Entschädigung für einen Befundbericht
Auslegung eines Gutachtenauftrages nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten
Gründe:
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1.
Senats hat der Berichterstatter des 1. Senats über das Begehren des Erinnerungsführers, den Befundbericht vom 1, September
2017 mit 45,45 Euro zu entschädigen, zu entscheiden.
Auf die nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) zulässige Erinnerung wird die Entschädigung für den Befundbericht vom 1. September 2017 auf 28,45 Euro festgesetzt.
Der Erinnerungsführer ist sachverständiger Zeuge (§
414 der
Zivilprozessordnung (
ZPO)), denn er berichtete als früher behandelnder Arzt über vergangene Tatsachen und Zustände, die er kraft besonderer Sachkunde
ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 1991 - 9a RV 25/90, nach Juris; ThürLSG Beschluss vom 30. November 2005 - L 6 SF 738/05; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, §
118 Rn. 10c).
Für einen sachverständigen Zeugen gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis einschließlich der Regelungen über deren Entschädigung
nach § 19 JVEG sowie die Sonderregelungen in § 10 Abs. 1 JVEG, wenn er entsprechende Leistungen erbringt. Nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG wird die Ausstellung eines Befundscheins wie folgt entschädigt: Nr. 200 ohne nähere gutachtliche Äußerung 21,00 Euro Nr. 201 Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich:
Das Honorar 200 beträgt bis zu 44,00 Euro Nr. 202 Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heran- ziehenden Stelle
geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund
beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern 38,00 Euro.
Hier ist der Befundbericht vom 1. September 2017 nach Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG mit 21,00 EUR zu honorieren. In einem Befundbericht werden üblicherweise formularmäßig standardisierte Fragen zur erhobenen
Anamnese, den Befunden, ihre epikritische Bewertung und Stellungnahme zur Therapie anhand der vorliegenden Behandlungsunterlagen
beantwortet. So liegt es hier. Eine demgegenüber höher zu entschädigende kurze gutachtliche Äußerung nach Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG ist nicht feststellbar. Eine gutachtliche Äußerung im Sinne der Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG setzt voraus, dass aus bestimmten Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen gezogen, Kenntnisse von Erfahrungssätzen oder mit
besonderem Fachwissen Tatsachen festgestellt werden (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 04. Januar 2010 - L 6 SF 53/09 -, Juris). Diesen Voraussetzungen genügt der Befundbericht vom 1. September 2017 nicht. Aus der Beantwortung der Fragen 4)
und 7) in dem Formular für den Befundbericht lässt sich weder entnehmen, dass eine gutachtliche Äußerung gefordert war, noch
dass eine solche abgegeben wurde. Der Anspruch auf Vergütung nach dem JVEG hängt nicht davon ab, wie der Erinnerungsführer seinen Auftrag verstanden hat, sondern wie er ihn verstehen durfte. Denn
behördliche und gerichtliche Verlautbarungen sind grundsätzlich immer so zu verstehen, wie dies verständige Empfänger unter
Würdigung aller ihnen bekannten Umstände aufzufassen pflegen (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 04. Januar
2010 - L 6 SF 53/09 -, Juris). Die formularmäßige Anfrage des 12. Senats des Thüringer Landessozialgerichts im Verfahren L 12 R 369/17 durfte der Erinnerungsführer von seinem objektiven Empfängerhorizont auch unter Berücksichtigung der Fragen zu 4) und 7)
bereits nicht als Auftrag zu einer kurzen gutachterlichen Äußerung verstehen. Mit der Frage 4) wurden gestellte Diagnosen
abgefragt. Diese Frage hat der Erinnerungsführer insofern beantwortet, als er die in der Vergangenheit beim Kläger des Verfahrens
L 12 R 369/17 gestellten Diagnosen wiedergegeben hat. Eine gutachterliche Äußerung hätte demgegenüber vorausgesetzt, dass unter Auswertung
der in der Vergangenheit erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen darüber hinausgehend weitere Schlussfolgerungen gezogen
werden. Dafür ist nichts ersichtlich. Auch aus der Frage 7) ("Haben sich die erhobenen Befunde erheblich verschlechtert oder
deutlich gebessert?") ergibt sich nichts für das Abverlangen einer gutachterlichen Äußerung. Erfragt wurde damit nur eine
orientierende Einschätzung dazu, ob sich der gesundheitliche Zustand des Klägers verbessert oder verschlechtert hat. Hierzu
erforderlich war nur eine Auswertung des Behandlungsverlaufs hinsichtlich bereits dokumentierter Änderungen. Eingehende gutachterliche
Auseinandersetzungen und die Abgabe spezieller Stellungnahmen waren hierzu nicht erforderlich.
Soweit der Erinnerungsführer auf die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) hinweist findet diese keine Anwendung. Die GOÄ ist nur in den im JVEG ausdrücklich normierten Fällen anwendbar (vgl. Beschluss Senat vom 28. Februar 2018 - L 1 JVEG 867/15 -, zitiert nach Juris; ThürLSG, Beschluss vom 9. November 2015 - L 6 JVEG 570/15 -zitiert nach Juris). Eine entsprechende oder analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, denn sie widerspricht dem
Wortlaut ("soweit") und dem Charakter als eng auszulegender Sondervorschrift. Dies ist hinsichtlich der Entschädigung von
Befundberichten ersichtlich nicht der Fall. Der weitere Hinweis des Erinnerungsführers, dass auch für Ärzte der Mindestlohn
gelte, ist ebenfalls ohne Belang. Die gesetzliche Regelung für die Entschädigung von Befundberichten ist insoweit eindeutig.
Zusätzlich zu erstatten sind die Portokosten in Höhe von 1,45 Euro und Kosten für Kopien in Höhe von 6,00 Euro nach § 12 Abs. 1 JVEG.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).