Gesetzliche Versicherungspflicht
Nichtzulassungsbeschwerde und Subsumtionsrüge
Divergenz als Widerspruch im Rechtssatz
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in seiner
Tätigkeit als Kraftfahrer für den Beigeladenen zu 4. bei mehreren Fahrtaufträgen im Jahr 2008 aufgrund (abhängiger) Beschäftigung
der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen LSG vom 4.3.2014 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 20.5.2014 auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund
nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG), auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) sowie den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils im Sinne einer für den Beschwerdeführer günstigen Entscheidung
besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Soweit der Kläger auf den Seiten 2, 3/4 und 5 der Beschwerdebegründung kritisiert, die Schlussfolgerungen des LSG seien
widersprüchlich, "unlogisch", "inhaltlich nicht belastbar" oder "nicht logisch", weil "Kraftfahren an sich nach der Darstellung
des Landessozialgerichts stets eine Arbeitnehmertätigkeit darstellt", weil "Absprachen zwischen Güterlieferanten und Güterabnehmer
hinsichtlich Ort, Zeit und Umständen" der Lieferung "natürlich mindestens eine 'irgendwie geartete individuelle Arbeitsleistung'"
darstelle oder weil die Feststellung des LSG, der Kläger habe "nur nacheinander für verschiedene Auftraggeber tätig werden"
können, "völlig unklar" sei, benennt er - anders als erforderlich - bereits keine Norm oder Regel des Verfahrensrechts, gegen
die das LSG hierdurch verstoßen haben könnte. Allenfalls käme insoweit die Rüge eines Verstoßes gegen §
128 Abs
1 S 1
SGG in Betracht, jedoch kann die Nichtzulassungsbeschwerde nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG hierauf nicht gestützt werden. Letztendlich setzt der Kläger allein seine rechtliche Würdigung des Sachverhalts an die Stelle
derjenigen des LSG, was auf eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge hinausläuft.
b) Auch der vom Kläger geltend gemachte Verstoß gegen §
128 Abs
2 SGG, weil das LSG entgegen seinem Sachvortrag davon ausgegangen sei, er habe "im Berufungsverfahren abweichend vorgetragen, wenn
ausgeführt wurde, er habe auch Fahrten mit eigenen Fahrzeugen ... vorgenommen" bzw das LSG ausgeführt habe, "der Beigeladene
zu 4 habe 'seine (des Klägers) Arbeitsausführung nicht regelmäßig inspiziert'", wird nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen genügend dargelegt. Nach §
128 Abs
2 SGG darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dies
im Einzelnen darzulegen, hat der Kläger versäumt. Im Gegenteil trägt er selbst vor, bereits in der Berufungsbegründung und
einem nachfolgenden Schriftsatz in Reaktion auf gegenteilige Feststellung im Urteil des SG gerügt zu haben, dass er nicht nur Fahrten mit Lkw über 3,5 t, sondern auch mit einem VW Caddy, Mercedes Sprinter und Vito
vorgenommen habe. Somit hatte er sich gerade zu den vom LSG seinem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen geäußert; darauf, dass
das LSG seinem Vortrag folgt, hat er nach §
128 Abs
2 SGG keinen Anspruch. Bezüglich der Frage einer fehlenden regelmäßigen Inspektion der Arbeitsausführung des Klägers hätte dieser
ua darlegen müssen, wieso sich dieser Umstand nach der Rechtsansicht des LSG überhaupt zu seinen Ungunsten hat auswirken können,
sodass das Urteil des LSG auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen könnte. Auch dies versäumt der Kläger.
2. Soweit der Kläger eine Abweichung des LSG vom Urteil des BSG mit dem Aktenzeichen B 12 KR 28/03 R (vom 22.6.2005 - BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5) geltend macht, hat er die Darlegungsvoraussetzungen für eine Divergenzrüge iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ebenfalls nicht erfüllt. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Der Kläger trägt auf Seite 5 der Beschwerdebegründung vor, das LSG stelle "zusammengefasst den Obersatz" auf:
"Ob eine abhängige Beschäftigung oder ein(e) selbständige Tätigkeit vorliegt, ist nach den Einzelaspekten des Einzelfalles
zu beurteilen, wobei zunächst maßgeblich ist, dass wenn Tätigkeiten ausgeübt werden, die sich von einer vergleichbaren Arbeitnehmertätigkeit
nicht wesentlich unterscheiden, die Wertung für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht. Darüber hinaus sind mehrere
aufeinanderfolgende Tätigkeiten als Kraftfahrer bei verschiedenen Auftraggebern keine unternehmerische Tätigkeit, sondern
typische Anhäufungen von abhängigen Mehrfachbeschäftigungen im Rahmen von aneinander gereihten Minijobs."
Demgegenüber stehe der "Leitsatz" der Entscheidung des BSG vom 22.6.2005 (aaO), wonach zu prüfen sei,
"welche Merkmale überwiegen, wobei das Gesamtbild der Arbeitsleistung zugrunde zu legen ist. Merkmale sind dabei die Einordnung
in den Betrieb und die Ausführungen der Arbeiten hinsichtlich Zeitdauer, Ort und Art sowie hinsichtlich des Weisungsrechtes
des Auftraggebers."
Es kann offen bleiben, ob der Kläger hiermit überhaupt abstrakte Rechtssätze benannt hat, die den genannten Entscheidungen
jeweils zugrunde liegen. Jedenfalls versäumt er es dazulegen, dass diese "Rechtssätze" im Widerspruch zueinander stehen. Ist
dies - wie vorliegend - nicht ohne Weiteres erkennbar, muss der vermeintliche Widerspruch deutlich herausgearbeitet werden.
Die Darlegungsvoraussetzungen werden auch verfehlt, wenn der Kläger des Weiteren rügt, das LSG "hätte zu dem gleichen Ergebnis
kommen müssen" wie das BSG im Urteil vom 22.6.2005, das die - infolge begrenzter Stundenzahl der Tätigkeit für einen Auftraggeber - bestehende Möglichkeit,
auch für andere Auftraggeber tätig zu werden, als Zeichen für eine Selbstständigkeit gewertet habe. Hiermit, wie auch mit
der Rüge einer zu hohen Gewichtung des fehlenden Einsatzes eigener Kraftfahrzeuge durch das LSG (Seite 6 der Beschwerdebegründung),
rügt der Kläger lediglich die - vermeintlich - unrichtige Rechtsanwendung bezogen auf seinen konkreten Fall, worauf aber die
Beschwerde nicht zulässig gestützt werden kann.
3. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Auch diesen Anforderungen genügt die Begründung des Klägers nicht.
Der Kläger hält es für grundsätzlich bedeutsam, zu klären,
"ob das Merkmal, ist der Auftragnehmer Eigentümer des Kraftfahrzeuges, von einer solchen entscheidenden Bedeutung ist, dass
alle anderen Einzelfallmerkmale dahinter im Wesentlichen zurücktreten."
Es müsse geklärt werden, mit welcher Wichtigkeit sich die Frage des Einsatzes eines eigenen Lkw stelle, wenn parallel dazu
Betriebsmittel, wie Benzin und Diesel, vom Auftragnehmer selbst getragen werden. Dies betreffe viele Auftragnehmer verschiedener
namhafter Transportunternehmen. Von erheblicher Bedeutung sei auch die Frage, ob die Tätigkeit für verschiedene Auftraggeber
als "Minijobs" zu werten seien, die sich in ihrer Aneinanderreihung nicht als selbstständige Tätigkeit, sondern als ein "gewissermaßen
ausgegliedertes Arbeitnehmerverhältnis" darstellten.
Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger damit eine oder zwei hinreichend konkrete Rechtsfragen zum Anwendungsbereich einer
revisiblen Norm aufgeworfen und den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls
hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht dargelegt.
Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit hätte der Kläger zumindest die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zur Frage der Abgrenzung von Beschäftigung iS von §
7 SGB IV und selbstständiger Tätigkeit (vgl nur BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 ff mwN) auswerten und aufzeigen müssen, dass sich die formulierten Fragen nicht bereits
auf deren Grundlage beantworten lassen. Dies versäumt der Kläger vollständig. Auch auf die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage
geht der Kläger überhaupt nicht ein, was bereits für sich genommen zur Unzulässigkeit der Grundsatzrüge führt.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.