Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren; Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha streitig
(Az.: S 31 AS 4272/07). Der von dem Beschwerdeführer vertretene Kläger hatte begehrt, ihm weitere Fahrtkosten für die Eingliederungsmaßnahme "Wirtschaft
und Verwaltung" in Höhe von 19,57 Euro zu gewähren. Antragsgemäß bewilligte ihm das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. Mai
2008 ab 19. November 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigten
bei. In dem Erörterungstermin vom 23. Mai 2008 erkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers sowie eine Kostenerstattung
in Höhe von 45 v.H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten an. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin den Rechtsstreit
für erledigt ...
Mit am 11. Juni 2008 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag begehrte er die Festsetzung folgender Gebühren:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG
|
250,00 Euro
|
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG
|
200,00 Euro
|
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG
|
20,00 Euro
|
Fahrtkosten Nr. 7003 VV
|
15,00 Euro
|
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV
|
20,00 Euro
|
Zwischensumme
|
505,00 Euro
|
USt
|
95,95 Euro
|
|
600,95 Euro
|
Mit Verfügung vom 25. Juli 2008 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die aus der Staatskasse zu erstattende
Gebühr auf 183,26 Euro (aus insgesamt 333,20 Euro) fest. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei leicht unterdurchschnittlich
und die Bedeutung der Sache unterdurchschnittlich gewesen. Angesichts der übrigen Umstände sei ein Ansatz auf die Hälfte der
Mittelgebühren angemessen und ausreichend.
Mit der Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgetragen, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen eine derartige
Gebührenreduzierung gerechtfertigt sei. Eine unterdurchschnittliche Bedeutung habe nicht vorgelegen.
Mit Beschluss vom 20. Mai 2010 hat das Sozialgericht die Erinnerung "zurückgewiesen" und in den Entscheidungsgründen die Festsetzung
der UKB bestätigt. Abzustellen sei auf die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Insofern sei die Verfahrensgebühr in Höhe der hälftigen Mittelgebühr anzusetzen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
des Klägers seien unterdurchschnittlich gewesen. Bei der Bedeutung der Sache sei zu berücksichtigen, dass das klägerische
Begehren nur auf die einmalige Leistung eines geringen zweistelligen Betrages gerichtet war. Damit könne selbst für einen
Empfänger von Grundsicherungsleistungen nicht von einer durchschnittlichen Bedeutung ausgegangen werden. Die Schwierigkeit
und der Umfang der Tätigkeit seien ebenfalls als unterdurchschnittlich zu bewerten. Auch für die Terminsgebühr sei die Hälfte
der Mittelgebühr anzusetzen. Hierfür sprächen die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die unterdurchschnittliche
Bedeutung der Abgelegenheit und der im Vergleich mit anderen Kammerterminen allenfalls durchschnittliche Umfang der anwaltlichen
Tätigkeit im einstündigen Termin. Nicht zu beanstanden seien der Ansatz der beantragten Pauschalen und der zuerkannten USt.
Gegen den am 3. Juni 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am gleichen Tag Beschwerde eingelegt und vorgetragen,
trotz des geringen streitigen Betrags habe dieser angesichts der Gesamteinkünfte des Klägers eine relativ hohe Bedeutung gehabt.
Zudem dauere ein Termin durchschnittlich nicht eine sondern eine halbe Stunde.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. Mai 2010 aufzuheben und die ihm aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf
511,01 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der Vorinstanz und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.
II. Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft. Diese Vorschriften sind anwendbar, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. Beschlüsse vom 26. November
2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF und 29. April 2008 - L 6 B 32/08 SF). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und sie wurde rechtzeitig eingelegt.
Die Beschwerde ist nur insoweit begründet, als die Vorinstanz nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG den Wert des Gegenstands ausdrücklich hätte festsetzen müssen; eine reine Zurückweisung der Erinnerung kommt auch dann nicht
in Betracht, wenn - wie hier - im Ergebnis der Ansicht der UKB gefolgt wird ... Insofern setzt der Beschwerdesenat selbst
den Wert auf 183,26 Euro fest (333,20 Euro x 55 v.H.).
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der
Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Es handelte sich bei den Klägern in dem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutzes als Versicherte um kostenprivilegierte
Beteiligte i.S.d. §
183 S. 1
SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 S. 1
SGG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten
zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm
nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006
- Az.: VI ZR 261/05, nach juris; Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF). Ein genereller Aufschlag in dieser Höhe wäre unzulässig, denn dann fehlt es an der individuellen Ermessensausübung.
Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2008,
aaO.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 - Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris). Dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Hier übersteigen die dem Beschwerdeführer zustehenden Gebühren in Höhe die Toleranzgrenze von 20 v.H. Hinsichtlich ihrer Berechnung
verweist der Senat in entsprechender Anwendung des §
153 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) auf die Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz, denen er sich anschließt.
Nur zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass ein Kammertermin in sozialgerichtlichen Verfahren entgegen der Ansicht
des Beschwerdeführers im Durchschnitt tatsächlich länger als eine halbe Stunde dauert. Im Übrigen wäre angesichts der geringen
Bedeutung der Sache und geringen Schwierigkeit die angesetzte halbe Mittelgebühr auch bei einer etwas überdurchschnittlichen
Dauer des Termins angemessen gewesen.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 S. 3 RVG).