung entsprechender Beiträge sei aber nicht
erfolgt. Für einen solchen Fall würden die gesetzlichen Vorschriften zwingend anordnen, dass die rückständigen Beiträge von
den Trägern der Rentenversicherung von der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten seien. So sei die Beklagte verfahren.
Eine Verjährung sei noch nicht eingetreten. Die Fristenregelungen der §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) seien dabei nicht zu beachten und Ermessen sei nicht auszuüben gewesen.
Gegen das am 16. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Januar 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen
Anhalt eingelegt. Er ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid bereits formell rechtswidrig sei. Die Bescheide vom
09. Juli 2003 und 08. März 2004 seien bestandskräftig geworden und weder nach § 45 noch nach § 48 SGB X zurückgenommen worden. Insbesondere sei eine Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse nicht eingetreten.
Auch die dort vorgeschriebenen Fristen seien bereits abgelaufen gewesen. Es liege auch ein Verschulden der Beklagten vor.
Sie hätte von seiner Pflichtmitgliedschaft ab dem 01. Dezember 2003 in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ausgehen
müssen. Er selbst habe die erforderlichen Angaben gemacht. Schließlich genieße er auch Vertrauensschutz. Er habe die Gelder
im guten Glauben verbraucht und entsprechende Vermögensdispositionen getroffen. Außerdem hätte die Beklagte - was nicht geschehen
sei - Ermessen ausüben müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. November 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 04. Juli 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2008 aufzuheben, soweit darin für den Zeitraum vom 01. Dezember 2003 bis
zum 31. August 2005 eine Überzahlung in Höhe von 1.629,34 Euro festgestellt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. November 2009 zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung und das sie bestätigende Urteil des SG für zutreffend. Streitgegenstand sei nicht die Rückforderung des überzahlten Beitragszuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung,
sondern die Nacherhebung von Pflichtbeitragsanteilen der Rentner. Die Vertrauensgesichtspunkte der §§ 45 ff. SGB X würden hierbei keine Rolle spielen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der
Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
142,
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid, soweit er
eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.629,34 Euro feststellt, ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des
§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Das klageabweisende Urteil des SG ist deshalb nicht zu beanstanden.
1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens als zulässiges Anfechtungsbegehren ist allein die in dem angefochtenen Bescheid
enthaltene Feststellung, dass für den Zeitraum vom 01. Dezember 2003 bis zum 31. August 2005 wegen nicht entrichteter Beitragsanteile
zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung eine Überzahlung in Höhe von 1.629,34 Euro eingetreten ist. Regelungen zur
Verrechnung dieses Betrages mit der laufenden Rente des Klägers enthält der Bescheid - entgegen der Auffassung des SG - nicht. Denn in dem Bescheid ist ausgeführt, dass eine Verrechnung "vorgesehen" ist. Dies beinhaltet aber lediglich die
Ankündigung einer Regelung, nicht aber eine Regelung an sich. Dies hat die Beklagte offensichtlich selbst auch so gesehen
und deshalb ihren - später aufgehobenen - Aufrechnungsbescheid vom 19. Januar 2006 erlassen. - Die Beklagte hat auch zutreffend
darauf hingewiesen, dass ebenfalls nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits die Rückforderung der an den Kläger ausgezahlten
Zuschüsse zu seiner freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sind. Denn dies ist durch Bescheid vom 15. August 2005 geregelt,
der - jedenfalls nach Lage der Akten - vom Kläger nicht mit einem Widerspruch angegriffen und deshalb bestandskräftig geworden
ist.
2. Der Kläger ist seit 01. Dezember 2003 Mitglied der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Die Beitragsnachforderung
der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt. Auch die Höhe der Beitragsnachforderung hat die
Beklagte richtig ermittelt.
a) Zutreffend ist die Beklagte - und ihr folgend das SG - davon ausgegangen, dass der Kläger ab dem 01. Dezember 2003, dem Beginn der Zahlung der Altersrente für schwerbehinderte
Menschen, in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner pflichtversichert war. Für die gesetzliche Krankenversicherung
folgt dies aus §
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V und für die Pflegeversicherung aus §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
11 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ab dem genannten Datum versicherungsfrei nach §
6 SGB V gewesen sein könnte, sind für den Senat nicht erkennbar.
b) Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt.
Rechtsgrundlagen dafür sind §
255 Abs.
1 Satz 1 Erster Halbsatz
SGB V und §
60 Abs.
1 Satz 2
SGB XI. Danach sind für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur Gesetzlichen Kranken- oder
Pflegeversicherung unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin
zu zahlenden Rente einzubehalten. Dies hat die Beklagte rechtsfehlerfrei umgesetzt. Auf die Frage, ob die Beklagte hinsichtlich
der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein Verschulden trifft, kommt es nicht an (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 07. September 2011 - L 16 R 121/11 - zitiert nach juris, Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere finden auch die §§ 44 ff. SGB X in diesen Fällen keine Anwendung (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. November 2010 - L 2 R 161/10 - zitiert nach juris, Rdnr. 56).
Das Vorbringen des Klägers zur formellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide, der Einhaltung der Fristen der §§ 44 ff. SGB X, des Vertrauensschutzes und der Ausübung von Ermessen durch die Beklagte kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Insbesondere
verdrängen die besonderen Aufhebungs- und Rückforderungsvorschriften der §§
255 SGB V und 60
SGB XI die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X (vergleiche §
37 des
Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil).
Die Beitragsnachforderung der Beklagten ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach §
255 Abs.
1 SGB V (und auch nach §
60 Abs.
1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des §
25 Abs.
1 Satz 1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Juni 2000 - B 12 RJ 6/99 R - zitiert nach juris, Rdnr. 19f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in
dem sie fällig geworden sind. Die aus der Altersrente des Klägers für die Zeit vom 01. Dezember 2003 bis zum 31. August 2005
zu zahlenden Beiträge waren deshalb bei Erlass des angefochtenen Bescheides vom 04. Juli 2005 noch nicht verjährt.
c) Die Beklagte hat auch die Beitragshöhe unter Zugrundelegung des allgemeinen Beitragssatzes der AOK Sachsen-Anhalt zutreffend
ermittelt. Dagegen hat der Kläger rechnerisch auch keine Einwände erhoben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.