Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren; Begrenzung der Vergütung auf den Normalfall der Honorargruppe
M2 bei unterbliebener Gutachtenerstellung
Gründe:
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die
Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG)) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche
Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen
worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.
Der Erinnerungsführer hat einen Anspruch auf Vergütung, obwohl er allein aufgrund des Verhaltens der Klägerin des Verfahrens
L 12 R 1056/11 das mit Beweisanordnung vom 3. Mai 2012 beauftragte Gutachten nicht erstatten konnte. In einem solchen Fall geht es nicht
zu Lasten des Sachverständigen, dass die Gutachtenserstellung unterbleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2009 - L 6 B 248/08; Meyer/Höver/Bach,JVEG, 25. Auflage 2011, Rdnr. 8.27). Er hat dann Anspruch auf die Vergütung von Vorbereitungsarbeiten und bereits erbrachte Teilarbeiten.
Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand
eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher
Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 8 JVEG Rdnr. 35). Hier bestehen im Ergebnis keine Bedenken gegen die angesetzten 5,5 Stunden für die vorbereitende Aktendurchsicht,
die Terminsabsprachen (einschließlich der Tätigkeit der Sekretärin) und die Unterredung mit der Klägerin.
Als Stundensatz kommt nur die Honorargruppe M2 in Betracht (§ 9 Abs. 1 JVEG). Ihr Gegenstand wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung
spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad,
z.B. Gutachten in Verfahren nach dem SchwbG oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 kommt nur bei Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad
in Betracht. Als Beispiel nennt das Gesetz Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differentialdiagnostischer
Probleme und/oder Beurteilungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen genannt sowie 16 Beispielsfälle.
In den Beispielen beider Honorargruppen sind Gutachten zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit nicht enthalten. Der Begriff "Minderung
der Erwerbsfähigkeit" bei der Definition der Honorargruppe M2 ist rechtstechnisch tatsächlich der gesetzlichen Unfallversicherung
und dem sozialen Entschädigungsrecht zugeordnet (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A). Deshalb muss die Zuordnung nach billigem Ermessen erfolgen (§ 9 Abs. 1 S. 3 2. Halbs. JVEG).
Grundsätzlich werden Zustandsgutachten wie Gutachten zur Feststellung der Leistungsfähigkeit nach der ganz h.M. ungeachtet
des ärztlichen Fachgebiets im Regelfall in die Honorargruppe M2 eingeordnet (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 -
L 6 SF 277/11 B m.w.N., Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. September 2009 - L 15 SF 188/09; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 -L 2/9 SF 82/04, beide nach juris; Reyels in jurisPR-SozR 18/2010 Anm. 6),
denn es handelt sich um typische Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige,
12. Auflage 2007, Rdnr. 872). Eine Honorierung in M3 kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn umfassende und vielschichtige
Überlegungen erforderlich waren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A; nach juris); die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen. Auch andere Gründe
sind denkbar, z.B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben.
Nachdem der 12. Senat hier ein Gutachten zur Feststellung der Leistungsfähigkeit (Erwerbsminderung) beauftragt hatte, ist
hinsichtlich der Vergütung auf den Normalfall, d.h. die Honorargruppe M2, abzustellen. Die höhere Einstufung in M3 scheidet
bereits deshalb aus, weil es nicht zur Gutachtenserstellung gekommen ist und hinsichtlich der Honorargruppe fiktiv denkbare
Möglichkeiten nicht berücksichtigt werden können. Umfassende und vielschichtige Überlegungen sind erst bei der tatsächlichen
Gutachtenserstattung denkbar. Nachdem nicht fiktiv auf besondere Schwierigkeiten abgestellt werden kann, ist es auch unerheblich,
ob es bei der Erstellung des Gutachtens zu einer zusammenfassenden Einschätzung mehrerer Fachgebiete gekommen wäre. Nur zur
Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die in sozialgerichtlichen Verfahren übliche Auseinandersetzung mit Vorgutachten
allein nicht die Honorargruppe M3 begründet (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E, 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B, 8. Mai 2009 - L 6 SF 35/08, 27. August 2008 - L 6 SF 36/08).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).