Zur Feststellung der Höhe des Behinderungsgrades (GdB) - somatoforme Schmerzstörung; Aggravation; psychiatrische Erkrankung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie über die Feststellung der Merkzeichen "G" (erheblich
beeinträchtigt in der Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr), "aG" (außergewöhnlich gehbehindert), "B" (Notwendigkeit ständiger
Begleitung) und "H" (hilflos).
Bereits am 21. November 2000 beantragte der am ... 1966 geborene Kläger die Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz
und begründete dies mit einem Bandscheibenvorfall sowie einer Rückenmarksverletzung nach einem schweren Unfallereignis auf
einer Sommerrodelbahn. Der Beklagte holte einen Befundschein des Rehabilitationszentrums O. in P. vom 6. Dezember 2000 ein.
Darin berichtete Dr. A. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 1. bis 25. November 2000. Er diagnostizierte chronische
Rückenschmerzen nach einer Wirbelsäulenkontusion und eine Sensibilitätsstörung. Der Versorgungsarzt Obermedizinalrat Dr. B.
wertete diesen Befund aus und hielt zunächst einen GdB von 20 für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenreizungen
nach Trauma für angemessen. Der Beklagte holte weitere medizinische Unterlagen ein. Der Facharzt für Anästhesiologie Dr. G.
diagnostizierte unter dem 8. Februar 2001 eine chronische Schmerzkrankheit nch einem Polytrauma und eine Wirbelsäulenkontusion.
In einem beigefügten Arztbrief vom 11. Januar 2001 hielt der Chefarzt der Klinik für Neurologie Dr. C. (Klinikum E., P.) eine
unfallbedingte Invalidität von 30 % wegen einer inkompletten Brustmarkschädigung mit einer ausgeprägten dissoziierten Sensibilitätsstörung
unterhalb TH 10 rechts sowie einer Dranginkontinenz für gegeben. Der Orthopäde MR Dr. M. stellte mit Gutachten vom 16. Januar
2001 chronische Lumbalgien fest und gab an, eine Fraktur im Wirbelsäulenbereich sei ebenso wie eine Veränderung in der Wirbelsäulenstatik
nicht nachzuweisen. Nach dem Ergebnis einer MRT-Untersuchung bestehe eine Bandscheibenprotusion L4/5 ohne wesentliche Kompressionseffekte.
Aus orthopädischer Sicht sei der Schaden mit 10 % zu bewerten, was zusammenfassend zu einem Unfallschaden von 40 % führe.
In Auswertung dieser Befunde hielt der Versorgungsarzt Dr. B. unter dem 22. März 2001 einen Gesamt-GdB von 40 wegen einer
Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Sensibilitätsstörung im rechten Bein, einem Dauerschmerzsyndrom und einer Drangharninkontinenz
in Folge eines Unfalls für angemessen. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18. April 2001 einen GdB von 40 fest.
Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 25. April 2001, den er mit einer wesentlichen Verschlechterung seines
Gesundheitszustandes und der Notwendigkeit der Benutzung eines Rollstuhls begründete. Der Beklagte holte weitere Befundunterlagen
bei. In einem Arztbrief vom 30. März 2001 berichtete Oberarzt Dr. L. (Hellmuth-Ulrici-Kliniken, Sommerfeld) über einen stationären
Aufenthalt des Klägers vom 26. März bis 2. April 2001. Hiernach habe ein psychologisches Konzil vom 29. März 2001 keinerlei
psychopathologischen Auffälligkeiten ergeben. Beim Kläger bestehe angesichts der laufenden Gerichtsverfahren ein Bestätigungsanliegen.
Wegen der Schmerzhaftigkeit liege ein sehr hoher Leidensdruck vor und es seien psychologische Gespräche zu empfehlen. Der
Beklagte ließ diese Befunde durch seinen Ärztlichen Dienst auswerten. Nach Einschätzung von Dr. G. vom 14. Juli 2001 sei die
bisherige Bewertung zutreffend. Offenbar habe es zwischenzeitlich eine erhebliche psychiatrische Überlagerung der somatischen
Befunde gegeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2001 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger am 20. Dezember
2001 beim Sozialgericht (SG) Dessau (S 5 SB 116/01 bzw. S 5 SB 164/04) Klage erhoben. Das SG hat einen Befundbericht vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. eingeholt, der ein chronifiziertes posttraumatisches Pseudoradikulärsyndrom
rechts, eine Spondylarthrose L 3/4, eine Bandscheibenprotusion L 4/5 sowie eine linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule
(BWS) diagnostiziert hat. In einem beigefügten Arztbrief berichtete die Fachärztin für Diagnostische Radiologie Dr. L. unter
dem 22. November 2001 über eine MRT der BWS/Lendenwirbelsäule (LWS) vom 19. November 2001. Danach bestehe kein Nachweis für
eine Spinalnervenkompression. Posttraumatische Wirbelkörperschäden oder ein posttraumatisches Knochenmarksödem seien nicht
festzustellen. In einem weiteren Arztbrief des Krankenhauses R., Abteilung für Neurologie, Schmerztherapie, berichtete Chefarzt
Dr. B. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 2. bis 11. April 2001. Er diagnostizierte eine chronifizierte Schmerzkrankheit,
einen Zustand nach Wirbelsäulentrauma mit extravertebralem Hämatom und den Verdacht auf eine Rückenmarkskontusion, eine funktionelle
Lähmung des rechten Beins sowie eine mediale Bandscheibenprotusion L4/5 ohne Zeichen einer Wurzelkompression. Der Kläger habe
über dauernde Schmerzen mit affektivem Bedeutungsgehalt geklagt. Die Bildbefunde würden mit diesem Beschwerdebild nicht korrespondieren.
Die derzeitige Bewegungsstörung des rechten Beins sei in erster Linie auf funktionale Faktoren zurückzuführen. Dafür spreche
der seitengleiche Reflexstatus, das Fehlen von Pyramidenbahnzeichen sowie das normale EMG/NLG und MEP. Der Kläger habe derzeit
eine ungünstige und zu hohe Schmerzmitteldosierung. Seinem Wunsch auf eine Höherdosierung des Opiates sei nicht entsprochen
worden.
Wegen eines Verfahrens auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung, das der Kläger unter dem Aktenzeichen S 4 U 48/02 (SG Dessau) bzw. L 6 U 167/02 Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt geführt hatte, wurde das Verfahren mit Zustimmung der Beteiligten zunächst ruhend
gestellt und am 26. November 2004 auf Antrag des Klägers unter dem Aktenzeichen S 5 SB 164/04 wieder aufgenommen. Das SG hat neuere Befundberichte von Dr. G. vom 13. Mai 2005 und von Dr. Z. vom 12. Mai 2005 eingeholt. In einem beigefügten fachorthopädischem
Gutachten vom 22. März 2004 für den Rentenversicherungsträger hat der Privatdozent (PD) Dr. W. beim Kläger ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom
mit Muskelinsuffizienz, eine krankhafte Veränderung der Psyche sowie einen Morbus Dupuytren beider Hände diagnostiziert. Zur
Untersuchung hat er angegeben: Das Ent- und Bekleiden sei mit Hilfe der sehr besorgten Lebensgefährtin erfolgt, die ihn auch
während der Untersuchung festgehalten und darauf geachtet habe, dass bei der Bewegungsprüfung keine zusätzlichen Schmerzen
aufgetreten seien. Die Schmerzen seien jeweils "theatralisch" geäußert worden. Nach Einschätzung von PD Dr. W. lasse sich
kein organisches Substrat für die Beschwerden finden. Es handele sich am ehesten um ein chronisches somatoformes Schmerzsyndrom.
In den prüfärztlichen Stellungnahmen vom 21. Juni 2005 und 20. Oktober 2005 hat die Versorgungsärztin Dr. W. die bisherige
Einschätzung eines GdB von 40 verteidigt. Es sei für die Einschätzung nicht bedeutsam, ob eine Aggravation oder eine Somatisierungsstörung
vorliege. Bei einer Aggravation dürfte gar keine Bewertung erfolgen, während im Falle einer Somatisierungsstörung jedenfalls
kein höherer GdB als 40 vertretbar sei. Hierbei seien die nicht objektivierbaren Schmerzen bereits berücksichtigt.
Im laufenden Gerichtsverfahrens stellte der Kläger am 5. und 17. Februar 2004 beim Beklagten einen Neufeststellungsantrag
und begehrte neben einem höheren GdB die Merkzeichen "G", "aG", Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ("RF") und "B",
da sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Hinzugetreten seien Magenbeschwerden durch Medikamenteneinnahme, Verschleißschäden
der Kniegelenke sowie Stoffwechselstörungen. Der Beklagte zog ein MDK-Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom
3. März 2004 bei, in dem die Voraussetzungen der Pflegestufe I ab dem Januar 2004 bejaht worden sind. In einem diesem Gutachten
beigefügten Befundbericht gab Dr. Z. einen deutlich überhöhten Schmerzmittelverbrauch an. Der Beklagte lehnte daraufhin eine
Neufeststellung mit Bescheid vom 27. Juli 2004 ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 2. August 2004. Mit Widerspruchsbescheid
vom 19. August 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Am 25. Oktober 2004 stellte der Kläger erneut einen Neufeststellungsantrag
beim Beklagten und verwies auf die ihm gewährte Pflegestufe I nach der sozialen Pflegeversicherung. Der Beklagte zog erneut
ein MDK-Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 25. Oktober 2004 bei. Die Versorgungsärztin Dr. K. wertete
unter dem 31. Januar 2005 diese Befunde aus. Sie gab an, die Pflegegutachten seien wegen der fehlenden ärztlichen Befunde
nicht als Grundlage für eine GdB-Feststellung geeignet. In Auswertung der Befunde falle erneut die Diskrepanz zwischen den
subjektiven Angaben des Klägers und den objektivierbaren Untersuchungsergebnissen auf. Die schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen
der Wirbelsäule ohne motorische Ausfallerscheinungen seien mit einem GdB von 40 bereits wohlwollend bewertet. Mit Ablehnungsbescheid
vom 9. Februar 2005 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung ab. Die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides enthielt einen Hinweis
auf das laufende Klageverfahren gemäß §
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Dezember 2005 wies das Sozialgericht Dessau (S 5 SB 164/04) die Klage ab.
Bereits am 6. Mai 2005 hatte der Kläger erneut die Feststellung eines höheren GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen "G",
"aG", "RF" und "B" beantragt. Neben den bereits bekannten Erkrankungen verwies er auf eine Zyste in der Nasennebenhöhle und
auf damit verbundene starke Kopfschmerzen. Der Beklagte zog einen Arztbrief des Radiologen über ein MRT beider Kniegelenke
vom 6. Mai 2005 sowie einen Befundschein von der HNO-Ärztin Dr. H. vom Juni 2005 bei. Hiernach sei wegen einer Kieferhöhlenzyste
rechts eine Operation im Klinikum R. geplant. Der Beklagte lehnte abermals eine Neufeststellung mit Bescheid vom 2. Februar
2006 ab.
Am 8. Februar 2006 beantragte der Kläger erneut einen Schwerbehindertenausweis sowie die Merkzeichen "G", "B", "aG", "H",
"RF" und erklärte, er könne den Ablehnungsbescheid mit Datum vom 2. Februar 2006 nicht nachvollziehen. Dies wertete der Beklagte
mit Schreiben vom 15. Februar 2006 als Widerspruch. In einem weiteren Schreiben vom 20. Februar 2006 erklärte der Kläger:
"dass mein Schreiben vom 8. Februar 2006 als Neufeststellungsantrag eingereicht wurde und nicht als Widerspruch wie Sie dieses
Schreiben bezeichnen." Der Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Aus beigefügten ärztlichen Unterlagen für den
Rentenversicherungsträger ergebe sich seine überwiegende Rollstuhlbedürftigkeit. Er benötige zum Aufsuchen der Ärzte zumindest
vorläufig einen höheren Grad an Behinderung und sei auf einen Behindertenparkplatz angewiesen. Der Beklagte zog einen Befundschein
von Dr. Z. von April 2006 bei. Hiernach seien eine weitere Therapie wegen Schmerzmittelmissbrauch, eine Entzugsbehandlung
sowie eine psychologische Betreuung vorgesehen. In einem beigefügten Arztbrief der Universitätsklinikum C., Klinik und Poliklinik
für Neurologie in D., berichtete der Leitende Oberarzt Prof. Dr. S. unter dem 30. Januar 2006 über eine ambulante Vorstellung
des Klägers vom 9. Januar 2006: Dieser habe sich in einem gutem Allgemeinzustand vorgestellt. Das Geruchsvermögen sei nach
einer Nasenoperation subjektiv beeinträchtigt. Die Zeichen nach Trömner seien beidseits positiv und die Zeichen nach Babinski
beidseits negativ. Während der Kraftgradprüfung des rechten Beins sei es mehrfach zum Nachlassen der Anspannung gekommen.
Kurzzeitig sei jedoch eine volle Kraftentfaltung erfolgt. Zusammenfassend ergebe sich keine manifeste Traumafolge. Insbesondere
die elektrophysiologische Zusatzdiagnostik des Krankenhauses R. habe keinen Hinweis auf neurogene Läsionen ergeben. Der aktuelle
klinische Befund spreche eher für eine funktionelle Parese. Therapeutisch sei in erster Linie eine psychosomatische Behandlung
wichtig. Die geschilderten Kreislaufbeschwerden sowie Stuhl- und Harnentleerungsstörungen seien Folgen der Schmerzmedikation.
Möglicherweise bestehe bereits ein Abhängigkeitssyndrom mit intermittierenden Entzugserscheinungen. In einem weiteren Arztbrief
vom 29. Juli 2005 berichtete die HNO-Ärztin Winter (Klinikum R.) von einer implantierten Septumplastik am 18. Juli 2005. Am
26. Juli 2006 übersandte die Pflegekasse des Klägers dem Beklagten ein Pflegegutachten vom 14. Juli 2006. Hiernach bestünden
als pflegerelevante Diagnosen u.a. ein Zustand nach Fraktur der Rippen, des Brustbeins, der BWS sowie der LWS und des Beckens.
Bei der Demonstration des Toilettengangs sowie des Ein- und Ausstiegs aus der Dusche seien die Bewegungen ungeübt und unbeholfen
durchgeführt worden. So habe der Kläger das Bad mit dem Rollstuhl falsch angefahren. Beim Toilettengang habe er nach einem
gescheiterten Erstversuch dann die rechte Armlehne entfernt. Zusammenfassend seien die Voraussetzungen der Pflegestufe I gegeben.
Mit weiterem Bescheid vom 2. Oktober 2006 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung für beide Anträge ab. Hiergegen richtete
sich der erfolglose Widerspruch vom 11. Oktober 2006 (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2006).
Dagegen hat der Kläger am 13. November 2006 Klage beim SG Dessau-Roßlau erhoben und zur Begründung ausgeführt: Er sei nur
noch an einigen Tagen in der Lage, mit Hilfe von zwei Krücken und unter größten Schmerzen vorübergehend einige Schritte zu
bewältigen. Aus einem radiologischen Befund von Dr. K. vom 27. November 2006 ergebe sich eine Einengung des Spinalkanals.
Sein Gesundheitszustand entspreche dem eines Querschnittsgelähmten. Aufgrund des Erkrankungsbildes könne er wiederkehrende
Verrichtungen des täglichen Lebens nicht mehr selbstständig bewältigen. Dem Arztbrief von Dr. K. ist zu entnehmen, dass ein
MRT der Halswirbelsäule (HWS) vom 27. November 2006 im Bereich des Halswirbelkörpers (HWK) HWK 5/6 und HWK 7/BWK1 geringe
Protusionen mit beginnender sekundärer Einengung des Spinalkanals zeige. Im Segment HWK 7/BWK 1 befinde sich zusätzlich ein
kleiner Prolapsanteil. Der Kläger hat ferner ein Pflegegutachten vom 27. April 2006 vorgelegt. Danach betrage der gestiegene
Zeitaufwand der Grundpflege 110 Minuten und für die Hauswirtschaft 60 Minuten.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie, Sportmedizin, Rheumatologie und Physikalische Therapie L.
vom 11. April 2007 (Untersuchung vom 4. April 2007) eingeholt. Gegenüber dem Sachverständigen habe der Kläger angegeben, er
sei von 1996 bis Dezember 2002 als Handelsvertreter nach einer Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann für Finanzdienstleistung
tätig gewesen. Seit Januar 2003 erhalte er eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die bisher drei Mal verlängert worden sei. Die derzeitige
Medikation setzte sich zusammen aus:
Temgesic forte sublingual (alle 4 Stunden eine Tablette)
Transtec pro 70 (alle 3 Tage 1 Pflaster)
Transtec 52,5 (alle 3 Tage 1 Pflaster)
Deltaran 200 (1-1-1 bei Bedarf auch mehr)
Aerius 5 (1-0-1)
Minocyclin (1-0-0)
Nexium (1-0-1)
Amittriptylin (1-0-1)
Der Kläger habe ständig heftigste Rückenschmerzen sowie Schmerzen im gesamten rechten Bein angegeben. Darüber hinaus klage
er über ein deutlich abgeschwächtes Gefühl in der gesamten rechten Körperseite von der rechten Brustwarze abwärts und auch
am gesamten rechten Arm. Außerdem bestehe eine ständige Schwäche beider Beine, weshalb er auf fremde Hilfe sowie den Rollstuhl
angewiesen sei. Das An- und Auskleiden werde äußerst zögerlich demonstriert. Die Untersuchung habe sich sehr schwierig gestaltet,
da er sich immer wieder gegenläufig angespannt habe. Erst nach mehrmaligen Wiederholungen und teilweisen Ablenkungen sei es
gelungen, einen objektiven Untersuchungsbefund zu erlangen. Der Transfer vom Rollstuhl sei mit großer Mühe demonstriert worden.
Dagegen sei im Röntgenzimmer der Transfer vom Rollstuhl auf den Röntgentisch problemlos gelungen. Auch habe er das Stehen
zum Röntgen der LWS mühelos bewältigt. Das Gangbild könne nicht beurteilt werden, da der Kläger angegeben habe, ohne Unterarmstützen
nicht gehen zu können. Die Bewegungsprüfung hätte folgende Ergebnisse erbracht:
Hüftgelenke
Streckung/Beugung 0/0/110 Grad
Ab-/Anspreizen 40/0/30 Grad
Drehung (auswärts/einwärts) 40/0/30 Grad
Kniegelenke
Streckung/Beugung 0/0/130 Grad
Rötungen, Schwellungen oder Ergussbildungen seien nicht feststellbar, wobei ein deutliches retropatellares Reiben zu hören
sei. Chondropathiezeichen sowie Meniskuszeichen bestünden nicht.
Die Umfangmaße der Beine betragen:
|
rechts
|
links
|
20 cm oberhalb Knie-Gelenkspalt
|
57
|
57
|
10 cm oberhalb Knie-Gelenkspalt
|
47
|
47
|
Kniescheibemitte
|
41
|
41
|
15 cm unterhalb Gelenkspalt
|
38
|
38
|
Unterschenkel kleinster Umfang
|
23
|
23
|
Knöchel
|
26
|
26
|
Aus den aktuellen Röntgenbefunden vom 4. April 2007 seien im Bereich HWS/LWS/LWS keine nennenswerten degenerativen Veränderungen
feststellbar. Auffallend sei die nach wie vor bestehende erhebliche Diskrepanz zwischen den subjektiv angegebenen Beschwerden
und den objektiv erhobenen Befunden. Die angegebenen Schmerzen, das Schwächegefühl in den Beinen sowie die Missempfindungen
an der gesamten rechten Körperseite sowie die Rollstuhlbedürftigkeit seien bei voller Kraftentfaltung mit regelrechten Eigenreflexen
und negativen Pyramidenzeichen orthopädisch und nach der Aktenlage auch neurologisch nicht zu erklären. Es sei daher dringend
eine psychosomatische Behandlung anzuraten.
Der Sachverständige hat folgende Diagnosen gestellt:
Ständiges Wirbelsäulensyndrom bei schwerer Unterfunktion der Rumpfmuskulatur,
funktionelle Parese und Missempfindungen der gesamten rechten Seite bei voller Kraftentfaltung, regelrechten Eigenreflexen,
negativen Pyramidenbahnzeichen und ohne neurogene Läsionen,
Palmarfascienteilresektion beider Hände bei vorbestehendem Morbus Dupuytren ohne Funktionseinschränkung der Hände,
anhaltende somatoforme Schmerzstörung,
Schmerzsyndrom beider Kniegelenke bei Chondropathie Grad II ohne nennenswerte Funktionseinschränkungen.
Zusammenfassend sei der GdB auf 40 einzuschätzen. Merkzeichen seien nicht zu vergeben.
Der Kläger hat dem Gutachten widersprochen und gerügt, der Sachverständige sei nach seinen Erkenntnissen Mitglied des Ärzteausschusses
des Amtes für Versorgung, weshalb seine Objektivität nicht gegeben sei. Auch habe sich der Sachverständige nur auf Röntgenunterlagen
gestützt, obwohl molekularbiologische Abläufe mit Schmerzfehlschaltungen sowie die Bildung von zusätzlichen Schmerzrezeptoren
abgelaufen seien, die allein von einem Schmerztherapeuten angemessen geprüft werden könnten. Aus einer beigefügten Stellungnahme
von Dr. G. vom 3. Juli 2007 ergebe sich eine deutliche Verschlimmerung der schmerz- und wirbelsäulenbedingten Bewegungseinschränkung
innerhalb der letzten zwei Jahre. Als Dauerdiagnosen bestünden nach Dr. G.:
Chronischer unbeeinflussbarer Schmerz,
Lumbales vertebragenes lokales Schmerzsyndrom,
Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radiokulopathie,
Mittelgradige depressive Episode,
Angst und depressive Störung gemischt,
Reaktion auf schwere Belastungen nicht näher bezeichnet.
Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, die an der HWS beginnende Spinalkanalverengung führe zu zusätzlichen Schmerzen. Dies
könne jedoch nur mittels eines MRT-Bildbefundes festgestellt werden. In einer beigefügten Stellungnahme hat Dr. Z. am 5. Juli
2007 erklärt: Für den Krankheitsverlauf spiele sicherlich der schlechte psychische Zustand des Klägers eine entscheidende
Rolle. Eine somatoforme Schmerzstörung sei eindeutig erkennbar. Der Kläger sei bei einem Schmerztherapeuten und einem Psychotherapeuten
in ständiger Behandlung.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2007 abgewiesen und sich im Wesentlichen auf das Sachverständigengutachten von Herrn
L. gestützt. Der Kläger hat gegen das ihm am 6. November 2007 zugestellte Urteil am 6. Dezember 2007 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt
eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Unter Rücknahme der Klage bezüglich des Merkzeichens "RF" hat er ergänzend vorgetragen:
Das Sachverständigengutachten der Vorinstanz beruhe fehlerhaft auf einer nur orthopädischen Untersuchung. Wegen der Vermutung
auf ein psychosomatisches Geschehen hätte eine darauf gerichtete psychiatrische Begutachtung stattfinden müssen. Nach einem
aktuellen MDK-Gutachten vom 30. November 2007 sei ihm die Pflegestufe II zugebilligt worden. Dies habe mit Bescheid der Pflegekasse
vom 12. März 2008 dann auch ab dem 1. Oktober 2007 zur Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe II geführt. Auch dieser Umstand
rechtfertige es, ihm die beantragten Merkzeichen zu gewähren. In dem Pflegegutachten der Pflegefachkraft K. vom 30. November
2007 seien als pflegerelevante Diagnosen Frakturen im Wirbelsäulenbereich genannt. Zusammenfassend seien die Voraussetzungen
der Pflegestufe II gegeben (Grundpflege 121 Minuten; Hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. Oktober 2007 sowie den Bescheid vom 2. Oktober 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab dem 8. Februar 2006 einen
Grad der Behinderung von mindestens 50 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "B" "H" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Am 18. März 2008 hat der Kläger beim Beklagten einen Neufeststellungsantrag gestellt und auf einen verschlechterten Gesundheitszustand
verwiesen, der sich aus dem Pflegegutachten vom 30. November 2007 ergebe. Der Beklagte hat vergleichsweise angeboten, zu Gunsten
des Klägers ab dem 20. November 2007 einen GdB von 50 sowie das Merkzeichen "G" festzustellen. Dies hat der Kläger am 15.
Dezember 2008 abgelehnt. Der Beklagte hat dann eine Prüfärztliche Stellungnahme vom 8. Juli 2009 vorgelegt, in der die Versorgungsärztin
Dr. W. ausgeführt hat: Aus dem Sachverständigengutachten des Herrn L. und den weiteren medizinischen Unterlagen ergebe sich
immer wieder die Diskrepanz zwischen den subjektiven Beschwerden des Klägers und den tatsächlichen objektiven Befunden. Eine
psychogene Gangstörung könne bei normal entwickelter Beinmuskulatur nicht angenommen werden. Auch fehle es an einer darauf
gerichteten Diagnose. Das nun vorgelegte Pflegegutachten sei kaum verwertbar, da es sich im Wesentlichen allein auf die subjektiven
Angaben des Klägers stütze.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. Z. vom 10. März 2010 und von Dr. G. vom 23. April 2010 eingeholt. Weiter hat er ein orthopädisches
Fachgutachten vom 21. Januar 2011 vom Chefarzt der Orthopädie Dr. M., Bad S., erstatten lassen. Dieser hat ausgeführt: Der
Kläger befinde sich nicht in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Anamnestisch habe er angegeben, ihm sei nach
dem schweren Unfall im Jahr 1999 ein schmerzfreies Gehen nicht mehr möglich. Das Beschwerdebild habe sich weiter verschlechtert
und die noch mögliche Gehstrecke verkürzt. Im Jahr 2003 sei Restharn in der Blase festgestellt worden. Dies führe dazu, dass
er an einem Tag 20-mal Wasser lassen müsse, davon ca. 5-mal nachts. Im Jahr 2005 sei eine Spinalkanalverengung festgestellt
worden. Selbstständiges Hinstellen und Setzen seien ihm nicht mehr möglich. Auch könne er nicht mehr längere Zeit stehen.
An Unterarmstützen könne er noch Wegstrecken von 7 bis 8 Metern zurücklegen. Durch die Gangunsicherheiten sei es zu Stürzen
und in deren Folge auch zu Rippenfrakturen und einem Speichenbruch am rechten Arm gekommen. Auch bestünden seit dem Jahr 2004
starke Kopfschmerzen. Nach einer Operation der Nasenscheidewand habe sich der Geruchs- und Geschmackssinn stark eingeschränkt.
Derzeit nehme er folgende Medikamente ein:
Aerius (Tbl. 2 x)
Mydocalm (Tbl. 3 x)
Pariet (Tbl. 2 x)
Temgesic (0,4) (alle 4 h und bei Bedarf)
Targin 10/5 mg (Tbl. 2 x 1)
Seit dem 1. Juni 2003 erhalte er eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente, die mehrfach verlängert worden sei. Besonders das
Merkzeichen "aG" sei ihm wichtig, um am sozialen Leben wieder teilnehmen zu können. Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige
angegeben: Der Kläger sei adipös (175 cm Körperlänge; 95 kg Körpergewicht) und in mäßigem Allgemeinzustand. Das Umsetzen vom
Rollstuhl auf die Untersuchungsliege erfolge mit Hilfe der Ehefrau. Auch die Entkleidung der unteren Extremitäten erfolge
mit Hilfestellung. In Rückenlage habe er starke Schmerzen angegeben. Die Untersuchung hat folgende Ergebnisse erbracht:
HWS: Rotation links 50 Grad; rechts 30 Grad; Seitneigung beidseits 20 Grad bei jeweils endgradiger Schmerzangabe. Deutlicher
Druckschmerz im BWS- und LWS Bereich, ausgeprägter Klopfschmerz sowie Kribbelgefühle über den gesamten rechtseitigen Rumpf.
Laseque: rechts 20 Grad; links 30 Grad.
Die Beweglichkeit in den Hüftgelenken betrage im Liegen 0/0/90 Grad (rechts) bzw. 0/0/80 Grad (links); Abduktion: 30 Grad
beidseits; Adduktion: 20 Grad beidseits. Innenrotation: beidseits 20 Grad; Außenrotation: 35 Grad (rechts) und 40 Grad (links).
Beim Sitzen im Rollstuhl sei eine Beugung der Hüftgelenke bis 90 Grad gut möglich. Die Beweglichkeit der Kniegelenke betrage
0/0/120 Grad (rechts) und 0/0/90 Grad (links) bei einer leichten Kapselschwellung beidseits. Die Sprunggelenksbeweglichkeit
betrage 20/0/40 Grad (rechts) und 10/0/40 Grad (links). Die Unterschenkel- und ischiokruale Muskulatur sei beidseits verkürzt.
Die Umfangmaße der Beine betragen:
|
rechts
|
links
|
20 cm oberhalb Knie-Gelenkspalt
|
52
|
56
|
10 cm oberhalb Knie-Gelenkspalt
|
47
|
46
|
Kniescheibenmitte
|
43
|
42
|
15 cm unterhalb Gelenkspalt
|
38
|
38
|
Unterschenkel kleinster Umfang
|
22
|
22
|
Das Aufstehen gelinge dem Kläger selbstständig, wobei das Stehen sehr unsicher vorgeführt werde. Ein Gehversuch mit Unterarmstützen
werde unter starkem Abstützen der Arme vorgenommen. Die Beine würden dabei beidseits im Prinzip im Fußbereich über den Boden
gezogen. Insbesondere beim Auftreten mit dem linken Bein beklage er starke Schmerzen. Die Prüfung der Kraftgrade der unteren
Extremitäten sei schwer zu bewerten und zudem subjektiv beeinflussbar. Es bestünden keine wertigen Muskelatrophien im Bereich
der unteren Extremitäten im Sinne einer kompletten Inaktivität oder Hinweise für eine fehlende Reizweiterleitung in der Muskulatur.
Auch seien keine trophischen Störungen, Hyperpigmentierungen oder eine erhöhte Schweißneigung in diesem Bereich festzustellen.
Bei den durchgeführten Bewegungen sei ein Kraftgrad von III bis IV notwendig, um gegen die Schwerkraft arbeiten zu können.
Diagnostisch seien die Röntgenaufnahmen vom 16. September 2010 und eine MRT-Aufnahme der BWS/LWS vom 17. November 2010 ausgewertet
worden. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien nach dem MRT-Befund nicht begründbar. Der Sachverständige hat folgende
Diagnosen gestellt:
Anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Wirbelsäulenschmerzsyndrom bei muskulärer Dysbalance der Rumpfmuskulatur,
funktionelle Beinparese (rechts stärker als links), Missempfindungen der gesamten rechten Körperseite ab Brustwarzenhöhe bei
mäßiger Kraftentfaltung und regelrechten Eigenreflexen mit negativen Pyramidenbahnzeichen ohne nachweisbare neurogene Läsion,
Zustand nach Palmarfaszienresektion beider Hände bei vorher bestehendem M. Dypuytren ohne Funktionseinschränkungen der Hände,
leichtes Schmerzsyndrom beider Kniegelenke bei Chondropathie II. Grades ohne wertige Funktionseinschränkungen,
Cervicalsyndrom bei initialen degenerativen Veränderungen mit beginnender sekundärer Einengung des Spinalkanals ohne neurologische
Defizite (laut MRT).
Der Kläger habe ausgeprägte Schmerzen im gesamten BWS- und LWS-Bereich angegeben, die sich bereits bei leichter Berührung
und Druck verstärkten. Die klinische Untersuchung habe (subjektiv beeinflussbare) Abschwächungen der Muskelgrade besonders
im rechten Bein erkennen lassen, die aus dem MRT-Befund nicht erklärbar seien. Es bestünden deutliche Diskrepanzen zwischen
den objektiven Befunden und den subjektiven Beschwerden. Dies zeige sich beispielsweise auch bei der schlechten Beweglichkeit
der Hüftgelenke und dem darauf bezogenen Röntgenbild, das keine wertigen degenerativen Veränderungen in dieser Region aufzeige.
Die Untersuchung habe keine neuronale Schädigung bestätigt. So hätten regelrechte Eigenreflexe bestanden, auch die Pyramidenbahnzeichen
seien negativ. Als Funktionssysteme seien die Haltungs- und Bewegungsorgane sowie das Nervensystem und die Psyche betroffen.
Die durchgeführte Untersuchung habe keine bzw. nur geringe primär pathologische Defekte ergeben. Ob eine Aggravation oder
eine Somatisierungsstörung vorliege, könne nur durch ein psychiatrisches Gutachten abgeklärt werden. Im Falle einer Aggravation
dürfe überhaupt keine Bewertung erfolgen. Die Annahme einer Somatisierungsstörung würde keinen höheren GdB als bisher rechtfertigen,
da die nicht objektivierbaren Schmerzen in dem hohen GdB von 40 bereits berücksichtigt seien. Zusammenfassend ergebe sich
aus den gestellten Diagnosen wegen des ständigen Wirbelsäulenschmerzsyndroms ein GdB von 40. Dieses bleibe aber ohne objektiv-neurologische
Defizite. Die festgestellten Veränderungen im HWS-, Knie- und Handbereich seien nicht als verstärkend zu berücksichtigen.
Die Restharnbildung sei bei der Bildung des Gesamt-GdB bereits berücksichtigt. Objektiv sei bis auf ein Hämatom im Wirbelsäulenbereich,
welches operativ ausgeräumt worden sei, kein Hinweis für einen Knochenbruch oder eine Nervenschädigung erkennbar. Der klinische
Befund sei zusammenfassend ähnlich wie bei PD Dr. W. oder Herrn L. einzuschätzen.
Der Beklagte hat nach Zugang des Sachverständigengutachtens seinen Vergleichsvorschlag vom 13. Mai 2008 zurückgenommen. Der
Kläger hat dagegen eingewandt: Selbst ein leichtes Wirbelsäulentrauma könne bei einer fehlerhaften Schmerzbehandlung das Schmerzgeschehen
"entkoppeln". Dies führe zur Bildung zusätzlicher Schmerzrezeptoren im Rückenmark, die das Schmerzempfinden verstärkten. Dies
sei durch Bildbefunde nicht nachweisbar. Die Begutachtung hätte daher von einem Neurologen vorgenommen werden müssen. Auch
habe der Radiologe relevante pathologische Veränderungen in der LWS 4/5 festgestellt, die nach dessen Ansicht die Schmerz-
und Bewegungsstörungen erklären könnten. Auch dies habe der Sachverständige nicht berücksichtigt.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. März 2011 hat der Sachverständige Dr. M. hierzu ausgeführt: Er sei als Orthopäde
auch im neurologischen Bereich ausreichend ausgebildet, um neurologische Störungen der Wirbelsäule einschätzen zu können.
Aus den im Gutachten ausführlich zitierten Vorgutachten auf orthopädischem und neurologischem Gebiet werde deutlich, dass
die Gangstörung des Klägers bisher nicht durch entsprechende objektivierbare Befunde erklärbar sei. Im neurologischen Bereich
seien bei der EMG/ENG Untersuchung keine Defizite festgestellt worden. Dies gelte auch für die Befunde auf radiologischem
Gebiet, die keine Hinweise für eine posttraumatische Fraktur ergeben hätten. Die vom Klägervertreter dargestellte Entkoppelung
des Schmerzgeschehens durch eine falsche Behandlung sei theoretisch möglich. Nach den vorliegenden Unterlagen auf neurologischem,
radiologischem und orthopädischem Gebiet habe sich dafür aber kein entsprechender Nachweis ergeben. Die Beiziehung eines Neurologen
sei daher nicht notwendig. Die im MRT-Befund beschriebene Tangierung der Nervenwurzel L5 links könne die vorzugsweise auf
der rechten Seite bestehenden Beschwerden nicht erklären. An der bisherigen Einschätzung sei daher festzuhalten.
Der Kläger hat - auf eine Frage des Berichterstatters - am 2. Mai 2011 erklärt, keinen Antrag nach §
109 SGG zu stellen. Aus der Gewährung der Pflegestufe II ergäben sich nach seiner Einschätzung automatisch die Voraussetzungen für
einen GdB von 50 sowie für das Merkzeichen "G".
In der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2011 hat der Kläger ein Schreiben vom 17. August 2011 sowie ein ärztliches Attest
von Dr. Z. vom 10. August 2011 vorgelegt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §
143 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2006 ist als Anfechtungs-
und Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG statthaft. Aufgrund des Schreibens vom 20. Februar 2006 ist nach objektivem Empfängerhorizont davon auszugehen, dass der
Kläger gegen den Bescheid vom 2. Februar 2006 keinen Widerspruch einlegen wollte und ausdrücklich einen Neufeststellungsantrag
gestellt hat, der neben den bereits beantragten Merkzeichen auch das Merkzeichen "H" mit umfassen sollte. Die Klage ist jedoch
unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 40 sowie auf die von ihm begehrten
Merkzeichen. Bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R = SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 Seite 22). Danach liegt bei dem Kläger ab dem 6. Mai 2005 kein GdB von mehr als 40 vor. Die Voraussetzungen
der Merkzeichen "G", "aG", "H" und "B" sind ebenfalls nicht gegeben.
Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 18. April 2001 einen GdB von 40 festgestellt und damit über den Grad der Behinderung
des Klägers entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche
Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustands eine Herabsetzung
oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrads um wenigstens 10 ergibt. Die Änderung der Behinderungsbezeichnung oder das Hinzutreten
weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkung auf den Gesamtbehinderungsgrad allein stellen aber noch keine wesentliche Änderung
dar (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 18/97 R, zitiert nach juris). Für die wesentliche Änderung kommt es weder auf den Inhalt des Vergleichsbescheids noch auf die von
der Behörde bei der Bewilligung oder später angenommenen Verhältnisse, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse und deren
objektive Änderung an (KassKomm-Steinwedel, SGB X, § 48 Rdnr. 14 m.w.N.).
Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 18. April 2001 vorgelegen haben, ist keine Änderung in
den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten, die eine Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrads auf 50 rechtfertigen bzw. die
Vergabe der begehrten Merkzeichen rechtfertigen können.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (
SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende §
69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von dem Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50
ist §
69 Abs.
1 und
3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des §
69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (aaO.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften
des §
69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest.
Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand
abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach §
69 Abs.
1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen.
Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen
Beziehungen festgestellt.
§
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (aaO.) geändert worden. Nach
der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 des BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember
2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische
Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen
der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009
in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember
2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte
mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage
die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene
Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen,
nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind - im Wesentlichen
inhaltlich unverändert - in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden
Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen
Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze zitiert.
Die Begriffe GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Sie unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich
der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und sich der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt
(vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a (S. 19)).
Durch die Neuregelung ist den Einwänden gegen die bisherigen "Anhaltspunkte" jedenfalls für den vorliegenden Fall der Boden
entzogen worden. Zum einen ist durch die Neuregelung die auch von der Rechtsprechung geforderte Rechtsgrundlage für die bisherigen
"Anhaltspunkte" geschaffen worden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28. September 2007, BT-Drucks. 16/6541, S. 1,
31). Zum anderen ist durch die Verweisung des neu gefassten §
69 Abs.
1 Satz 5
SGB IX auf die Neufassung des § 30 Abs. 1 BVG klargestellt worden, dass auch für die Feststellung des GdB "die allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen"
maßgeblich sind. Zudem hatte sich auch schon zu der früheren Fassung des §
69 Abs.
1 SGB IX eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gebildet, nach der trotz der Ersetzung des Schwerbehindertengesetzes
durch das
SGB IX inhaltlich das Beurteilungsgefüge der Anhaltspunkte maßgeblich geblieben war (vgl. BSG, Urt. v. 24. April 2008 - B 9/9a SB
6/06 R - in juris Rn. 15 m.w.N.).
Der hier streitigen Bemessung des Grads der Behinderung ist die GdS (Grad der Schädigung)-Tabelle der Versorgungsmedizinischen
Grundsätze (Teil A, S. 19 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 19 ff.) sind die
dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem
und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme
(Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut
und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen
tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein höherer GdB als 40 festgestellt werden. Dabei stützt
sich der Senat auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten, die eingeholten Befundberichte und Arztbriefe sowie
weiteren Gutachten und auf das von der Vorinstanz eingeholte orthopädische Gutachten von Herrn L. sowie insbesondere auf das
überzeugende orthopädische Gutachten von Dr. M. vom 21. Januar 2011.
1. Das eigentliche Hauptleiden des Klägers ist dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen. Er leidet an
einer ausgeprägten somatoformen Schmerzkrankheit. Der Senat stützt sich bei dieser Diagnose insbesondere auf die beiden gerichtlichen
Sachverständigengutachten (L. und Dr. M.). Der Senat lässt hierbei ausdrücklich offen, ob und in welchem Grade in der Person
des Klägers Aggravationstendenzen bestehen, was zu einer eingeschränkten Verwertbarkeit seiner behaupteten Beschwerden hätte
führen können. Stattdessen unterstellt der Senat zu Gunsten des Klägers - entsprechend der zahlreichen und gleich lautenden
ärztlichen Diagnosen - das Vorliegen einer ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung. Hierfür ist die Feststellung eines Einzel-GdB
von 40 angemessen und bewegt sich damit im oberen Bewertungsrahmen.
Nach 3.7 (S. 42) der Anlage zu den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ist eine Depression/somatoforme Schmerzstörung wie
folgt zu bewerten.
Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ...0 - 20
Stärker behindernde Störungen
mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische
oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ... 30 - 40
Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit)
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ... 50 - 70
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten ... 80 - 100
Der Senat hält unter Berücksichtigung der Auswirkungen dieser psychiatrischen Erkrankung bei dem Kläger einen Einzel-GdB von
40 für gegeben und hat dabei die Restharnbildung als Folge der Schmerzmedikation bereits mit einbezogen. Dabei ist maßgebend,
ob eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt. Angesichts der ausgeprägten somatoformen
Schmerzerkrankung mit erheblichen Bewegungseinschränkungen und einer erheblichen Schmerzmittelmedikation ist die Ausschöpfung
des Bewertungsrahmens von 40 gerechtfertigt.
Demgegenüber erreicht der Kläger auf psychiatrischem Gebiet nicht den Grad einer schweren Störung mit zumindest mittelgradigen
Anpassungsschwierigkeiten, der den nächst höheren Bewertungsrahmen von 50 bis 70 eröffnet hätte. Hinweise für eine schwere
psychische Störung haben sich an keiner Stelle ergeben. Eine kontinuierliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung
hat nie stattgefunden. Obwohl sich die medizinischen Bewertungen spätestens seit dem Jahr 2004 immer stärker auf eine somatoforme
Schmerzstörung verdichtet haben und es mehrfach ärztliche Empfehlungen an den Kläger gegeben hat, eine längere psychologische
oder psychiatrische Behandlung aufzunehmen, hat er bislang dazu keine Veranlassung gesehen (vgl. Sachverständiger Dr. M. sowie
Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung). Auch ist es bei ihm in letzter Zeit zu keinen stationären Aufenthalten
mehr gekommen. Dies spricht gegen ein sich laufend verschlimmerndes Erkrankungsbild und einen ständig steigenden Leidensdruck.
Das Behandlungsspektrum des Klägers beschränkt sich seit Jahren im Wesentlichen auf seinen Hausarzt Dr. Z. und den Schmerztherapeuten
Dr. G ... Die Weigerung des Klägers, entgegen klarer ärztlicher Empfehlungen eine intensive psychiatrische Behandlung aufzunehmen,
lässt den Rückschluss zu, dass ihn die ständig angegebenen Beschwerden nicht so stark belasten, wie er behauptet. Hinweise
für eine psychogene Gangstörung hat Dr. M. nicht gefunden. So fehlen ausgeprägte Muskelatrophien, wie sie nach einer kompletten
Inaktivität zu erwarten wären. Auch haben sich keine Anhaltspunkte für eine gestörte muskuläre Reizweiterleitung ergeben,
die bei einem intensiven Schonungsverhalten auftreten würde. Auch sind nach Dr. M. keine trophischen Störungen, Hyperpigmentierungen
oder eine erhöhte Schweißneigung in diesem Bereich festzustellen. Die vom Kläger angegebenen schwersten Bewegungseinschränkungen
sind damit nicht als sekundäre Begleitfolgen eines schmerzbedingten Schonungsverhaltens als bestätigt anzusehen. Zudem konnten
beide gerichtlichen Sachverständigen trotz eingehender Untersuchungen keine Hinweise für eine schwere psychiatrische Erkrankung
ermitteln. Damit fehlt es an Ausgangsindizien, die beispielhaft die Qualität einer Zwangskrankheit erreichen würden und einen
Einzel-GdB von 50 und mehr hätten rechtfertigen können. Gegen eine derart gravierende psychische Erkrankung spricht insbesondere
die Einschätzung von Dr. M., der als Facharzt für Sozialmedizin hinreichend kompetent, um ein derart schweres psychiatrisches
Erkrankungsbild erkennen zu können. Neben einer schweren psychischen Störung bedarf es hierfür im Übrigen auch einer mittelgradigen
Anpassungsstörung. Auch diese ist beim Kläger trotz zahlreicher ärztlicher Untersuchungen zu keinem Zeitpunkt berichtet worden.
Hinweise für eine schwerwiegendere Einschränkung in der Alltagsbewältigung finden sich nach Aktenlage nicht. Diese würde neben
Auswirkungen im Berufsleben auch erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und eine affektive Nivellierung voraussetzen
(vgl. Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats BMA am 18./19.03.1998 - zitiert nach Rohr/Sträßer, A 180, Nr. 26.3,
65. Lfg. - Stand Juni 2001). Trotz seiner Erwerbsunfähigkeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger keinen geregelten
Tagesablauf mehr bewältigen kann. So bestehen bei ihm noch familiäre Bindungen und soziale Kontakte, die von ihm auch wahrgenommen
werden. Weder aus den persönlichen Schreiben des Klägers noch aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat sich Gegenteiliges
ermitteln lassen. Der Kläger berichtete in der Sitzung über bestehende und von ihm auch gepflegte Sozialkontakte. Auch wirkte
er bemerkenswert präsent, konnte lang zurückliegende Termine mit Hilfe seines Smartphones selbst ermitteln und vermochte die
fehlende psychiatrische Behandlung mit der Formulierung einer Ärztin "In der Birne sind Sie fit" anschaulich zu begründen.
Auch sein äußeres Erscheinungsbild und seine jederzeit aktive Beteiligung an der mündlichen Verhandlung ließen keinen Rückschluss
auf ein quälendes Leidensgeschehen bzw. das Bestehen von schwersten Bewegungseinschränkungen zu.
Die Einordnung der Haupterkrankung des Klägers im Sinne einer ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung weicht deutlich von
der Selbsteinschätzung des Klägers ab, der als Hauptleiden stärkste Rückenschmerzen sowie Schmerzen im gesamten rechten Bein
und eine Taubheit in der gesamten rechten Körperseite sowie eine ständige Beinschwäche ansieht, die ihn sogar zur Benutzung
eines Rollstuhls zwingen würden. Für dieses ausgeprägte Beschwerdebild, das den Funktionssystemen "Beinen" und "Rumpf" zuzuordnen
wäre, gibt es jedoch nach Auswertung der zahlreichen Befunde keine organische Grundlage, was das Wesen einer somatoformen
Schmerzstörung gerade ausmacht (vgl. Dr. M. in seine Stellungnahme vom 30. März 2011). Während nach dem Unfallereignis im
Jahr 1999 die Diagnosen noch anfänglich auf der Grundlage der unfallversicherungsrechtlichen Gutachten (Dr. C.; MR Dr. M.)
auf eine Brustmarkschädigung und eine unfallbedingte Sensibilitätsstörung hindeuteten, verschoben sich diese nach dem MRT
von Dr. L. im Jahr 2001 und insbesondere durch die intensiven neurologischen Untersuchungen im Krankenhaus R. (Dr. B.) in
Richtung eines funktionalen Beschwerdebildes ohne objektivierbare organische Ursache. Dies bestätigte bereits das Gutachten
von PD Dr. W. im März 2004, der ein Muskelschmerzsyndrom mit einer psychischen Erkrankung diagnostizierte. Auf der gleichen
Linie lag auch der Neurologe Prof. Dr. S. (D.) im Jahr 2006, der Traumafolgen für nicht nachgewiesen erachtete, jedoch eine
psychosomatische Erkrankung diagnostizierte und eine entsprechende Behandlung anregte. Diese Einschätzung wird durch beide
gerichtlichen Sachverständigengutachten nochmals widerspruchsfrei bestätigt. Hiernach liegt beim Kläger eine ganz deutliche
Diskrepanz zwischen seinen Beschwerden und den tatsächlich feststellbaren Erkrankungen vor, die sich mit der Diagnose einer
somatoformen Schmerzstörung widerspruchsfrei erklären lässt. Selbst die behandelnden Ärzte des Klägers Dr. G. und insbesondere
Dr. Z. haben im weiteren Verlauf ihrer langjährigen Behandlungen immer stärker eine psychiatrische Erklärung für das intensive
Beschwerdebild des Klägers vermutet. Zur weiteren Absicherung dieser psychiatrischen Diagnose bedurfte es keines gesonderten
psychiatrischen Sachverständigengutachtens mehr, da zu Gunsten des Klägers der Senat aus den oben genannten Gründen den Bewertungsrahmen
für eine somatoforme Schmerzstörung voll ausgeschöpft hat. Hinweise für eine weitergehende schwere psychische Erkrankung,
die einen noch höheren Einzel-GdB für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" hätte rechtfertigen können, bestehen
aus den oben dargelegten Gründen dagegen nicht.
2. Der Senat hält für den Bereich des Funktionssystems "Rumpf" wegen eines Cervikalsyndroms und beginnenden degenerativen
Veränderungen mit beginnender sekundärer Einengung des Spinalkanals ohne neurologische Defizite sowie eines schmerzhaften
Wirbelsäulensyndroms einen Einzel-GdB von 10 für angemessen. Aus den beiden gerichtlichen Sachverständigengutachten, denen
der Senat folgt, weichen die Beschwerdeangaben des Klägers deutlich von den tatsächlich nachweisbaren objektivierten Befunden
im Bereich der Wirbelsäule ab. Nach dem aktuellen MRT-Befund sind allenfalls beginnende degenerative Veränderungen ohne neuronale
Schädigungen in dieser Region objektivierbar, die das geklagte Beschwerdebild auf der rechten Körperseite aber nicht erklären
können.
Für Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B Nr. 18.9 (S. 107 ff.) der Versorgungsmedizinischen
Grundsätze vorgegeben. Danach folgt der Grad der Behinderung bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung
der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule.
Erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende
Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grads, rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 20. Funktionsstörungen
geringeren Grads bedingen allenfalls einen Einzelgrad von 10. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt
(Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende
und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 30, mittelgradige
bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen Grad der Behinderung von 30 bis 40. Anhaltende Funktionsstörungen infolge
Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierenden Störungen bei einer Spinalkanalstenose
- sind zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach den übereinstimmenden Bewertungen beider gerichtlicher Sachverständiger sind anhand der Befunde keine mittelgradigen
Wirbelsäulenschäden nachweisbar, die für das Funktionssystem "Rumpf" einen höheren Einzel-GdB rechtfertigen. Hierbei darf
der Senat die ausgeprägte Schmerzsymptomatik, die bereits im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" verwertet worden
ist, nicht nochmals berücksichtigen, um eine unzulässige Doppelbewertung zu vermeiden. Dies rechtfertigt es, wegen der allenfalls
geringgradigen objektivierbaren Befunde im Bereich der Wirbelsäule nur einen Einzel-GdB von 10 zu vergeben. Mangels entsprechender
Befunde können auch die vom Kläger geforderten Bewertungen von Rückenmarkschäden nicht vorgenommen werden.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist für dieses Funktionssystem keine zusätzliche neurologische Begutachtung erforderlich.
Zum einen hat der Sachverständige Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 30. März 2011 darauf hingewiesen, er verfüge als Orthopäde
über eine ausreichende neurologische Fachkompetenz, um den medizinischen Sachverhalt auch für dieses Fachgebiet abschließend
beurteilen zu können. Dass er diese Kompetenz tatsächlich hat, belegt sein Hinweis auf die umfassende neurologische Diagnostik
(EMG/ENG/MRT/CT) des Klägers in der zurückliegenden Zeit. Auch in Auswertung dieser Befunde und Einschätzungen auf neurologischem
Gebiet (z.B. Dr. B. und Dr. S.), hat der Sachverständige ein neurologisch erklärbares Schmerzgeschehen eindeutig verneint.
Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2011 vorgelegte Attest von Dr. Z. vom 10. August 2011 hält der
Senat demgegenüber für nicht überzeugend. Im Gegensatz zu den gerichtlichen Sachverständigengutachten findet sich darin keine
ausführliche Auseinandersetzung mit den zahlreichen aktenkundigen Befunde sowie den eingehenden Untersuchungen und Gutachten.
Die Annahme von Dr. Z., Bandscheibenvorfälle seien allgemein geeignet, Spinalkanalstenosen, Duralsackimpressionen und neurologische
Ausfällen zu verursachen und hätten "deswegen" die gravierenden Einschränkungen beim Kläger hervorgerufen (Rollstuhlbedürftigkeit;
Bewegungseinschränkungen) ist eine bloße Behauptung, mit der der Arzt die mehrfach gesicherte Diagnose einer somatoformen
Schmerzstörung verkennt. Auch seine Annahme, als unfallbedingte Traumafolge bestehe eine Fraktur der BWS in Fehlstellung,
ist nach den umfassenden Befunden und aktuellen MRT- Aufnahmen sowie aus dem Sachverständigengutachten von Dr. M. widerlegt.
Im Übrigen steht diese Wertung in einem bemerkenswerten Widerspruch zu seiner eigenen Stellungnahme vom 5. Juli 2007. Dort
hat er noch ausdrücklich auf den schlechten psychischen Zustand des Klägers und eine eindeutige somatoforme Schmerzstörung
verwiesen, was von ihm im aktuellen Attest mit keinem Wort mehr erwähnt wird.
Auch aus den vorliegenden Pflegegutachten kann zu Gunsten des Klägers nicht auf einen höheren GdB geschlossen werden. In den
zahlreichen Pflegegutachten finden sich als pflegerelevante Diagnosen jeweils Frakturen der Wirbelsäule, die nach den Ermittlungen
im gerichtlichen Verfahren und den eingehenden Untersuchungen des Klägers nicht vorhanden sind. Die Pflegegutachten wurden
von Pflegefachkräften verfasst, denen das notwendige ärztliche Fachwissen fehlt, um medizinische Sachverhalte und erkrankungsbedingte
Funktionseinschränkungen zutreffend bewerten zu können. Außerdem beschränken sich diese Pflegebewertungen im Wesentlichen
auf die Angaben des Klägers von angeblichen Frakturen der Wirbelsäule, die nicht kritisch hinterfragt wurden. Auf eine Beiziehung
von aktuellen Befundgrundlagen aus anderen Verfahren hat die Pflegekasse offenbar verzichtet.
3. Als weiteres Leiden liegt eine Chondropathie Grad II der Knie ohne nennenswerte Funktionseinschränkungen vor (so Dr. M.).
Diese ist dem Funktionssystem "Bein" zuzuordnen. Hierbei kann die vom Kläger angegebene ständige Beinschwäche sowie das Taubheitsgefühl
in der gesamten rechten Körperseite einschließlich der seit dem Jahr von ihm praktizierten Rollstuhlbedürftigkeit keine Berücksichtigung
finden, da es, wie bereits beim Funktionssystem "Rumpf" nach übereinstimmender Bewertung beider gerichtlicher Sachverständiger
auch hierfür kein objektivierbares Korrelat gibt. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger beschriebene Beinparese auf der
rechten Seite. Der Senat bewertet daher die Erkrankung im Funktionsbereich "Bein" mit einem Einzel-GdB von 10.
Bei Knieerkrankungen sieht die GdS-Tabelle unter 18.14 (S. 116 f.) Folgendes vor:
Lockerung des Kniebandapparates muskulär kompensierbar ... 10
unvollständig kompensierbar, Gangunsicherheit ... 20
Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90)
einseitig ... 0 - 10
beidseitig ... 10 - 20
mittleren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0-10-90)
einseitig ... 20
beidseitig ... 40
stärkeren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0-30-90)
einseitig ...30
beidseitig ...50
Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen
einseitig
ohne Bewegungseinschränkung ... 10 - 30
mit Bewegungseinschränkung ... 20 - 40
Mangels einer substantiellen Funktionseinschränkung der Kniegelenke kann kein höherer Einzel-GdB als 10 angenommen werden.
4. Der Zustand nach Palmarfaszienresektion beider Hände bei einem vorher bestehenden M. Dypuytren betrifft das Funktionssystem
"Arm". Da der Sachverständige M. keinerlei Funktionseinschränkungen der Hände feststellen konnte, kann hierfür kein Einzel-GdB
vergeben werden. Auch für die Zeit ab Antragstellung bis zu dieser Untersuchung sind für einen Zeitraum von mehr als sechs
Monaten keine Befunde erkennbar, die einen Einzel-GdB von 10 rechtfertigen könnten. Die vom Kläger angegebenen Kopfschmerzen
und Geruchsstörungen vermochten beide gerichtlichen Sachverständigen nicht als bedeutsam ansehen. Insoweit fehlt es auch an
einem entsprechenden Vortrag des Klägers und an einer darauf gerichteten intensiven fachärztlichen Behandlung.
5. Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze
(S. 22) anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad
bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren
Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt
gerecht zu werden.
Danach kann kein höherer Gesamtgrad der Behinderung als 40 angenommen werden. Für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich
Psyche" ist zunächst wegen der somatoformen Schmerzstörung von einem Einzel-GdB von 40 auszugehen. Die daneben bestehenden
Erkrankungen im Funktionsbereich "Rumpf" sowie "Bein", die einen Einzel-GdB von jeweils höchstens 10 rechtfertigen können,
führen nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. In der Gesamtbewertung dieser Behinderungen darf keine Addition der Einzel-GdB-Werte
erfolgen. Vielmehr ist nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen von Folgendem auszugehen: Regelmäßig kann der Gesamt-GdB
aufgrund weiterer Erkrankungen, die allenfalls mit einem GdB von 10 rechtfertigen können, nicht erhöht werden. Denn nach den
Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 3 ee, S. 23) führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Behinderungsgrad
von 10 bedingen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung. Selbst bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen
mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, daraus auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung
zu schließen.
Letztlich widerspräche hier die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft auch dem nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen
(Teil A Nr. 3b, S. 22) zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Im Vergleich mit Gesundheitsschäden, zu denen in der GdB-Tabelle
feste Werte angegeben sind, ist bei dem Kläger ein höherer Gesamtgrad als 40 nicht gerechtfertigt. Die Gesamtauswirkungen
der verschiedenen Funktionsstörungen beeinträchtigen seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft insbesondere nicht so schwer
wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine
Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.
6. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen
"G", "aG", "B" und "H". Die genannten Merkzeichen setzen beim Kläger voraus, dass dieser schwerbehindert ist, was einen Gesamt-GdB
von 50 voraussetzt (vgl. §
2 Abs.
2 SGB IX). Die Grundvoraussetzung für die Eintragung der begehrten Merkzeichen liegt daher nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach §
160 SGG nicht vor.