Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger bei der Beklagten versicherungspflichtig ist.
Im November 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Zeiten in seinem Versicherungskonto ab 1. Januar 2004 unbelegt seien
und bat um entsprechende Mitteilung. In der Folge teilte der Kläger mit, dass er seit dem 1. April 1986 mit einem Taxibetrieb
selbständig ist und legte eine entsprechende Gewerbegenehmigung vor. Auf weitere Anfragen der Beklagten reagierte der Kläger
nicht. Mit Bescheid vom 7. September 2007 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers ab dem 1. Januar 1992
fest und teilte mit, dass die ab dem 1. Dezember 2002 angefallenen Beiträge vom Kläger nachgefordert werden. Für den Zeitraum
Januar 1992 bis November 2002 teilte sie mit, dass die Verjährung eingetreten ist.
Der Kläger legte hiergegen am 18. September 2007 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2008 zurückgewiesen
wurde.
Im darauffolgenden Klageverfahren übersandte der Kläger seine Einkommensteuerbescheide der Jahre 1991, 2002 bis 2008. Außerdem
teilte er mit, dass er im Zeitraum des Jahreswechsels 1991 zu 1992 gleichzeitig zu seiner selbständigen Tätigkeit in einem
nichtselbständigen Arbeitsverhältnis als Fahrlehrer bei der Firma H.W.in O. beschäftigt war. Er habe aus dieser Tätigkeit
im Dezember 1991 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 652,07 DM erzielt. Die nichtselbständige Tätigkeit sei nicht zum 31. Dezember
1991 beendet worden, wie der beigefügte Lohnzettel für Januar 1992 belege.
Die Beklagte erließ daraufhin am 5. Januar 2010 einen Änderungsbescheid. Darin wurde festgestellt, dass der Kläger aufgrund
seiner selbständigen Tätigkeit am 31. Dezember 1991 versicherungspflichtig gewesen ist. In der Zeit vom 1. November 2005 bis
30. Juni 2008 bestand Versicherungsfreiheit, da der Kläger nur geringfügig selbständig tätig war. Ab dem 1. Juli 2008 bestand
wieder Versicherungspflicht und ab dem 1. Dezember 2008 Versicherungsfreiheit. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag wurden
für den Zeitraum 1. Dezember 2002 bis 30. November 2008, soweit Versicherungspflicht bestand, offene Beiträge in Höhe von
insgesamt 5.583,58 EUR vom Kläger gefordert.
Das Sozialgericht hat der gegen die Annahme von Versicherungspflicht gerichteten Klage mit Urteil vom 30. Juni 2010 stattgegeben
und den Bescheid vom 7. September 2007 in Form des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2008 und des Änderungsbescheides vom
5. Januar 2010 aufgehoben.
Mit der dagegen gerichteten Berufung vertritt die Beklagte die Ansicht, dass das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
neben der selbständigen Tätigkeit im Januar 1992 für das Bestehen der Versicherungspflicht unerheblich ist.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Meiningen, die
er sich zu Eigen macht. Vorsorglich weise er nochmals darauf hin, dass er bei der Beklagten einen schriftlichen Befreiungsantrag
gestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen. Die Verwaltungsakte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben. Der Kläger ist versicherungspflichtig,
wie die Beklagte letztlich mit Änderungsbescheid vom 5. Januar 2010 zutreffend festgestellt hat.
Der Kläger ist gemäß §
229 a Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI - versicherungspflichtig.
Gemäß §
229 a Abs.
1 SGB VI bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren, nicht ab dem 1. Januar 1992 nach
den §§
1 bis
3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden
soll, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des Leistungsbezuges versicherungspflichtig.
Der Kläger war trotz seiner seit 1986 ausgeübten selbständigen Tätigkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR versicherungspflichtig.
Diese Versicherungspflicht für die selbständige Tätigkeit des Klägers folgt aus § 10 des Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG-DDR) vom 28. Juni 1990 (GBl. Nr. 38, 486), in dessen Geltungsbereich der Ort der Tätigkeit lag, in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Verordnung über die Sozialversicherung
bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. Dezember 1977 (GBl. 1978 Nr. 1, 1). Der Kläger
erzielte in dieser selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen, welches entsprechend den damals geltenden Rechtsvorschriften
der Beitragspflicht unterlag. Die insoweit geltende Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung
der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. Dezember 1977 (GBl. 1978 Nr. 1, 1) begründete die Versicherungspflicht für Inhaber
von Gewerbebetrieben, freiberuflich Tätige und andere selbständig Tätige, wenn deren beitragspflichtige Einkünfte aus der
selbständigen Tätigkeit mindestens 900 M im Kalenderjahr betragen. Der Kläger hatte im Jahr 1991 ausweislich seines Steuerbescheides
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (selbständiger Tätigkeit) in Höhe von 12.765 DM und überschritt daher die Einkunftsgrenze. Diese
Verordnung besaß bis zum Stichtag des §
229a SGB VI, d.h. bis zum 31. Dezember 1991 Gültigkeit, der Kläger war somit nach dem noch geltenden Recht der DDR - als Selbständiger
- versicherungspflichtig. Da der Kläger seine Tätigkeit seit 1986 ununterbrochen bis über den 31. Dezember 1991 ausgeübt hat,
unterlag er am 31. Juli 1991 dem geltenden Recht des Beitrittsgebietes, so dass Art. 35 Abs. 3 RÜG (Rentenüberleitungsgesetz),
welches den Kreis der versicherten Personen bereits ab dem 1. August 1991 eingeschränkt hat, nicht relevant wurde (Fichte
in Hauck/Noftz, § 229a, RdNr. 14).
Die Versicherungspflicht des Klägers bestand über den 31. Dezember 1991 fort. §
229a Abs.
1 SGB VI dient dem Schutz von Personen, die vor dem 1. Januar 1992 eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben, welche ab
diesem Zeitpunkt nicht mehr versicherungspflichtig war. §
229a Abs.
1 SGB VI schützt auch nur diese Tätigkeit, wie der Wortlaut der Vorschrift belegt, die ausdrücklich auf die "jeweilige Tätigkeit"
abstellt. Der Kläger war bereits vor dem 1. Januar 1992 versicherungspflichtig, wie oben dargestellt. Er ist für seine selbständige
Tätigkeit nicht ab dem 1. Januar 1992 gemäß §§
1 bis
3 SGB VI versicherungspflichtig geworden, da diese unter keine der dort aufgezählten Alternativen fällt. Zwar erfüllt die nichtselbständige
Tätigkeit des Klägers die Voraussetzungen des §
1 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI, jedoch ist zu beachten, dass dies im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung hat, da die Versicherungspflicht des Klägers
für die selbständige Tätigkeit, die er am 31. Dezember 1991 ausgeübt hat, erhalten bleiben soll (vgl. Fichte in Hauck/Noftz,
SGB VI, §
229a, Rd. 19, 20; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Februar 2009, Az.: L 21 R 767/06, nach juris). Das Weiterbestehen der Versicherungspflicht für die nichtselbständige, bereits vor dem 1. Januar 1992 ausgeübte
Tätigkeit ist insoweit unbeachtlich.
Es ist im Rahmen des §
229a Abs.
1 SGB VI erforderlich, dass alle aufgeführten Voraussetzungen kumulativ für die "jeweilige" Tätigkeit vorliegen. Dieses ergibt sich
aus dem Ziel der Regelung des §
229a Abs.
1 Variante 2
SGB VI, welche verhindern soll, dass Personen, die erst ab Januar 1992 eine nach §§ 1 bis 3 SGBVI nichtversicherungspflichtige Tätigkeit
ausüben, den gleichen Schutz genießen, wie Bürger der ehemaligen DDR, die bereits vor Januar 1992 der gesetzlichen Rentenversicherung
unterfielen. Da ein Bezug zur konkret ausgeübten Tätigkeit besteht und auch nur diese dem Schutz des §
229a SGB VI unterfällt, d.h. die Versicherungspflicht mit ihrer Aufgabe endet, ist mit der Aufgabe der nichtselbständigen Tätigkeit nach
Januar 1992 nicht die Versicherungspflicht für die daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit entfallen.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger bis zum 31. Dezember 1994 beantragt hat, dass die Versicherungspflicht
enden soll.
Der Antrag ist konstitutive Voraussetzung zur Beendigung der Versicherungspflicht und stellt eine Willenserklärung des öffentlichen
Rechts dar. Auf derartige Willenserklärungen sind die Grundsätze des bürgerlichen Rechts anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 1975 -11 RKLw 23/74, SozR 5486 Art. 4 §
2 Nr. 2). Gemäß dem daher einschlägigen §
130 BGB analog wird eine Willenserklärung gültig, wenn sie zugeht. Dies gilt auch bei gegenüber einer Behörde abzugebenden Willenserklärungen,
§
130 Abs.
3 BGB. Das Übermittlungsrisiko für empfangsbedürftige Willenserklärungen trägt der Absender, wobei die bloße Möglichkeit, dass
der Antrag bei der zuständigen Stelle angekommen ist, dort aber verloren sein könnte, nicht zur Feststellung des Zuganges
genügt (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 26/97 R).
Ein Befreiungsantrag des Klägers ist nicht aktenkundig. Weiterer Ermittlungen bedurfte es unter Berücksichtigung der Umstände
des vorliegenden Einzelfalls nicht.
Der Kläger hat sich erstinstanzlich auf die Angabe beschränkt, es sei ihm erinnerlich, bereits im September 1993 bei der Beklagten
einen entsprechenden Antrag gestellt zu haben; eine Kopie des Antrags liege ihm allerdings nicht mehr vor. Aufgrund von damaligen
Urlaubsvorbereitungen könne es sein, dass bei ihm keine Abschrift des bei der Beklagten eingereichten Schreibens in den eigenen
Unterlagen abgelegt worden sei. Nach seiner Erinnerung sei das Schreiben an die Beklagte kurz vor dem Urlaubsantritt in den
Briefkasten der Deutschen Rentenversicherung in der K.straße 3 in S.-N. eingeworfen worden. Mit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
habe sich eine Rentenversicherungsangelegenheit für ihn erledigt (?). Er sei insbesondere auch deshalb von einem geklärten
Sachverhalt ausgegangen, weil er von der Beklagten Jahr für Jahr Beitragsfeststellungsbescheide erhalten habe, die auch aus
seiner Sicht richtig gewesen seien. Im Berufungsverfahren hat sich der Kläger auf den "vorsorglichen" Hinweis beschränkt,
dass er einen schriftlichen Befreiungsantrag bei der Beklagten gestellt habe, was durch das Zeugnis seiner Lebensgefährtin
nachgewiesen werden könne. Der Umstand, dass sich ggf. die Frage des Befreiungsantrags stellt ist, dem Kläger also bewusst
gewesen; einen förmlichen Beweisantrag hat er jedoch nicht gestellt.
Auf der Grundlage der vom Kläger gemachten Angaben hat der Senat keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen. Die Ermittlungspflicht
des Gerichts findet ihre Beschränkung durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten. Die vom Kläger gemachten Angaben zum Befreiungsantrag
sind so vage und ungenau bzw. unerheblich, dass sie keine hinreichende Grundlage bilden, auf der das Gericht weitere Aufklärungsmaßnahmen
für angezeigt gehalten hat. Der ganze Vorgang ist von seinem Ablauf her unklar. Detaillierte Angaben zum Inhalt des Befreiungsantrags
werden nicht gemacht. Wann der Antrag bei der Beklagten eingeworfen worden sein soll, ist dem Vortrag nicht genau zu entnehmen.
Das Datum der Anfertigung des Antrags wird mit "September 1993" angegeben, der Einwurf des Schreibens sei "kurz vor dem Urlaubsantritt"
erfolgt. Wann der besagte Urlaub stattgefunden haben soll, wird jedoch nicht geschildert. Wenn angegeben wird, aufgrund von
damaligen Urlaubsvorbereitungen könne es sein, dass er keine Kopie des angeblich bei der Beklagten "eingereichten" (an anderer
Stelle ist allerdings davon die Rede, dass das Schreiben in den Briefkasten "eingeworfen" worden sei) Antrags gemacht habe,
bewegt sich der Vortrag im Bereich der Vermutungen. Es wird auch lediglich vorgetragen, dass "das Schreiben nach heutiger
Erinnerung des Klägers und seiner Lebensgefährtin" in den Briefkasten der Deutschen Rentenversicherung gesteckt worden sei.
Damit wird weder klar gesagt, dass die Sendung überhaupt von den beiden genannten Personen eingeworfen worden ist, noch wird
behauptet, dass die Lebensgefährtin des Klägers bei der Anfertigung bzw. beim "Eintüten" des Befreiungsantrags dabei gewesen
ist - was jedoch Voraussetzung dafür wäre, dass sie den Inhalt der eingeworfenen Sendung überhaupt beschreiben kann. Der Vortrag
bleibt auch eine Erklärung dafür schuldig, warum - wenn sich für den Kläger die Angelegenheit mit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
erledigt hatte (wie er vorträgt) - nicht bereits im Widerspruchsverfahren - sondern erstmals im Klageverfahren - darauf hingewiesen
wurde, dass ein Befreiungsantrag gestellt worden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.