Höhe des Krankenversicherungsbeitrags
Berücksichtigung einer Direktversicherung bei der Beitragsbemessung
Ab dem Jahr 2004 fällig werdende Leistungen
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aus der Kapitalzahlung einer Direktversicherung Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu zahlen hat.
Der 1954 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Arbeitnehmer pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Im November 2014 erhielt er von der Lebensversicherung AG Kapitalleistungen aus von seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Lebensversicherungen
in Höhe von 28.700,95 EUR und 19.579,77 EUR. Hiervon setzte die Lebensversicherung AG die Beklagte in Kenntnis, die wiederum
mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 aus diesen Bezügen zu zahlende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab Dezember
2014 auf monatlich 71,61 EUR und ab 2015 auf 72,42 EUR festsetzte. Zur Begründung führte sie aus, rentenähnliche Einnahmen
wie hier die Versorgungsbezüge seien beitragspflichtig. Bei Kapitalleistungen oder Abfindungen würden für maximal zehn Jahre
1/120 der Zahlung berücksichtigt. Mit weiterem Bescheid vom 9. Januar 2015 bestätigte die Beklagte die Beitragsanpassung auf
72,42 EUR. Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, entgegen der Auffassung der Beklagten handele
es sich bei den Versicherungsleistungen nicht um kapitalisierten Versorgungsbezug im Sinne des §
229 SGB V. Er habe die Beiträge aus seinem Nettogehalt beglichen, also aus Beträgen, die bereits versteuert und aus denen Sozialversicherungsbeiträge
gezahlt worden seien. Außerdem liege eine Versorgungszusage im rechtlichen Sinne nicht vor. Leistungen aus Lebensversicherungen
seien nicht grundsätzlich Versorgungsbezüge. Im Rahmen des nachfolgenden Schriftverkehrs erläuterte die Beklagte mit Schreiben
vom 27. Februar 2015, wann in Fällen der betrieblichen Direktversicherung eine Beitragspflicht nicht entstehe und bat den
Kläger, durch die private Versicherung eine entsprechende Bescheinigung auszustellen. Der Kläger hielt seinen Widerspruch
gleichwohl aufrecht. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 1. Oktober 2015 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Ergänzend hat er vorgetragen, dass zumindest die in der Ablaufleistung enthaltenen Zinsbeträge nicht zu berücksichtigen seien.
Außerdem hat er auf Anforderung des Gerichts die streitigen Versicherungsverträge vorgelegt.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 2014 und 9. Januar 2015 in Form des Widerspruchsbescheides vom 17. September
2915 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Januar 2017 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
"Bei der Kapitalleistung aus dem mit der R abgeschlossenen Versicherungsvertrag handelt es sich um einen beitragspflichtigen
Versorgungsbezug.
Welche Einnahmen der Beitragsbemessung versicherungspflichtig Beschäftigter zugrunde zu legen sind, ist in §
226 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB V) geregelt. Danach wird bei diesem Personenkreis der Beitragsbemessung zugrunde gelegt 1. das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung, 2. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 3. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren
Einnahmen (Versorgungsbezüge), 4. das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder
Versorgungsbezügen erzielt wird.
Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit
oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, u.a. Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich
der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung (§
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor
Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher
Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.
Für die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Pflegeversicherung gilt §
240 SGB V gemäß §
57 Abs.
4 Satz 1 des 11. Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB XI) entsprechend.
Bei der hier streitgegenständlichen Kapitalleistung aufgrund der vom Arbeitgeber des Klägers abgeschlossenen Versicherung
handelt es sich um eine Direktversicherung im Sinne des §
1 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BeTrAVG). Danach ist eine Direktversicherung ein Lebensversicherungsvertrag, den der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer
auf das Leben des Arbeitnehmers (versicherte Person) bei einem in Deutschland zugelassenen Versicherer abschließt. Bezugsberechtigt
sind der Arbeitnehmer und/oder dessen Hinterbliebene.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterliegen ab dem Jahr 2004 fällig werdende Leistungen aus einer
im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung ab diesem Zeitpunkt als Versorgungsbezug der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, und zwar auch dann, wenn der Lebensversicherungsvertrag vor
2004 abgeschlossen wurde und unabhängig davon, ob sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Versicherten bzw. des Bezugsberechtigten
beruhen (Urteil vom 13. September 2006, B 12 KR 5/06 R; Urteile vom 25. April 2007, B 12 KR 25/05 R, B 12 KR 26/05 R; Urteil vom 12. Dezember 2007, B 12 KR 6/06 R; Urteil vom 12. November 2008, B 12 KR 10108 R; Urteil vom 30. März 2011, B 12 KR 16/10 R; Urteil vom 20. August 2014, B 12 KR110/13 B; Urteil vom 16. Dezember 2015, B 12 KR 19/14 R).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit dem
Grundgesetz bestätigt (Beschluss vom 07. April 2008, 1 BvR 1924/07; Beschluss vom 06. September 2010, 1 BvR 739108; Beschluss vom 28. September 2010, 1 BvR 1660108). Kapitalleistungen aus
betrieblichen Direktversicherungen können danach den Versorgungsbezügen nach §
229 Abs.
1 SGB V gleichgestellt und damit der Beitragspflicht unterworfen werden. Die im Beschäftigungsverhältnis verwurzelte, auf einer bestimmten
Ansparleistung während des Erwerbslebens beruhende einmalige Zahlung einer Kapitalleistung sei nicht grundsätzlich anders
zu bewerten als eine auf Ansparleistung beruhende, laufende Rentenzahlung. Die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen
in die Beitragspflicht sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Einen Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz nimmt das Bundesverfassungsgericht lediglich dann an, wenn Zahlungen aus Beiträgen, die der Versicherte nach Ende seines
Arbeitsverhältnisses auf einen auf ihn als Versicherungsnehmer laufenden Kapitallebensversicherungsvertrag eingezahlt hat,
als betriebliche Altersversorgung verbeitragt werden, obwohl der Gesetzgeber Erträge aus privaten Lebensversicherungen keiner
Beitragspflicht unterwirft.
Die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.
Gegen eine Verbeitragung spricht auch nicht, dass der Kläger aus den Gehaltszahlungen, aus denen die Beiträge zur Direktversicherung
geleistet wurden, bereits Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem
Nichtannahmebeschluss vom 06. September 2010 (1 BvR 739/08) betont, dass der steuerrechtliche Grundsatz, wonach Einkommen nur beim erstmaligen Zufluss bzw. bei der erstmaligen Realisierung
zu besteuern ist, nicht auf die gesetzliche Krankenversicherung zu übertragen ist.
Im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung existiert ebenfalls kein entsprechender Grundsatz. Die Kammer gibt in
diesem Zusammenhang zu bedenken, dass auch Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbeitragen sind, obwohl aus
den Ihnen zugrunde liegenden Einkünften in der Regel bereits Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt
wurden. Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Bezieher von Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung diesbezüglich
besser zu stellen.
Da nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes der Zahlbetrag des Versorgungsbezuges zu verbeitragen ist, umfasst die Versicherungspflicht
auch die in der Kaitalleistung enthaltenden Zinsbeträge"
Gegen das ihm am 29. März 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht am 10. April 2017. Zur Begründung trägt er vor, die vom Sozialgericht aufgeführte Rechtsprechung sei auf
ihn nicht anzuwenden. In seinem Fall handele es sich um Versicherungsverträge, die ausschließlich aus Beträgen nach Bereinigung
des Gehaltes finanziert worden seien. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich bestätigt, dass private Lebensversicherungsverträge
grundsätzlich nicht der Beitragspflicht nach §
229 Abs.
1 SGB V unterfielen. Es fehle an der notwendigen Betriebsbezogenheit, die in der Kapitalleistung zu sehen sei. Die Bewertung der
Versicherungen als beitragspflichtige Leistungen führe dazu, dass deren Wert um nahezu 50 % gemindert würde. Dazu nimmt der
Kläger Bezug auf eine von ihm erstellte Vergleichsberechnung.
Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. Januar 2017 und die Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 2014 und 9. Januar
2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide.
Der Senat hat mit gerichtlicher Verfügung vom 27. Juni 2017 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach
§
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Betracht kommt und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich hierzu bis zum 26. Juli 2017 zu äußern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten
der Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakten.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss. Diese Vorschrift ermöglicht dem Landessozialgericht mit Ausnahme der Fälle des §
105 Abs.
2 Satz 1
SGG, die hier nicht vorliegen, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Senat hat auch, wie es §
153 Abs.
4 Satz 3
SGG erfordert, die Beteiligten vor der Entscheidung angehört.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es entschieden, dass die Beitragsforderung aufgrund
der Auszahlung der Lebensversicherungen an den Kläger durch die R Lebensversicherung AG nicht zu beanstanden ist. Der Zahlbetrag
unterliegt gemäß §
237 Abs.
1 Nr.
2 i.V.m. §
229 Abs.
1 des
Fünften Sozialgesetzbuches (
SGB V) der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung. Das Sozialgericht hat dies, ausgehend von den einschlägigen Rechtsgrundlagen
und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts in den Entscheidungsgründen
des angefochtenen Urteils ausführlich dargelegt. Hierauf nimmt der Senat gemäß §
153 Abs.
2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Neue rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgebracht. Gleichwohl hat der
Senat das Urteil des Sozialgerichts eingehend geprüft. Danach ist die Rechtslage eindeutig:
Bei den Kapitalleistungen aus den mit der R Lebensversicherung AG abgeschlossenen Versicherungsverträgen handelt es sich um
einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterliegen ab dem
Jahr 2004 fällig werdende Leistungen aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung
ab diesem Zeitpunkt als Versorgungsbezüge der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, und zwar auch
dann, wenn der Lebensversicherungsvertrag vor 2004 abgeschlossen wurde und unabhängig davon, ob sie zum Teil oder ganz auf
Leistungen des Versicherten bzw. des Bezugsberechtigten beruhen. Das Sozialgericht hat auf entsprechende Entscheidungen des
Bundessozialgerichts in dem angefochtenen Urteil hingewiesen. Auch im Falle des Klägers handelt es sich um solche vom Arbeitgeber
abgeschlossene Direktversicherungen. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Versicherungsscheine war Versicherungsnehmer nicht
der Kläger, sondern sein Arbeitgeber, die Segeberger Volksbank eG. Die Lebensversicherungen sollten auch erst zur Auszahlung
kommen und sind es auch, nachdem der Kläger sein 60. Lebensjahr vollendet hat.
Das Vorbringen des Klägers, die Versorgung beruhe ausschließlich auf seinen Lohnanteilen, führt nicht zu einer anderen Betrachtung.
Das Bundessozialgericht hat festgestellt, dass es für eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V ohne Belang sei, ob die Altersversorgung ganz oder teilweise auf Eigenleistung des Arbeitnehmers beruhe (so BSG, Urteil vom 12. November 2008, B 12 KR 6/08 R). Dem hat sich der Senat - eine Direktversicherung betreffend - angeschlossen (Beschluss vom 16. März 2016, L 5 KR 105/15). Dies verdeutlicht im Übrigen auch §
1 Abs.
2 Nr.
3 BetrAVG, wonach betriebliche Altersversorgung auch vorliegt, wenn künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf
Versorgungsleistungen umgewandelt werden (vgl. hierzu auch Urteil des beschließenden Senats vom 6. April 2017, L 5 KR 142/14). Etwas anderes gilt nur, wenn Kapitalleistungen auf Prämien beruhen, die der Versicherte auf einen Kapitallebensversicherungsvertrag
unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat. Das ist ständige Rechtsprechung vom BSG (vgl. etwa Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 16/10 R) und BVerfG (vgl. Beschluss vom 14. April 2011 - 1 BvR 2123/08), der sich der Senat in vollem Umfang angeschlossen hat (so etwa Beschluss vom 21. Januar 2014 - L 5 KR 50/13; und Urteil vom 13. November 2014 - L 5 KR 90/13). Der Kläger hingegen ist zu keinem Zeitpunkt Versicherungsnehmer der Lebensversicherungsverträge geworden. Dass die Beitragspflicht
letztlich zu einer Reduzierung der Leistung aus dem Versicherungsvertrag führt, ist in diesem Zusammenhang hinzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 und 4
SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.