Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage
Unbeachtlichkeit eines Nichturteils
Erledigtes Verfahren
Rechtsmittel zur Beseitigung eines Anscheins
1. Es ist anerkannt, dass ein so genanntes "Nichturteil" nichtig und damit wirkungslos ist.
2. Es wird u.a. dann angenommen, wenn ein Urteil in der Hauptsache ergeht obwohl das Verfahren bereits erledigt ist, z.B.
durch Klagerücknahme oder Prozessvergleich.
3. Dieses Nichturteil ist unbeachtlich, bindet weder das Gericht noch die Beteiligten, hat keine Kostenfolgen und ist grundsätzlich
nicht rechtsmittelfähig.
4. Einem Beteiligten kann aber ein Rechtsmittel zur Beseitigung des Anscheins einer Entscheidung zustehen.
5. Für andere gerichtliche Entscheidungen als Urteile - z.B. ein Beschluss - gelten diese Grundsätze entsprechend.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt im Ergebnis die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Altenburg (SG) vom 14. Juni 2016, mit dem dieses den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 15. Februar 2016 (Az.:
S 5 KR 358/16) und des Widerspruchs vom 14. März 2016 gegen den Bescheid vom 2. März 2016 abgelehnt hat.
Der 1964 geborene Beschwerdeführer ist bei der Antragsgegnerin zu 1 aufgrund einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit
freiwillig krankenversichert. Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 forderte sie ab dem 1. Februar 2015 von ihm Beiträge in Höhe
von 614,63 EUR zur Krankenversicherung (KV) und 107,21 EUR zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) nach beitragspflichtigen
Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (4.125,00 EUR). Er zahlte die Beiträge in dieser Höhe - auch nach weiteren
Bescheiden mit denen er zur Zahlung aufgefordert wurde - nicht. Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 setzte die Antragsgegnerin zu
1 das Ruhen des Leistungsanspruchs wegen Nichtzahlung rückständiger Beiträge trotz Mahnung fest. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer
Widerspruch. Mit weiteren Bescheiden, gegen die er ebenfalls Widerspruch einlegte, wurde er aufgefordert, die rückständigen
Beiträge der Monate Mai, Juni und Juli nebst Nebenforderungen zu begleichen. Im September 2015 reichte er die Einkommenssteuerbescheide
für 2012 und 2013 sowie am 8. Oktober 2015 einen Antrag auf Beitragsentlastung ein. Ab dem 1. Juli 2015 berechnete die Antragsgegnerin
zu 1 die Beiträge nach beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 1.417,50 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2016
wies sie den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Mai 2015 zurück.
Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 15. Februar 2016 beim SG (Az.: S 5 KR 358/16) Klage. Mit Bescheid vom 2. März 2016 forderte ihn die Antragsgegnerin zu 1. auf, Beiträge in Höhe von 2.474,21 EUR nebst
Säumniszuschlägen in Höhe von 227,00 EUR innerhalb einer Woche zu zahlen, ansonsten müsse das Vollstreckungsverfahren eingeleitet
werden. Am 14. März 2016 legte der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 2. März 2016 Widerspruch ein und beantragte die
Aussetzung der Vollziehung. Rein vorsorglich beantragte er auch die Überprüfung aller Beitragsbescheide nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Bescheid vom 13. April 2016 lehnte die Antragsgegnerin zu 1. u.a. die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom
2. März 2016 ab. Mit Vollstreckungsankündigung vom 14. April 2016 kündigte das Hauptzollamt E. die Vollstreckung eines Betrages
in Höhe von 2.701,21 EUR aufgrund des Bescheides vom 2. März 2016 an.
Am 23. April 2016 hat der Beschwerdeführer beim SG die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage Az.: S 5 KR 358/16 und des Widerspruchs vom 14. März 2016 gegen den Bescheid vom 2. März 2016 beantragt. Den Bescheid vom 22. Januar 2015, auf
den die Vollstreckung gestützt werde, habe er nicht erhalten. Nach Hinweis des Vorsitzenden hat die Antragsgegnerin zu 1.
erklärt, dass sie die Vollziehung des Bescheides vom 12. Mai 2015 (Ruhen des Leistungsanspruchs) bis zu einer Entscheidung
im Hauptsacheverfahren aussetze und Vollstreckungsmaßnahmen vorerst nicht durchgeführt werde. Mit Verfügung vom 26. Mai 2016
hat das SG den Beschwerdeführer aufgefordert mitzuteilen, ob er das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für erledigt
erkläre.
Mit Beschluss vom 14. Juni 2016, der Antragsgegnerin zu 1. am 17. Juni 2016 zugestellt, hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 15. Februar 2016 (Az.: S 5 KR 358/16) und des Widerspruchs vom 14. März 2016 gegen den Bescheid vom 2. März 2016 abgelehnt. Außergerichtliche Kosten seien nicht
zu erstatten. Am 15. Juni 2016 hat der Beschwerdeführer das einstweilige Rechtsschutzverfahren für erledigt erklärt und beantragt,
der Antragsgegnerinnen die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Am 13. Juli 2016 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. Juni 2016 eingelegt. Er vertritt die Auffassung,
sein Anspruch auf rechtliches Gehör und das Justizgrundrecht auf ein faires Verfahren seien verletzt worden. Sein Schriftsatz
vom 15. Juni 2016 sei nicht berücksichtigt worden.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Juni 2016 aufzuheben. Die Antragsgegnerinnen haben sich nicht geäußert
und keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerde-, der Gerichtsakte
(Az.: S 5 KR 358/16) und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin zu 1. Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.
II.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers war der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Juni 2016 aufzuheben. Er ist
nichtig und damit wirkungslos. Einer Sachentscheidung des SG über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stand die Erledigungserklärung des Beschwerdeführers im Schriftsatz
vom 14. Juni 2016, eingegangen beim SG am 15. Juni 2016, entgegen. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob es sich um eine Zurücknahme des Antrages oder um die
Annahme eines Anerkenntnisses handelte, weil beide Erklärungen den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigen (vgl. §
101 Abs.
2 SGG, §
102 Abs.
1 Satz 2
SGG in entsprechender Anwendung).
Der Beschluss des SG vom 14. Juni 2016 war zu diesem Zeitpunkt mangels Zustellung an die Beteiligten noch nicht existent geworden. Nach §
133 SGG wird bei Urteilen, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, die Verkündung durch Zustellung ersetzt. Dies gilt
für die Verkündung von Beschlüssen entsprechend. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses an die Antragsgegnerin zu 1.
am 17. Juni 2016 war er allerdings nichtig und damit wirkungslos. Es ist anerkannt, dass ein so genanntes "Nichturteil" nichtig
und damit wirkungslos ist. Es wird u.a. dann angenommen, wenn ein Urteil in der Hauptsache ergeht obwohl das Verfahren bereits
erledigt ist, z.B. durch Klagerücknahme oder Prozessvergleich. Dieses Nichturteil ist unbeachtlich, bindet weder das Gericht
noch die Beteiligten, hat keine Kostenfolgen und ist grundsätzlich nicht rechtsmittelfähig. Einem Beteiligten kann aber ein
Rechtsmittel zur Beseitigung des Anscheins einer Entscheidung zustehen. Für andere gerichtliche Entscheidungen als Urteile
- wie hier der Beschluss - gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, § 125 Rn. 5b und 5c). Die Beschwerde wäre grundsätzlich unzulässig, da der Beschluss des SG wirkungslos ist und damit eine erstinstanzliche Entscheidung, die mit der Beschwerde angefochten werden könnte (§
172 Abs.
1 SGG) nicht vorliegt. Ein Rechtsmittel zur Beseitigung des Scheins einer Entscheidung ist jedoch zulässig, z. B. wenn die Geschäftsstelle
ein Urteil (hier den Beschluss) ausgefertigt und zugestellt hat, wie es hier der Fall ist (vgl. Leitherer, a.a.O., § 143 Rn.
2, m.w.N). Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist der Beschluss vom 14. Juni 2016 daher aufzuheben, um den
von ihm ausgehenden Schein eines wirksamen Beschlusses, der gegebenenfalls in Rechtskraft erwachsen würde, zu beseitigen (vgl.
zum Urteil: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Januar 2015 - Az.: L 3 AS 861/14 m.w.N., nach juris). Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers sieht der Senat darin, dass er anderenfalls an der ergangenen
Kostenentscheidung festgehalten würde, obwohl diese noch zu ergehen hat. Ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers liegt
im Schriftsatz vom 14. Juni 2016 vor.
Bei durch Verschulden des Gerichts entstandenen Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, sind die
den Beteiligten entstandenen Kosten analog § 21 GKG der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 21. Auflage 2015, §
155 Rdnr. 24).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).