Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höheres Elterngeld. Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob das für die Berechnung
des Elterngeldes maßgebliche Erwerbseinkommen zutreffend erfasst wurde.
Die 1979 geborene Klägerin hat eine 2006 geborene Tochter. Am 6. Juli 2010 beantragte sie, ihr für den 1. bis 12. Lebensmonat
ihres am 23. Juni 2010 geborenen Sohnes Elterngeld zu gewähren. Der Erklärung zum Einkommen waren unter anderem die Abrechnungen
der Bezüge für Juni und Juli 2009, eine Mitteilung über die Bewilligung von Insolvenzgeld durch die Bundesagentur für Arbeit
in der Zeit vom 1. Mai bis 30. Juli 2009 und ein Bewilligungsbescheid über die Zahlung von Arbeitslosengeld I, beginnend am
31. Juli 2009, beigefügt. Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für den 1. Lebensmonat
ihres Sohnes in Höhe von 0,00 EUR, für den 2. Lebensmonat in Höhe von 85,16 EUR und für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe
von jeweils 659,97 EUR. Dabei legte der Beklagte einen Bemessungszeitraum von Mai 2009 bis April 2010 zugrunde. In den Monaten
Mai und August bis Oktober 2009 wurde jeweils ein Einkommen von 0,00 EUR berücksichtigt. Für den Bemessungszeitraum nicht
berücksichtigt wurden die Monate Mai und Juni 2010, weil die Klägerin in dieser Zeit Mutterschaftsgeld erhalten hatte.
Mit ihrem Widerspruch rügte die Klägerin, dass sie auch in den mit 0,00 EUR zugrunde gelegten Monaten Einkommen erzielt habe.
Sie teilte mit, dass der Arbeitgeber im Mai Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe und legte eine Abrechnung der Bezüge für Mai
2009 vor. Der Beklagte stellte das entsprechende Einkommen für den Monat Mai 2009 in die Berechnung ein und bewilligte mit
Teilabhilfebescheid vom 16. August 2010 für den 1. Lebensmonat 0,00 EUR, für den 2. Lebensmonat 92,32 EUR und für den 3. bis
12. Lebensmonat jeweils 715,37 EUR Elterngeld. Bezüglich der Berücksichtigung von Arbeitslosengeld I half der Beklagte dem
Widerspruch nicht ab und legte ihn dem zur Entscheidung vor. Dieses teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 2. November 2010
mit, dass bei der Berechnung des Elterngeldes in rechtswidriger Weise in den Monaten Mai bis Juli 2009 ein steuerpflichtiges
Bruttoeinkommen angerechnet worden sei. Für diesen Zeitraum sei Insolvenzgeld gezahlt worden. Dies sei kein anrechenbares
Einkommen für die Bemessung des Elterngeldes. Der Beklagte hörte daraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 11. November 2010
dahingehend an, dass beabsichtigt sei, den Bescheid vom 26. Juli 2010 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 16. August
2010 abzuändern, weil er für die Monate Mai bis Juli 2009 von einem steuerpflichtigen Bruttoeinkommen ausgegangen sei. Mit
Änderungsbescheid vom 23. November 2010 wurden die Bescheide vom 26. Juli und 16. August 2010 mit Wirkung für die Zukunft
zurückgenommen. Ab dem 23. Dezember 2010 (7. Lebensmonat des Sohnes) wurde ein Elterngeld in Höhe von monatlich 562,37 EUR
bewilligt. Für die Kalendermonate Mai bis Oktober 2009 wurde nunmehr ein Einkommen von 0,00 EUR zugrunde gelegt. Das wies
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2010 zurück. Weder das Insolvenzgeld noch das Arbeitslosengeld I
stellten Einkommen im Sinne des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) dar. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin während des Insolvenzgeldbezuges noch bei ihrem damaligen Arbeitgeber gearbeitet
habe. Der Beklagte habe die zunächst bewilligte Leistung auch für die Zukunft zurücknehmen dürfen, weil das Vertrauen der
Klägerin insoweit nicht schutzwürdig war. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha hat die Klägerin vorgetragen, dass
sie in den Monaten Mai bis Juli 2009 ihre Arbeitsleistung weiter erbracht habe. Es sei trotz des Insolvenzantrages geplant
gewesen, das Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzplanes weiter zu führen. In den Monaten Mai und Juni habe sie das in den
Gehaltsbescheinigungen ausgewiesene Entgelt von ihrem Arbeitgeber überwiesen erhalten. Mit Urteil vom 2. Februar 2012 hat
das Sozialgericht Gotha der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, das im Bemessungszeitraum gezahlte Insolvenzgeld
zusätzlich zu dem bereits berücksichtigten Einkommen als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des BEEG anzuerkennen. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er verweist darauf, dass es sich bei Insolvenzgeld nicht um
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des Steuerrechts handele. Insolvenzgeld stelle gerade keine Gegenleistung
des Arbeitgebers für Leistungen des Arbeitnehmers dar, sondern ersetze auf der Grundlage des Versicherungsverhältnisses die
durch die Insolvenz ausgefallene Gegenleistung. Zudem seien diese Einkünfte steuerfrei. Es könne keinen Unterschied machen,
dass das Insolvenzgeld in den Monaten Mai und Juni 2009 nicht direkt durch die Agentur für Arbeit ausgezahlt wurde sondern,
aufgrund eines Forderungskaufvertrages durch eine Bank auf Veranlassung des Insolvenzverwalters zunächst an die Klägerin ausgezahlt
und von der Agentur für Arbeit an die betreffende Bank zurückgezahlt wurde.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 2. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass sie auch in der Zeit von Mai bis Juli 2009 gearbeitet habe. Der Lohn sei, wie in den Zeiten davor,
über die Bankverbindung des Arbeitgebers gezahlt worden. Der Senat hat den Vorgang über das Insolvenzgeld einschließlich der
Unterlagen über die Vorfinanzierung durch die Bank des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit
beigezogen. Die Klägerin hat ihren Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 sowie weitere Einkommensabrechnungen für 2009
vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass sie die Lohnzahlungen für Mai und Juni 2009 in
Erfüllung des Forderungskaufvertrages mit der erhalten habe. Für Juli 2009 habe sie von vornherein Insolvenzgeld bekommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung
waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, weil die Klägerin insgesamt einen um 918,00 EUR höheren Elterngeldanspruch
geltend macht. Die Klage richtet sich zutreffend gegen den Beklagten. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in Verbindung mit § 1 der Thüringer Verordnung über Zuständigkeiten nach dem BEEG (ThürBEEGZVO) vom 13. Februar 2007 sind zuständige Ausführungsbehörden die Landkreise und kreisfreien Städte im übertragenen
Wirkungskreis, hier also für die in G. wohnende Klägerin der Landkreis G.
Die Berufung ist auch begründet.
Die Klägerin kann keine höheren Elterngeldzahlungen verlangen. Der Beklagte hat das für die Berechnung des Elterngeldes maßgebliche
Einkommen zutreffend berücksichtigt. Die Höhe des Anspruches der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach der vom 2. April
2009 bis 31. Dezember 2010 gültigen Fassung des BEEG. Die Klägerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elterngeld nach § 1 Abs. 1 BEEG. Ihr Wohnsitz ist in Deutschland (Nr. 1). Sie lebt mit ihrem Sohn in einem Haushalt (Nr. 2), betreut und erzieht ihn selbst (Nr. 3). Sie übte zur Zeit des Elterngeldbezuges
keine Erwerbstätigkeit aus (Nr. 4). Ihr Sohn, für dessen Betreuung und Erziehung die Klägerin Elterngeld begehrt, wurde nach
Inkrafttreten des BEEG vom 1. Januar 2007 geboren. Die von der Klägerin begehrte Bezugsdauer für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes wurde von
dem Beklagten voll gewährt. Für die allein streitige Höhe des Elterngeldanspruches der Klägerin ist § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 BEEG maßgebend. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser
Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person
einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit
1/12 des Pauschbetrages nach §
9a Abs.
1 Satz 1 Nr.
1a des Einkommenssteuergesetzes (
EStG) anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden
nicht berücksichtigt. Dabei sind Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen
des Arbeitgebers (§ 2 Abs.7 Satz 4 BEEG). Offenbar im Hinblick auf diese Vorschrift ist das Sozialgericht unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten
-Gehaltsabrechnungen ihres Arbeitgebers davon ausgegangen, dass ihr für Mai, Juni und Juli 2009 Arbeitslohn gewährt wurde,
der wie üblich versteuert worden sei. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu, wie die Ermittlungen im Berufungsverfahren ergeben
haben. Für Juli 2009 wurde der Klägerin zweifelsfrei kein Gehalt gewährt; vielmehr hat sie für diesen Monat von vornherein
als solches gezahltes Insolvenzgeld erhalten. Auch für die Monate Mai und Juni 2009 wurde der Klägerin nicht wie vorher Gehalt
von ihrem Arbeitgeber gezahlt. Vielmehr erhielt sie eine dementsprechende, allerdings um Steuern und Sozialabgaben verminderte
Leistung von der ..., an die sie ihren Lohnanspruch vorher vertraglich verkauft hatte. Die Annahme des Sozialgerichts, die
Klägerin habe in den hier betroffenen Monaten Lohn erhalten und wie üblich versteuert, trifft also nicht zu. Daher können
die vorgelegten dementsprechenden Gehaltsabrechnungen in Abweichung von § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG nicht berücksichtigt werden, weil sie unrichtig sind (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 - B 10 EG 3/09 R - Rdnr. 27). Hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit hat das Bundessozialgericht bereits entschieden,
dass durch § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG i.V.m. §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 EStG zwar zunächst grundsätzlich alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis erfasst werden; ausgenommen sind jedoch solche Einnahmen,
die ausdrücklich steuerfrei gestellt sind (BSG Urteil vom 21. Februar 2013, Az: B 10 EG 12/12 R mwN). Welche Einnahmen im Einzelnen dazu gehörten, ergibt sich aus den Vorschriften des
EStG. Insbesondere wird der Begriff der Einkünfte in § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG durch weitere Regelungen des Einkommenssteuerrechts geprägt. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist das - für Juli 2009 von
vornherein als solches gezahlte - Insolvenzgeld kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BEEG i.V.m. §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 bis 4
EStG (BSG aaO.). Zwar mag es - obwohl es keinen Arbeitslohn im Sinne des §
19 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 EStG darstellt - unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 EStG fallen, weil es als Ersatz für entgangenen Arbeitslohn im Sinne des §
24 Nr. 1a
EStG angesehen werden kann. Es ist jedoch gemäß §
3 Nr. 2
EStG von der Steuer befreit und darf aus diesem Grund der Bemessung des Elterngeldes nicht zugrunde gelegt werden (BSG aaO.). Ein anderes Ergebnis erscheint aber auch hinsichtlich der von der Klägerin für die Monate Mai und Juni 2009 erhaltenen
Zahlungen nicht gerechtfertigt. Zwar handelte es sich dabei im Zeitpunkt der Zahlung nicht um Insolvenzgeld, sondern um eine
Gegenleistung für den Verkauf ihres Gehaltsanspruchs an die ..., an die die Bundesagentur für Arbeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
das auf die Klägerin entfallende Insolvenzgeld zahlte. Inhaltlich war dies jedoch nichts anderes, als wenn die Klägerin selbst
von vornherein Insolvenzgeld in entsprechender Höhe erhalten hätte. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Forderungskaufvertrag
selbst, wenn darin unter Hinweis auf das vorläufige Insolvenzverfahren bestimmt ist, dass die Anweisung des Kaufpreises erst
nach "Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes gemäß § 188
SGB III" erfolgt. Die Klägerin hatte also der Sache nach ihren Insolvenzgeldanspruch zur Vorfinanzierung an die auszahlende Bank
übertragen. Eine solche Vertragsgestaltung ändert aber nichts an der Rechtsnatur der tatsächlich von der Klägerin erhaltenen
Zahlungen. In diesem Sinne hat auch der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 1. März 2012, Az.: VI R 4/11 klargestellt, dass die Gegenleistung für die Übertragung des Arbeitsentgeltanspruchs als Insolvenzgeld anzusehen ist, soweit
Insolvenzgeld vorfinanziert wird, welches einem Dritten zusteht. Nach §
32b Abs.
1 Nr.
1 Buchstabe a)
EStG ist Insolvenzgeld, das nach § 188
SGB III einem Dritten zusteht, dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Die Beklagte war auch berechtigt, das zunächst unter Berücksichtigung
des ausgezahlten Insolvenzgeldes berechnete Elterngeld durch den Änderungsbescheid vom 23. November 2010 ab dem 7. Lebensmonat
entsprechend der korrekten Berechnung abzusenken. Nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er
rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist unter gewissen Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung
für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht
zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung
mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Der Elterngeldbescheid vom 26. Juli 2010 in Gestalt des
Teilabhilfebescheides vom 16. August 2010 war bei seiner teilweisen Aufhebung durch den Abänderungsbescheid vom 23. November
2010 noch nicht bestandskräftig geworden. Dennoch gilt § 45 SGB X auch für die Rücknahme von noch nicht bestandskräftig gewordenen rechtswidrigen begünstigenden Bescheiden. Vorliegend konnte
die Klägerin nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen, da die von ihr selbst angegriffenen Bescheide zum Zeitpunkt
der Rücknahme noch nicht bestandskräftig waren. Es stand somit im Ermessen des Beklagten, den Elterngeldbescheid ohne Berücksichtigung
des Insolvenzgeldes für die Zukunft abzuändern. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).