Anforderungen an die Wiederaufnahme und Fortführung eines rechtskräftig beendeten sozialgerichtlichen Verfahrens
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 3 AS 19/19, vormals L 3 AS 169/16.
In dem vormals bei dem erkennenden Gericht anhängigen Verfahren L 3 AS 169/16, in dem die Beteiligten um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II) für die Zeit von Februar 2014 bis Januar 2015 stritten, haben die Kläger in einer mündlichen Verhandlung am 15. Februar
2019 zu Protokoll erklärt, die gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. September 2016 gerichtete Berufung zurückzunehmen.
Der anschließende Streit um die Wirksamkeit dieser Berufungsrücknahme wurde unter dem Aktenzeichen L 3 AS 19/19 bei dem erkennenden Gericht geführt.
Mit Urteil vom 13. Mai 2019 hat der erkennende Senat festgestellt, dass das Verfahren in der Berufungsverhandlung am 15. Februar
2019 durch die erklärte Rücknahme der Berufung wirksam beendet worden ist.
Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger Beschwerde beim Bundessozialgericht eingelegt, die das Bundessozialgericht
mit Beschluss vom 3. Juli 2019 als unzulässig verworfen hat.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2020, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 2. März 2020, begehren
die Kläger wörtlich "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand". Neben Verfahren des Sozialgerichts Schleswig und einem Verfahren,
welches bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht noch anhängig ist (L 3 AS 111/19) haben Sie dabei auch auf die Verfahren L 3 AS 19/19 und L 3 AS 169/16 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
das Verfahren L 3 AS 19/19 wiederaufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. September 2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
ihnen für den Zeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.
Mit Schreiben vom 12. März 2020 hat der Senat den Klägern mitgeteilt, dass er die Wiederaufnahmeklage einstimmig für unbegründet
hält und beabsichtigt, die Klage mit Beschluss abzuweisen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Das mit Schriftsatz vom 20. Februar 2020 vorgetragene Begehren war dahingehend auszulegen, dass die Kläger die Wiederaufnahme
des Verfahrens L 3 AS 19/19 (L 3 AS 169/16) begehren. Dies lässt die von Ihnen verwandte Formulierung "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" erkennen. Rechtlich
beschreibt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar in vielen Verfahrensordnungen die Korrektur einer unverschuldeten
Fristversäumnis und nicht die Fortsetzung eines abgeschlossenen Verfahrens. Aufgrund der vorliegend prozessualen Situation
war die hier von rechtlichen Laien verwandte Formulierung aber so zu interpretieren, dass sie die Fortsetzung des abgeschlossenen
Verfahrens begehren.
Der Senat konnte über dieses Wiederaufnahmebegehren der Kläger gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er es einstimmig für unbegründet hält, eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist
und die Kläger zuvor mit Schreiben vom 12. März 2020 zu dieser Verfahrensweise angehört worden sind. Die Möglichkeit durch
Beschluss zu entscheiden ist nicht nur bei einstimmiger Zurückweisung der Berufung, sondern auch für die einstimmige Ablehnung
eines Wiederaufnahmeantrages zu einer im Berufungsverfahren ergangenen Entscheidung eröffnet (Keller in Meyer-Ladewig u.a.
SGG 11.aufl §
153 Rn.14; LSG NRW v. 18.9.98, L 17 U 78/98.).
Der Wiederaufnahmeantrag der Kläger ist nicht begründet. Wiederaufnahmegründe liegen nicht vor.
Die Wiederaufnahme und Fortführung eines rechtskräftig beendeten Verfahrens richten sich im Sozialprozess nach §§
179,
180 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Eine Nichtigkeitsklage gemäß §§
179 SGG,
579 Zivilprozessordnung (
ZPO) findet statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt
hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt
hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war oder wenn eine
Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich
oder stillschweigend genehmigt hat.
Derartige Verstöße gegen das Prozessrecht liegen hier nicht vor.
Daneben findet eine Restitutionsklage gemäß §§
179 SGG, §
580 ZPO statt bei falschem Eid durch den Prozessgegner, Urkundenfälschung, strafbarem falschem Zeugnis oder strafbarer falscher Sachverständigenaussage,
strafbarer Urteilserschleichung durch den Gegner, strafbarer Amtspflichtverletzung durch einen mitwirkenden Richter, Aufhebung
eines anderen Urteils, welches Grundlage des angefochtenen Urteils war, Auffinden eines bis dato unbekannten rechtskräftigen
Urteils in gleicher Sache bzw. einer anderen Urkunde und der Feststellung einer Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Auch diese Wiederaufnahmegründe liegen offensichtlich nicht vor.
Schließlich ist eine Wiederaufnahme gemäß §
180 SGG auch bei rechtskräftigen einander widersprechenden Entscheidungen mehrerer Versicherungsträger in Hinblick auf den streitigen
Anspruch statthaft. Diese Konstellation liegt ebenfalls ersichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.