Gründe:
I. Die im Jahre 2000 geborene Beschwerdeführerin leidet aufgrund eines Unfalls an spastischer Hemiplegie (vollständiger Lähmung
einer Körperhälfte) bei Zustand nach Schädelhirntrauma und Schädelfraktur, einer mittelgradigen Intelligenzminderung und Hydrocephalus
internus (sog. "Wasserkopf"); 2004 wurde die Achillessehne operativ verlängert (Diagnosen nach dem Pflegegutachten des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung Thüringen [MDK] vom 25. März 2008). Sie ist schwer behindert (Merkzeichen "AG", "G" und "H")
mit einem Grad der Behinderung von 100 v. H. und hat nur eine stark eingeschränkte Sehfähigkeit beidseitig bei Nystagmus links.
Seit dem Schuljahr 2007/2008 besucht die Beschwerdeführerin eine staatliche Förderschule mit Schwerpunkt "Sehen", nachdem
im sonderpädagogischen Gutachten vom Juni 2007 ein entsprechender Förderbedarf festgestellt und die Einschulung in die Schuleingangsphase
des Förderzentrums "Sehens" empfohlen worden war. Aus dem Gutachten geht ferner hervor, dass die Beschwerdeführerin durch
die Kombination von hochgradiger Seh- und Körperbehinderung für fast alle schulischen und lebenspraktischen Tätigkeiten und
für Wege wesentlich mehr Zeit und Hilfe als andere sehbehinderte Kinder benötige. Daher sei eine ganztägige sonderpädagogische
Doppelbesetzung der Klasse unbedingt nötig, um dem umfassenden sonderpädagogischen Förderbedarf der Beschwerdeführerin in
vielen Bereichen und den besonderen Anforderungen an Betreuung, Pflege, Aufsicht und Sicherheit gerecht zu werden. Die schulische
Betreuung wird montags bis donnerstags von 7.30 bis 16 Uhr und freitags bis 14 Uhr angeboten und von der Beschwerdeführerin
genutzt. Während der regulären Pflichtunterrichtszeiten besteht in der Klasse, die neben der Beschwerdeführerin noch fünf
andere Kinder besuchen, eine Doppelbetreuung durch einen Lehrer und eine sonderpädagogische Fachkraft. Während der übrigen
Zeit steht lediglich eine sonderpädagogische Fachkraft zur Verfügung, die auch die Begleitung der Schüler beim Gang zur Schwimm-
und Turnhalle, zur Mittagspause und anderen Anlässen übernimmt (Auskunft der Schulleiterin an die Beschwerdegegnerin vom 14.
Februar 2008).
Nachdem die Schulleiterin der Förderschule den Eltern der Beschwerdeführerin mitgeteilt hatte, dass nach Auskunft des Staatlichen
Schulamts Weimar keine zusätzliche Stundenzuweisung für sonderpädagogische Fachkräfte wegen des hohen Pflege- und Betreuungsbedarfs
der Beschwerdeführerin möglich sei und daher die Beantragung eines Integrationshelfers beim Sozialamt empfohlen werde, beantragten
sie im Oktober 2007 bei der Beschwerdegegnerin Eingliederungshilfe durch Unterstützung eines Schulbegleiters/Integrationshelfers,
weil die Beschwerdeführerin die täglichen Abläufe in der Schule nicht bewältigen könne und das Schulpersonal dafür nicht ausreiche.
Sie fügten eine Erklärung der Schulleiterin der Förderschule bei, wonach der Einsatz eines Lehrers und einer sonderpädagogischen
Fachkraft nicht ausreiche, um den erhöhten Bedarf der Beschwerdeführerin vor allem bei der Verrichtung der täglichen Abläufe,
der Bewältigung von Wegen innerhalb der Schule und zum Essen im anderen Gebäude zu decken.
Mit Bescheid vom 16. November 2007 lehnte die Beschwerdegegnerin den Antrag auf Gewährung eines Integrationshelfers ab, weil
es Aufgabe der Schulbehörde bzw. des Schulträgers sei, das für die sonderpädagogische Förderung und die damit zusammenhängenden
Hilfestellungen erforderliche Fachpersonal zu stellen. Grundsätzlich hätten schulrechtliche Vorschriften Vorrang vor Leistungen
nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Ein besonderer Einzelfall habe nicht ermittelt werden können.
Dagegen legte die Beschwerdeführerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: Die für die Betreuung erforderliche
Doppelbesetzung stehe nur während der Pflichtstunden zur Verfügung. Der Integrationshelfer werde für die pflegerische Hilfe,
insbesondere beim Toilettengang, für die Verrichtung alltäglicher Dinge (An- und Auskleiden, Orientierung im Schulgebäude,
bei der Nahrungsaufnahme, beim Wechsel des Unterrichtsraumes und beim Treppensteigen), für die Ermöglichung der Teilnahme
am Unterricht (Betreuung der Arbeiten an technischen Hilfsmitteln, Hilfestellung bei der Arbeitsorganisation und der Einordnung
von Unterrichtsmaterialien, Beaufsichtigung außerhalb des Klassenraums bei Überforderung) sowie für die Betreuung im schulischen
Freizeitbereich (Unterrichtspausen, Wandertage, Klassenfahrten) benötigt.
Die Beschwerdegegnerin zog das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des MDK Thüringen vom Juni 2006 bei. Danach
lagen die Voraussetzungen der Pflegestufe I vor. Ferner holte die Beschwerdegegnerin schriftliche Auskünfte von der Schulleiterin
der Förderschule ein. Auf ihre Anfrage vom 18. Januar 2007 teilte das Staatliche Schulamt Weimar mit Schreiben vom 5. Juni
2008 mit, dass eine Entscheidung über die Notwendigkeit eines Integrationshelfers von der Beschwerdegegnerin zu treffen sei.
Die Beschwerdegegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008 zurück. Die Beschwerdeführerin habe
vorrangige Ansprüche zur Bedarfsdeckung. Nach den schulrechtlichen Bestimmungen sei die Förderschule verpflichtet, die Betreuung
der Beschwerdeführerin sicher zu stellen. Die Angaben zum Betreuungsbedarf stünden zudem im Widerspruch zu den Feststellungen
im MDK-Gutachten, das bindend sei. Das staatliche Schulamt habe keinen zusätzlichen Bedarf dargestellt. Dagegen hat die Beschwerdeführerin
Klage erhoben (Aktenzeichen S 14 SO 3305/08 des Sozialgerichts Gotha).
Bereits davor (am 11. Juni 2008) hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Der wegen ihrer Behinderung bestehenden Unfallgefahr mit sehr hohem Verletzungsrisiko könne nur durch Gewährung eines Integrationshelfers
begegnet werden. Sie hat zwei Bescheide der Techniker Krankenkasse - Pflegeversicherung vom 1. April 2008 vorgelegt. Danach
erhöhte sich zum einen das Pflegegeld ab 1. März 2008 auf monatlich 410,- EUR erhöhe, was der Pflegestufe II entspreche; zum
anderen könne die Beschwerdeführerin für zusätzliche Betreuungsleistungen wegen des erheblichen Bedarfs an allgemeiner Beaufsichtigung
im Jahr 2008 383,33 EUR erhalten.
Das Sozialgericht Gotha hat den Eilantrag mit Beschluss vom 16. Juli 2008 abgelehnt, weil für Zeiten vor der Gerichtsentscheidung
kein Anordnungsgrund und für die Zukunft kein Anordnungsanspruch bestünden. Nach den vorliegenden Unterlagen der Schulbehörde
sei ein Bedarf an einem Integrationshelfer mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Die davon abweichende Einschätzung
der Förderschule sei nicht schlüssig; der Schulalltag funktioniere wegen des großen Aufwandes der Lehrkräfte und des sonderpädagogischen
Personals. Als Hilfe zur Selbsthilfe sei es nötig, der eigenen Aktivität der Beschwerdeführerin Vorrang zu geben. Ein Integrationshelfer
berge die "Gefahr einer sozialen Ausgrenzung". Eine abschließende Beurteilung müsse dem Hauptsachverfahren vorbehalten bleiben.
Dagegen wendet sich die Beschwerde, für deren Verfolgung die Beschwerdeführerin gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt
hat. Das Sozialgericht habe verkannt, dass gerade die Schule den Antrag auf Bereitstellung eines Integrationshelfers empfohlen
habe.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege einer einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihr Eingliederungshilfe für einen Integrationshelfer für acht Stunden je Schultag ab Beginn des
Schuljahres am 21. August 2008 vorläufig bis Weihnachten 2008 zu gewähren sowie ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. R. zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig. Beim Besuch einer Förderschule bestehe keine Notwendigkeit zur Gewährung
von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers. Das vorhandene Personal müsse in der Lage sein, den individuellen
Förderbedarf der Beschwerdeführerin und ihrer Mitschüler/-innen sicherzustellen, zumal es sich um eine Förderschule mit Schwerpunkt
"Sehen" handle. Wenn die Behinderung der Beschwerdeführerin auch kognitive Ursachen habe, sei zu fragen, ob die von ihr besuchte
Schule noch die geeignete sei.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Beschwerdegegnerin die zwischenzeitlich angefallenen Verwaltungsvorgänge vorgelegt:
Darin sind u. a. die Stellungnahme des Staatlichen Schulamts Weimar vom 15. Juli 2008, wonach eine Einzelbetreuung, wie sie
bei der Beschwerdeführerin erforderlich sei, im Rahmen der schulischen Stellenschlüssel nicht gewährleistet werden könne,
sowie das Gutachten über den sonderpädagogischen Förderbedarf - 2. Fortschreibung vom 12. Juni 2008 enthalten.
Die Beschwerdeführerin hat das Pflegegutachten des MDK Thüringen vom 25. März 2008 vorgelegt. Danach liegt bei ihr Pflegebedürftigkeit
nach Pflegestufe II vor. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin ist wegen der daraus hervorgehenden Behinderungen das Ziel der
angestrebten Schulbildung im Bildungsgang "Grundschule" zu überprüfen. Es sei auch zu fragen, ob unter den gegebenen Umständen
das Ziel der Eingliederungshilfe erreicht werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin lag vor und war Gegenstand der geheimen Beratung.
II. Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im tenorierten
Umfang zu Unrecht abgelehnt.
Nach §
86 b Abs.
2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des §
86 b Abs.
1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung,
Absatz 2 Satz 1), nur eine Regelungsanordnung nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten
in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen
(§
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht
[BVerfG] NJW 2003, 1236; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - nach juris). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen unter Umständen
nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; gegebenenfalls ist eine Folgenabwägung vorzunehmen. Maßgebend für die
Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
Die Beschwerdeführerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
1. Anordnungsgrund ist die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile, die sich ergäben, wenn die Beschwerdeführerin
die Entscheidung in der Hauptsache abwarten müsste.
2. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die durch
eine Behinderung im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind (wie - was zwischen den Beteiligten unstreitig
ist - die Beschwerdeführerin) Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles,
insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden
kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es dabei, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern
und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme
am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (Abs. 3). Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der
Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht;
die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt.
§ 12 Nr. 1 der Verordnung nach § 60 des SGB XII (Eingliederungshilfe - Verordnung) ergänzt die genannten Vorschriften. Danach
umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich
und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen
den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung
können auch die Kosten für die Übernahme eines Integrationshelfers als sonstige Maßnahmen des § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung sein (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. A., § 54 Rdnr. 22). Dies gilt grundsätzlich auch beim Besuch einer
auf die Behinderung des Kindes zugeschnittenen Sonderschule, denn auch dort ist ein ergänzender sozialhilferechtlicher Eingliederungsbedarf
nicht ausgeschlossen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juni 2007 - L 7 SO 414/07, zitiert nach juris).
Die von der Antragstellerin beanspruchte Hilfe für den Schulbesuch ist auf der Grundlage des sich darstellenden Sachverhalts
als Maßnahme zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung erforderlich und geeignet.
Bei der Prüfung dieser Kriterien hat der Sozialhilfeträger von der gegenwärtigen Beschulung auszugehen. Zwar ist hier - im
Unterschied zu dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im Urteil vom 16. Januar 1986 (Az. 5 C 36.84, Buchholz 436.0, § 39 BSHG Nr. 5) zugrunde liegenden Sachverhalt - keine Entscheidung des staatlichen Schulamts über die Zuweisung des schulpflichtigen
behinderten Kindes an eine bestimmte Schule bzw. eine bestimmte Schulart aktenkundig, an die die Beschwerdegegnerin nach dem
Urteil des BVerwG gebunden wäre. Eine derartige Entscheidung ist nach den schulrechtlichen Vorschriften des Freistaats Thüringen
im Regelfall auch nicht vorgesehen: Denn nach § 13 Satz 2 der Thüringer Verordnung zur sonderpädagogischen Förderung trifft
im Regelfall der Schulleiter die Entscheidung über die Aufnahme in eine Förderschule, ohne dass das staatliche Schulamt dazu
seine Zustimmung erteilen müsste, und dementsprechend ist offensichtlich auch hier vorgegangen worden. Ohne Auswirkung auf
den sozialhilferechtlichen Anspruch der Beschwerdeführerin ist, dass bereits im Gutachten über den sonderpädagogischen Förderbedarf
vom 11. Juni 2007 die Empfehlung zur Einschulung in die Schuleingangsphase des Förderzentrums Sehen mit der Notwendigkeit
einer ganztägigen sonderpädagogischen Doppelbesetzung der Klasse verknüpft wurde, und eine Aufnahme danach nur hätte erfolgen
sollen, wenn diese Voraussetzungen erfüllt waren. Wenn dies nicht der Fall war, kann der Beschwerdeführerin jedoch sozialhilferechtlich
nicht entgegen gehalten werden, sie hätte überhaupt nicht in die Schule aufgenommen werden sollen. Denn sie muss sich darauf
verlassen können, dass die Schulleitung einer Schulaufnahme nur dann zustimmt, wenn die erforderliche sonderpädagogische Förderung
gewährleistet ist (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 ThürFSG, wonach der Schulleiter bei der Anmeldung auf der Grundlage eines sonderpädagogischen
Gutachtens über die Notwendigkeit und die Form einer sonderpädagogischen Förderung entscheidet).
Auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhalts benötigt die Beschwerdeführerin in der gegenwärtigen Beschulungsform einen
Integrationshelfer für die Schulzeit. Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens dürfen dabei die Angaben im Gutachten über
den sonderpädagogischen Förderbedarf - 2. Fortschreibung - vom 12. Juni 2008 zu Grunde gelegt werden. Danach wirken sich die
vorhandenen motorischen Probleme auf alle Bereiche im Schulalltag aus: Beim An- und Ausziehen, Ranzen aus- und einpacken,
Mahlzeiten einnehmen benötigt die Beschwerdeführerin immer die Hilfe eines Betreuers. Beim Laufen ist bei Müdigkeit ein Taumeln
bzw. Stolpern zu erkennen, so dass die Beschwerdeführerin zur Sicherheit immer eine Bezugsperson an ihrer Seite braucht. In
unbekannter Umgebung braucht sie Handführung und die Kommentare der Begleitung zur Umgebung, um sicher gehen zu können. Diese
Einschätzung findet Bestätigung im Pflegegutachten des MDK Thüringen vom 25. März 2008. Danach ist der Beschwerdeführerin
u. a. die selbstständige Benutzung der Toilette nicht möglich; Hilfestellung bei der Intimhygiene und beim Richten der Kleidung
ist erforderlich. Die Beschwerdeführerin muss zum Essen und Trinken angeleitet und beaufsichtigt werden. Bei der Durchführung
der grundpflegerischen Verrichtungen benötigt sie ständige Anleitung, Aufsicht und Teilhilfen.
Auf dieser Grundlage erscheint es erforderlich, dass der Beschwerdeführerin ein Integrationshelfer zur Seite gestellt wird.
3. Soweit die Beschwerdegegnerin auf den Vorrang schulrechtlicher Vorschriften verweist, schließt das den Anspruch der Beschwerdeführerin
nicht aus.
a) § 18 Abs. 1 Satz 3 des Thüringer Förderschulgesetzes (ThürFSG) steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erbringen
die sonderpädagogischen Fachkräfte "in Erfüllung ihres pädagogischen Auftrages" Teile der Grundpflege. Die hier in Rede stehenden
Leistungen gehen darüber jedoch eindeutig hinaus, und eine Abgrenzung der insoweit zu erbringenden Leistungen von den übrigen
ist schon gar nicht im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens zu erreichen. Abgesehen davon erscheint die vom Gesetzgeber gewählte
Qualifizierung pflegerischer Aufgaben als pädagogische Leistung unklar.
b) Auch sonstige schulrechtliche Vorschriften schließen den sozialhilferechtlichen Anspruch der Beschwerdeführerin nicht aus.
Zwar stellt nach § 18a Abs. 1 ThürFSG der Schulträger die notwendigen medizinisch-therapeutischen und pflegerischen Leistungen
an den Förderschulen sicher; er ermittelt die zur Berechnung des Pflegebudgets notwendigen Grundlagen und organisiert die
Erbringung der erforderlichen Leistungen durch entsprechendes Fachpersonal; nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ThürFSG ist bei der Anmeldung
des Schülers über die Form einer notwendigen sonderpädagogischen Förderung zu entscheiden. Im Hinblick auf die im sonderpädagogischen
Gutachten vom Juni 2007 festgestellten besonderen Anforderungen an Betreuung, Pflege, Aufsicht und Sicherheit der Beschwerdeführerin
spricht daher hier viel dafür, dass ihr ein Integrationshelfer vom Schulträger zu stellen wäre (wobei nach § 18a ThürFSG auch
Zivildienstleistende zusätzlich als Betreuungspersonal für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf tätig sein können).
Dabei wird der Begriff der "pflegerischen Leistungen" im Sinne des § 18a Abs. 1 ThürFSG in einem umfassenden Sinn des Inhalts
verstanden, dass er alle von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Leistungen umfasst (vgl. Gesetzentwurf zum Thüringer
Gesetz zur Änderung des Förderschulgesetzes und des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen vom 15.
Juli 1998 - LTDrs. 2/3030, S. 1: "Um die Beschulung von Behinderten zu ermöglichen, ist auch die notwendige Pflege und Therapie
an der Schule zu gewährleisten ").
Diese Möglichkeit schließt es aber nicht aus, dass die Beschwerdeführerin gegenüber der Beschwerdegegnerin einen sozialhilferechtlichen
Anspruch auf Bereitstellung eines Integrationshelfers im Rahmen der Eingliederungshilfe hat.
Denn der Schulträger hat der Beschwerdeführerin trotz seines Auftrags zur Sicherstellung der notwendigen medizinisch-therapeutischen
und pflegerischen Leistungen nach § 18a ThürFSG bislang keinen Integrationshelfer zugewiesen. Dabei ist nach Aktenlage schon
fraglich, ob dem Schulträger der Bedarf der Beschwerdeführerin überhaupt bekannt ist. Denn die Schulleitung hat sich - soweit
ersichtlich - mit ihrem Anliegen personeller Verstärkung bislang nur an das staatliche Schulamt gewandt, das diese Möglichkeit
für seinen Bereich verneint hat (vgl. Schreiben vom 15. August 2008). Nach § 2 des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung
der staatlichen Schulen (ThürSchFG) trägt das Land aber nur den Personalaufwand für die Lehrer und die sonderpädagogischen
Fachkräfte an staatlichen Schulen. Der Aufwand für die im Zusammenhang mit dem Schulbesuch notwendige medizinisch-therapeutische
und pflegerische Betreuung der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ohne Anspruch auf sozialversicherungsrechtliche
Leistungen gehört jedoch nicht dazu. Die Kosten dafür sind vielmehr vom Schulträger zu übernehmen (§ 3 Abs. 1 ThürSchFG).
Unter diesen Umständen kann die Beschwerdeführerin im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht darauf verwiesen werden,
die Bereitstellung eines Integrationshelfers vom Schulträger (gegebenenfalls gerichtlich) zu erlangen. Es ist bereits fraglich,
ob für einen derartigen Anspruch überhaupt eine Rechtsgrundlage existiert. Auf § 18a Abs. 1 ThürFSG könnte sich die Beschwerdeführerin
nicht berufen, denn diese Vorschrift gewährt bereits ihrem Wortlaut nach eindeutig kein subjektiv öffentliches Recht des Betroffenen.
Aber selbst wenn ein Anspruch gegenüber dem Schulträger gegeben wäre, schließt das hier einen sozialhilferechtlichen Anspruch
gegenüber der Beschwerdegegnerin nicht aus. Denn es handelt sich nicht um einen "bereiten" Anspruch, dessen Durchsetzung eine
rechtzeitige Bedarfsdeckung im hier geltend gemachten Zeitraum bis zu den Weihnachtsferien ermöglichen dürfte.
4. Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin Leistungen der Pflegeversicherung nach dem
SGB XI erhält und der geltend gemachte Bedarf damit auch darüber abgedeckt sein könnte. Denn nach §
13 Abs.
3 Satz 3
SGB XI sind Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII im Verhältnis zur Pflegeversicherung nicht
nachrangig, wie es §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB XI für Fürsorgeleistungen zur Pflege nach dem SGB XII vorsieht. Im Übrigen ist hier eine Aufspaltung der Maßnahmen in solche
der Eingliederungshilfe und solche der Pflegeversicherung nicht vorzunehmen. Der Einsatz des Integrationshelfers soll der
Beschwerdeführerin den Schulbesuch in einer ihren Erfordernissen gerecht werdenden Weise gerade erst ermöglichen und eine
Behinderung und deren Folgen mildern und sie in die Gesellschaft eingliedern. Damit ist die typische Aufgabe einer Maßnahme
der Eingliederungshilfe beschrieben (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Dass dabei auch pflegerische Komponenten Bestandteil der Leistungen
sind, ändert am Charakter der Leistung als Maßnahme der Eingliederungshilfe nichts. Die Pflegeleistungen erfolgen lediglich
"bei Gelegenheit" der insgesamt auf Ermöglichung der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft gerichteten Maßnahme.
5. Auch die übrigen Voraussetzungen der Leistungsgewährung nach § 54 SGB XII sind auf der Grundlage des sich im Eilverfahren
darstellenden Sachverhalts erfüllt. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Ansparungen aus dem der Beschwerdeführerin eventuell
zugeflossenen Blindengeld nicht als Vermögen zu berücksichtigen wären (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO
20/06 R-).
6. Damit ist auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren erfolgreich.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) und orientiert sich an dem für die Beschwerdeführerin überwiegend erfolgreichen Ausgang des Beschwerdeverfahrens. Der Umfang
der Zurückweisung der Beschwerde fällt gegenüber dem Teil, in dem ihr stattgegeben wurde, nicht ins Gewicht.
8. Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens sollte überprüft werden, ob der individuelle Betreuungsbedarf der Beschwerdeführerin
in der von ihr gegenwärtig besuchten Einrichtung hinreichend befriedigt werden kann. Denn die sozialhilferechtliche Bereitstellung
eines Integrationshelfers erscheint dauerhaft nur gerechtfertigt, wenn sie unter der Voraussetzung erfolgt, dass der festgestellte
sonderpädagogische Förderbedarf erfüllt wird. Ob das auf die gegenwärtig von der Beschwerdeführerin besuchte Klasse der Fall
ist, könnte im Hinblick auf die neueren Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zweifelhaft erscheinen.
Die zeitliche Geltungsdauer dieses Beschlusses bis zu den Weihnachtsferien 2008 sollte genutzt werden, um insoweit weitere
Klärungen zu erreichen. Diesem Aspekt könnte bei eventuellen Folge-Eilanträgen Bedeutung zukommen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).